Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Gilching - Von einer
flächendeckenden, bedarfsgerechten Versorgung ist man zumindest in
Bayern meilenweit entfernt. Weder Apothekerschaft noch die
pharmazeutischen Großhandlungen waren offenbar in die geheime
Verteilungs-Strategie eingeweiht geschweige denn, wurden sie gefragt,
was der beste Weg sei. Weshalb wir von dem ursprünglichen Ziel, den
Menschen in allen Regionen die Impfung zu ermöglichen, meilenweit
entfernt sind.
Bereits am Montag, den 26. Oktober, hätte mit der flächendeckenden
Impfung auch in Bayern begonnen werden sollen. Doch die Impfdosen waren
zu diesem Zeitpunkt in Bayern noch nicht lieferbar. Ärzte bemühten sich
verzweifelt um die Beschaffung des Impfstoffes, doch Nachfragen bei
diversen Apotheken endeten erfolglos. Auch die Gesundheitsämter wurden
alleine gelassen und wussten nicht Bescheid.
Was einen triftigen Grund hatte. Erst am Donnerstag Abend, den 22.
Oktober, erfuhren wir per Fax, dass der Impfstoff nur in Dosen zu 500
Einheiten und nur auf Bezugsschein, wie in der ehemaligen DDR, ab
Montag, 26. Oktober zur Auslieferung über den Pharmazeutischen
Großhandel bereit gestellt sein sollte. Kosten: 5.003,95 Euro brutto.
Tatsächlich begann die Auslieferung aber erst am Dienstag, den
27.Oktober über erste Großhandlungen.
Als Apothekeninhaber und Initiator einer Apothekenkooperation erhielt
auch ich drei dieser Bezugsscheine. Bei genauem Durchlesen stellte sich
heraus, dass keinerlei Möglichkeit bestand, einen Teil der 500
Impfdosen, die für kleinere Apotheken einfach zu groß sind, abzugeben,
bzw. gab es auch kein Rückgaberecht der zu viel bezogenen Dosen. Nur
wenige Apotheken sind zunächst auf dieses Risikogeschäft eingegangen,
wenn man bedenkt, dass der durchschnittliche Bedarf bei unter 70
Impfdosen pro Apotheke lag und liegt.
Eine unserer Mitgliedskooperationen versuchte, ebenso wie die
Bayerische Landesapothekenkammer und der Bay.Apothekerverband zu
retten, was zu retten war. Die Idee der Kooperation war, dass eine
leistungsfähige Apotheke als Zentrale fungiert und die
Mitgliedsapotheken im Westen Münchens beliefert. Eine Weitergabe des
Bezugsscheins zwecks Warenbeschaffung an andere Apotheken war aber
strikt ausgeschlossen, sodass besagte Apothekenkooperation die
Bezugsscheine der Mitgliedsapotheken treuhänderisch verwalten ließ und
lässt.
Ich selbst verfügte über drei Bezugsscheine, also insgesamt 1500
Impfdosen - der Durchschnittsbedarf einer Einzelapotheke lag und liegt
nach wie vor bei unter 7 x 10 (also unter 70 von 500) Impfdosen. Zudem
erklärte ich mich bereit, Mitarbeiter meiner Apotheken für die
Konfektionierung / Auslieferung abzustellen, bei momentan kompletter
Kostenübernahme.
Durch diese Vorgehensweise gelang es uns, die 20 Apotheken und deren
angeschlossenen Ärzten, die aus unserer Apothekenkooperation Bedarf
angemeldet hatten, innerhalb des ersten Tages bedarfsgerecht,
unbürokratisch und kollegial zu versorgen.
Am Donnerstag, 29. Oktober, teilten unsere beiden Großhändler in
München mit, dass kein Schweinegrippen-Impfstoff mehr vorrätig ist.
Ein Großhändler mit ca. 550 Kunden hatte nur 20 Packungen (20 x 500
Impfdosen) erhalten. Diese waren alle umgehend vergriffen. Wann es
Nachschub geben sollte, war zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt.
Am Freitag, 30. Oktober, gab es dann eine zunächst inoffizielle
Information aus dem Bayerischen Gesundheitsministerium, dass sich die
„politische Spitze unseres Hauses" dahingehend geeinigt habe, den
Einkaufspreis für die Impfdosen für Apotheken auf Null zu setzen.
Mittlerweile ist diese Information offiziell.
Damit begann der Run derjenigen Apotheken auf die Impfdosen, denen
5.000 € zu risikobehaftet waren, die aber nur vielleicht einen Bedarf
von 20 Impfdosen hatten. Wir laufen damit derzeit Gefahr, dass eine
nicht unerhebliche Anzahl von Impfdosen in den Schubladen verschwindet
oder über andere Kanäle wieder angeboten wird.
Nachprüfbare Bestandsmeldungen aus den Apotheken gibt es keine. Nur
durch kooperierende, untereinander vernetzte und uneigennützig
handelnde Apotheken ließe sich dieses zunehmende Chaos verhindern. Von
einfacher Mangelverwaltung kann hier längst nicht mehr die Rede sein.
Bis Freitag, den 6.11.2009 konnten wir über besagte
Kooperations-Apotheke knapp 80 Bestellungen von Kollegen, also
mittlerweile auch Nicht-Mitgliedsapotheken, unbürokratisch und
bedarfsgerecht beliefert bzw. vorgemerkt werden. Dies dürfte für Bayern
einzigartig sein.
Ich möchte ausdrücklich betonen, dass sich diese unprofessionell und
chaotisch vorbereitete Versorgung die alte Bundesregierung auf die
Fahne schreiben muss.
Nun bleibt zu hoffen, dass die neue Riege der verantwortlichen
Gesundheitspolitiker sorgfältiger mit der Gesundheit ihrer Bürger
umgehen wird und bei künftigen Entscheidungen die Vorzüge des
derzeitigen Distributionssystems weiter stärkt, anstatt es zu
schwächen. Hätte man uns Apotheker und die pharmazeutischen
Großhandlungen in die Entscheidungen frühzeitig einbezogen, wäre dieses
Chaos nicht passiert.
Dr. Stefan Hartmann
Vorsitzender des BVDAK e.V.
Landsberger Str. 40
82205 Gilching
Tel: 08105-774248
Fax: 08105-778877
Mail: office@bvdak.de
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