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GROSSHANDEL
Berlin - Der „Domino-Day" im
deutschen Pharmagroßhandel rückt näher. Nachdem Celesio-Chef Dr. Fritz
Oesterle sein Interesse an einem Verkauf der Anzag-Anteile öffentlich
gemacht hat, stehen auch die anderen Großaktionäre - und damit im
Prinzip die gesamte Großhandelsbranche - unter Zugzwang. Im Markt
rechnet niemand mehr damit, dass die derzeitige Eigentümerkonstellation
bis Jahresende Bestand haben wird.
Neue Machtverhältnisse: Um die Zukunft der Anzag wird derzeit verhandelt. Foto: Elke Hinkelbein
Dem Vernehmen nach hat Celesio die US-Investmentbank Morgan Stanley mit
dem Verkaufsprozess beauftragt. Auch bei Phoenix soll die
Verkaufsentscheidung längst gefallen sein. Die beiden Konzerne waren im
September 2003 bei der Anzag eingestiegen und halten jeweils rund 12,5
Prozent der Anteile. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters
wird „unter Hochdruck" mit dem britischen Pharmahändler Alliance Boots
verhandelt, der bereits knapp 30 Prozent der Anzag-Anteile hält.
Sollten allerdings tatsächlich bereits Mandate vergeben sein und
Gespräche laufen, müsste in der Konsequenz auch die Sanacorp als
Baustein im Anzag-Domino bereits „gefallen" sein: Die Münchener
Genossenschaft, die knapp 25 Prozent der Anteile hält, hat nämlich ein
Vorkaufsrecht auf bestimmte Anteile der Mitbewerber.
Die Vereinbarung dürfte zwar nicht mehr allzu viel wert sein, seit
die Wettbewerbsgerichte der Genossenschaft die Übernahme der Anzag
untersagt hatten. Doch theoretisch hätten Celesio und Phoenix ihre
Pakete zuerst in München anbieten müssen: Um sich abzusichern, dass die
Sanacorp nicht ohne Celesio und Phoenix aussteigt beziehungsweise dass
Celesio und Phoenix nicht ohne die Sanacorp verkaufen, hatten die drei
Großhändler wechselseitige Andienungspflichten vereinbart.
Durch den strategischen Patt konnte bislang verhindert werden, dass
Alliance Boots ohne vorherige Abstimmung zum Mehrheitseigner wird. Nach
dem öffentlichkeitswirksamen Ausscheren von Celesio sieht die Situation
anders aus. Alleine die Pakete aus Stuttgart und Mannheim brächten
Alliance Boots die Mehrheit - weder für die Sanacorp noch für die
Noweda oder den niederländischen Großhändler Mediq hätte die Anzag dann
noch irgendeinen strategischen Wert.
Ohnehin könnten alle Großaktionäre das Geld gut gebrauchen, auch wenn
der Kaufpreis deutlich unter dem Hoch vergangener Jahre liegen dürfte.
Vermutlich werden daher alle Großhändler bereits das Gespräch mit
Alliance Boots oder anderen Interessenten suchen. In Finanzkreisen
erwartet man einen Erlös von bis zu 30 Euro je Aktie.
Insofern hätte die Sanacorp Ende 2007 Glück haben können: Damals hatte
Celesio versucht, über den Gerichtsweg an das Anteilspaket der
Münchener zu kommen, als diese ein Gemeinschaftsunternehmen mit der
französischen Genossenschaft Cerp Rouen gegründet hatten. Der
Stuttgarter Konzern hatte gegen die Einbringung der von der Sanacorp
gehaltenen Anteile geklagt und auf sein Vorkaufsrecht gepocht. Hätte er
Erfolg gehabt, hätten Celesio und vermutlich auch Phoenix 36,35 Euro
pro Aktie gezahlt.
Patrick Hollstein, Donnerstag, 16. September 2010, 12:16 Uhr
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