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ANZAG
Berlin - Im kommenden Jahr wird die Andreae-Noris Zahn AG (Anzag) 170 Jahre alt. Obwohl Deutschlands drittgrößter Apothekenlieferant, gilt die Anzag seit zwei Jahrzehnten als „Großhändler der Großhändler". Um das Kräfteverhältnis innerhalb der Branche auszugleichen, hatten die Mitbewerber die Anzag gleich zweimal unter sich aufgeteilt. Die Idee eines apothekereigenen Marktführers scheiterte an den Kartellbehörden.
Strategische Interessen: Die Anzag könnte schon bald nicht mehr Großhändler der Großhändler sein. Foto: Elke Hinkelbein
Im Mai 1987 erhielten die Genossenschaften Egwa und Wiveda, die ein
Jahr später zur Sanacorp verschmolzen, einen Hinweis, dass Adolf
Merckle die Übernahme eines größeren Anzag-Pakets plane. Der Eigentümer
des Generikaherstellers Ratiopharm stand kurz vor Vertragsabschluss mit
der Bayerischen Vereinsbank, die allerdings mit dem zweiten
Anzag-Großaktionär, dem Bankhaus Metzler, ein Vorkaufsrecht vereinbart
hatte.
Im Auftrag von Egwa/Wiveda sowie des ebenfalls genossenschaftlichen
Großhändlers Noweda und des Ratiopharm-Konkurrenten Stada kaufte die DG
Bank (heute: DZ Bank) knapp 45 Prozent der Anteile am Frankfurter
Großhändler. Nach weiteren Zukäufen teilten die apothekereigenen
Unternehmen im Juni 1987 zwei Drittel der Anzag-Aktien unter sich auf.
Merckle war vorerst gestoppt - und gründete später Phoenix.
Heißer Sommer: Bei der Anzag in Frankfurt zeichnen sich neue Machtverhältnisse ab. Foto: APOTHEKE ADHOC
14 Jahre später wiederholte sich bei der Anzag Geschichte. Diesmal
waren es die DG Bank, die das von der Stada übernommene Paket veräußern
wollte, und der Italiener Stefano Pessina, der mit seinem Pharmahändler
Alliance UniChem ein Auge auf den deutschen Markt und den Frankfurter
Großhändler geworfen hatte.
Im Mai 2001 meldete die Sanacorp ihre Kaufabsicht beim Bundeskartellamt
an; durch die Übernahme des Pakets hätte die Münchener Genossenschaft
die Mehrheit erlangt. Doch die Wettbewerbshüter intervenierten wegen
Überschneidungen in neun von 14 Gebieten. Die Sanacorp klagte und zog
bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) - am Ende ohne Erfolg.
Im September 2003 übernahmen Celesio und Phoenix die Anteile der DZ
Bank, zunächst mit einer Call-Option zugunsten der Sanacorp, die nach
dem endgültigen Aus vor den Wettbewerbsgerichten wegfiel. Doch schon im
Dezember 2003 gab es plötzlich einen weiteren Mitaktionär: Nachdem die
Noweda von der Sanacorp aus dem Aufsichtsrat gedrängt worden war,
machte die Essener Genossenschaft Kasse und verkaufte 19 Prozent ihrer
Anteile für 61 Millionen Euro an Alliance UniChem, heute Alliance Boots.
Ein Auge auf Deutschland: Stefano Pessina träumt von der Anzag. Foto: Elke Hinkelbein
Damit war die Pattsituation komplett. Wollte man die Briten nicht
in den Markt lassen, mussten die deutschen Eigentümer bei der Anzag
bleiben. Ein anderes strategisches Interesse gab es nicht, schließlich
gab es weder ein Vor noch ein Zurück. Celesio-Chef Dr. Fritz Oesterle
versuchte noch einmal, die Mächteverhältnisse zu verändern: Als die
Sanacorp ihr Geschäft in ein Gemeinschaftsunternehmen mit der
französischen Genossenschaft Cerp Rouen einbrachte, pochte Celesio auf
ein vereinbartes Vorkaufsrecht - ebenfalls ohne Erfolg.
So standen zuletzt die Machtverhältnisse bei der Anzag fest: Alliance
Boots hält bereits knapp 30 Prozent der Anteile, die Sanacorp ist mit
knapp 25 Prozent beteiligt. Den Anzag-Aufsichtsrat hatten die beiden
Unternehmen unter sich aufgeteilt, keinen Posten im Kontrollgremium
haben derzeit die übrigen Großaktionäre Celesio (13 Prozent), Phoenix
(12,5 Prozent), Noweda, Mediq (je knapp 6 Prozent).
Jetzt tritt Celesio die Flucht nach vorn an. Als die Finanzmärkte im
Sommer 2008 in die Knie gingen, halbierte sich auf einen Schlag auch
der Anzag-Kurs und verhagelte dem ebenfalls börsennotierten Konzern aus
Stuttgart regelmäßig die eigene Bilanz. Wie es nach einem möglichen
Einstieg von Pessina und seinen US-Finanzinvestoren KKR mit dem
deutschen Großhandelsmarkt weitergeht, weiß derzeit niemand.
Patrick Hollstein, Freitag, 20. August 2010, 15:13 Uhr
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