Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Wissen & Tipps
Apotheken sind bei Kundenbefragungen im Handel regelmäßig die Beliebtesten. Dennoch können Pharmazeuten mit ihren bisherigen Erfolgsprinzipien nicht auf eine sichere Zukunft hoffen. Neben unberechenbaren Entscheidungen aus Brüssel zeichnen sich weitere Risiken und Gefahrensignale ab: Die Basis der treuen Stammkunden schwand um 27 % auf 44 % in 13 Jahren, trotz neuer Einschreibungen bei Hausapotheken. Die umsatzwichtigen wöchentlichen oder häufigeren Besucher sind um 16 % innerhalb von sechs Jahren auf nur noch 27 % zurückgegangen, nachdem Ärzte größere Packungen verschreiben und immer mehr neue Verkaufsstellen für Gesundheitsprodukte auftauchen. Frei verkäufliche Apothekenprodukte verlieren in der Bevölkerung ihren Imagevorsprung, inzwischen vermuten bereits 29% der Kunden gleichartige Produkte im Supermarkt. Zugleich sind Apotheken beim Verteilen ihrer Zugaben an jeden zweiten Kunden in Form von kleinen Geschenken oder Zeitschriften sehr großzügig. Aber gewinnbringende Kunden, die ohne Rezept einkaufen, werden zu wenig bedacht.
Bestandsaufnahmen aus 200.000 Befragungen von Apothekenkunden, 3.700 Apothekenanalysen sowie erkenntnisreiche Trend-Fortschreibungen aus drei vorangegangenen Arzneimittelversorgungs-Studien bietet das neue Werk des Apothekenkenners und Patientenforschers Prof. Dr. Gerhard F. Riegl von der Hochschule Augsburg unter dem Titel „Apotheken Novum". Aus der Sicht von 83 % der Kundschaft gibt es konkrete Steigerungsmöglichkeiten, um kaufbereite Kunden für die Apotheke zu begeistern und dort zu halten. Diesen chancenreichen Handlungsbedarf sollten die Akteure kennen und richtig einschätzen, unter anderem hinsichtlich Diskretion und Beratungsecke mit Sitzplatz.
In der Apothekenwelt kündigen sich mehr Wettbewerb und marktintelligente Neuerungen an, obwohl heute schon 75 % der Apotheken als sehr preisaktiv gelten und 34 % mitten in preisaggressiven Regionen sitzen.
In dieser Schicksalszeit für Apotheken sind Novitäten erforderlich, die jedoch nicht ungeprüft „das Kind mit dem Bade ausschütten" dürfen. Deshalb plädiert der Autor und Marketingspezialist im Gesundheitssektor auf der Basis eindeutiger Forschungserkenntnisse in dem 372-seitigen Werk für neuartige Apothekenstrategien. Er wirbt für „artgerechtes" Apothekenmarketing, das der einzigartigen Heilberuflichkeit im Handel, der gefragten sozialkompetenten Patientenorientierung sowie der nötigen Sicherheit in der Arzneimittelversorgung gerecht werden muss.
An Hand zahlreicher kunden- und wettbewerbsorientierter Details belegt das Studienwerk: Inhabergeführte unabhängige Apotheken können als Einzelkämpfer oder im geeigneten Kooperations-verbund gegenüber drohenden kapitalstarken Systemanbietern und Ketten nicht nur mithalten, sondern besitzen auch lukrative Überlebens-Chancen. Ziel ist die „Fünf-Sterne-Wohlfühlapotheke" für möglichst viele Menschen der Region. Dafür sollten Apotheker und Mitarbeiter auf artgerechte Weise drei erfolgsentscheidende Kompetenzfelder ausschöpfen.
Als erstes gilt es, die lokale Anziehungskraft zu stärken und das Kundengewinnen im Apotheken-Umkreis von rund 4,6 Kilometern z.B. nach den Regeln des „Grass Root Working" (= Graswurzelbewegung, wie im letzten US-Wahlkampf zwischen Internet und Haustürkontakten zu Bürgern) erfolgreich zu praktizieren. Werbetrend der Zukunft für Apotheken wird ohnehin Weiterempfehlung und Mund-Propaganda sein: 76% kommen zur Apotheke, weil sie gute Kontakte zu Personal und Apotheker haben, 38% finden auf Grund von Empfehlungen zur Apotheke. Erfolgreiche Apothekenteams sollten dementsprechend in ihrem Einzugsbereich bei allen Gesundheitsanliegen „das Gras wachsen hören".
Die zweite Kompetenz konzentriert sich auf die perfekte Gestaltung des Aufenthalts beim durchschnittlich 366 Sekunden dauernden Verweilen der Kunden. Durch kauflustanregende Atmosphäre, ansprechende Angebote, Beratungs- und Qualitätserlebnisse können nach den neuesten Erkenntnissen der modernen Glücksforschung Kunden mit Gesundheit aus der Apotheke nicht nur zufrieden, sondern auch begeistert werden.
Als dritte Kompetenz wirkt die Langzeit-Kundenverbindung in Gesundheitsfragen, unter anderem nach dem wiederentdeckten und aufgewerteten Prinzip der Nachbarschaftsversorgung (Tante-Emma 2.0) oder nach „Third-Place"-Konzepten. Dies ist ein regelmäßiges Treffen von vertrauten Bekannten und Einkaufen unter Freunden quasi auf halbem Weg zwischen Wohnung (First Place) und Arbeitsstätte (Second Place). Apotheken bieten nach diesem Prinzip unverzichtbare Sicherheit und zwischenmenschliche Geborgenheit rund um die Arzneimittelversorgung. Dies kann es niemals im Internet oder im Versandhandel geben. Im immer undurchschaubareren Gesundheitssystem wird für die Versorgung Kranker oder älterer, allein stehender Menschen unter anderem die Entwicklung von „Flatrate"-Konzepten in Apotheken empfohlen, womit Versorgung, Beratung und Produkte inkludiert sein können.
Besondere Merkmale der in diesem Zukunftswerk
beschriebenen artgerechten Apotheken-Aktivitäten sind: Sie dürfen von Haus aus nicht zu viel kosten, aber sie müssen sehr wirkungsvoll sein und sie erfordern ein innovatives Brechen von Regeln beim Kundenumgang im Rahmen des Erlaubten. Der Qualitätswettbewerb durch beste Beratung wird von Apothekenkunden acht Mal häufiger erwünscht als ein Wettbewerb mit niedrigsten Preisen. Nur 2 % der Kunden sind bereit, sich bei Niedrigpreisen in Nachbarapotheken auf Vorrat mit Arzneimitteln einzudecken.
Bei artgerechter Apothekenprofilierung stehen nicht aufwändige, gleichmacherische oder verzweifelte Werbefeldzüge im Vordergrund. Vielmehr sollte der Apothekeninhaber mit seinen Mitarbeitern ein Teil der vertrauenswürdigen Marke werden. Soziale Kontakte und Verantwortung für Kunden stellen den Markenkern der Apotheke dar und sind für 87 % der Kunden wichtig; für Junge unter 30 Jahren sogar zu 93 % und damit die Hauptattraktion für die Apothekenzukunft!
von Prof. Dr. Gerhard F. Riegl /ApoRsik
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