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Wirtschaft & Börse
Das Bruttoinlandsprodukt wächst trotz der Krise im Euroraum weiter, im
kommenden Jahr sogar um über zwei Prozent - Haushaltskonsolidierung ist noch
nicht abgeschlossen
Die deutsche Wirtschaft ist aufgrund einer schwachen zweiten Jahreshälfte im
Jahr 2012 lediglich um 0,8 Prozent gewachsen. Doch die gebremste Dynamik hält
nicht lange an: Bereits in diesem Jahr wird das Bruttoinlandsprodukt mit
zunehmendem Tempo um insgesamt 0,9 Prozent steigen, im kommenden Jahr ist sogar
eine jahresdurchschnittliche Rate von mehr als zwei Prozent möglich. Das geht
aus den "Wintergrundlinien 2013" des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hervor. "Die wirtschaftliche Entwicklung
ist in Deutschland noch immer erheblich kräftiger als im Rest der
Währungsunion, obwohl die derzeit schwache Nachfrage aus Nachbarländern wie
Frankreich und den Niederlanden die deutsche Wirtschaft belastet", sagt
DIW-Konjunkturchef Ferdinand Fichtner. "Die Nachfrage nach deutschen
Exportprodukten steigt aber im Jahresverlauf 2013 wieder. Außerdem bleibt die
Lage am Arbeitsmarkt gut, so dass die Konsumnachfrage kräftig zunehmen
dürfte." Von der insgesamt guten konjunkturellen Situation profitiert auch
der öffentliche Gesamthaushalt, der bereits im vergangenen Jahr mit einem
Überschuss abschließen konnte.
Exportaussichten verbessern sich mit anziehender Weltkonjunktur
Der größte Hemmschuh für die deutsche Wirtschaft ist nach wie vor die Krise im
Euroraum. Die Währungsunion steckt nach Einschätzung des DIW Berlin insgesamt
weiterhin in der Rezession. Darunter leiden auch die deutschen Exporte: So
waren die Ausfuhren in den Euroraum in den ersten zehn Monaten 2012 insgesamt
geringer als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Dass die Exporte im
vergangenen Jahr trotzdem leicht zugenommen haben, lag vor allem an der
merklich steigenden Nachfrage aus den übrigen EU-Ländern und insbesondere den
dynamischen Ausfuhren in Drittländer.
Im Verlauf dieses Jahres ist - vor allem aufgrund der anziehenden
Weltkonjunktur - ein kräftigerer Anstieg der Exporte zu erwarten. "Mit den
verbesserten Absatzaussichten dürften die Unternehmen zudem wieder vermehrt
investieren, zumal dies bei den derzeit günstigen Finanzierungsbedingungen
besonders attraktiv ist", erklärt DIW-Deutschlandexperte Simon Junker.
Hinzu kommt: Die Nervosität auf den Finanzmärkten hat zuletzt spürbar
nachgelassen, nicht zuletzt aufgrund der unkonventionellen Geldpolitik der
Europäischen Zentralbank. So hat etwa die Ankündigung einer Ausweitung der
Aufkaufprogramme für Staatsanleihen die Märkte beruhigt. "In den
Krisenländern sorgt das zunächst für mehr Stabilität", sagt Fichtner.
"Eine nachhaltige Lösung der Finanzmarktprobleme ist dies freilich
nicht."
Privater Konsum stützt Wachstum
Nach Einschätzung des DIW Berlin stützt sich die wirtschaftliche Entwicklung in
Deutschland vor allem auf die inländische Nachfrage. "Die Binnennachfrage
wird in diesem und auch im kommenden Jahr die wesentliche Stütze des Wachstums
sein", sagt Junker. Grund dafür sei in erster Linie der robuste
Arbeitsmarkt: Zwar ist der Aufbau der Erwerbstätigenzahl seit dem Spätsommer
2012 zunächst zum Stillstand gekommen und die Arbeitslosenquote leicht
gestiegen. Entlassungen werden von den Unternehmen aber durch verkürzte
Arbeitszeit und den Abbau von Überstunden weitgehend vermieden, damit sie ihr
Personal im bereits absehbaren Aufschwung schnell wieder in vollem Umfang
einsetzen können. "Trotz der vorübergehenden Flaute am Arbeitsmarkt werden
die Löhne kräftig steigen", erläutert Junker. In einigen Branchen seien
bereits kräftige Lohnerhöhungen für das Jahr 2013 vereinbart worden. "Auch
in den anstehenden Tarifrunden dürften spürbare Lohnsteigerungen erreicht werden",
so Junker. Diese Einkommensentwicklung wird nach DIW-Einschätzung den privaten
Konsum stützen, auch weil die Inflationsrate im laufenden und im kommenden Jahr
mit knapp zwei Prozent nicht besonders hoch sein wird.
Haushaltskonsolidierung bei Weitem noch nicht abgeschlossen
Die gute Beschäftigungslage und die hohen Lohnabschlüsse haben einen weiteren
Effekt: Die Steuereinnahmen steigen nach wie vor kräftig. Die gute
Einnahmesituation insgesamt hat dazu beigetragen, dass der öffentliche
Gesamthaushalt bereits 2012 ein leichtes Plus ausweisen konnte. Allerdings
haben dazu in erster Linie die Sozialversicherungen beigetragen: Renten-,
Arbeitslosen- und Krankenversicherung schlossen das vergangene Jahr mit einem
Überschuss ab. Der Bundeshaushalt hingegen wies ein merkliches Defizit aus und
wird auch im laufenden Jahr unterfinanziert sein. "Die Bundesregierung hat
den Konsolidierungskurs gelockert", sagt DIW-Finanzexpertin Kristina van
Deuverden. "Dass die trotz Konjunkturflaute gute wirtschaftliche Ausgangslage
nicht genutzt wird, ihn zu straffen, dürfte sich noch als Fehler
erweisen."
So wurden Mehrausgaben etwa für einen Rentenzuschuss für Geringverdiener und
das Betreuungsgeld beschlossen. Einnahmenerhöhende Maßnahmen wie die Einführung
einer Finanztransaktionssteuer sind hingegen nicht umgesetzt worden.
Stattdessen greift der Bund auf Gewinne der Kreditanstalt für Wiederaufbau
zurück und entzieht den Sozialkassen Gelder. Die Risiken dieses Kurses sind
beträchtlich: Bei einer Eintrübung der Konjunktur könnten die Sozialversicherungen
schnell wieder auf Zuschüsse des Bundes angewiesen sein, zudem könnten die
Zinsausgaben steigen und weitere Verpflichtungen aus den Rettungsschirmen
entstehen, so van Deuverden. "Der Bund steht vor großen Herausforderungen.
Die Haushaltskonsolidierung ist bei Weitem noch nicht abgeschlossen."
Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage des DIW
Berlin.
Quelle: DIW Berlin
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