Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
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Berlin - In Großbritannien sind eine Reihe verschreibungspflichtiger Medikamente seit Monaten Mangelware: Apotheken melden Bestellschwierigkeiten, bei Großhändlern und Pharmaherstellern häufen sich ihre Beschwerdeanrufe. Dabei stünden genug Arzneimittel zur Verfügung, beteuern die Firmen. Doch die dringend auf der Insel benötigten Medikamente werden offenbar ins europäische Ausland verkauft.
Parallelhandel statt Patient: In britischen Apotheken fehlen trotz oder gerade wegen DTP einige Arzneimittel. Foto: Boots
46 verschreibungspflichtige Medikamente sind nach Angaben des
britischen Apothekerverbands derzeit nur schwer erhältlich. Hierzu
gehören das Osteoporosemittel Actonel, das Parkinsonmittel Azilect, das
Potenzmittel Cialis, das Antidepressivum Cymbalta, der
Cholesterinsenker Inegy, das Neuroleptikum Zyprexa sowie die
Asthmamittel Singulair, Spiriva und Symbicort.
Statt einen halben Tag müssten Apotheker und Patienten nicht selten bis
zu zwei Tage auf das gewünschte Medikament warten, sagte ein Londoner
Apothekeninhaber gegenüber APOTHEKE ADHOC. Täglich telefoniere er über
eine Stunde mit Herstellern und Großhändlern: „Der Großhändler
behauptet, er habe keine Ware mehr - der Hersteller dagegen versichert,
am Tag zuvor hunderttausende Packungen geliefert zu haben."
Ist das gewünschte Arzneimittel bei einem Großhändler defekt, muss die
Apotheke auf einen anderen Anbieter ausweichen, wahrscheinlich aber
direkt beim Hersteller anfragen. Denn ausgerechnet Medikamente, die die
Pharmafirmen exklusiv über bestimmte Logistikpartner vertreiben lassen
(Direct to pharmacy, DTP), sind den britischen Apothekern zufolge
besonders schwer erhältlich.
Eigentlich hatten die Pharmakonzerne mit ihren neuartigen
Vertriebskonzepten den Verbleib ihrer teuren Medikamente kontrollieren
und einen Abfluss aus britischen Apotheken in andere Kanäle - vor allem
den hochpreisigen US-Markt - verhindern wollen. Doch während das
bestehende Importverbot in den USA nie aufgehoben wurde, lässt die
Schwäche des britischen Pfunds die Nachfrage im europäischen Ausland
steigen. Der ehemalige Importmarkt hat sich zu einem Exportmarkt
entwickelt.
Weil infolge von DTP zusätzlich die Großhandelskonditionen wegbrechen,
scheint das Exportgeschäft für einige Apotheken zu einer attraktiven
Alternative geworden zu sein. Auch die deutschen Reimporteure dürften
froh sein, bei den Pharmazeuten anzapfen zu können, zumal die
Großhändler - bei DTP reine Auftragslogistiker - als offizielle
Bezugsquelle weitgehend ausfallen.
Die Hersteller setzen auf Kontingentierung, doch das verschärfe das
Problem nur noch mehr, kritisieren die Apotheker. Zu eng und unflexibel
bemessen, könnten mit den bereit gestellten Kontingenten übliche
Schwankungen auf dem heimischen Markt nicht abgefangen werden, heißt es
beim britischen Apothekerverband. Die Folge: Bestellschwierigkeiten,
Versorgungsengpässe und ein frostiges Klima unter den Akteuren.
„11 Prozent der 12.600 britischen Apotheken (...) beuten das System
aus", bellte unlängst die Pharmalobby. Der Markt sei überversorgt; die
Unternehmen stellten nicht selten ein Drittel mehr als benötigt zur
Verfügung. Doch die Apotheken exportierten die Ware lieber, statt sie
an Patienten abzugeben, so der Vorwurf der Hersteller. Schätzungen
zufolge werden demnach monatlich Medikamente im Wert von 30 Millionen
Pfund ausgeführt.
Auch die Arzneimittelaufsicht hat die vermeintliche Schwachstelle
ausgemacht: „Apotheken, die Medikamente exportieren oder Lagerbestände
zu Exportzwecken verkaufen, können existierende
Versorgungsschwierigkeiten verschärfen oder neue schaffen." Nach einem
Vorschlag der Behörde sollen Apotheken, sofern sie keine
Großhandelserlaubnis besitzen, Medikamente künftig nur noch
„gelegentlich, in kleinen Mengen und ohne Profit auf lokaler Ebene"
verkaufen dürfen.
Das eigentliche Problem wird sich damit alleine nicht lösen lassen:
Schon heute dürfen Großhändler laut Gesetz nur bei Herstellern und
anderen Großhändlern kaufen. Deren Zahl nimmt jedoch zu: 2009 erteilte
die Arzneimittelaufsicht 203 neue Großhandelslizenzen - beinahe doppelt
so viele wie im Vorjahr. Knapp 20 Anbieter sicherten sich allein im
Januar 2010 die Erlaubnis; weitere 97 Anträge werden bearbeitet.
Daher sollen zusätzlich die Auflagen für die Zulassung als Zwischenhändler deutlich verschärft werden. Ziel der Behörde ist es, die Zahl von derzeit rund 2000 Lizenzen zu reduzieren. So soll einerseits das Risiko für Fälschungen innerhalb der regulären Lieferkette minimiert werden. Andererseits sollen Arzneimittel wieder zu jenen Empfängern gelangen, für die sie gedacht sind: die britischen Patientinnen und Patienten.
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