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  • 19.09.2024 – Apotheken-News: Zwischen Reformdruck und Existenzsorgen
    19.09.2024 – Apotheken-News: Zwischen Reformdruck und Existenzsorgen
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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-News: Zwischen Reformdruck und Existenzsorgen

 

Wie finanzielle Belastungen, Lieferengpässe und der wachsende Versandhandel die Zukunft der Apotheken in Deutschland bedrohen

Apotheken stehen vor enormen Herausforderungen: Retaxationen, Lieferengpässe und der drohende Wettbewerb durch den Versandhandel setzen die Branche massiv unter Druck. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach warnte, dass ohne die notwendige Reform der Apothekenstrukturen der Versandhandel die Oberhand gewinnen könnte. Apothekenteams müssen nun handeln, um ihre finanzielle Stabilität zu sichern, Engpässe zu managen und sich politisch zu engagieren. Gleichzeitig ist die Digitalisierung ein entscheidender Faktor, um wettbewerbsfähig zu bleiben und den Fachkräftemangel zu bewältigen. Nur durch strategische Anpassungen kann die Apothekenlandschaft in Deutschland nachhaltig gesichert werden.


Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat erneut die Apothekenbranche gewarnt, dass der Versandhandel die Oberhand gewinnen könnte, sollte das umstrittene Apothekenreformgesetz (ApoRG) nicht verabschiedet werden. Bei einem Treffen mit zehn Apothekern im Wahlkreis des Bundestagsabgeordneten Johannes Arlt bekräftigte Lauterbach, dass das traditionelle Apothekensystem ohne Reform ernsthaft gefährdet sei. Die Apotheker fordern jedoch stärkere Unterstützung seitens der Politik und sehen sich zunehmend unter Druck, besonders in finanzieller Hinsicht. Eine der größten Herausforderungen sind die Rezepturretaxationen, die seit der Kündigung der Hilfstaxe durch den Deutschen Apothekerverband (DAV) auf die Apotheken zukommen. Der DAV hatte die Hilfstaxe gekündigt, um gegen die chronische Unterfinanzierung von Rezepturen vorzugehen. Krankenkassen wie der GKV-Spitzenverband und die AOK Bayern interpretieren die Abrechnungsmodalitäten jedoch anders und akzeptieren nur anteilige Packungen, was viele Apotheken in finanzielle Bedrängnis bringt.

Die wirtschaftliche Lage der Apotheken wird durch die Folgen der AvP-Insolvenz weiter belastet. Die betroffenen Apotheken erwarten den dritten Abschlag der Insolvenzmasse, der für morgen angekündigt ist. Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos hat bestätigt, dass die Auszahlung zeitnah erfolgen soll. Dennoch bleibt unklar, wie hoch die endgültige Entschädigung ausfallen wird und ob diese ausreicht, um die finanzielle Belastung der Apotheken zu mildern. Gleichzeitig spitzen sich die Lieferengpässe bei Medikamenten weiter zu. Ein besonders brisanter Fall betrifft das Enzympräparat Kreon, das vielerorts nicht verfügbar ist. Eine Apotheke in Hessen berichtete, dass sie einem langjährigen Kunden das benötigte Medikament nicht liefern konnte, da der Hersteller keinen Liefertermin in Aussicht stellte. Diese Engpässe sorgen zunehmend für Unmut, während Lauterbach die Situation als stabil beschreibt, kritisieren Experten die wachsende Unterversorgung im Gesundheitswesen scharf.

Neben den wirtschaftlichen und logistischen Herausforderungen stehen Apotheken auch politisch unter Druck. In Brandenburg wird am kommenden Sonntag ein neuer Landtag gewählt, und die Ergebnisse könnten das politische Klima für Apotheken erheblich beeinflussen. Die AfD führt laut Umfragen mit 28 Prozent, dicht gefolgt von der regierenden SPD mit 25 Prozent. Ministerpräsident Dietmar Woidke muss sich einem starken Konkurrenzkampf stellen, der das Potenzial hat, die rot-schwarz-grüne Koalition zu beenden. Sollten die Grünen an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, könnten weitreichende Veränderungen auf die politische Landschaft Brandenburgs zukommen. In dieser politisch instabilen Phase suchen Apotheken dringend nach Unterstützung.

Während sich die Apothekenlandschaft im Wandel befindet, gibt es auf medizinischer Seite auch Fortschritte. Auf dem Deutschen Rheumatologiekongress 2024 wurde die erste S3-Leitlinie zur Behandlung der Gicht vorgestellt. Diese evidenzbasierten Empfehlungen sollen die Versorgung von Gichtpatienten erheblich verbessern und die Behandlung standardisieren. Ähnliche Fortschritte wurden in der Onkologie erzielt, insbesondere bei der Behandlung des Endometriumkarzinoms. Neue Ansätze wie Immuntherapien und der PARP-Inhibitor Olaparib bieten vielversprechende Perspektiven für Patientinnen mit fortgeschrittenen Tumoren. Diese Innovationen könnten die onkologische Versorgung in Deutschland nachhaltig verbessern.

Nicht zuletzt steht die Apothekenbranche vor einem erheblichen Fachkräftemangel. Der Bundesverband der Pharmazeutisch-technischen Assistenten (BVpta) setzt verstärkt auf Nachwuchsförderung, um dem zunehmenden Mangel an qualifizierten Fachkräften entgegenzuwirken. In einer neuen Initiative besucht der Verband unter der Leitung von Anja Zierath PTA-Schulen, um die Attraktivität des Berufs zu steigern. Gleichzeitig bleibt jedoch abzuwarten, ob diese Maßnahmen ausreichen, um dem wachsenden Bedarf gerecht zu werden. Schließlich leiden auch Apotheken unter den anhaltenden Schwierigkeiten in der Personalrekrutierung.

Die Apothekerschaft ist somit in vielerlei Hinsicht unter Druck: finanziell durch Retaxationen und Insolvenzfolgen, strukturell durch Lieferengpässe und politisch durch unsichere Zukunftsaussichten. Inmitten all dieser Herausforderungen sind Apotheken weiterhin eine zentrale Säule des deutschen Gesundheitssystems, doch ohne rasche Reformen könnten sie in eine existenzbedrohende Krise geraten. Die Apotheker erwarten von der Politik nicht nur finanzielle Entlastung, sondern auch eine klarere Abrechnungsregelung und Unterstützung bei der Bewältigung der Lieferprobleme. Andernfalls droht eine Verschärfung der aktuellen Situation, was letztlich auch die Patientenversorgung nachhaltig gefährden könnte.


Kommentar:

Die aktuelle Lage der Apotheken zeigt deutlich, dass die Branche vor immensen Herausforderungen steht. Finanzielle Belastungen durch Rezepturretaxationen, die Folgen der AvP-Insolvenz und die immer gravierenderen Lieferengpässe bei wichtigen Medikamenten bringen viele Apotheken an den Rand ihrer Existenz. Inmitten dieses Chaos warnt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, dass ohne eine umfassende Reform der Versandhandel die traditionelle Apothekenstruktur überrollen könnte. Diese Warnung ist nicht unbegründet. Die digitale Konkurrenz wächst, während viele stationäre Apotheken kaum noch in der Lage sind, ihre Kosten zu decken und gleichzeitig die hohe Versorgungsqualität zu gewährleisten, die Patienten in Deutschland gewohnt sind.

Es wird zunehmend offensichtlich, dass die aktuelle Situation nicht nur durch kosmetische Korrekturen zu bewältigen ist. Vielmehr bedarf es einer tiefgreifenden Reform, die sowohl die wirtschaftliche Stabilität der Apotheken sichert als auch das Vertrauen der Verbraucher stärkt. Es kann nicht sein, dass Apotheken bei Retaxationen ständig auf der Verliererseite stehen, nur weil Krankenkassen ihre eigene Interpretation von Abrechnungsmodalitäten durchsetzen. Hier muss die Politik klare, unmissverständliche Vorgaben machen, die den Apotheken finanzielle Planungssicherheit geben.

Ein weiteres gravierendes Problem sind die anhaltenden Lieferengpässe, die nicht nur die Apotheken belasten, sondern auch die Patientenversorgung massiv gefährden. Dass Lauterbach die Lage als „stabil“ bezeichnet, während vielerorts Medikamente wie Kreon nicht verfügbar sind, zeigt, wie weit die politische Wahrnehmung von der Realität in den Apotheken entfernt ist. Wenn Apotheken nicht in der Lage sind, ihren Kunden die notwendigen Medikamente zu liefern, werden Patienten sich zwangsläufig an andere Kanäle wenden – sei es der Versandhandel oder sogar ausländische Anbieter.

Politisch stehen die Apotheken ebenfalls auf wackeligem Boden. Die bevorstehenden Landtagswahlen in Brandenburg könnten zu einer Verschiebung der Machtverhältnisse führen, die das Apothekenwesen weiter destabilisieren. Besonders wenn eine Partei wie die AfD an Einfluss gewinnt, ist unklar, wie sie sich zu einer so zentralen Säule des Gesundheitswesens positionieren wird. Apotheken brauchen jedoch nicht nur politische Absichtserklärungen, sondern konkrete Maßnahmen, die ihre Stellung festigen.

Die Fortschritte in der medizinischen Versorgung, etwa durch neue Leitlinien zur Behandlung von Gicht oder neue Therapien beim Endometriumkarzinom, sind begrüßenswert. Doch was nützen diese Errungenschaften, wenn die Apotheken als Vermittler zwischen Medizin und Patient nicht mehr in der Lage sind, diese Behandlungen verfügbar zu machen? Die Apotheken brauchen jetzt dringend Unterstützung – nicht nur finanziell, sondern auch strukturell. Ohne eine solide Basis wird das traditionelle Apothekensystem dem Druck nicht standhalten, und der Versandhandel wird – wie von Lauterbach gewarnt – die Oberhand gewinnen.

Insgesamt ist klar, dass die Apothekenbranche an einem Scheideweg steht. Die Probleme sind nicht neu, aber sie haben eine Dringlichkeit erreicht, die sofortiges Handeln erfordert. Es darf nicht mehr nur diskutiert, sondern muss konkret gehandelt werden. Die Apotheken sind das Rückgrat der lokalen Gesundheitsversorgung, und dieses Rückgrat darf nicht weiter geschwächt werden. Nur mit einer umfassenden Reform, die die wirtschaftlichen, logistischen und politischen Herausforderungen gleichermaßen adressiert, kann das Apothekensystem in Deutschland zukunftsfähig gemacht werden.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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