Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
EU-GENERALANWALT
Berlin - Weil in Italien Apotheken Konzessionäre sind, haben die regionalen Gesundheitsbehörden weitreichende Befugnisse, zum Beispiel was Öffnungszeiten, Bereitschaftsdienste und Betriebsferien angeht. Eine Apothekerin aus Rom klagte vor Gericht gegen die Vorgaben, der Fall landete als Vorlageverfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der finnische Generalanwalt Niilo Jääskinen sieht jedoch kein Problem im Zwangsurlaub für Apotheker.
Kontrollierte Öffnungszeiten: In Italien dürfen die Behörden Ferien für Apotheken anordnen. Foto: Elke Hinkelbein
Emanuela Sbarigia betreibt eine Apotheke in der Fußgängerzone im
historischen Zentrum von Rom. Weil vor allem Touristen zu ihren Kunden
gehören, beantragte Sbarigia vor vier Jahren eine Befreiung von den ihr
auferlegten Betriebsferien für den Sommer 2006. Außerdem wollte die
Apothekerin auch außerhalb der allgemeinen Öffnungszeiten sowie an
Feiertagen öffnen.
Anders als der Nachbarapotheke am Bahnhof wurden Sbarigia nicht die
gewünschten Genehmigungen erteilt; Bürgermeister, Apothekerkammer und
Gewerkschaft hatten entsprechende Ausnahmeregelungen abgelehnt. Die
Klage der Apothekerin legte das Gericht im Herbst 2008 dem EuGH vor,
stellte aber offenbar die falschen Fragen zur Auslegung des
Gemeinschaftsrechts: Statt auf die Niederlassungsfreiheit oder den
freien Warenverkehr abzuheben, fragte das Gericht nach Aspekten des
Gesundheit- und Verbraucherschutzes und stellte sogar eine mögliche
Kartellabsprache zur Diskussion.
Dem vermochte der Generalanwalt nicht zu folgen, zumal ihm nicht einmal
Angaben zu einer möglichen marktbeherrschenden Stellung der einzelnen
Apotheke vorgelegt worden seien. Zwar schränken die Auflagen die
Entscheidungsfreiheit der Apotheker laut Jääskinen in einem Maße ein,
das „sehr weit über gewöhnliche Erlaubnisvorbehalte" hinausgeht.
Andererseits verwies Jääskinen auf das EuGH-Urteil zum
Fremdbesitzverbot, bei dem „ziemlich restriktive italienische
Bestimmungen für Apotheken, die in einem viel engeren Zusammenhang mit
der Niederlassungsfreiheit standen", für vereinbar mit
Gemeinschaftsrecht erklärt wurden.
In den Beschränkungen der Öffnungszeiten kann der Generalanwalt sogar
eine gewisse Notwendigkeit erkennen, zum Beispiel was den freiwilligen
nächtlichen Bereitschaftsdienst angeht: „Eine Ausdehnung der täglichen
Öffnungszeiten würde sich nachteilig auf die Zeitspanne auswirken, in
der die Nachtapotheken am rentabelsten operieren", so Jääskinen. „Ein
Rückgang der privaten Initiative hätte zur Folge, dass man zu einem
obligatorischen Bereitschaftsdienstsystem zurückkehren müsste."
Der Generalanwalt weigerte sich aber zu prüfen, ob die Regelungen unter
anderen als den vorgelegten Aspekten gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen.
Angesichts der aus Italien gestellten Fragen wollte nicht einmal die
EU-Kommission auf einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht plädieren. Auch
die Regierungen Griechenlands, Österreichs und der Niederlande sprachen
sich in ihren Stellungnahmen nicht gegen das italienische System aus.
Patrick Hollstein, Mittwoch, 05. Mai 2010, 12:57 Uhr
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