Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Berlin - Kaum ein Segment der Arzneimittelversorgung hat in den vergangen Monaten eine so dynamische Veränderung durchlebt wie die individuell hergestellten Parenteralia-Rezepturen. Mit dem Ziel, die Kosten zu reduzieren und die Transparenz zu erhöhen, hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Preisbildungs- und Abrechnungsvorschriften im Sommer vergangenen Jahres auf komplett neue Füße gestellt.
Apotheker im Dilemma: Mit den Herstellern ausgehandelte Barrabatte liefern den Kassen Argumente für weitere Kürzungen. Foto: Elke Hinkelbein
Das Prinzip: Die Apotheken werden bei der Abrechnung in ein enges
Korsett gezwängt, beim Einkauf aber an der langen Leine gelassen. Auf
diese Weise sollen sie bei den Generikaherstellern Rabatte aushandeln
und den Kassen zeigen, wie viel Luft noch im System ist.
Ausschreibungen könnten zusätzlichen Druck bringen.
Während Krankenhausapotheken seit jeher ihre Konditionen frei mit den
Herstellern verhandeln konnten, galten für Offizinapotheken mit
Sterillabor im ambulanten Bereich bislang feste Einkaufspreise. Damit
ist nun Schluss: Seit der AMG-Novelle sind Fertigarzneimittel, die in
parenteralen Rezepturen verarbeitet werden, generell von der
Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) befreit. Es dürfen also wieder
Barrabatte verhandelt werden. Dem Geschick der Apotheken sind keine
Grenzen gesetzt.
Nicht die Apotheker, sondern die Kassen sollen aber von den
Verhandlungen profitieren: Für den Fall, dass sich Kassen und Apotheker
nicht auf eine Hilfstaxe einigen, muss die Apotheke nach den neuen
Vorschriften deshalb ihre tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise,
höchstens jedoch den Taxe-EK, zuzüglich Fixhonorar berechnen.
Aktuell gibt es jedoch eine Vergütungsvereinbarung. Nach monatelangen
Verhandlungen hatten sich die Vertragsparteien Ende vergangenen Jahres
auf Abrechnungspreise und Arbeitszuschläge geeinigt. Auch hier gab es
grundlegende Änderungen: Die eingesetzten Teilmengen müssen
milligrammgenau abgerechnet werden; dazu kommen Zuschläge, die je nach
Art der parenteralen Zubereitung zwischen 39 und 69 Euro liegen.
Einen prozentualen Zuschlag gibt es nicht mehr, dafür müssen die
Apotheken den Kassen bei Generika einen Rabatt von 10 beziehungsweise
35 Prozent (Calciumfolinatlösungen) auf den zweitgünstigsten
Apothekeneinkaufspreis gewähren. Den können - und sollen - sie sich bei
den Herstellern wiederholen.
Die Generikafirmen befürchten eine degressive Preisspirale: Zwar bilden
sich die Nachlässe nicht unmittelbar in der Taxe ab; nach wie vor kann
die Industrie ihre Taxpreise selbst bestimmen. Allerdings müssen sowohl
Hersteller als auch Apotheker den Kassen auf Anfrage künftig Auskunft
über die tatsächlich ausgehandelten Einkaufspreise geben.
Auf diese Weise können sich die Kassen für neue Verhandlungen mit den
Apothekern munitionieren: Stehen allzu hohe Nachlässe in den Büchern,
könnte der Apothekenrabatt steigen. Dann müssten die Pharmazeuten
erneut bei den Herstellern anklopfen, das Rad dreht sich von vorn.
Änderungen sind relativ kurzfristig möglich: Die neue Anlage 3 der
Hilfstaxe kann mit einer Frist von sechs Wochen jeweils zum
Quartalsende gekündigt werden, und zwar neuerdings für jede einzelne
Stoffgruppe separat.
Nicht alle Kassen wollen so lange warten: Die AOK Berlin-Brandenburg
hat die Belieferung onkologischer Praxen mit parenteralen Rezepturen in
Berlin ausgeschrieben. Das Zuschlagskriterium ist der niedrigste Preis
für das Gesamtpaket - hier überlassen die Kassen den Apotheken die
Alleinverantwortung.
Auch bei Rezepturen für Privatpatienten könnten die Apotheker nach
drastischen Honorarkürzungen auf Preisverhandlungen mit den Firmen
drängen: Konnten bislang ein Festzuschlag von 90 Prozent auf den
Apothekeneinkaufspreis plus Rezepturzuschlag von zwei bis zehn Euro
abgerechnet werden, gelten nun im PKV-Bereich die neuen Vorschriften
nach AMPreisV.
Weitere Einschnitte sind nicht auszuschließen, zumal auch die
Privatversicherer neuerdings Vereinbarungen analog zur Hilfstaxe
schließen können - mit entsprechenden Anreizen für Preisverhandlungen.
(apotheke adhoc) Désirée Kietzmann, Montag, 22. Februar 2010, 19:35 Uhr
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