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APOTHEKENEXKLUSIVITÄT
Berlin - „Exklusiv aus Ihrer Apotheke!" Mit diesem oder ähnlichen Slogans werben viele Hersteller freiverkäuflicher Arznei- oder Nahrungsergänzungsmittel. Trotzdem tauchen die Markenartikel immer wieder in Drogeriemärkten oder Einzelhandelsketten auf. Die Apotheker fühlen sich hintergangen, dabei sind es Insidern zufolge vor allem Kollegen, die mit „grauer Ware" handeln. Auch einzelne Großhandelsniederlassungen liefern offenbar an Drogeriemärkte. Während einige Hersteller das Problem über die Kodierung ihrer Packungen lösen wollen, eruieren andere trotz öffentlichen Bekenntnissen zur Apotheke ihre Chancen im Mass-Market.
Angriff des Mass Markets: Drogeriemärkte wollen mit Gesundheitsprodukten punkten. Foto: Elke Hinkelbein
Den Drogeriemärkten geht es einerseits um zusätzliche Umsätze, zumal die hochwertigeren „Apothekenpräparate" als Referenzen für die Eigenmarken dienen können. Zuweilen werden die Präparate im Mass-Market zu höheren Preisen verkauft als in Apotheken. Einer Studie des Marktforschungsunternehmens IMS Health zufolge waren die Preisnachlässe auf drei Pflegeprodukte in Apotheken durchschnittlich doppelt so hoch wie im Mass-Market. Drogeriemärkte orientierten sich weniger an dem vom Hersteller empfohlenen Preis, als an ihren eigenen Category-Management-Konzepten, begründen die Autoren der Studie.
Neuland erschließen: Auch Einzelhändler wie Marktkauf setzen auf "apothekenexklusive" Präparate. Foto: APOTHEKE ADHOC
Daneben ist es für die Drogeriemärkte entscheidend, inhaltlich näher an
die Apotheke zu rücken. Das geht über Kooperationen mit
Versandapotheken, noch unmittelbarer aber über Produkte, die Verbraucher
sonst nur aus Apotheken kennen. Denn die Unterscheidung zwischen
apothekenpflichtigen und apothekenexklusiven - also freiverkäuflichen -
Arzneimitteln ist bei einigen Produktlinien sogar für geschultes
Personal schwierig. So verkaufen Filialen der Drogeriekette dm derzeit
unter anderem Dobendan Strepsils Halsschmerztabletten von Reckitt
Benckiser/Klosterfrau. Die Benzocain-haltige Variante Dobendan Strepsils
Dolo ist dagegen apothekenpflichtig.
Die betroffenen Hersteller beteuern ihre Unschuld: Ein
Klosterfrau-Sprecher versicherte, dass das Unternehmen
apothekenexklusive Arzneimittel nicht an andere Vertriebskanäle liefere
oder liefern lasse. „Leider gibt es für uns keine rechtlichen
Möglichkeiten, den Verkauf von unseren Produkten, deren Erwerb zum
Zwecke der Weiterleitung an den Mass-Market missbräuchlich erfolgt, zu
unterbinden", so der Sprecher gegenüber APOTHEKE ADHOC.
Wahrnehmung verändern: Drogeriemärkte versuchen das Image von Apotheken zu kopieren. Foto: Elke Hinkelbein
Auch Hermes (Biolectra, Optovit, Cevitt, Optolind) versichert, dass der
Verkauf der eigenen Produkte außerhalb der Apotheke ausdrücklich nicht
gewünscht sei und nicht den Geschäftszielen entspreche. Um die
Apothekenexklusivität auf Dauer sicher zu stellen, seien sämtliche
Packungen der Top-Marken kodiert und könnten auf diese Weise zurück
verfolgt werden. Graumarkthändler ließen sich so schnell ausfindig
machen, weitere Schritte behalte man sich vor.
Die Firma Dr. Pfleger hatte zuletzt sogar zwei Großhandlungen überführt,
über die das Halsschmerzmittel Ipalat an Drogeriemärkte geliefert
worden war. Seit Mitte Januar versieht der Hersteller seine Präparate
mit einer empfängerorientierten Kodierung. Über Testkäufe konnte der
Mittelständler aus Bamberg herausfinden, wie die Warenströme fließen:
Bundesweit tauchten in Drogeriemärkten von Rossmann und dm sowie bei
Globus Ipalat-Packungen auf, die Dr. Pfleger an die Gehe-Niederlassung
in Düsseldorf geliefert hatte. Bei der Drogeriekette Müller fanden die
Testkäufer Ware aus der Münchener Niederlassung von Phoenix.
Kaum zu unterscheiden: Freiverkäufliche Produkte sehen ihren apothekenpflichtigen Schwesterpräparaten oft zum Verwechesln ähnlich. Foto: APOTHEKE ADHOC
Der Hersteller fragte nach - und war von den Reaktionen der Großhändler
enttäuscht: Zwar zeigte man bei Gehe Verständnis für den Wunsch nach
Apothekenexklusivität. „Es hat uns jedoch etwas überrascht, dass wir als
Großhändler hierzu geeignete Maßnahmen nennen sollen", heißt es im
Antwortschreiben. Die Absicherung der Vertriebswege sei Sache der
Hersteller.
Phoenix versicherte auf Nachfrage, nicht an diese Filialen geliefert zu
haben und ebenfalls an der Apothekenexklusivität der Produkte
interessiert zu sein. Der Branchenprimus sieht den Königsweg in
Vertriebsbindungsverträgen.
Doch das kommt für Dr. Pfleger nicht in Frage: Vertriebsbindungsverträge
seien logistisch zu aufwendig und zu teuer, sagte ein
Unternehmenssprecher gegenüber APOTHEKE ADHOC. „Außerdem ist man als
Mittelständler gegenüber Apotheken in einer schwächeren Position als ein
großer Konzern", so der Sprecher. Das Kodiersystem sei innerhalb von
sechs Wochen entwickelt worden, die Kosten lägen unter 100.000 Euro.
„Jetzt sind wir sehr gespannt, ob diese Warenströme versiegen", sagte
der Sprecher. Man wolle niemanden an den Pranger stellen, „aber uns war
wichtig, zu beweisen, dass wir nicht an Drogeriemärkte liefern
Zum Vergleich: Das rezeptpflichtige Dolo Dobendan rechts, das freiverkäufliche Dobendan links daneben. Foto: APOTHEKE ADHOC
Bei Dr. Pfleger ärgert man sich auch über Apotheker, die ihre
Graumarktgeschäfte hartnäckig leugnen: „Das steht gestandenen
Einzehändlern nicht gut zu Gesicht", findet der Unternehmenssprecher.
Auch die „Lippenbekenntnisse" der Konkurrenz verärgern den Hersteller:
„Natürlich könnten auch andere Hersteller etwas unternehmen, aber der
Graumarkt wird oft billigend in Kauf genommen oder sogar willentlich
gesteuert."
Glaubt man Insidern, machen tatsächlich nicht alle Unternehmen ernst:
„Wenn eine einzelne Apotheke in riesigen Mengen einkauft, könnte der
Hersteller schon misstrauisch werden. Aber viele wollen lieber testen,
wie ihre Ware um Mass-Market funktioniert", sagte Jens Apermann, der den
Einkauf für Budniskowsky organisiert hatte. Zwar schwanke das Angebot
im Graumarkt, „aber derzeit ist mehr Ware erhältlich, als an
Drogeriemärkte verkauft werden kann", meinte Apermann.
Alexander Müller, Donnerstag, 06. Mai 2010, 08:37 Uhr
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