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Steuer & Recht |
Die Europäische Union ist für die Schweiz der wichtigste Handelspartner, die Schweiz ihrerseits der viertgrößte für die EU. Diese Wirtschaftsbeziehungen sind seit Jahren stabil, aber nicht in Stein gemeißelt: Nach ihrem knappen Votum gegen einen Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum vor 30 Jahren ist die Schweiz kein Mitglied des Binnenmarktes. Stattdessen ist das Land durch mehr als 120 komplexe Vereinbarungen eng mit der EU verbunden. Ein neues Rahmenabkommen sollte die Situation stabilisieren; die Schweiz hat das Verhandlungsergebnis jedoch 2021 überraschend zurückgewiesen. Der Zeitpunkt war äußerst ungünstig. Denn angesichts wachsender geopolitischer Herausforderungen, geteilter Interessen und hoher wirtschaftlicher Vernetzung ist es wichtig, die zunehmend unsicheren EU-Schweiz-Handelsbeziehungen zu verbessern. Beide Seiten sollten sich daher schnell auf Verhandlungen für eine stärkere wirtschaftliche Integration einigen.
Auch nach dem Brexit bleibt der europäische Binnenmarkt einer der wichtigsten, dynamischsten und attraktivsten Wirtschaftsräume der Welt – und setzt oft genug internationale Standards. Die Schweiz hat durch verschiedene Abkommen bisher einen privilegierten Zugang zum Binnenmarkt und nimmt etwa am Schengen-Raum sowie an den Forschungs- und Mobilitätsprogrammen teil. Diese bilateralen Abkommen müssen allerdings regelmäßig aktualisiert werden, gleichzeitig fehlen wirksame Konfliktbeilegungsmechanismen. Bereits ab 2013 führten die EU und die Schweiz daher Verhandlungen zur rechtlichen Vereinheitlichung und Modernisierung der bestehenden Abkommen durch ein institutionelles Rahmenabkommen. Nach acht Jahren Verhandlung samt vorläufig ausverhandeltem Vertragstext brach die Schweizer Regierung jedoch im Mai 2021 überraschend die Gespräche ab, da sie verbleibende Verhandlungslücken als unüberwindbar einstufte.
Seitdem herrscht für Unternehmen zunehmend Rechtsunsicherheit im Schweiz-Geschäft: Die kontinuierliche Weiterentwicklung des EU-Binnenmarktes durch Rechtsprechung und Regulierungen erfordert eine immer komplexere Aktualisierung der bilateralen Abkommen. Ohne das 2021 gescheiterte Rahmenabkommen droht nun die schrittweise Verschlechterung der Handelsbeziehungen – vergleichbar mit einem Smartphone ohne Updates. Dies ist bereits bei Medizinprodukten der Fall: Dort wird der grenzüberschreitende Handel unter anderem dadurch stark erschwert, dass seit 2021 Konformitätsbewertungen nicht mehr gegenseitig anerkannt werden. Auch in weiteren Bereichen droht in den nächsten Jahren ein Auseinanderdriften der Standards für Unternehmen. Zudem erschweren viele Hemmnisse den bilateralen Wirtschaftsaustausch: So muss die Erbringung von Dienstleistungen in der Schweiz meist acht Kalendertage im Voraus angemeldet werden – in manchen Branchen sogar verbunden mit einer Kaution von bis zu 20.000 Schweizer Franken. Besonders kleine und mittelständische Unternehmen aus Deutschland hofften mit dem Rahmenabkommen auf deutliche Erleichterung bei der Entsendung ihrer Beschäftigten.
Der Blick auf die Wirtschaftsdaten zeigt, wie bedeutend diese Entwicklungen sowohl für die deutschen als auch für die Schweizer Unternehmen sind: Fast die Hälfte der eidgenössischen Exporte gehen in die Europäische Union, und Deutschland ist der mit Abstand größte europäische Handelspartner der Schweiz. Das bilaterale Handelsvolumen umfasste 2021 knapp 110 Milliarden Euro. Die Schweiz lag damit auf Rang acht der deutschen Handelspartner. Deutschland war außerdem Hauptlieferland der Schweiz. Im Jahr 2020 waren mehr als 1.400 deutsche Unternehmen in der Schweiz vertreten. Sie beschäftigen circa 150.000 Angestellte, erzielten einen Jahresumsatz von 125 Milliarden Euro, und ihre unmittelbaren Direktinvestitionen beliefen sich auf 57 Milliarden Euro.
Die engen Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und der Schweiz sollten nicht aufs Spiel gesetzt, sondern vielmehr nachhaltig abgesichert werden. Der Brexit hat gezeigt, wie wichtig es ist, den Binnenmarkt geschlossen und entschlossen zu verteidigen – auch für die Wirtschaft. Es gilt, die Belastung für die Wirtschaft gering zu halten und gleichzeitig für die Entwicklung zukünftiger gemeinsamer Integrationsschritte offen zu bleiben – auch etwa für den nicht zuletzt mit Blick auf die Schweiz konzipierten Europäischen Wirtschaftsraum. Diese Annäherung müsste wichtige Bereiche umfassen: Streitbeilegung, dynamische Rechtsanpassung, Modernisierung des Handelsabkommens, Energie, Gesundheit, Forschung, Finanzmarktregulierung und Dienstleistungen. Angesichts des weltweit wachsenden Protektionismus und einer zunehmenden wirtschaftlichen Entkopplung läge es im gemeinsamen Interesse beider Handelspartner, die laufenden Sondierungsgespräche rasch in passgenaue Verhandlungen mit dieser Zielrichtung zu überführen.
Quelle: DIHK
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