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Steuer & Recht |
Das Finanzgericht Hamburg hat in einem aktuellen Urteil (Az. 1 K 121/22) wichtige Klarstellungen zu den Anforderungen an den Nachweis einer Behinderung im Kontext des Kindergeldes getroffen. Die Entscheidung vom 12.10.2023 beleuchtet die Frage, ob eine Behinderung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG vorliegt und welche Formen des Nachweises hierbei akzeptiert werden.
Im vorliegenden Fall stritt eine Klägerin um den Kindergeldanspruch für ihr Kind A, das seit 2009 unter seelischen Beeinträchtigungen leidet. Das Gericht legte dabei besonderen Wert auf eine Gesamtwürdigung ärztlicher Beurteilungen und betonte, dass die Form des Nachweises nicht gesetzlich geregelt sei. Auch die in der Dienstanweisung des Bundeszentralamtes für Steuern zum Kindergeldrecht (DA-KG 2022 A 19.2) aufgeführten Möglichkeiten seien nicht abschließend.
Die Klägerin konnte trotz fehlendem Schwerbehindertenausweis oder ärztlichem Attest auf Gesundheitszeugnisse und Gutachten eines Sozialmedizinischen Dienstes verweisen. Das Gericht stellte fest, dass eine Behinderung im Sinne der maßgeblichen Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vorliegt und dies bereits seit 2009, also vor Vollendung des 25. Lebensjahres des Kindes.
Die Familienkasse hatte zunächst Kindergeld aufgrund der Behinderung gezahlt, forderte jedoch einen weiteren Nachweis, den die Klägerin aufgrund fehlender Basis zur Hausärztin nicht vorlegen konnte. Daraufhin hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2022 auf und berief sich auf unzureichende Nachweise.
Das Gericht entschied zugunsten der Klägerin und betonte, dass die in der DA-KG 2022 A 19.2 genannten Angaben nicht zwingend in ärztlichen Bescheinigungen oder Gutachten vorhanden sein müssen. Eine Behinderung könne auch ohne explizite Verwendung des Begriffs "Behinderung" durch den behandelnden Arzt festgestellt werden. Im vorliegenden Fall überzeugten Gesundheitszeugnisse und Gutachten, die trotz später Feststellung des Grades der Behinderung im Verlauf des Verfahrens eine rückwirkende Anerkennung rechtfertigten.
Das aktuelle Urteil des Finanzgerichts Hamburg schafft Klarheit über die Anforderungen an den Nachweis einer Behinderung im Kontext des Kindergeldes. Die Feststellung, dass die Form des Nachweises nicht gesetzlich geregelt ist, ermöglicht eine flexiblere Bewertung durch die Gerichte. Dies ist besonders wichtig, da nicht alle Fälle sich auf die in der DA-KG 2022 A 19.2 aufgeführten Möglichkeiten beschränken.
Die Betonung der Gesamtwürdigung ärztlicher Beurteilungen stellt sicher, dass der Einzelfall und die individuellen Umstände angemessen berücksichtigt werden. Die Entscheidung des Gerichts, dass eine Behinderung auch ohne explizite Verwendung des Begriffs "Behinderung" nachgewiesen werden kann, stärkt die Position der Antragsteller und erleichtert den Zugang zum Kindergeld für Familien von beeinträchtigten Kindern.
Es bleibt zu hoffen, dass diese wegweisende Entscheidung auch in anderen Finanzgerichten Beachtung findet und eine einheitlichere Praxis bei der Beurteilung von Kindergeldansprüchen bei Behinderung etabliert wird.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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