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„VORTEIL24"
Berlin - Die Apothekenkooperation Linda will bei „Vorteil24" Bilanz ziehen: In den kommenden Wochen soll die Testphase mit rund 40 teilnehmenden Linda-Apotheken ausgewertet werden. Neben dem wirtschaftlichen Erfolg dürfte dabei die rechtliche Einschätzung des Pick-up-Konzepts entscheidend sein. Dass der Trick mit dem Mehrwertsteuergefälle zwischen Deutschland und den Niederlanden nicht unproblematisch ist, zeigt ein Beschluss des Finanzgerichts Düsseldorf. Dort streitet sich die Montanus-Apotheke, die hinter dem Konzept steht, bereits seit 2009 mit den Finanzbehörden um die Entrichtung der Umsatzsteuer. Das Gericht äußerte Zweifel, dass die Abhol-Idee der juristischen Prüfung im Hauptsacheverfahren standhält.
Steuerpflichtig oder nicht: Die Montanus Apotheken streiten wegen
ihres Abholkonzepts "Vorteil24" mit den Finanzbehörden. Foto: Montanus
Betroffen sind in dem Verfahren nicht die Linda-Apotheken, sondern nur
die eigenen Apotheken der Familie Winterfeld und ihre niederländische
Versandapotheke. Bei dem Konzept bestellen die Kunden ihre Medikamente
über eine deutsche Apotheke bei Montanus im niederländischen Dinxperlo.
Indem ein externes Unternehmen mit der Abholung beauftragt wird, findet
die Abgabe formal in den Niederlanden statt. Damit kommt nach der Logik
des Konzepts auch der ermäßigte holländische Steuersatz von 6 Prozent
zur Anwendung.
Die Richter beim Finanzgericht sahen in ihrem Beschluss vor einem Jahr
allerdings mögliche Schwachpunkte des Steuertricks: Es sei fraglich, ob
ein Unternehmen den Ort der Lieferung einfach in den allgemeinen
Geschäftsbedingungen (AGB) festlegen könnte, so die Richter. Die
entsprechenden Vertragsklauseln könnten nach dieser Argumentation für
unwirksam erklärt werden - mit erheblichen Konsequenzen für das
Gesamtkonzept.
Konkret geht es in dem Rechtsstreit um den Zeitraum von Januar bis Juli
2009 und insgesamt fast 140.000 Euro Umsatzsteuer. Montanus hatte die
Erlöse als nicht steuerbar deklariert, weil diese in den Niederlanden
erzielt worden seien. Aus Sicht der zuständigen Finanzbehörde sind die
Umsätze dagegen steuerpflichtig; die Vorauszahlungsbescheide wurden
entsprechend festgesetzt.
Einige Abende in der Woche: Die niederländischen Finanzbehörden sahen Montanus 2009 nicht als Apotheke mit normalen Öffnungszeiten. Foto: APOTHEKE ADHOC
Das Finanzamt gewährte Montanus Aufschub, forderte aber Ende Juli 2009
Einblick in die Vermögensverhältnisse der Firma, um eine Gefährdung der
Forderungen auszuschließen. Im September desselben Jahres wandte sich
die Behörde zusätzlich an die niederländischen Finanzbehörden. Die
antworteten im November, dass sich an der Adresse ein Lager befinde, in
dem an einigen Abenden in der Woche von einem niederländischen Apotheker
jeweils von 19 bis 21 Uhr Medikamente verpackt würden. Es handele sich
nicht um eine Apotheke mit normalen Öffnungszeiten, niederländische
Kunden könnten dort keine Medikamente kaufen. Nach Auffassung der
Behörden ist daher die Versandhandelsregelung anzuwenden, die Umsätze
sind in Deutschland zu versteuern.
Nachdem Montanus es abgelehnt hatte, sich finanziell in die Karten
gucken zu lassen, verlangte das deutsche Finanzamt eine Sicherheit von
100.000 Euro für die Aufschiebung der Steuerbescheide. Dagegen richtet
sich die Klage von Montanus.
Über die Entrichtung der Umsatzsteuer hat das Finanzgericht noch nicht
entschieden. Nach Bewertung der AGB hatten die Richter aber Zweifel,
dass Montanus im Hauptsacheverfahren gewinnen würde: „Bei der hier
vorzunehmenden summarischen Prüfung bestehen nach Lage der Akten
durchaus gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die
Medikamentenlieferungen der Antragstellerin im Inland steuerbar und
steuerpflichtig sein könnten", heißt es in der Begründung.
In den AGB wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Kunde das
Risiko der Lieferung - etwa Verlust oder Beschädigung der Ware - schon
bei der Übergabe in den Niederlanden übernimmt. Die Richter vermuten
darin eine unangemessene Benachteiligung der Kunden, da der
Gefahrübergang erst in der deutschen Apotheke erfolgen müsste: „Die
Kunden selbst dürften kein Transportrisiko tragen und hätten insoweit
auch kein Interesse, einen Kurierdienst mit der Beförderung der
Medikamente zu beauftragen", heißt es im Beschluss.
So gesehen wäre der Lieferort Deutschland - und die vermeintliche
Abholung der Ware doch eine Lieferung im Sinne des Versandhandels.
Montanus müsste dann hierzulande die Umsatzsteuer abführen, und der
Vorteil von „Vorteil24" wäre dahin. Wann der Rechtsstreit im
Hauptsacheverfahren fortgesetzt wird, war beim Gericht auf Anfrage noch
nicht zu erfahren.
Alexander Müller, Dienstag, 11. Januar 2011, 11:17 Uhr
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