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Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
VIDEO-INTERVIEW BFARM
Berlin - In der
Öffentlichkeit wird derzeit heftig über die Bewertung von Arzneimitteln
durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) diskutiert. Dabei geht es
auch um die Frage, welches Gewicht die Zulassung eines Medikaments hat.
Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gibt
man sich selbstbewusst - obwohl man derzeit ganz andere Sorgen hat.
BfArM-Präsident Professor Dr. Johannes Löwer sprach mit APOTHEKE ADHOC
über die Konkurrenz zum G-BA, die Auslastung des BfArM, die
Novellierung der Packungsgrößenverordnung und die Zukunft der
Arzneimittelzulassung.
ADHOC: Steht das BfArM in Konkurrenz zu G-BA und IQWiG?
LÖWER: Das BfArM wird zurzeit viel zu wenig als die Behörde
wahrgenommen, die sich für die Verfügbarkeit und auch für die
Sicherheit von Arzneimitteln einsetzt. Wir sehen es einerseits als
unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass innovative Arzneimittel den
Marktzugang bekommen, damit Krankheiten besser behandelt werden können.
Andererseits sehen wir auch unsere Aufgabe darin, dafür zu sorgen, dass
diese Arzneimittel so sicher wie möglich sind. Allerdings muss man
feststellen, dass immer mehr der Eindruck entsteht, dass Institutionen,
die die so genannten Health Technology Assessments - also die gesamte
ökonomische Bewertung von möglichen Behandlungen - durchführen, mehr
für den Patienten da sind als die Zulassungsbehörden.
ADHOC: Wie ausgelastet ist das BfArM?
LÖWER: Das BfArM ist gut ausgelastet. Wäre es eine mittelständische
Firma, wäre diese wahrscheinlich unglücklich - wir haben Arbeit für
zwei Jahre auf Halde liegen. Es ist in der Tat ein Problem, das
personell zu bewältigen. Wir erleben zurzeit, dass es ganz schwierig
ist, Fachleute, insbesondere Mediziner, auf dem Arbeitsmarkt zu finden.
ADHOC: Was bedeuten die Rabattverträge für das BfArM?
LÖWER: Wir haben vor ein, zwei Jahren festgestellt, dass die Anzahl der
Anträge auf Zulassung von Generika enorm gestiegen ist. Bei einer
Substanz zum Beispiel, die vor kurzem aus dem Unterlagenschutz befreit
wurde, gab es mit einem Schlag 60 Anträge. Wir haben uns gefragt, wo
das herkommt. Die genaue Antwort wissen wir nicht, aber eine
Möglichkeit besteht darin, dass die Hersteller ihr Portfolio ergänzen
wollten, um dann in Rabattverträgen oder in Verhandlungen zu
Rabattverträgen konkurrenzfähig zu sein. Diese Verträge scheinen also
eine gewisse Rückwirkung auf die Arbeit des Instituts in dem Sinne zu
haben, dass wir vermehrt Generikazulassungen bearbeiten müssen.
ADHOC: Wie sinnvoll wären neue Packungsgrößen?
LÖWER: Auf den ersten Blick, und das muss ich sehr zurückhaltend sagen,
scheint das Sinn zu machen. Das Problem ist, dass in Europa
packungsbezogene Zulassungen existieren: Zum Beispiel werden bei der
Europäischen Arzneimittelagentur packungsbezogene Zulassungen gemacht.
Es wird sich also auf europäischer Ebene teilweise als schwierig
erweisen, diese Packungsgrößenänderungen durchzuführen.
ADHOC: Wieviel Aufwand hätte das BfArM?
LÖWER: Wir haben versucht zu kalkulieren, was an Arbeit auf das BfArM
zukommt, und rechnen im Moment mit etwa 20.000 Änderungsanzeigen, wenn
diese Verordnung in Kraft tritt. Das kann man zum Teil elektronisch
unterstützen; in dem Bereich, wo es „nur" Verwaltungsaufwand ist, kann
man das sicherlich erleichtern. Sobald aber Absprachen mit anderen
Mitgliedsstaaten notwendig werden, um die Zulassungen anzupassen, wird
das arbeitsaufwändig. Es wird sich zeigen, wie leicht das geht und wie
gut auch die anderen Mitgliedsstaaten von der Änderung zu überzeugen
sind.
ADHOC: Wie kann sich das BfArM in Europa positionieren?
LÖWER: Die Arzneimittelzulassung wird ja mehr und mehr europäisch. Eine
der großen Herausforderungen für das BfArM ist, seinen Platz im
europäischen Konzert der Zulassungsbehörden auszubauen und auch zu
verbessern. Ziel müsste sein, dass das BfArM eine allzeits gesuchte
Behörde ist für die Zulassung, aber auch für die Sicherheit der
Patienten.
ADHOC: Was sind die globalen Herausforderungen?
LÖWER: Wir stellen immer mehr fest, dass Wirkstoffe oder Arzneimittel
in Fernost, in Indien oder in China oder in anderen Ländern, produziert
werden. Wir stellen auch fest, dass die Zulassungsbehörden dort nicht
den Stand erreicht haben, den wir hier in Europa oder in den
Vereinigten Staaten kennen. Deswegen gibt es dort eine
Handlungsnotwendigkeit. Die WHO hat sich zum Ziel gemacht, die
nationalen Behörden zu stärken, und ich glaube, nur das hilft weiter.
Die Anzahl der Inspektionen in diesen Ländern kann nicht endlos
vergrößert werden. Es muss vor Ort die Sicherheit gewährleistet werden.
ADHOC: Wohin entwickelt sich die Zulassung in Europa?
LÖWER: Es ist schwer vorauszusagen, wohin die Entwicklung insgesamt
gehen wird. Die größte Wahrscheinlichkeit besteht darin, dass letztlich
alles zentral durchgeführt wird. Derzeit werden ja alle neuen Produkte,
alle neuen Substanzen zentral zugelassen und national eigentlich nur
Generika. In dem Sinne ist die Trennung vernünftig, aber wahrscheinlich
nicht das Endergebnis der Entwicklung.
APOTHEKE ADHOC, Montag, 11. Oktober 2010, 10:39 Uhr
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