Für Sie gelesen
Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland/ Ausgabe Februar 2011
Essen - Was haben
Arzneimittel und Lebensmittel gemeinsam? Die Neue Allgemeine
Gesundheitszeitung für Deutschland erläutert im Leitartikel der
Februarausgabe das Versagen der Politik in beiden Bereichen. Die
Lebensmittelskandale der letzten Jahre haben gezeigt, dass mangelnde
Kontrollen im Sinne des Verbraucherschutzes zu unhaltbaren Zuständen
führen. Sie werden in aller Regel erst spät bemerkt, meist zu spät.
Vergleichbar mit den Vorfällen in der Lebensmittelproduktion ist auch
der schleichende Verfall einer sicheren Arzneimittelversorgung in
Deutschland: Erst wurde der Versand von Arzneimitteln zugelassen - mit
all seinen Gefahren durch Bestellungen via Internet. Mittlerweile können
Medikamente sogar an so genannten "Pickup-Stellen", wie Drogerien,
Supermärkten oder Tankstellen, abgeholt werden: ganz ohne jegliche
Kontrollen. Die Folgen sind absehbar.
Die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland erscheint
monatlich mit einer Auflage von 1 Million Exemplaren und ist
deutschlandweit kostenlos in Apotheken erhältlich.
DIE POLITIK WIRD NICHT AUS SCHADEN KLUG
Was Dioxin-Skandal und Arzneimittelversand gemeinsam haben
Die Lebensmittelindustrie ist mächtig. Das beweisen manche Hersteller
jeden Tag in den Regalen der Supermärkte. Man tarnt, trickst und täuscht
- mit Produkten und mit Werbung. Und der Verbraucher merkt es nicht.
Leberwurst ohne Leber? Schokoladenkekse ohne Schokolade? "Garnelen" aus
gepresstem Fischeiweiß? Schinken aus Wasser, Gelier- und
Verdickungsmitteln? Mogelkäse aus Ei- weißpulver, Wasser und
Pflanzenfett? Geflügelwurst aus Schweinefleisch? Kein Problem. Wir
Unwissenden kaufen alles.
Nachzulesen ist dies (und noch viel mehr) in Thilo Bodes Bestseller "Die
Essensfälscher". Thilo Bode ist Gründer der
Verbraucherrechtsorganisation Foodwatch. Die Lebensmittelkonzerne nennt
er verantwortungslos, der Politik wirft Bode Versagen vor.
Und er hat recht. Ob unter einer rot-grünen Regierung oder einer
schwarz-gelben, ob BSE-Krise oder Dioxin-Skandal: Die Politik denkt
nicht in die Zukunft hinein, sie agiert nicht, sie reagiert nur - zu
spät und zu lasch, und allemal in der Hoffnung, die Verbraucher würden
sich schon wieder beruhigen.
Das Problem ist - wir Verbraucher beruhigen uns wirklich. Nach einigen
Wochen, einigen Monaten kehren wir zu unseren alten Ess- und
Kaufgewohnheiten zurück. Vielleicht, weil wir sparen müssen, vielleicht,
weil wir Schnäppchenjäger sind, vielleicht, weil wir nicht wahrhaben
wollen, dass, wer billigste Sonderangebote sucht, auch nur billigste
Ware erhalten wird - gestreckt, gefälscht, verhunzt. Gute Werbung
verkauft eben alles.
Doch die "Essensfälschung" ist ja nur ein Aspekt im Konkurrenzkampf um
den Verbraucher. Weil der immer alles möglichst billig haben will - so
behauptet es die Branche - bleibe ihr nichts anderes übrig, als die
Produktionskosten zu senken. Und das führt dann nicht nur zu
minderwertigen Zutaten, sondern auch zu minderwertigen Futtermitteln für
Rinder, Schweine und Geflügel.
So verfütterte man vor der Jahrtausendwende, von England ausgehend, in
riesigem Umfang Tiermehl (!) - welch eine Perversion - an Millionen
Rinder. Was Tiermehl im Futter grasfressender Wiederkäuer zu suchen hat,
wird ewig das Geheimnis der Futtermittelindustrie bleiben.
Das Tiermehl bestand aus gemahlenen Schafskadavern, die mit der
Hirnkrankheit "Scrapie" verseucht waren. Die sprang als neue
Rinderseuche BSE (Bovine Spongiforme Enzephalopathie) auf zehntausende
Rinder und bald auch auf Menschen über. Am 24. November 2000 wurde
erstmals auch in Deutschland bei einer Kuh BSE diagnostiziert. Jetzt kam
auch Leben in die Politik. In nur fünf Tagen wurde ein "Eilgesetz"
erlassen, das ein Tiermehlverbot bei der Fütterung vorsah. So schnell
kann man Gesetze machen, wenn man wirklich will!
Doch für zwei Minister kam das Gesetz zu spät: Landwirtschaftsminister
Funke (SPD) und Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) traten am
9. Januar 2001 zurück. Sie übernahmen damit zu Recht die politische
Verantwortung für einen der dramatischsten Lebensmittelskandale in der
Geschichte der Bunderepublik.
Wer nun glaubt, die Politik habe aus dieser Krise gelernt, der irrt. Für
knapp fünf Jahre übernahm Renate Künast (Grüne) das Ministerium für
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, danach traten Horst
Seehofer (CSU) und Ilse Aigner (CSU) an. Das änderte nichts. Weder wurde
der Umbau der Landwirtschaft zum ökologischen Landbau vorangetrieben
noch der Lebensmittelindustrie die Verbrauchertäuschung verboten noch
die Futtermittelindustrie in ihre Schranken verwiesen.
Nicht einmal eine in anderen Ländern übliche, leicht verständliche
Kennzeichnung von überhöhten Fett- und Zuckerwerten auf den
Produktpackungen setzten unsere "Verbraucherschutzminister" durch.
Zurzeit ist das Gift "Dioxin" buchstäblich in aller Munde. Überhöhte
Werte dieser hochgiftigen Substanz wurden in Eiern, Schweinefleisch und
Geflügel gefunden. Die Folge: vorläufige Schließungen von tausenden
Betrieben, Tötungen von Legehennen und hektische Suche nach verseuchten
Schweinen, die in ganz Europa verkauft wurden.
Doch ganz gleich, was man isst, überall ist Dioxin drin. Mal mehr und
mal weniger. Nach Einstufung der Weltgesundheitsorganisation WHO gelten
Dioxine als krebserregend.
Nun sollte uns das nur beunruhigen, wenn die von der WHO festgelegten
Grenzwerte für eine Tagesaufnahme von Dioxin überschritten werden. Die
mit Dioxin belasteten Eier wiesen zwar "nur" eine Belastung in Höhe des
doppelten Grenzwertes auf, doch weiß niemand, wie hoch der Dioxingehalt
in anderen Lebensmitteln ist. Die Verbraucher reagierten mit
Kaufenthaltung -zu Recht.
Und wer ist schuld?
Wohl alle Beteiligten, die mit der Nahrungskette in
produktionstechnischer, behördlicher oder gesetzgeberischer Hinsicht zu
tun haben.
Schuld trägt natürlich zunächst der Futtermittelhersteller, der
billigere, mit Dioxin verseuchte Industriefette aus der
"Biodiesel"-Produktion statt teurerer Futtermittelfette in tausende
Tonnen Tierfutter kippte.
Schuld tragen aber auch die Verbraucherminister der Länder, die sich für
den Dioxin-Skandal nicht zuständig fühlen und die behördlich
vorgeschriebenen Kontrollen der Futtermittelhersteller nur als
"Kontrolle der Eigenkontrolle" sehen - so ein Sprecher des
schleswig-holsteinischen Verbraucherschutzministeriums. Das
Futtermittelrecht weise eben den Unternehmen große Eigenverantwortung
zu, sagte er auch. Wie das? Die Futtermittelhersteller sollen sich
selber kontrollieren? Absurd.
Also trägt doch der Gesetzgeber die Verantwortung? Nach längerem Zögern
ließ die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft, Ilse Aigner, zumindest ein winziges Stück Verantwortung
aufblitzen: Sie legte einen umfangreichen "Aktionsplan" vor, um
Sicherheitslücken - die waren auch vorher schon bekannt - zu schließen.
Darin fand sich nichts Neues. Solche Pläne hatte der jeweilige
Verbraucherminister vollmundig schon bei früheren Lebensmittelskandalen
vorgelegt. Umgesetzt wurden diese Pläne nie. Und einen Rücktritt lehnt
die Ministerin ab.
Doch ist sie die einzige "Bundesverantwortliche"? Dioxin schadet der
Gesundheit. Für Gesundheit ist der Gesundheitsminister zuständig. In der
BSE-Krise übernahm Gesundheitsministerin Andrea Fischer wenigstens
ihren Teil der Verantwortung und trat zurück. Von Rösler ist nichts zum
Dioxin-Skandal zu hören, geschweige denn von einem Rücktritt. Die
Website des Gesundheitsministeriums ignoriert den Dioxin-Skandal.
Dagegen berichtete die Bild-Zeitung, dass Rösler sich bei der Kanzlerin
für den niedersächsischen Ministerpräsidenten McAllister (CDU)
eingesetzt habe. Den hatte Verbraucherministerin Ilse Aigner wegen
seiner ungenügenden Informationspolitik über notwendige
Betriebsschließungen scharf kritisiert - zu Recht. Statt ihr
beizuspringen, fiel ihr Gesundheitsminister Rösler in den Rücken - eine
seltsame Auffassung von der Bedeutung seines Amtes für die Gesundheit
der Bevölkerung.
Doch das ist bei Gesundheitsministern nicht ungewöhnlich. Selten haben
sie über die negativen Ergebnisse ihrer zumeist unausgegorenen
Gesundheitsreformen vorher nachgedacht. Der Sinnspruch "Was auch immer
Du tust, handle klug und bedenke das Ende" gilt nicht für sie.
Bestes Beispiel für das Ignorieren von Gefahren für Leib und Leben der
Bevölkerung war die unnötige Zulassung des Versandhandels von
Arzneimitteln. Sie öffnete dem Eindringen von Medikamentenfälschungen
bei Bestellungen via Internet Tür und Tor. Das Bundeskriminalamt BKA
weiß ein Lied davon zu singen. Die Arzneimittelkriminalität nehme
eindeutig zu, so Jörg Ziercke, Präsident des BKA. Jedes Jahr werden
tausende Fälle von Arzneimittelfälschungen aufgedeckt. Die Dunkelziffer
ist wohl weitaus größer.
Doch der Versandhandel von Arzneimitteln aus dem Ausland treibt noch
andere gefährliche Blüten: "Abholstellen" (Pick-up-Stellen) in
Drogeriemärkten, Blumenläden, Tankstellen und Kiosken. Dort liegen
hochwirksame Medikamente in ungeklärter und unbekannter Umgebung, bis
der Kunde sie abholt.
Behördlich kontrolliert werden diese Abholstellen nicht, sie müssen nicht einmal angemeldet werden!
Verbieten will Gesundheitsminister Rösler die Abholstellen nicht -
geschweige denn den Versandhandel. Und Kontrollen? Fehlanzeige.
Also alles wie immer. Erst muss das Kind in den Brunnen fallen.
Wann wird das sein? Morgen?
DER AMTSEID
Ein Kommentar der Redaktion
"Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes
widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz
und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten
gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So
wahr mir Gott helfe". Das ist der Wortlaut des Amtseides, den jeder
Minister zu leisten hat. Schaden vom deutschen Volk wenden... Das heißt
für jeden Minister, sich zusammen mit seinem Team frühzeitig Gedanken zu
machen auch über mögliche Gefährdungen für Leib und Leben der
Bevölkerung. Und dann entsprechende Vorkehrungen zu treffen.
Wohlgemerkt - vorher, nicht nach dem Desaster.
NOWEDA eG
Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland
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Email: redaktion@neue-allgemeine.de
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