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hier ist der vollständige Text für Sie:
Steuer & Recht
Seit Inkraftreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes tun sich Arbeitgeber schwer, eine neu zu bestzende Stelle richtig auszuschreiben und Bewerbungsverfahren diskriminierungsneutral durchzuführen. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) macht es den Arbeitgebern dabei nicht leichter. Nach Ansicht der erfurter Richter trägt der Arbeitgeber bei Vorliegen von Indizien für eine Diskriminierung die Beweislast dafür, dass eine solche tatsächlich nicht stattgefunden hat. In dem vor dem BAG verhandelten Fall (BAG, Urt. v. 24.01.2013, Az.8 AZR 429/11) hatte eine öffentlich-rechtliche Krankenhausträgerin in einer an „Berufsanfänger" gerichteten Stellenanzeige für ein Traineeprogramm „Hochschulabsolventen/Young Professionells" geworben und die Bewerbung eines 36jährigen Bewerbers mit Berufserfahrung bei einer Rechtschutzversicherung und als Rechtsanwalt nicht berücksichtigt. Der abgewiesene Bewerber wandte sich darufhin mit Schadenersatzansprüchen gegen den potentiellen Arbeitgeber an das Arbeitsgericht; vor dem BAG hatte er nunmehr mit seinem Ansinnen teilweise Erfolg.
Der Fall:
Die Beklagte betreibt als Körperschaft des öffentlichen Rechts einen universitären Krankenhausbetrieb und hatte zur Deckung ihres künftigen Bedarfs an Nachwuchsführungskräften in der Verwaltung ein "Trainee-Programm" für Hochschulabsolventen/Young Professionals beschlossen, das ausdrücklich für Berufsanfänger vorgesehen war. Jährlich sollten zunächst zwei Bewerber rekrutiert und - nach einem dreimonatigen Praktikum in der Pflege - 21 Monate lang mit aufeinander abgestimmten Einsätzen in verschiedenen Geschäftsbereichen und Abteilungen ausgebildet werden. Flankiert werden sollte das Programm durch Fortbildungsveranstaltungen und Seminare. Die Beklagte schrieb deshalb im April 2009 in mehreren Zeitungsanzeigen zwei Stellen für das Trainee-Programm aus, indem sie das Konzept wie vorstehend beschrieb und die Anforderungen bezeichnete. Abschließend heißt es in der Ausschreibung:
"Die C. - Universitätsmedizin Berlin - trifft ihre Personalentscheidungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. (...). Außerdem streben wir eine Erhöhung des Anteils von Frauen an und fordern Frauen nachdrücklich auf, sich zu bewerben. Bei gleichwertiger Qualifikation werden Frauen im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten vorrangig berücksichtigt."
Der damals 36 Jahre alte Kläger, der über eine juristische Ausbildung mit zwei Staatsexamina verfügt, Berufserfahrung bei einer Rechtsschutzversicherung als Leiter einer 5-köpfigen Juristengruppe erworben hatte und inzwischen als Rechtsanwalt tätig war, bewarb sich mit Schreiben vom 11.04.2009 auf die Stellenausschreibung. Von den 310 Bewerberinnen und Bewerbern, die in getrennten Listen nach ihrem Geschlecht erfasst wurden und von denen ca. 2/3 weiblich waren, wurden insgesamt 29 zu einem Assessment-Center eingeladen, davon 18 Frauen und 11 Männer. Eingestellt wurden schließlich eine Frau und ein Mann. Unter dem 04.06.2009 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Absage, was diesen eine Benachteiligung wegen seines Alters und Geschlechts vermuten ließ und dazu veranlasste, die Beklagte mit Schreiben vom 02.08.2009 zur Unterlassung von Benachteiligungen von Bewerbern wegen ihres Alters und Geschlechts, zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung in Höhe von drei geschätzten Monatsgehältern sowie zur Anerkennung eines Schadensersatzanspruchs aufzufordern. Nach ergebnislosem Verstreichen der gesetzten Frist hat der Kläger Klage erhoben.
Der Verfahrensgang:
In den ersten beiden Instanzen hatte der Kläger keinen Erfolg. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht hatten die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das Ansinnen des Klägers sei unbegründet, weil eine Benachteiligung bei keinem der hier einschlägigen Diskriminierungsmerkmale gegeben sei. Eine geschlechtsbezogene Benachteiligung in der Stellenausschreibung liege nicht vor, weil lediglich die gesetzlichen Vorgaben zum Ausdruck gebracht worden seien. Auch aufgrund Altersdiskriminierung bestünden keine Ansprüche. Zwar liege in der Stellenausschreibung eine mittelbare Benachteiligung von älteren Menschen, weil sich die Ausschreibung ausdrücklich an Hochschulabsolventen ohne Berufserfahrung richte. Dies sei aber durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt, weil das notwendige Erfahrungswissen erst im Krankenhausbetrieb erworben werden sollte und auch die "Formung" von Nachwuchskräften ermöglichen sollte.
Allerdings genügt es nach der modifizierenden gesetzlichen Beweislastregelung des § 22 AGG, dass der Anspruchsteller Indizien vorträgt und im Streitfalle beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. An diese Vermutungsvoraussetzungen ist kein zu strenger Maßstab anzulegen. Es ist nicht erforderlich, dass die Tatsachen einen zwingenden Indizienschluss für eine Verknüpfung der Benachteiligung mit einem Benachteiligungsmerkmal zulassen. Vielmehr reicht es aus, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung hierfür eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht (BAG vom 20.05.2010 - 8 AZR 287/08 (A) - NZA 2010, 1006). Zu solchen Indiztatsachen gehören auch eine nicht "merkmalsfreie" Ausschreibung, wie sich aus § 11 AGG ergibt, und ein ebensolches Auswahlverfahren (BVerfG vom 21.09.2006 - 1 BvR 308/03 - AP Nr. 24 zu § 611a BGB; BAG vom 24.04.2008 - 8 AZR 257/07 - AP Nr. 2 zu § 33 AGG).
Hat der Anspruchsteller solche Indizien vorgetragen und bewiesen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Dies kann dadurch geschehen, dass sie Tatsachen beweist, die den Tatbestand einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung ausschließen. Sie kann aber auch Gründe vortragen, die die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (BAG 28.01.2010 - 2 AZR 764/08 - NZA 2010, 625). Dazu gehören rechtmäßige Ziele iSd. § 3 Abs. 2 AGG, positive Maßnahmen nach § 5 AGG oder gemäß §§ 8 bis 10 zugelassene unterschiedliche Behandlungen.
Danach sei die Benachteiligung des Klägers ist nicht wegen seines Geschlechts erfolgt und die Benachteiligung wegen seines Alters jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Auch wenn sich die Stellenanzeige ausschließlich an "Hochschulabsolventen/Young Professionels" und an Berufsanfänger richtete,sei das Ziel der Beklagten, Nachwuchspersonal für den Führungskräftebedarf auszubilden schutzwürdig. Darüber hinaus weise ein solches Ansinnen einen sozialen Bezug auf, weil es den Einstieg von Berufsanfängern in das Berufsleben erleichtern helfe.
Die Entscheidung des BAG:
Das Bundesarbeitsgericht teilt diese Einschätzung nicht. In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es hierzu.
"Die Stellenausschreibung, die sich an Hochschulabsolventen/Young Professionells und an Berufsanfänger richtet, begründet ein Indiz für eine Benachteiligung des abgelehnten Klägers wegen dessen Alters. Dieses Indiz könnte die Beklagte widerlegen, wenn sie nur die Bewerber mit den besten Examensnoten in die Bewerberauswahl einbezogen hätte, weil sie als öffentliche Arbeitgeberin gemäß Art. 33 Abs. 2 GG Stellen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der Bewerber zu besetzen hatte. Da der Kläger eine solche Bewerberauswahl durch die Beklagte bestritten hatte, war die Sache zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen."
Bewertung:
Es bleibt abzuwarten, ob die Entscheidung schlussendlich zu einer Verurteilung der beklagten Klinik führen wird. Insoweit ist jedoch jedem Arbeitgeber besondere Vorsicht bei der Stellenausschreibung anzuraten.
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