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OTC-HERSTELLER
Berlin - Die Geschichte der heutigen Klosterfrau-Gruppe beginnt 1929. Am 7. Mai tritt Konsul Wilhelm Doerenkamp als Kommanditist neu in das Familienunternehmen ein. Der 1882 geborene Kaufmann ist als Generalvertreter der Opel-Werke zu Wohlstand gekommen und will, so berichten es die Chroniken, sein Kapital gewinnbringend anlegen. Die Eigentümer des Unternehmens - die Brüder Wilhelm und Otto Schaeben - brauchen für die strategische Neuausrichtung Geld, und so leiht Doerenkamp Klosterfrau 100.000 Reichsmark. Dann kommt die Weltwirtschaftskrise, und die Firma kann den Kredit nicht zurückzahlen. Am 20. Mai 1933 wird das Konkursverfahren eröffnet; im Rahmen eines Zwangsvergleichs drängt Doerenkamp als Hauptgläubiger die bisherigen Besitzer aus der Firma. Der Vorgang wird Klosterfrau prägen - wann immer der Markt eine Chance bietet, ist das Kölner Traditionsunternehmen zur Stelle. Erst als Partner, dann als Käufer.
Melisse und Marken: Klosterfrau ist heute einer der führenden OTC-Hersteller in Deutschland. Foto: APOTHEKE ADHOC
Der Großvater der Schaeben-Brüder war laut Familienchronik 1829 im Alter
von 14 Jahren als Lehrling in das Kölner Unternehmen Klosterfrau
eingetreten. Drei Jahre zuvor hatte die Nonne Maria Clementine Martin am
Fuße des Doms damit begonnen, Kölnisch Wasser und Melissengeist
herzustellen. Als Startkapital diente ihr eine jährliche Rente von 160
Goldtalern, die sie für ihren Einsatz als Sanitäterin auf dem
Schlachtfeld von Waterloo vom preußischen König Friedrich Wilhelm III
zuerkannt bekommen hatte.
Kurz bevor die Unternehmerin gewordene Geistliche 1843 starb, machte sie
ihren ersten Mitarbeiter zum Erben. Mit ihrem Testament gab sie
Schaeben den Rat auf den Weg, sich nicht „mit einem Compagnon in
Theilung des Geschäftes" einzulassen. 90 Jahre und drei Generationen
später wurde die Mahnung in den Wind geschlagen - und das Erbe war weg.
Immerhin: Als Hersteller von Drogeriewaren existiert Haus Schaeben's als
Familienunternehmen noch heute.
Bekannte Marken: Klosterfrau hat neben eigenen Produkten die Präparate anderer Hersteller im Sortiment. Foto: APOTHEKE ADHOC
Nach dem Krieg beginnt für Klosterfrau ein Neuanfang. Der neue
Eigentümer, in der Firma respektvoll Herr Konsul genannt, baut das
zerstörte Werk wieder auf. In den 1960er Jahren arbeiten zeitweise vier
Familienmitglieder aus zwei Generationen in der Firma. Doch nach dem Tod
von Doerenkamp 1972 übernimmt der Kaufmann Paul Gräff, 1952 als
Finanzchef ins Unternehmen geholt, die Geschäfte, die er bis 1997 leiten
wird.
Unter Gräf beginnt in den 1970er Jahren die Expansion. 1971 wird das
Werk in Berlin eröffnet, an dem noch heute für die Firmengruppe
produziert wird, ebenso wie am Stadort Lüchow des Lohnherstellers
Artesan, mit dem Klosterfrau ab 1987 zunächst kooperiert und der 1996
komplett übernommen wird.
1973 kauft Klosterfrau den Kerzenhersteller Vollmar (yul), 1977 den
Arzneimittelhersteller Knufinke. 1981 kauft die Gruppe die französische
Kosmetikmarke Maria Galland und in den folgenden Jahren weitere Firmen,
darunter Syxyl, ein Hersteller von Präparaten der Naturheilkunde, und
der Kölner Hersteller Farco (Instillagel).
Den wichtigsten Sprung macht Klosterfrau aber schon 1979. Gemeinsam mit
dem Frankfurter Chemie- und Pharmakonzern Hoechst wird das
Gemeinschaftsunternehmen Cassella-med gegründet. Als die Partner sich
später auf rezeptpflichte Arzneimittel konzentrieren wollen, übernimmt
Klosterfrau die Firma 1998 komplett - samt der Top-Marken Soledum,
Nasic, Enelbin, Limptar und Metifex.
Ohnehin fährt Klosterfrau damals geschickt im Windschatten der
Pharmakonzerne: Weil es in der Branche bis Ende der 1990er Jahre als
ausgemacht gilt, dass die Labore immer neue Blockbuster liefern würden,
können die Kölner einige Juwelen abgreifen. Neben dem Hoechst-Portfolio
sind dies die Marke Taxofit, die Klosterfrau Ende der 1980er Jahre von
Boehringer kauft, und natürlich im Juni 2006 die Marken der Berliner
Firma Lichtwer (Hepar SL, Jarsin, Kwai, Kaveri, Ameu, Bedan), die unter
anderem wegen ihrer Öffnung in Richtung Mass Market in Probleme geraten
war.
Auch als Dienstleister für die Konkurrenz macht sich Klosterfrau einen
Namen: Seit 1987 sind die Kölner Vertriebspartner von Ricola; 1994
übernehmen die beiden Firmen gemeinsam den angeschlagenen ostdeutschen
Bonbon-Hersteller Krügerol. Seit 1998 vertreibt Klosterfrau Marken, die
heute zum britischen Konsumgüterkonzern Reckitt Benckiser gehören
(Dobendan, Nurofen, Gaviscon, Sagrotan, Lutsine, Migränin), seit Anfang
2001 Kondome der Marke „condomi" (Ansell).
Im Februar 2003 überträgt die Firma Nattermann, heute Teil von
Sanofi-Aventis, den Vertrieb ihrer Marken Bronchicum, Cholagogum,
Contramutan, Essentiale, Melrosum, Monapax an Klosterfrau. Nattermann
tritt seitdem nur noch als Lohnhersteller auf; pharmazeutischer
Unternehmer ist im rechtlichen Sinne die Vertriebsgesellschaft.
Der Fall Nattermann zeigt aber auch, dass Übernahmen schwieriger werden
könnten. Denn auch die forschenden Pharmafirmen haben den Wert von
OTC-Marken längst entdeckt. Vor einigen Jahren hatte sich Sanofi-Aventis
mit Maaloxan bereits ein wichtiges Produkt vom Vertriebspartner
zurückgeholt. Doch eines dürfte nach 180 Jahren klar sein: Klosterfrau
ist und bleibt flexibel.
Patrick Hollstein, Donnerstag, 10. März 2011, 12:03 Uhr
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