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  • 10.10.2017 – Verfassungsbeschwerde gegen Gleichstellungsgesetz erfolglos
    10.10.2017 – Verfassungsbeschwerde gegen Gleichstellungsgesetz erfolglos
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Steuer & Recht | Gleichstellungsgesetz M-V

Verfassungsbeschwerde gegen Gleichstellungsgesetz erfolglos


Mit Urteil vom 10.10.2017 hat das Landesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde eines Landesbeamten gegen § 18 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Gleichstellungsgesetz - GlG M-V) vom 11. Juli 2016 (GVOBl. M-V S. 550) zurückgewiesen.

Nach der angegriffenen Vorschrift wird die Gleichstellungsbeauftragte von den weiblichen Beschäftigten der betreffenden Dienststelle aus ihrem Kreise gewählt.

Rechtschutz

Der Beschwerdeführer hat im Wesentlichen geltend gemacht, dadurch gehindert zu sein, für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten zu kandidieren und diese zu wählen. Dies verstoße gegen das Verbot aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes - GG - in Verbindung mit Art. 5 Abs. 3 der Landesverfassung - LV -, aus Gründen des Geschlechts benachteiligt zu werden. Anders als beim vorangegangenen, allein auf Frauenförderung ausgerichteten Gleichstellungsgesetz seien von den Zielen des angegriffenen Gesetzes und den Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten beide Geschlechter erfasst, jedoch ohne die männlichen Beschäftigten bei der Wahl nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GlG M-V einzubeziehen.

Nach der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts verstößt die Beschränkung des aktiven und passiven Wahlrechts auf weibliche Beschäftigte jedenfalls derzeit nicht gegen Art. 3 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 3 LV, weil sie durch das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG legitimiert ist. Sie dient ungeachtet der weitestgehend geschlechtsneutralen Formulierung des Gesetzes der Beseitigung strukturell bedingter Benachteiligung von Frauen, die der Gesetzgeber nach wie vor bezogen auf den Bereich der Führungspositionen auf der Grundlage einer nachvollziehbaren und vertretbaren Einschätzung annimmt. Auch wahrt sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ungeachtet dessen trifft den Gesetzgeber eine Beobachtungspflicht, in deren Konsequenz er die angegriffene Regelung gegebenenfalls später ändern muss.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Da es im Hinblick auf § 18 Abs. 1 Satz 1 GlG M-V nicht um eine Ungleichbehandlung aufgrund von biologischen Unterschieden geht, lässt sie sich nur noch im Wege einer Abwägung mit kollidierendem Verfassungsrecht legitimieren. Insoweit kommt das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG zum Tragen. Dieses berechtigt den Gesetzgeber, faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, durch begünstigende Regelungen auszugleichen. Die Art und Weise, wie der Staat seine Verpflichtung erfüllt, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken, obliegen der gesetzgeberischen Ausgestaltungsbefugnis. Bei der Überprüfung der angegriffenen Vorschrift ist vom Landesverfassungsgericht nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten hat. Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Vorschrift ist danach allein, dass der Gesetzgeber im Spannungsfeld von Frauenförderung und wahlrechtlicher Benachteiligung von Männern einen schonenden Ausgleich hergestellt hat, sich die Beschränkung des Wahlrechts mithin als geeignet, erforderlich und angemessen erweist. Bei der wertenden Einschätzung des notwendigen Förderbedarfs hat er seine Entscheidung an den bestehenden Nachteilen auszurichten. Dabei kommt ihm in tatsächlicher Hinsicht ein Einschätzungs- und im Hinblick auf die von ihm zu treffende Entscheidung ein Gestaltungsspielraum zu, wie das Gericht - auch insoweit in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - annimmt.

Danach ist die angegriffene Regelung jedenfalls derzeit durch den - dem Gesetzgeber mit Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG erteilten - Auftrag gerechtfertigt, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern.

1 Soweit zudem ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip geltend gemacht wurde, erwies sich die Verfassungsbeschwerde bereits als unzulässig.

Das Gleichstellungsgesetz 2016 hat zwar formal beide Geschlechter in gleicher Weise im Blick. Soweit es aber um den Auftrag aus Art. 3 Abs. 2 GG geht, bestehende Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts zu beseitigen, findet es aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse jedenfalls derzeit allein auf Frauen Anwendung und ist damit in der Sache hauptsächlich ein Frauenfördergesetz. Die dem zugrunde liegende Einschätzung des Gesetzgebers, dass weibliche Beschäftigte im öffentlichen Dienst in Teilbereichen nach wie vor strukturell benachteiligt sind, insbesondere im Bereich der Führungspositionen, ist nachvollziehbar und vertretbar und damit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach den Erkenntnissen des Gesetzgebers war demgegenüber nicht von strukturell bedingten Benachteiligungen männlicher Beschäftigter auszugehen. Dementsprechend sind nach der Gesetzesbegründung weiterhin Frauen faktisch Hauptadressat auch der Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten. Angeführt wird neben der strukturell bedingten Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen, dass Frauen überwiegend von sexueller Belästigung und schließlich vorrangig von Familien- und Pflegeaufgaben betroffen sind.

Davon ausgehend erweist sich das hier in Rede stehende Mittel, der Einsatz einer weiblichen, allein von den weiblichen Beschäftigten der betreffenden Dienststelle gewählten Gleichstellungsbeauftragten, trotz der damit verbundenen Benachteiligung von Männern zur Umsetzung des Gleichstellungsauftrages als geeignet, erforderlich und auch als noch angemessen.

Hinsichtlich der Frage der Angemessenheit ist von einem Gleichgewicht zwischen den in Rede stehenden Rechtsgütern auszugehen. Es geht um verschiedene Facetten der Gleichberechtigung der Geschlechter. Die Intensität der Beeinträchtigung der Belange der durch die angegriffene Regelung formal benachteiligten Männer ist eher als gering einzuschätzen. Konkret wird den männlichen Beschäftigten durch die Verwehrung des passiven Wahlrechts allein die Möglichkeit genommen, eine Schutzfunktion zu übernehmen, die nach der vertretbaren Einschätzung des Gesetzgebers faktisch im Wesentlichen Frauen zu Gute kommen soll.

Demgegenüber würde die Tauglichkeit des Instruments zur Erreichung der Ziele des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG beeinträchtigt, wenn die Gleichstellungsbeauftragte, die sich aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten derzeit noch ganz überwiegend der Belange der weiblichen Beschäftigten annehmen soll, von allen Beschäftigten und nicht nur durch die Gruppe derjenigen Beschäftigten gewählt wird, deren Gleichberechtigung sichergestellt werden soll. Dies folgt schon daraus, dass dann eine Einflussnahme durch die Gruppe der nach Auffassung des Gesetzgebers bevorzugten Beschäftigten möglich wäre.

Zugunsten der angegriffenen Beschränkungen des passiven und aktiven Wahlrechts ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich die weiblichen Beschäftigten mit ihren Problemen bei einer von ihnen gewählten Person des gleichen Geschlechts zumindest überwiegend besser aufgehoben und vertreten fühlen werden.

Schließlich wird die Beschränkung des passiven Wahlrechts auch dadurch gerechtfertigt, dass es gerade für die Gleichstellungsbeauftragte wichtig ist, die Verhältnisse im Einzelfall aus der Sicht des benachteiligten Geschlechts beurteilen zu können. Dies gilt schon für die Fähigkeit und Bereitschaft, spezifische Gleichstellungsdefizite zu entdecken und zu benennen, um diese abzustellen. Sie ist von Frauen eher zu erwarten, solange und soweit gerade weibliche Beschäftigte diese Defizite besonders häufig erfahren und diese das Alltagsleben von Männern nicht in gleichem Maße prägen. Entsprechendes gilt für die Erwägung, bei männlichen Gleichstellungsbeauftragten bestehe die Gefahr, dass sich die weiblichen Beschäftigten weniger Verständnis für ihre Anliegen versprechen und deshalb von einer Beratung, Nachfrage oder Information absehen. Dabei werden nicht nur Qualifikation und Sensibilität relevant sein, die ein männlicher Gleichstellungsbeauftragter ebenfalls vorweisen könnte, sondern auch die Akzeptanz bei den zu fördernden weiblichen Beschäftigten, die aus den verschiedensten Gründen geringer sein oder ganz fehlen kann, was die Aufgabenerfüllung konterkarieren könnte.

Auch ist insbesondere der Einsatz eines zusätzlichen männlichen Gleichstellungsbeauftragten (etwa als schonendere Alternative) verfassungsrechtlich nicht geboten, weil der Gesetzgeber bezogen auf männliche Beschäftigte keine geschlechtsspezifischen strukturellen Benachteiligungen hat feststellen können.

Zu einer anderen Betrachtung führt auch nicht der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Umstand, dass der Ansatz des Gesetzgebers, die Vorschriften gleichermaßen auf beide Geschlechter auszurichten, letztlich nicht uneingeschränkt konsequent ausgeführt worden ist. Dies allein nimmt der angegriffenen Vorschrift aus den dargelegten Gründen auch unter dem Gesichtspunkt der notwendigen Folgerichtigkeit jedenfalls derzeit noch nicht die Verhältnismäßigkeit. Auch insoweit ist letztlich maßgeblich, dass das Gleichstellungsgesetz faktisch nach wie vor in erster Linie auf Frauenförderung ausgerichtet ist.

Erweist sich das Gesetz jedenfalls derzeit als verfassungsgemäß, so hat der Gesetzgeber, wovon er in § 22 GlG M-V selbst ausgeht, die weitere Entwicklung sorgfältig zu beobachten. Zum Ausgleich der immer noch vorhandenen strukturellen Benachteiligung von Frauen kann es im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nur darum gehen, diese durch Förderung auszugleichen, bis die zur geschlechtsbedingten Benachteiligung führenden strukturellen Ursachen beseitigt und damit das Gleichstellungsziel erreicht ist. In diesem Zusammenhang weist das Gericht darauf hin, dass der Gesetzgeber selbst für diese Beobachtung einen Zeitraum von fünf Jahren benannt hat.

Der Richter Brinkmann hat der Entscheidung eine abweichende Meinung angefügt.

LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil LVerfG 7/16 vom 10.10.2017



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