Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Essen - Die Neue
Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland greift in der Ausgabe
Juli das Thema Rabattverträge der Krankenkassen auf. Erneut muss sich
die AOK mit Vorwürfen auseinandersetzen - diesmal von führenden
Generikaverbänden: Sie werfen der Krankenkasse vor, mit ihrer Auslegung
der gesetzlichen Rahmenbedingungen deutlich zu weit zu gehen - zu
Lasten von Patienten und Versicherten.
Die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland erscheint jeden
Monat mit einer Auflage von 1 Million Exemplaren. Sie ist
deutschlandweit kostenlos in Apotheken erhältlich.
Krankenkassen
NEUE VORWÜRFE ZU RABATTVERTRÄGEN
Kaum hat sich die Aufregung über die neue Welle der AOK-Rabattverträge
gelegt, hagelt es gegenüber der Krankenkasse erneut drastische
Vorwürfe. Führende Verbände von Arzneimittelherstellern äußern scharfe
Kritik an dem Umgang der AOK mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen.
Zum Hintergrund: Seit Anfang 2007 dürfen Krankenkassen sogenannte
Rabattverträge mit Herstellern schließen. Das bedeutet, bestimmte
Wirkstoffe werden ausgeschrieben und das günstigste Angebot bekommt den
Zuschlag. Für die Versicherten der Krankenkasse heißt das, dass sie
gegebenenfalls nicht mehr das Arzneimittel erhalten, das sie gewohnt
sind, sondern ein vergleichbares Präparat eines anderen Herstellers.
Was sich unkompliziert anhört, hat in der Vergangenheit für massive
Probleme gesorgt. Ältere oder chronisch kranke Patienten, die viele
verschiedene Arzneimittel einnehmen müssen, zeigten sich in der
Apotheke verunsichert, empört oder sogar erbost, da sie weiterhin ihr
vertrautes Arzneimittel einnehmen wollten. Den neu entstandenen
Beratungsbedarf hatten die Apotheken zu decken.
Auch Lieferschwierigkeiten einiger Hersteller, kombiniert mit unnötiger
Bürokratie, sorgten für Chaos in deutschen Apotheken. Doch die Kassen
ließen sich davon nicht beirren.
Seit dem 1. Juni sind die neuen Rabattverträge der AOK wirksam. Schon
im Vorfeld haben sich Apotheken auf die neue Welle vorbereitet, um die
Verunsicherung der Patienten, die sich nicht selten negativ auf die
Therapietreue und damit auch auf die Gesundheit auswirkt, so gut wie
möglich abzufangen. Doch nun muss sich die AOK mit neuen Vorwürfen von
Seiten der pharmazeutischen Industrie auseinandersetzen. Diese werfen
der Krankenkasse vor, ihre Möglichkeiten ohne Rücksicht auf die
Patientensicherheit auszuschöpfen. "Die AOK will möglichst hohe
Einnahmen aus den Rabattverträgen erzielen, die am 1. Juni 2009 in
Kraft getreten sind. Das ist betriebswirtschaftlich nachvollziehbar und
legitim. Die AOK setzt alle Hebel in Bewegung, ihr Einsparziel zu
erreichen. Dazu gehört auch eine extensive Auslegung der
Substitutionsvoraussetzung für den gleichen Indikationsbereich
zugelassen? Der Bundesverband der Arzneimittelhersteller, der
Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie, der Verband Forschender
Arzneimittelhersteller und Pro Generika sind einhellig der Auffassung,
dass die AOK damit die Grenzen überschreitet, die ihr durch Recht und
Gesetz gezogen sind", so Peter Schmidt, Geschäftsführer des
Branchenverbandes Pro Generika in einer Pressemitteilung.
Laut Branchenverband bestand bisher Einigkeit darüber, dass ein
Arzneimittel im Rahmen eines Rabattvertrages nur dann ausgetauscht
werden darf, wenn die Anwendungsbereiche des Arzneimittels
übereinstimmen. Zulässig war ein Austausch auch dann, wenn das neue
Medikament für alle Anwendungsbereiche des jeweiligen Wirkstoffes
zugelassen ist oder zumindest für die Anwendungsgebiete, auf die sich
auch die Zulassung des Originalpräparats erstreckt.
Nun beklagen die Verbände, dass das Bundesministerium für Gesundheit
(BMG) und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen
(GKV-Spitzenverband) neuerdings die Meinung vertreten, dass ein
einziges gemeinsames Anwendungsgebiet ausreicht, um ein Arzneimittel
durch ein anderes zu ersetzen. Das gehe sogar so weit, dass Patienten
in der Packungsbeilage ihres neuen Arzneimittels weder ihre Krankheit
aufgeführt fänden noch Angaben über die Anwendung des Medikaments bei
ihrer Erkrankung erhielten. Ist dieser Vorwurf korrekt, sind alle
Weichen in Richtung "Non-Compliance" - also der Weigerung, das neue
Arzneimittel einzunehmen - gestellt.
Die Apotheken, die seit der zweifelhaften Ausweitung der
Wettbewerbsmöglichkeiten die vom BMG und den Kassen ausgelösten Sorgen
und Ängste auffangen müssen, sind nun zwischen die Fronten geraten.
Arzneimittelhersteller informieren die Apotheken darüber, dass die AOK
einige Arzneimittel unzulässig ersetzen lasse, während die AOK darauf
hinweist, dass diese Information der Hersteller wirtschaftliche
Hintergründe habe und dass die Apotheken mit Folgen rechnen müssten,
wenn sie sich nicht an die Regeln der neuen Rabattverträge hielten.
Zustände wie im wilden Westen, möchte man meinen. Und vom eigentlichen
Verantwortlichen, dem Bundesgesundheitsministerium, hört man derweil
nicht viel. Das wiederum ist allerdings nicht ungewöhnlich, denn im
Streit um das Wohl des Patienten begibt man sich ungern an vorderste
Front, besteht doch das Risiko, in die Schusslinie zu geraten. Und mit
dieser Taktik fuhr das BMG auch schon in den vergangenen zwei Jahren
bestens: Als die ersten Rabattverträge 2007 an den Start gingen, trugen
aus Sicht der meisten Versicherten die Apothekerinnen und Apotheker die
Schuld daran, dass der Patient plötzlich nicht mehr das Arzneimittel
erhielt, das er möglicherweise schon seit Jahren einnahm und zu dem er
großes Vertrauen hatte. Inzwischen hat zum Glück die massive Kritik
rund um die Rabattpraxis der Kassen dafür gesorgt, dass viele
Apothekenkunden um die gesetzliche Verpflichtung des Apothekers wissen,
Rabattarzneimittel auszutauschen. Doch dass die Möglichkeit der
Ausschreibung und damit verbunden auch die undurchsichtige Regelung
bezüglich der Austauschbarkeit von Arzneimitteln auf das Konto des
Bundesgesundheitsministeriums gehen, wissen die wenigsten.
Und wie bei so vielen "Reformen", die das BMG angestoßen hat, gilt auch hier: Die Folgen trägt der Patient.
REFORMEN KOMMEN, PROBLEME WACHSEN
Ein Kommentar der Redaktion
Schnelle Entscheidungen treffen, lautstark die vermeintlichen Vorteile
für das gebeutelte Gesundheitswesen anpreisen und beim Scheitern andere
verantwortlich machen: darin ist das Bundesgesundheitsministerium unter
Ulla Schmidt stark. Auch die Rabattverträge über Arzneimittel sind
dafür ein wunderbares Beispiel.
Das BMG will den Wettbewerb ankurbeln und Kosten einsparen. Und das im
wahrsten Sinne des Wortes um jeden Preis. Die dabei auftretenden
Probleme - hier eine monströse Bürokratie, Patienten, die ihre Therapie
abbrechen, und schwammige Formulierungen in den rechtlichen Vorgaben -
werden als nichtig abgestempelt, Kritik von allen Seiten mit rein
wirtschaftlichen Interessen erklärt. Die betroffenen Parteien, also
Krankenkassen, Hersteller, Apotheken oder Ärzte, gehen sich teils
gegenseitig "an die Gurgel", während man sich im BMG entspannt
zurücklehnt.
Genauso funktioniert Ulla Schmidts Politik auch in anderen Bereichen.
Unterfinanzierte Krankenhäuser kämpfen mit den Krankenkassen um ihre
Rechte und jeden Cent. Arzneimittelexperten warnen vor den Gefahren des
Versandhandels mit Arzneimitteln und bleiben ungehört. Besonders
auffällig: Fehlerhafte Entscheidungen werden stets im Brustton der
Überzeugung verteidigt; egal, wie drastisch und unumkehrbar die Folgen
für die Gesellschaft sind. Und auch im Fall der
Arzneimittelrabattverträge und ihrer negativen Auswirkungen auf die
Patienten wird die Politik wieder davonkommen. Ein Beispiel: Bei einem
älteren, alleinstehenden Menschen, der seit Jahren unter Herzproblemen
leidet und dessen Gesundheitszustand sich plötzlich verschlechtert,
wird es schwer nachzuweisen sein, dass dieser Mensch sein neues,
ungewohntes Arzneimittel aus mangelndem Vertrauen oder Unsicherheit
nicht oder nicht in der richtigen Dosierung eingenommen hat.
Die Apotheken werden alles tun, um den Patienten ihre Sicherheit wiederzugeben.
NOWEDA eG
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