Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Berlin - Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler (FDP) hat Preismoratorien und eine Erhöhung des Herstellerabschlags angekündigt. Forschende Hersteller sollen künftig mit den Krankenkassen über die Preise verhandeln, dafür könnte die Importquote für Apotheken wegfallen. Das hessische Unternehmen Axicorp würde von Röslers Plänen gleich doppelt getroffen: als Importeur und als Generikahersteller. APOTHEKE ADHOC sprach mit Geschäftsführer Dirk Ullrich über die Macht der Pharmalobby, die Zukunft des Importgeschäfts und verständnislose Investoren in Indien.
Das einzige Regulativ: Axicorp-Geschäftsführer Dirk Ullrich kämpft für die Importquote. Foto: Axicorp
ADHOC: Herr Ullrich, Sie dürften nicht allzu begeistert sein von den Plänen des Gesundheitsministers.
ULLRICH: Noch ist ja nichts entschieden. Aber man muss sich schon
fragen, warum ausgerechnet Unternehmen überproportional abgestraft
werden, die sich im System bereits permanent Einsparungen
verwirklichen. Mit importierten Arzneimitteln sparen die Kassen
jährlich bis zu 400 Millionen Euro. Importeure agieren mit kleinen
Margen auf Händlerniveau. Wie soll die Branche eine zehnprozentige
Erhöhung des Abschlags überleben?
ADHOC: Warum wird die Importquote denn hinterfragt?
ULLRICH: Aus meiner Sicht ist das ein Geschenk an Big Pharma. Ich habe
wirklich ein Verständnisproblem, wenn den forschenden Herstellern 2,8
Milliarden Euro Importmarkt geschenkt wird, damit diese ab 2011
anfangen, Preise zu verhandeln.
ADHOC: Vielleicht erhofft man sich größere Einsparungen.
ULLRICH: Seit 2005 wird über eine Kosten-Nutzen-Bewertung verhandelt,
und es gibt noch nicht einmal eine richtige Methode. Jetzt wird über
direkte Preisverhandlungen geredet. Wie soll das gehen? Die Hersteller
müssten sich für jedes ihrer Produkte mit allen Krankenkassen
zusammensetzen; das wären mehr als 9000 Verhandlungen. Das wird noch
Jahre dauern, und welche Einsparungen dabei herauskommen, weiß niemand.
ADHOC: Sie haben schon bei forschenden Herstellern gearbeitet. Stimmt die Mär von den Mondpreisen?
ULLRICH: Wir sind als Importeur rund 20 Prozent billiger und wollen
trotzdem wachsen. Also müssen die Arzneimittel im Ausland noch billiger
sein. Importe bilden somit das einzige Regulativ, um Differenzen zu
anderen EU-Ländern zu begrenzen. Dass wir Big Pharma hier in
Deutschland stören, weiß ich aus eigener Erfahrung.
ADHOC: Die Apotheker fordern ebenfalls eine Abschaffung der Importquote.
ULLRICH: Wir haben viele zufriedene Kunden, von denen höre ich etwas
anderes. Schließlich hat sich der Markt gerade in der Qualität sehr
nach vorne entwickelt, Importe erkennt man heute nicht mehr auf den
ersten Blick. Insofern wäre ich vorsichtig damit, von „den Apothekern"
zu sprechen. Aber es gibt natürlich immer mehrere Meinungen.
ADHOC: Wie läuft Ihr Generikageschäft?
ULLRICH: Der Schwerpunkt liegt noch immer bei den Importen, aber die
Bedeutung der Generika hat durch die Rabattverträge zugenommen.
ADHOC: Und wenn Rabattverträge entschärft werden?
ULLRICH: Warum sollten wir ein Instrument abschaffen, mit dem die
Kassen im vergangenen Jahr rund eine Milliarde Euro gespart haben? Wenn
man die Apotheker jetzt aus der Abgabepflicht entlässt, müssen die
Unternehmen wieder in den Vertrieb investieren, gleichzeitig aber
Rabatte an der Schmerzgrenze gewähren. Profitieren würden wieder die
etablierten Generikahersteller, die schon Vertriebsstrukturen aufgebaut
haben.
ADHOC: Wann starten Sie in Deutschland mit Biosimilars?
ULLRICH: Aufgrund des komplexen europäischen Zulassungsverfahrens
braucht das Zeit. Wir werden mit unserem Partner Biocon ab Ende 2012
schrittweise bis 2015 sechs Insulin-Präparate einführen. Dieser Markt
ist mit einem geschätzten Umsatz von einer Milliarde Euro jährlich sehr
interessant. Allein mit Biosimilars sind in diesem Bereich Einsparungen
von bis zu 300 Millionen Euro möglich. Aber um diese Potentiale zu
heben, müssen die Rahmenbedingungen für die Unternehmen stimmen.
ADHOC: Wird Ihr indischer Investor nervös?
ULLRICH: Von Nervosität ist man weit entfernt. Aber auf der anderen
Seite des Globus versteht niemand, warum man in einem System die
Unternehmen vom Markt räumen will, die die Kosten dämpfen.
Alexander Müller, Freitag, 12. März 2010, 15:32 Uhr
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