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Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
ÖSTERREICH
Berlin - Österreichs Apotheker fühlen sich bei der Selbstmedikation gegenüber ihren ausländischen Kollegen benachteiligt. Weil beispielsweise das Spasmalytikum Buscopan in Österreich verschreibungspflichtig, in Deutschland dagegen rezeptfrei erhältlich ist, regen die Pharmazeuten einen weitreichende Änderung an: Welche Arzneimittel rezeptpflichtig sind, soll demnach EU-weit harmonisiert werden.
Vorschriften aus Brüssel: Österreichs Apotheker wollen eine EU-weite Rezeptpflicht für Arzneimittel. Foto: APOTHEKE ADHOC
Eigentlich sind die österreichischen Pharmazeuten gegen eine
Einmischung aus Brüssel; immerhin ist auch das
Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission zum österreichischen
Fremdbesitzverbot sowie zu den bestehenden Niederlassungsbeschränkungen
nach wie vor nicht vom Tisch. Doch bei der Rezeptpflicht könnten sich
die Apotheker offenbar durchaus vorstellen, dass die Behörde aktiv
wird: Ärzte, Pharmakologen und EU-Kommission müssten gemeinsam
festlegen, welche Wirkstoffe nur auf Rezept erhältlich sind und welche
nicht, sagte ein Sprecher des österreichischen Apothekerverbandes
gegenüber APOTHEKE ADHOC.
Die Forderung ist einigermaßen brisant: Der Diskussion über eine
EU-Rezeptpflicht könnte schnell eine Debatte über eine Harmonisierung
der Apothekenpflicht folgen. In den vergangenen Jahren hatten einige
EU-Länder die Abgabevorschriften für bestimmte OTC-Medikamente
gelockert - mit teilweise widersprüchlichem Erfolg.
Hintergrund für den Vorstoß der österreichischen Apotheker ist die seit
Jahren andauernde Auseinandersetzung mit den Ärzten. Die Pharmazeuten
würden gerne mehr Verantwortung bei der Behandlung kleinerer
Befindlichkeitsstörungen übernehmen und haben eine Studie zu den
Einsparmöglichkeiten vorgelegt. „Man muss nicht wegen jeder Bagatelle
eine Klinik oder wegen jedem Schnupfen sofort einen Arzt aufsuchen",
sagte der Präsident des Apothekerverbandes Dr. Friedemann
Bachleitner-Hofmann. Apotheker seien in der Lage, einen leichten
Schnupfen oder Husten richtig zu behandeln. Die Ärzte wollen dagegen
nichts von ihrer Kompetenz abgeben.
Laut Studie des Wiener Instituts für Pharmaökonomische Forschung
(IPF) könnten jährlich mehr als 740 Millionen Euro gespart werden, wenn
statt Rx-Medikamenten konsequent für dieselbe Indikation zugelassene
OTC-Medikamente abgegeben würden. Den größten Teil des Sparpotentials
bilden demnach mit rund 500 Millionen Euro wegfallende Arzthonorare.
Das eingesparte Geld könnten Krankenkassen gezielt für die Behandlung
schwererer Erkrankungen wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen
ausgeben.
90 Millionen Euro könnten durch die verstärkte Nutzung von
OTC-Medikamenten eingespart werden, wenn sie nicht mehr von den
Krankenkassen erstattet würden. Der Rest entfiele auf sinkende
sozialpolitische Kosten - zum Beispiel niedrigere Krankenstände.
75 Millionen Euro müssten die Patienten aufgrund der entfallenden
Kassenerstattung selbst tragen, sagte IPF-Geschäftsführerin Dr. Evelyn
Walter gegenüber APOTHEKE ADHOC. Bei welchen Krankheiten künftig der
Arztbesuch entfallen soll, müsse allerdings noch diskutiert werden, so
ein Sprecher des Apothekenverbands.
Die Ärzte fürchten um ihre Honorare und kritisieren den Vorstoß der
Apotheker: „So etwas kann nur jemandem einfallen, der wirklich keine
Ahnung von der Tragweite der Medikation samt Risiken, Neben- und
Wechselwirkungen hat", tobte Dr. Christopher Reisner, Präsident der
niederösterreichischen Ärztekammer. Apotheker seien dazu ausgebildet,
Medikamente herzustellen, die Verordnung sei Aufgabe der Ärzte. Eine
Ausweitung der Selbstmedikation erhöhe das medizinische Risiko für die
Patienten und damit auch das finanzielle Risiko für das System.
Janina Rauers, Montag, 27. September 2010, 09:29 Uhr
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