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Berlin - Versandapotheken sollten mehr in die Beratung investieren, Vor-Ort-Apotheken zur Wechselwirkungskontrolle öfter den Computer zu Rate ziehen. Mit diesen Forderungen mahnt Stiftung Warentest zu mehr Qualität in der Arzneimittelversorgung. Außerdem sollten die Apothekerkammern überwachen, dass sich die Versandapotheken nicht nur die Rosinen herauspicken.
Diskreter und besser beraten: Stiftung Warentest sieht bei Apotheken nach wie vor großes Verbesserungspotenzial. Foto: APOTHEKE ADHOC
Stiftung Warentest hatte 50 Apotheken getestet, 27 Vor-Ort-Apotheken, 23
Versandapotheken, jede wurde siebenmal besucht oder kontaktiert. Die
Beratungsleistung wurde anhand von Wechselwirkungen getestet: Die
Testkunden wollten das OTC-Migränemittel Formigran (Naratriptan) kaufen
und wiesen auf die Einnahme des Antidepressivums Fluoxetin hin.
Im zweiten Fall verlangten sie kaliumhaltige Frubiase Sport
Brausetabletten und schilderten die Einnahme des Aldosteronantagonisten
Inspra (Eplerenon). Nur beim dritten Test fragten die Kunden nicht aktiv
nach Wechselwirkungen: Verlangt wurden gleichzeitig das
Johanniskrautpräparat Laif 600 und der Protonenpumpenhemmer Omep akut
(Omeprazol).
Obwohl in zwei Fällen aktiv nach Wechselwirkungen gefragt worden sei,
habe es jede Menge Patzer gegeben, so der Bereichsleiter Dr. Holger
Brackemann. Vor allem von der Beratungsleistung der Versandapotheken war
er enttäuscht: „Keine einzige konnte alle drei Testfälle lösen, vier
Versender versagten gleich in allen drei Fällen." Besser, aber nicht
wirklich gut sei das Ergebnis der Vor-Ort-Apotheken: Nur drei Apotheken
hatten auf alle Wechselwirkungen hingewiesen, elf nur auf eine, zwei
Apotheken patzten in allen drei Fällen.
Im Bereich Rezeptur wurde das Erstellen einer Zinkoxidschüttelmixtur
verlangt. Außerdem gab es drei Beratungsszenarien: Im Fall einer Mutter
mit ihrem kranken Kind hätten sich die Apotheken nach der Höhe des
Fiebers erkundigen sollen. Eine ältere Kundin mit Inkontinenzproblem
hätte diskret beraten und gegebenenfalls an einen Arzt verwiesen werden
sollen. Schließlich sollten die Apotheker einem älteren Kunden von der
Einnahme des Nahrungsergänzungsmittels Aktivanad abraten.
Insgesamt seien die Vor-Ort-Apotheken im Verkaufen besser als im
Beraten, so Brackemanns Fazit. Zu selten fragten die Mitarbeiter nach
der Höhe des Fiebers, zudem gaben sie falsche Hinweise zur Dosierung.
„Bemerkenswert ist, dass auch sieben Versender bei der
Inkontinenzberatung völlig versagten. Dabei eignet sich dieses intime
Thema besonders für die Beratung am Telefon", so Brackemann. In einem
Fall wurde die Testkäuferin am Telefon sogar damit abgespeist,
Inkontinenzprodukte gebe es doch in jeder Apotheke. „Ein bemerkenswertes
Selbstverständnis einer Versandapotheke", findet Brackemann.
Auch bei der Rezepturherstellung schnitten die Versandapotheken
insgesamt schlecht ab: Acht lehnten den Auftrag ab, darunter die
niederländischen Anbieter DocMorris, Europa Apotheek Venlo und
Vitalsana. „Es kann nicht sein, dass sich die Versender die 'Rosinen
herauspicken' und die personalintensiven Arbeiten den Kollegen vor Ort
überlassen", so Brackmann. Hier seien auch die Apothekerkammern
gefordert, die Einhaltung berufsrechtlicher Verpflichtungen zu
überprüfen.
Insgesamt haben die Vor-Ort-Apotheken besser abgeschnitten als beim
letzten Test, trotzdem sei das Ergebnis aber durchwachsen, sagte
Hubertus Primus, Chefredakteur bei Stiftung Warentest. „Vielfach
informierten Fachkräfte falsch über Arzneimittel. Oft erkannten sie die
Wechselwirkungen zwischen Medikamenten nicht - trotz einfacher
Problemstellung und gezielter Nachfrage der Testkunden."
„Die Ergebnisse bei den Vor-Ort-Apotheken streuen bei allen neun in den
Test einbezogenen Kooperationen. Welcher dieser Kooperation eine
Apotheke sich angeschlossen hat, ist kein Qualitätsmerkmal", so Primus.
Von einer einheitlichen Markenqualität können zumindest derzeit noch
keine Rede sein.
„Miserabel und deutlich schlechter als die Vor-Ort-Apotheken schneiden
die 23 Versandapotheken ab", so Primus. Sie hätten sich im Vergleich zur
vorherigen Untersuchung deutlich verschlechtert. So erhielt Sanicare,
Testsieger von 2007, diesmal ein „mangelhaft".
Beim Preisvergleich liegen die Versandapotheken zwar vorn, allerdings
habe keine Versandapotheke durchgängig günstige Preise gezeigt. Bei den
Vor-Ort-Apotheken scheinen Primus zufolge die Kooperationen etwas zu
bewegen. „Wenn jetzt die Apotheken noch anfangen, den Computer zu
nutzen, um Wechelwirkungen per Tastendruck zu erkennen und
Diskretionszonen zu schaffen, wären wir noch einen Schritt weiter", so
Primus.
Alexander Müller, Donnerstag, 22. April 2010, 12:55 Uhr
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