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Steuer & Recht | Zivilrecht
Bundesgerichtshof bestätigt Zulässigkeit von Eigenbedarfskündigungen durch eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts und ändert seine Rechtsprechung zur Anbietpflicht eines Vermieters
Der Bundesgerichtshof hat sich am 14.12.2016 in einer Entscheidung mit zwei grundlegenden und für die Praxis bedeutsamen Fragen im Zusammenhang mit Eigenbedarfskündigungen im Wohnraummietrecht beschäftigt.
Die Beklagten haben im Jahr 1985 vom Rechtsvorgänger der Klägerin eine 5-Zimmer-Wohnung in München gemietet; die Miete für die 166 qm große Wohnung beläuft sich inzwischen auf 1.374,52 Euro monatlich.
Die Klägerin ist eine im Jahr 1991 gegründete, aus vier Gesellschaftern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die das Anwesen, in dem die streitige Wohnung liegt, im Gründungsjahr erworben hat. Nach dem Gesellschaftsvertrag besteht der Zweck der Gesellschaft in der "Instandsetzung, Modernisierung und dem Ausbau des Anwesens, dessen Vermietung sowie nach Möglichkeit der Aufteilung in Wohnungseigentum". Im Jahr 1994 begann die Klägerin mit der Sanierung des Anwesens und der Aufteilung der Wohnungen, wobei einige inzwischen verkauft wurden. Die Wohnung der Beklagten ist die letzte Wohnung, die noch nicht saniert ist.
Im September 2013 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis und begründete dies mit Eigenbedarf der Tochter eines der Gesellschafter. Die Beklagten sind der Kündigung entgegengetreten.
Das Amtsgericht hat die Klage auf Räumung und Herausgabe der streitigen Wohnung abgewiesen. Auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei die Kündigung der Klägerin wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam, weil die Klägerin treuwidrig versäumt habe, den Beklagten eine seit April 2014 leerstehende 76 qm große 2-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss anzubieten.
Auch die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat allerdings - unter bewusster Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - die Auffassung vertreten, mit Rücksicht auf den unter anderem in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB* vorgesehenen Bestands- und Verdrängungsschutz des Mieters dürfe eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen Wohnraummietvertrag bereits von vornherein nicht wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters oder dessen Angehörigen kündigen.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Räumungs- und Herausgabebegehren weiter.
Mit beiden von den Instanzgerichten aufgeworfenen Rechtsfragen hat sich der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 14.12.2016 beschäftigt.
1. Zunächst hat er entschieden, dass der - seinem Wortlaut nach auf natürliche Personen zugeschnittene - Kündigungstatbestand des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB* in den Fällen entsprechend anzuwenden ist, in denen als Vermieterin eine teilrechtsfähige (Außen-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts auftritt. Der Senat hat damit seine bisherige Rechtsprechung, wonach einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ein Eigenbedarf eines Gesellschafters oder deren Angehörigen "zuzurechnen" ist, im Ergebnis bestätigt.
Die vom Berufungsgericht angestellten Schutzzwecküberlegungen stehen einer entsprechenden Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB* nicht entgegen. Unzutreffend ist bereits die vom Berufungsgericht als Ausgangspunkt seiner Überlegungen gewählte Prämisse, der Kündigungstatbestand des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB* solle den Mieter vor einem Verdrängungsrisiko durch eine unüberschaubare Anzahl von Personen auf Vermieterseite schützen. Dieser Zweck kommt allein der Kündigungssperre in § 577a BGB** zu. Der Zweck der Kündigungsregelungen in § 573 BGB* besteht dagegen darin, einerseits den vertragstreuen Mieter, für den die Wohnung einen Lebensmittelpunkt darstellt, vor willkürlichen Kündigungen zu schützen, andererseits aber auch dem Vermieter die Befugnis einzuräumen, sich bei Vorliegen eines triftigen Grundes aus dem Mietverhältnis lösen zu können. Durch die Ausgestaltung der einzelnen Kündigungstatbestände sollen keineswegs nur (berechtigte) Mieterinteressen geschützt werden. Vielmehr soll hierdurch ein gerechter Interessenausgleich zwischen den Mietvertragsparteien ermöglicht werden. Dementsprechend wurde den Mitgliedern einer (Außen-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts vor deren im Jahr 2001 durch den Bundesgerichtshof erfolgten Anerkennung ihrer Teilrechtsfähigkeit - unabhängig von der Überschaubarkeit ihrer Gesellschafterverhältnisse - die Befugnis zugebilligt, sich als Vermietermehrheit gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB* auf den Eigenbedarf eines Gesellschafters oder dessen Angehörigen zu berufen.
Durch die Anerkennung einer Teilrechtsfähigkeit einer (Außen-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts sind zwar nicht mehr die Gesellschafter als natürliche Personen Vermieter, sondern die Gesellschaft ist selbst Vermieterin geworden, so dass der auf natürliche Personen zugeschnittene Kündigungstatbestand des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht mehr direkt anwendbar ist. Die Interessenlage hat sich aber - was das Berufungsgericht nicht hinreichend in den Blick genommen hat - nicht verändert. Insbesondere hatte die Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit einer (Außen-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts nicht zum Ziel, die ihr bis dahin zukommende Rechtsposition zu beschneiden. Auch haben sich Anzahl und Identität der Mitglieder einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts hierdurch nicht verändert.
Allerdings ist durch diese rein auf gesellschaftsrechtlichen Erwägungen beruhende Rechtsprechungsänderung im Mietrecht eine - auch vom Gesetzgeber im Rahmen der Mietrechtsreform nicht erkannte und damit ungeplante - Regelungslücke entstanden. Den Gesetzesmaterialien zum Mietrechtsreformgesetz (in Kraft seit 1. September 2001) ist zu entnehmen, dass eine Änderung der bisherigen Rechtslage nicht beabsichtigt war. Mit der im Jahr 2013 erfolgten Ergänzung der Kündigungssperre des § 577a BGB** auf bestimmte Fälle der Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters einer Personengesellschaft hat der Gesetzgeber (erneut) bestätigt, dass er einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts nicht die Befugnis zur Kündigung wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters oder dessen Angehörigen absprechen will, sondern lediglich in bestimmten Fallkonstellationen die Verlängerung der Kündigungsfrist für geboten hält.
Die durch die Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit einer (Außen-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts entstandene Regelungslücke lässt sich nicht allein durch einen Rückgriff auf die Generalklausel des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB schließen, denn ein berechtigtes Interesse im Sinne dieser Vorschrift erfordert eine umfassende Würdigung aller Einzelfallumstände, während es sich bei den in § 573 Abs. 2 BGB aufgeführten Kündigungstatbeständen um gesetzlich typisierte Fälle eines die Belange des Mieters überwiegenden berechtigten Interesses des Vermieters handelt.
Vielmehr ist die Lücke im Wege der analogen Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB dahin zu schließen, dass sich auch eine teilrechtsfähige (Außen-) Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf einen Eigenbedarf ihrer Gesellschafter oder deren Angehörigen berufen darf. Die Geltendmachung des Eigenbedarfs eines Gesellschafters oder dessen Angehörigen ist in allen wesentlichen Punkten einer Miteigentümer- oder Erbengemeinschaft vergleichbar, die sich als rechtlich nicht verselbständigte Zusammenschlüsse natürlicher Personen unmittelbar auf § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB* berufen können. Auch bei solchen Vermietermehrheiten gibt es - ebenso wie bei Gesellschaften des bürgerlichen Rechts - eine große Bandbreite unterschiedlicher Strukturen. Neben kleinen und kompakten Miteigentümer- und Erbengemeinschaften gibt es auch solche, die eine große Mitgliederzahl oder verflochtene Strukturen aufweisen, was etwa bei über mehrere Generationen fortgesetzten Erbengemeinschaften der Fall ist. Folglich ist die vom Berufungsgericht angeführte "Unüberschaubarkeit" des Mitgliederbestands bestimmter Gesellschaften des bürgerlichen Rechts in Anbetracht des Normzwecks des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kein Kriterium, das es erlauben würde, eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts schlechter zu stellen als eine Miteigentümer- oder Erbengemeinschaft. Auf Missbrauchsfälle können die Gerichte weiterhin mit der Anwendung der Vorschrift des § 242 BGB*** angemessen reagieren.
Der Senat hat daher das Berufungsurteil aufgehoben und an das Landgericht zurückverwiesen, damit es die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen des geltend gemachten Eigenbedarfs und zu möglichen Härtegründen treffen kann.
2. Bezüglich der vom Amtsgericht bejahten und vom Berufungsgericht offen gelassenen Frage, ob die Eigenbedarfskündigung der Vermieterin durch die unterlassene Anbietung einer im selben Anwesen gelegenen Zweizimmerwohnung rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam geworden ist, hat der Senat in Abänderung seiner bisherigen Rechtsprechung ausgesprochen, dass dies nicht die Unwirksamkeit einer berechtigt ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung zur Folge hat.
Zwar ist ein Vermieter verpflichtet, die Folgen einer auf Eigenbedarf gestützten Kündigung für den Mieter so gering wie möglich zu halten, da der Wohnung als Mittelpunkt der persönlichen Existenz eines Menschen besondere Bedeutung von Verfassungsrang zukommt. Der Vermieter hat dem betroffenen Mieter deshalb eine andere, ihm während der Kündigungsfrist zur Verfügung stehende Wohnung zur Anmietung anzubieten, sofern diese sich im selben Haus oder derselben Wohnanlage befindet.
Allerdings hält der Senat nicht länger daran fest, dass die Verletzung einer solchen Anbietpflicht durch den Vermieter die Unwirksamkeit der Eigenbedarfskündigung zur Folge hat. Denn hierdurch stellt sich eine - rechtswirksam - ausgesprochene Kündigung nicht nachträglich als unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB***) dar. Vielmehr zieht eine Verletzung der mietvertraglichen Rücksichtnahmepflichten (§ 241 Abs. 2 BGB****) des Vermieters - wie auch bei sonstigen Verstößen gegen Nebenpflichten - lediglich Schadensersatzansprüche nach sich. Dem Mieter können daher allenfalls Ersatzansprüche in Geld für hierdurch entstandene Schäden (etwa Umzugs- und Maklerkosten) zustehen.
BGH, 14.12.2016 zum Urteil VIII ZR 232/15 vom 14.12.2016
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