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Steuer & Recht |
Das Sozialgericht Speyer konnte sich im konkreten Fall nicht vom Vorliegen eines Arbeitsunfalles überzeugen. Es war nicht aufklärbar, ob sich der Angestellte bei der beruflichen Tätigkeit oder im privaten Bereich mit dem COVID-19-Virus angesteckt hat.
Im April 2021 erkrankte ein Angestellter des Rechnungshofes Rheinland-Pfalz an Corona. Tage zuvor war eine Kollegin positiv auf das COVID-19-Virus getestet worden. Beide hatten an ihrem Präsenztag eine kurze Unterhaltung geführt. Außerdem befanden sich ihre Büros im Flur einander gegenüberliegend.
Das Sozialgericht hat entschieden, dass dem Angestellten kein Anspruch auf Feststellung der COVID-19-Infektion als Arbeitsunfall zusteht. Zwar kann eine Corona-Infektion grundsätzlich einen Arbeitsunfall darstellen. Es fehlt hier aber die haftungsbegründende Unfallkausalität.
Zwar spricht für eine Infektion am Arbeitsplatz die zeitliche Abfolge der Nachweise der Infektionen. Auch ist das COVID-19-Virus leicht von Mensch zu Mensch übertragbar.
Gegen eine Infektion am Arbeitsplatz spricht jedoch, dass ein unmittelbarer Kontakt mit der erkrankten Kollegin auf eine wenige Minuten dauernde Unterhaltung beschränkt war, die Kollegin eine OP-Maske trug und ein Abstand von mehr als 1,5 Metern eingehalten wurde. Eine indirekte Infektion durch in der Luft befindliche Aerosole (akkumulierte infektiöse Partikel) aufgrund eines Luftaustausches zwischen den Büros hält das Sozialgericht für unwahrscheinlich. Zwar können sich Aerosole vor allem auch in Innenräumen über die Zeit akkumulieren und enthalten diese Aerosole virale Partikel ist auch eine Ansteckung über größere Distanzen möglich. Die Büroräume waren allerdings nur durch zwei Türen über einen 2 m breiten Flur „verbunden“; ein gekipptes Bürofenster sorgte für frische Luft. Der COVID-19 Risikorechner für Aerosolübertragung und Ansteckungsgefahr in Innenbereichen des Max-Planck-Institutes für Chemie ist nicht anwendbar. Wegen Unsicherheiten und Variabilität bei den Modellannahmen gelten die berechneten Ergebnisse grundsätzlich nur für die im jeweiligen Modell vorausgesetzten idealisierten Szenarien und nicht für konkrete Einzelfälle.
Demgegenüber ist – auch bei gewissenhafter Vorsicht – eine Ansteckung im privaten Bereich möglich. Auch im Freien – Treffen mit den Nachbarn im Garten – kann es zu einer Übertragung des COVID-19-Virus durch Tröpfchen kommen. Zu bedenken ist auch, dass ein negatives Testergebnis die Möglichkeit einer Infektion mit COVID-19 nicht vollständig ausschließt, da die Tests nicht in jedem Stadium der Infektion verlässlich anschlagen.
Das Sozialgericht sieht keine Veranlassung in Fällen wie dem vorliegenden, in denen eine Infektion praktisch jederzeit und überall erfolgt sein kann – die Inzidenz lag zum damaligen Zeitpunkt in Speyer bei weit über 100 -, eine quasi Beweislastumkehr zu Gunsten der Versicherten für die gesetzliche Unfallversicherung zu begründen. Der Gesetzgeber hat der bestehenden Beweisproblematik bezogen auf Infektionskrankheiten mit der Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV, die grundsätzlich auch die Erkrankung an COVID-19 erfasst, Rechnung getragen. Zum anderen soll der Versicherungsträger nur für Schadensereignisse einstehen müssen, die einem Nachweis zugänglich sind. Eine Beweislastumkehr aus reinen Billigkeits- und/oder Gerechtigkeitsgründen kommt ohnehin nicht in Betracht.
Urteil S 12 U 188/21 vom 07.02.2023 (nrkr)
Quelle: Sozialgericht Speyer
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