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Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
VIDEO-INTERVIEW DM
Karlsruhe - Die Drogeriekette dm will über die Kooperation mit der niederländischen Versandapotheke Europa Apotheek Venlo sowie ein breites Arzneimittelsortiment die eigene Kompetenz in Gesundheitsfragen unterstreichen. Derzeit muss man in Karlsruhe aber befürchten, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung Pick-up-Stellen verbieten wird. dm-Geschäftsführerin Petra Schäfer sprach mit APOTHEKE ADHOC über Qualitätskriterien, die Apothekenpflicht und darüber, was die Pick-up-Stellen eigentlich bringen.
ADHOC: Wie ist das Konzept Pick-up entstanden?
SCHÄFER: Als im Jahr 2003 der Versandhandel zugelassen wurde, haben wir
überlegt, wie wir an diesem neuen Markt partizipieren könnten. Unser
Ziel ist es, kompetentester Anbieter für Gesundheitsprodukte außerhalb
der Apotheke zu sein. Wir werden nicht mit der Apotheke konkurrieren
können, weil das zwei ganz unterschiedliche Geschäftsmodelle sind, die
auch nicht miteinander vermischt sein sollten. Trotzdem muss man beim
Kunden sein Profil schärfen.
ADHOC: Was bringen dm die Pick-up-Stellen?
SCHÄFER: Gar nichts, wenn es um monetäre Fragen geht. Aber es bringt
insofern etwas, als dass dm mit Pick-up seine Gesundheitskompetenz
stärkt. In barer Münze lässt sich das sehr schwer rechnen, das sind
Imageaspekte und vertrauensbildende Maßnahmen. Unter dem
Vertrauensaspekt zahlt es sehr wohl auf die Marke dm ein. Für die Europa
Apotheek Venlo ist es natürlich eine Frage der Sichtbarkeit. Wenn man
mit einem Unternehmen wie dm kooperiert und die Marke in 1100 Filialen
immer wieder penetriert wird, zahlt das auf die Markenbildung ein.
ADHOC: Also ist es egal, wie viele Kunden Pick-up nutzen?
SCHÄFER: Beide Partner haben etwas davon: wir bei der Servicekompetenz,
die Europa Apotheek bei der Markenbekanntheit. Unter diesem
Gesichtspunkt muss man das sehen und nicht sofort unter einer Gewinn-
und Verlustrechnung; sonst hätte man so ein Geschäft nicht beginnen
dürfen. Ob das Angebot auch in der Menge angenommen wird, spielt
zunächst eine untergeordnete Rolle. Verbraucherverhalten ändert sich
langsam: Der Versandhandel hat sich auch nicht explosionsartig
entwickelt, und Pick-up ist nur ein Teil davon.
ADHOC: Warum haben Sie trotzdem schon den Roll-out gestartet?
SCHÄFER: Eine nationale Bekanntmachung setzt auch die ubiquitäre Präsenz
der Marke voraus. Wenn man flächendeckend verfügbar ist, kann man ganz
anders kommunizieren. Deswegen haben wir nach einer einjährigen
Testphase mit zunächst 80 Märkten den Roll-out gewagt.
ADHOC: Wie sehen Sie das geplante Pick-up-Verbot?
SCHÄFER: Ich gehe davon aus, dass das verfassungsrechtlich nicht haltbar
wäre. Das hat auch das Bundesjustizministerium in einem Gutachten so
gesehen. Insofern kann man sich das zwar auf die Fahnen schreiben im
Koalitionsvertrag. Aber die Frage ist, ob man gegen die Einschätzung der
Fachjuristen entscheiden kann, und noch dazu gegen den Willen des
Kunden. Ich verstehe auch nicht, warum eine liberale Regierung
Klientelpolitik betreiben muss und nicht alle Chancen ausnutzen will
oder kann, die zur Kostendämpfung beitragen können - natürlich unter dem
Gesichtspunkt, dass die Arzneimittelsicherheit gewahrt bleibt.
ADHOC: Sie meinen die Qualitätskriterien für Pick-up-Stellen.
SCHÄFER: Es ist es schon etwas anderes, ob ein Drogeriemarkt so einen
Service anbietet oder eine Tankstelle oder ein Blumenladen.
Drogeriemärkte beweisen seit 37 Jahren, dass sie in der Lage sind mit
Arzneimitteln umzugehen. Ich bin sicher, dass wir schon heute alle
derzeit diskutierten Standards erfüllen. Wir sind auch gerne bereit, an
diesen Kriterien mitzuarbeiten.
ADHOC: Was schlagen Sie vor?
SCHÄFER: Der kleine Arzneimittelschein, also der Sachkundenachweis, wäre
zwingend. Damit ist garantiert, dass die Menschen gelernt haben, mit
dieser besonderen Ware umzugehen. Außerdem sollte die Übergabe an den
Kunden dokumentiert werden. So steht es auch in unserem Papier. dm hat
außerdem zur Bedingung gemacht, dass die Europa Apotheek Venlo eine
kostenlose Telefonberatung anbietet. Damit ist Pick-up unter
Qualitätsaspekten sicherer als der Versandhandel. Warum sollte ein
Postbote, der garantiert keine Ahnung von Arzneimitteln hat, besser
geeignet sein als ein Drogist, der unter nur verschärften Bedingungen
das Arzneimittel aushändigt?
ADHOC: Würden Sie gegen ein Pick-up-Verbot vor das
Bundesverfassungsgericht ziehen?
SCHÄFER: Ja, ganz sicher.
ADHOC: Versuchen Sie vorab, ein Verbot zu verhindern?
SCHÄFER: Pharmazeutische Lobbyarbeit - gerade auf der Ebene des
Gesundheitsausschusses - muss in erster Linie muss die Europa Apotheek
leisten. Die sind da nach meiner Einschätzung auch sehr präsent. Aber
natürlich sind wir in enger Abstimmung mit unserem Partner.
ADHOC: Hat Sie das EuGH-Urteil zum Fremdbesitzverbot ausgebremst?
SCHÄFER: Eher nicht. Ein anderes Urteil hätte Drogeriemärkten ja nichts
genutzt. Wir hätten dann einen zweiten Unternehmenskanal aufmachen und
außerhalb unserer Filialen eigenständige Apotheken betreiben können.
Aber das entspricht nicht unserer Strategie, wir sind ein exzellenter
Drogist. Für britische oder amerikanische Verhältnisse hätte es weiterer
Änderungen bedurft, davon ist das Fremdbesitzverbot nur ein Bruchteil.
ADHOC: Nichts in den Schubladen?
SCHÄFER: Sie können viele Konzepte in der Schublade haben; die meisten
können Sie dann irgendwann zerreißen. Aus meiner Sicht geht es darum, in
angemessener Zeit auf Veränderungen reagieren zu können. Es hatte auch
niemand daran gedacht, dass mit der Freigabe des Versandhandels
Pick-up-Stellen möglich würden.
ADHOC: Also eher die Flanke Apothekenpflicht?
SCHÄFER: Die können wir als Drogeriemarkt nicht angreifen, das wäre
Sache der Hersteller. Und ich wage zu bezweifeln, dass die
pharmazeutische Industrie derzeit großartiges Interesse daran hat. Auf
Jahre gesehen werden sich die Verhältnisse aber an Europa angleichen.
Dieser Sonderstatus in Deutschland ist nicht zu rechtfertigen. Erklären
Sie mal einem Verbraucher, warum er ausgerechnet hier die höchsten
Arzneimittelpreise bezahlen muss.
Alexander Müller, Donnerstag, 27. Mai 2010, 18:04 Uhr
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