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SCHWEIZ
Berlin - 10 Prozent der Patienten verursachen 90 Prozent der Kosten. Diese Faustregel hat das Schweizer Bundesgericht zu einer Grundsatzentscheidung geführt. Die Richter mussten zwischen den Therapiekosten und dem Wirtschaftlichkeitsgebot der Krankenkassen abwägen. Dem Urteil zufolge müssen die Kassen für Behandlungen aufkommen, die pro Jahr nicht mehr als 100.000 Schweizer Franken (etwa 77.000 Euro) kosten.
Limit für Arzneimittel: Das Schweizer Bundesgericht hat eine
Obergrenze für die jährlichen Therapiekosten festgelegt. Foto:
Floheinstein
Den Anstoß zum Verfahren hatte eine 70-jährige Patientin gegeben, die an
der seltenen Stoffwechselerkrankung Morbus Pompe leidet. Für ein halbes
Jahr hatte ihre Kasse die Kosten für das Medikament Myozyme
(Alglucosidase) übernommen, das den Muskelschwund stoppen sollte.
Die Patientin war mit der Wirkung zufrieden und beantragte eine
Verlängerung der Therapie um anderthalb Jahre. Die Versicherung, die für
die sechsmonatige Behandlung rund 300.000 Franken ausgegeben hatte,
lehnte ab. Die Patientin zog daraufhin vor Gericht und bekam Recht, da
sie bei einem Gehtest 30 Meter weiter laufen konnte als vor Beginn der
Therapie.
Das Bundesgericht gab in der Revision jedoch der Kasse Recht. Eine
Übernahme der Behandlungskosten widerspreche dem
Wirtschaftlichkeitsgebot, wenn diese nicht im Verhältnis zu dem
entstandenen Nutzen stünden: „Unverhältnismäßig bzw. unwirtschaftlich
sind Kosten, die [...] absolut über 100.000 Franken pro Jahr betragen", so
die Richter in ihrem Urteil. Zur fachlichen Einschätzung empfiehlt das
Bundesgericht eine Nutzenbewertung.
„Die finanziellen Mittel, die einer Gesellschaft zur Erfüllung
gesellschaftlich erwünschter Aufgaben zur Verfügung stehen, sind nicht
unendlich", heißt es weiter im Urteil. Würden alle Patienten mit
seltenen Erkrankungen eine Therapie mit vergleichbarem
Kosten-Nutzen-Verhältnis bekommen, entstünden jährliche Kosten von rund
90 Milliarden Franken. „Das ist rund das 1,6-Fache der gesamten Kosten
des Gesundheitswesens", so das Gericht.
Bei den Krankenkassen bezweifelt man die Tragweite des Urteils. „Wir
empfehlen unseren Mitgliedern zwar, Neukunden die Behandlung mit Myozyme
nicht zu bezahlen", so eine Sprecherin des Kassenverbandes Santésuisse.
Eine Grundsatzentscheidung müsse aber von der Politik getroffen werden,
nicht von einem Gericht. Eine landesweite Regelung sei lange
überfällig: „Gerade bei den Orphan Drugs wurde der Nutzen bisher immer
in Einzelfällen entschieden. Ein Institut für wissenschaftlich fundierte
Kosten-Nutzen-Analysen wäre wünschenswert."
Benjamin Rohrer, Dienstag, 22. Februar 2011, 13:37 Uhr
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