Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Essen - Mit der gesundheitlichen Aufklärung unserer Kinder und Jugendlichen steht es schlecht. Beweis dafür ist unter anderem die drastische Zunahme von ernährungsbedingten Krankheiten, wie Diabetes mellitus Typ 2.
Karikatur zum Download auf www.neue-allgemeine.de
Die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland greift die
Problematik im Leitartikel der November-Ausgabe auf und führt in diesem
Rahmen ein Interview mit Friedemann Schmidt, Apotheker und
Vize-Präsident der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher
Apothekerverbände. Die ABDA fordert die Einführung eines neuen
Schulfaches "Gesundheit", um der negativen Entwicklung der vergangenen
Jahre entgegenzuwirken.
Die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung erscheint monatlich
deutschlandweit mit einer Auflage von einer Million Exemplaren und ist
kostenlos in Apotheken erhältlich.
"Apotheke macht Schule - Prävention im Klassenzimmer"
APOTHEKER FORDERN JETZT SCHULFACH "GESUNDHEIT"
"Prävention ist eine wichtige Aufgabe für Apotheker. Die Jugendlichen
wollen wir in ihrer normalen Lebenswelt erreichen. Deshalb halten
Apotheker im Rahmen des Projekts , Apotheke macht Schule? in Schulen
Vorträge vor Schülern, Eltern und Lehrern", so Apothekerin Karin Graf,
Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes der ABDA - Bundesvereinigung
Deutscher Apothekerverbände.
Fleiß, Kreativität und Innovationslust galten immer schon als
Markenzeichen für die Wirtschaft in Baden-Württemberg. Kein Wunder
also, dass auch die Apotheker in diesem Bundesland neue Wege
beschritten: Im Jahr 2006 startete die Apothekerkammer
Baden-Württemberg unter der Leitung ihrer Vizepräsidentin Karin Graf
das Projekt "Apotheke macht Schule, Prävention im Klassenzimmer". Der
riesige Erfolg sorgte dafür, dass das Programm auf weitere Bundesländer
ausgeweitet wurde. Heute halten Apothekerinnen und Apotheker in
zahlreichen Schulen Vorträge zu Themen, die Schulen und Eltern
gleichermaßen auf den Nägeln brennen: Alkoholmissbrauch in jungen
Jahren, Drogen und Suchtverhalten, Essstörungen und Leistungsdruck, der
nicht selten mit der Einnahme von Medikamenten einhergeht. Nicht nur
Schüler, Eltern und Lehrer sind begeistert - auch Politik und
Verwaltung unterstützen die Bemühungen der Apotheker, schon Kinder und
Jugendliche für eine gesunde Lebensführung zu sensibilisieren.
Aber das reicht nicht. Schon sehr bald erkannten die Verantwortlichen
in den Apothekerkammern, dass punktuelle Vorträge in Schulen - und
seien es noch so viele - keine dauerhafte Veränderung der
Lebensgewohnheiten einer möglichst großen Zahl von Kindern und
Jugendlichen herbeiführen würden. Dazu bedarf es einer radikalen
Neuerung in den Schulen: der Einführung eines neuen Schulfaches
"Gesundheit". Nun sind die Apotheker damit an die Öffentlichkeit
gegangen.
Die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung sprach mit Friedemann Schmidt,
Apotheker und Vizepräsident der ABDA - Bundesvereinigung deutscher
Apothekerverbände.
NAGZ: Herr Schmidt, Sie fordern die Einführung eines neuen Schulfaches
"Gesundheit". Gibt es einen konkreten Auslöser, der die ABDA im Namen
der Apotheken zu diesem Schritt veranlasst hat?
FRIEDEMANN SCHMIDT: Diese Idee ist seit einiger Zeit gereift. Wir
wollten sie nach der Bundestagswahl einbringen. Aber uns ist klar,
dass die Umsetzung einige Zeit beanspruchen wird.
NAGZ: Experten klagen vermehrt darüber, dass immer mehr Kinder
ungesund leben, keinen Sport treiben, sich falsch ernähren. Wird diese
Problematik auch vermehrt in Apotheken wahrgenommen und wie äußert sie sich dort?
FRIEDEMANN SCHMIDT: Gespräche mit Eltern über die Ernährung ihrer
Kinder beginnen oft damit, dass sie nach Vitaminpräparaten fragen. Sie
wollen kompensieren, dass ihre Kinder vor allem Fastfood oder Nudeln
essen, aber kaum Gemüse. Von Vitaminpräparaten rate ich in diesen
Fällen grundsätzlich ab. Es überrascht mich in solchen Gesprächen immer
wieder, wie viele grundlegende Fakten über gesunde Ernährung nicht
bekannt sind.
NAGZ: Bereits seit längerer Zeit engagieren sich Apothekerinnen und
Apotheker, indem sie im Rahmen des Projektes "Apotheke macht Schule"
Vorträge an Schulen halten. Wie lautet das Resümee der beteiligten
Pharmazeuten aus diesen Vortragsreihen?
FRIEDEMANN SCHMIDT: Es ist für die Apotheker ein voller Erfolg. Alle
Beteiligten, ob Schüler, Lehrer oder Eltern, sind begeistert von
"Apotheke macht Schule". Das Projekt wurde von der
Landesapothekerkammer Baden-Württemberg entwickelt und wird von
Apothekerkammern vieler Bundesländer übernommen.
NAGZ: Ihre Forderung eines neuen Schulfaches ist angesichts von Klagen
über Lehrermangel und Unterrichtsausfall schon in den regulärenFächern
nicht unerheblich. Was erhoffen Sie sich aus solch einem
Unterrichtsfach?
FRIEDEMANN SCHMIDT: Das Schulfach "Gesundheit" ist interdisziplinär und
würde ein alltagsrelevantes und themenübergreifendes Lernen
ermöglichen. Die Unterrichtsinhalte könnten direkt in den Alltag der
Kinder einfließen - zum Beispiel, weil sie zum Essen Wasser statt Limo
trinken.
NAGZ: Gibt es bereits ein Konzept, aus dem zum Beispiel hervorgeht, welche Inhalte wie häufig unterrichtet werden sollten?
FRIEDEMANN SCHMIDT: Es gibt bislang noch kein ausgearbeitetes Konzept.
Wir Apotheker sind aber gerne bereit, uns in die Diskussion
einzubringen.
NAGZ: Wie schätzen Sie die Beurteilung Ihrer Forderung von Seiten der Politik ein? Gibt es bereits ein Feedback?
FRIEDEMANN SCHMIDT: Unsere Idee ist auf breite Zustimmung gestoßen -
ein konkretes Feedback aus der Politik gibt es aber noch nicht.
Das ist im Augenblick wohl auch nicht zu erwarten. Zu sehr starrt die
politische Welt zurzeit auf die Bemühungen von CDU und FDP, ein
tragfähiges Konzept für die Lösung der finanziellen, wirtschaftlichen
und gesellschaftlichen Probleme in der nächsten Legislaturperiode zu
erarbeiten. Und doch - die Politik sollte sich schleunigst dem Thema
"Gesundheitserziehung in der Schule" zuwenden, denn
"gesundheitsbewusstes Handeln beginnt im Kopf. Je früher, desto
besser", formulierte es Karin Graf treffend.
Wie sieht die Realität aus? Viel Obst und Gemüse, gesunde Fette,
ausreichend Kalzium, wenig Süßes, viel Bewegung: Die wichtigsten Regeln
für eine gesunde Kindheit sind den meisten Eltern bekannt und leicht
umsetzbar, möchte man meinen. Tatsächlich aber nimmt die Zahl der
Kinder und Jugendlichen mit Übergewicht und damit verbundenen
Erkrankungen, wie Diabetes mellitus Typ 2 oder Bluthochdruck, zu. Nicht
nur Kinderarztpraxen, sondern auch Apotheken können diesen Trend
bestätigen. Genau deshalb schlagen die Apotheker als langfristige und
nachhaltige Lösung vor, dieses neue, interdisziplinäre Schulfach zu
schaffen, das den Kindern die Grundlagen gesunder Lebensführung
vermittelt.
Dass nicht nur das unmittelbare Umfeld betroffener oder gefährdeter
Kinder in der Verantwortung steht, der negativen Entwicklung
entgegenzuwirken, zeigen die langfristigen Probleme. Die häufigste
Folge ungesunder Lebensweise bei Kindern ist starkes Übergewicht
aufgrund von falscher Ernährung und mangelnder Bewegung.
Die genetische Veranlagung spielt eine Rolle, doch sie allein macht
keinen jungen Menschen zum Schwergewicht. Betroffene geraten in einen
Kreislauf, aus dem es sich nur schwer ausbrechen lässt: Kinder, deren
natürlicher Bewegungsdrang nicht frühzeitig gefördert wird und die -
statt an der frischen Luft mit Gleichaltrigen oder auch den Eltern zu
toben - einen Großteil ihrer Freizeit vor dem Fernseher und dem
Computer verbringen, nehmen schnell zu. Sind sie erst einmal
übergewichtig, nimmt das Bedürfnis nach Bewegung ab. Dazu kommt es
häufig zu einer sozialen Ausgrenzung, da übergewichtige Kinder oft
Opfer von Hänseleien werden. Die medizinischen Folgen wurden bereits
genannt: Vor allem Diabetes mellitus Typ 2, im Volksmund auch
"Altersdiabetes" genannt, betrifft immer häufiger auch Kinder und
Jugendliche.
Zu den privaten Problemen kommen drastische volkswirtschaftliche
Folgen: Allein in den USA haben sich die Kosten für durch Fettsucht
verursachte Krankheiten nahezu verdoppelt. Laut einer aktuellen Studie
kostet starkes Übergewicht die Amerikaner jährlich etwa 147 Milliarden
Dollar. Auch in Deutschland sieht es nicht rosig aus: Den
veröffentlichten Zahlen der International Association for the Study of
Obesity (IASO) zufolge leiden allein in Deutschland rund 20 Prozent der
Jungen und Mädchen unter Übergewicht.
Problem erkannt, Gefahr gebannt? Mitnichten. Wo Eltern versagen und
Lehrer überfordert sind, steht die Politik in der Verantwortung. Eine
Schulstunde pro Woche würde genügen. Jetzt sind die Fachminister in den
Ländern gefordert. Lernen Kinder schon in der Schule, was eine gesunde
Lebensweise bedeutet, ist ein wichtiger Schritt in die richtige
Richtung getan. Die nächsten Generationen werden es uns danken. Und die
Sozialkassen auch.
LECKER, LEICHT, GESUND?
Ein Kommentar der Redaktion
Die frische, gesunde Küche wird in immer mehr Haushalten durch schnelle
Gerichte ersetzt. Gemüse wird verschmäht und statt dessen dominieren
Nudeln mit Tomatensoße oder Pommes mit Mayo den Ernährungsalltag.
Dass das auf Dauer nicht gut sein kann, ist den meisten Eltern bewusst.
Da kommen attraktive Werbeversprechen diverser Lebensmittelproduzenten
gerade recht. Sie garantieren, dass ihr süßer Joghurtdrink vor Kalzium
strotzt, dass die fluffigen Frühstückscerealien (der Begriff "Cerealie"
geht übrigens auch auf clevere Werbeleute zurück) alles beinhalten, was
das Kind für einen erfolgreichen Schultag benötigt und dass der süße
Snack für zwischendurch den Familienzusammenhalt fördert.
Geschickte Versprechen, denen viele Eltern auf den Leim gehen. Und so
landen auf dem Frühstückstisch statt eines vollwertigen Müslis die vor
Zucker und Fett nur so strotzenden Frühstücksflocken, das Obst in der
Pause wird durch einen schokoladigen Müsliriegel ersetzt und auf dem
Mittagstisch stehen statt eines vollwertigen Gerichts Fertigprodukte,
die mit einem hohen Gemüseanteil werben, tatsächlich aber voll von
Salz, gesättigten Fetten und geschickt getarnten Geschmacksverstärkern
sind.
Verbraucherschützer fordern von der Politik schon seit geraumer Zeit
das Einführen einer Nährwert-Ampel, die dem Konsumenten sofort
anschaulich vermittelt, was das Produkt in Sachen Zucker, Fett und Salz
tatsächlich zu bieten hat.
Eine gesunde Idee, finden wir! Es bleibt abzuwarten, wer hier am
längeren Hebel sitzt: Das Bundesverbraucherministerium oder die
Lebensmittellobby.
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