Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Berlin - Gerade gab es Mängelrügen von Stiftung Warentest, schon steht die Europa Apotheek Venlo vor neuen, diesmal deutlich größeren Schwierigkeiten: Ein Apotheker, der bis vor kurzem bei der niederländischen Versandapotheke für die Einhaltung der Rechtsvorschriften zuständig war, hat seinen ehemaligen Arbeitgeber bei den Gesundheitsbehörden angezeigt. Zu den aus seiner Sicht gravierenden Verstößen gegen Gesetze und Berufsvorschriften hat er belastendes Material mitgeliefert. Während die Prüfung anläuft, versucht man bei der Europa Apotheek zu beschwichtigen.
Apotheker klagt an: Bei der Europa Apotheek Venlo soll es gravierende Mängel geben. Foto: Elke Hinkelbein
Vor zwei Wochen ging die Anzeige bei der für Apotheken verantwortlichen
Aufsichtsbehörde ein. Der Bericht des Apothekers, der im Sommer
vergangenen Jahres bei der Europa Apotheek eingestellt und mittlerweile
gekündigt wurde, umfasst mehr als 40 Kritikpunkte - von Verstößen gegen
pharmazeutischer Gesetze bis hin zur Internetwerbung.
Laut Beschuldigungsschreiben werden in Venlo wichtige pharmazeutische
Bestimmungen nicht eingehalten, zum Beispiel was die Archivierung der
Rezepte, die Lagerung der Medikamente oder die vorgeschriebene Angabe
von Dosierungen auf den Packungen angeht. Zudem soll es bei der für
niederländische Kunden obligatorischen elektronischen Patientenakte
Lücken geben. Ebenso bei der Anwesenheit und der Qualifikation der
führenden Apotheker.
Auch bei den beruflichen Standards der niederländischen Apotheken-Norm
(Nederlandse Apotheek Norm) werden Defizite geschildert, zum Beispiel
bei der Endkontrolle der Rezepte durch Apotheker, der Prüfung auf
Dosierung und Wechselwirkungen oder speziellen Kontrollen bei bestimmten
Patientengruppen. Schließlich werden eine Reihe Verstöße gegen
nicht-pharmazeutische Gesetze gerügt, etwa bei der Müllsammlung, den
Arbeitsschutzbedingungen oder dem Onlineauftritt.
Die Behörde bestätigte den Eingang der Beschwerde und will in den
kommenden Monaten das umfangreiche Material prüfen und dann über das
weitere Vorgehen entscheiden. Bei der Europa Apotheek sieht man die
Schuld für eventuelle Rechtsabweichungen nicht bei sich: Es gebe eine
ganze Reihe sich widersprechender Bestimmungen in den deutschen und
niederländischen Vorschriften, sagte Firmengründer Klaus Gritschneder
gegenüber APOTHEKE ADHOC.
Widersprüchliche Regeln: Klaus Gritschneder sieht sich mit der Europa Apotheek zwischen den Stühlen. Foto: Elke Hinkelbein
So müssten gemäß den Bestimmungen am Firmensitz die Papierrezepte
eigentlich in der Apotheke archiviert statt zur Abrechnung an die
deutschen Krankenkassen geschickt werden. Außerdem könnten Angaben zur
Dosierung nicht wie vorgeschrieben auf die Packungen aufgebracht werden,
wenn diese nicht auf dem Rezept vermerkt seien. Ähnlich sehe es bei der
Indikation aus. Man stehe in Verhandlungen mit den Behörden.
Die Entschuldigungen hatte der Apotheker nicht gelten lassen, zumal für
Versender die gesetzlichen Bestimmungen vor Ort gelten. „Es gibt keine
Rechtfertigung dafür, dass eine niederländische Versandapotheke die
niederländischen Regelungen ignoriert", so der Pharmazeut, der
namentlich nicht genannt werden will, gegenüber APOTHEKE ADHOC. Der neue
Mehrheitsaktionär, der US-Konzern Medco, habe auf die Missstände
bislang nicht reagiert.
Auch an einen Dialog der Europa Apotheek mit den Behörden glaubt er
nicht, zumal die Vorschriften bereits seit Jahren ignoriert würden. Aus
seiner Sicht verstoßen auch andere niederländische Versandapotheken mit
deutschen Eigentümern wie DocMorris und Vitalsana gegen geltende
Vorschriften. Aus diesem Grund hat der Apotheker auch sie bei der
Behörde angezeigt.
Wie auch immer der Fall ausgehen wird, für die Europa Apotheek steht
viel auf dem Spiel. Ungefähr die Hälfte ihres Umsatzes von zuletzt rund
160 Millionen Euro soll die Versandapotheke mit
verschreibungspflichtigen Arzneimitteln machen - nicht zuletzt dank
Verträgen mit Kooperationspartnern wie der KKH-Allianz, verschiedenen
BKKen und dank Pick-up bei dm.
Patrick Hollstein, Freitag, 23. April 2010, 10:54 Uhr
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