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APOTHEKE | Systemblick - Kommentar von heute
Stand: Donnerstag, 25. Dezember 2025, um 09:10 Uhr
Apotheken-News: Kommentar von heute
Kommentar von Seyfettin Günder zu den aktuellen Apotheken-Nachrichten über Reformpfad ohne Zusage, Erwartungsdruck im Betrieb und die Frage nach staatlicher Verlässlichkeit
Es beginnt oft mit einem Satz, der harmlos klingt und doch eine ganze Lage beschreibt: Es könne noch nichts garantiert werden. In einem Reformjahr ist das ein Nebensatz, im Betrieb ist es eine Arbeitsanweisung ohne Absender. Denn der Alltag fragt nicht, ob ein Verfahren gerade offen ist, sondern ob die nächsten Wochen planbar sind, ob Personal gehalten werden kann, ob Preise und Pflichten zusammenpassen, ob eine Leitung Entscheidungen treffen kann, ohne ständig auf den nächsten politischen Halbsatz zu warten. Wenn Zusage ausbleibt, entsteht nicht Leere, sondern Ersatzlogik: improvisieren, erklären, abfedern, Risiken mittragen.
Der Reformweg startete mit einem seltenen Moment von Erwartung. Eckpunkte standen im Raum, Entwürfe wurden in Aussicht gestellt, Gesprächsräume öffneten sich, und in vielen Teams entstand das Gefühl, dass aus der langen Abnutzung endlich eine Richtung werden könnte. Im Verlauf des Jahres traten die Reibungspunkte hervor. Zeitachsen rissen, Formulierungen wurden vorsichtiger, Zuständigkeiten verschwammen, und aus der anfänglichen Linie wurde ein Zickzack, das nach außen wie Prozess aussieht, nach innen aber wie schleichende Entwertung von Planung. Der Unterschied ist entscheidend: Verfahren kann warten, Versorgung nicht.
Verschiebung gilt nach außen gern als Zeichen von Sorgfalt. Nach innen ist sie eine Lastverlagerung, weil die Pflicht zur Funktion weiterläuft, während die Sicherheit ausbleibt. Dienstpläne werden trotzdem geschrieben, Lieferprobleme trotzdem gelöst, Rückfragen trotzdem beantwortet, Konflikte an der Kasse trotzdem ausgetragen, und jedes Mal steht ein Team dazwischen, das die Reibung schluckt, ohne dass sie im System als Preis sichtbar wird. Wer Versorgung organisiert, kann nicht in den Wartemodus gehen, wenn die politische Spur noch gesucht wird. Genau diese Asymmetrie macht die Lage bitter: Offene Fragen bleiben oben, die Folgen landen unten.
Der eigentliche Schaden entsteht an der Kontaktfläche. Dort zählt nicht das Verfahren, sondern die Verlässlichkeit. Wenn Zuzahlung, Rabattlogik, Lieferlage und digitale Pflichten zusammentreffen, wird jede zusätzliche Unklarheit zur Reibung. Reibung ist kein weicher Begriff, sondern eine betriebliche Kenngröße: Sie frisst Zeit, sie frisst Reserve, sie frisst Motivation. Irgendwann ist nicht mehr erklärbar, warum etwas heute gilt, morgen anders ausgelegt wird und übermorgen wieder zurückrudert. Dann kippt das Gespräch, nicht weil Menschen plötzlich unvernünftig werden, sondern weil das System ihnen zu oft zugemutet hat, Widersprüche höflich zu überbrücken.
Komplexität wäre aushaltbar, wenn Verbindlichkeit wächst. Verbindlichkeit bedeutet nicht, dass alles sofort fertig ist; sie bedeutet, dass Richtung, Zeitachse und Zuständigkeit klar sind. Wer Verantwortung ernst meint, sagt, was gilt, wann es gilt und wer die Zwischenzeit trägt. Genau diese Zwischenzeit ist die Zone, in der Betriebe ausbluten, nicht spektakulär, sondern leise: im Abrieb von Stunden, im Verzicht auf Fortbildung, im Verschieben von Investitionen, im Zerren an Teams, im Aufbrauchen jener stillen Puffer, die man braucht, um Fehler zu vermeiden und Qualität zu halten. Wer Zwischenzeit nicht regelt, regelt indirekt, dass andere sie bezahlen.
Die Formel, man könne noch nichts garantieren, ist deshalb mehr als Kommunikationsvorsicht. Sie ist ein Systemsignal: Der Vollzug soll stabil bleiben, aber die Stabilisierung soll nicht politisch garantiert werden. Damit wandert die Frage nach staatlicher Verlässlichkeit vom Sonntagswort zur Monatsabrechnung. Ein Auftrag zeigt sich nicht in Reden, sondern darin, ob Leistungsträger so ausgestattet werden, dass sie Belastung nicht nur ertragen, sondern beherrschbar machen können. Wenn Zusagen fehlen, wird Risiko zur stillen Betriebsregel, weil Verantwortung nicht verschwindet, sondern nach unten durchrutscht.
In solchen Momenten wird sichtbar, was das Reformjahr wirklich erzählt. Nicht: Es gebe zu wenig Ideen. Sondern: Entscheidungen werden so lange geschoben, bis Verschiebung selbst zur Methode wird. Das verändert Erwartungshaltungen. Wer über Monate signalisiert, dass vieles geprüft wird, aber wenig verbindlich wird, produziert eine zweite Ebene der Enttäuschung: nicht nur über Inhalte, sondern über das Verfahren selbst. Und wenn Verfahren als unzuverlässig erlebt werden, wird jedes neue Papier automatisch als Vorstufe zur nächsten Verschiebung gelesen. Die Folge ist nicht nur Frust, sondern eine strategische Verarmung: Man rechnet nicht mehr mit Stabilisierung, man rechnet mit dem Durchhalten bis zur nächsten Runde.
Über lange Zeit wurde aus dem Versorgungsauftrag ein Effizienzauftrag, und aus Effizienz wurde Dauerdruck. Jede neue Pflicht wirkt dann nicht wie Fortschritt, sondern wie eine weitere Schicht auf einem Fundament, das bereits rissig ist. In diesem Klima entstehen harte Reaktionen, die von außen gern als Übertreibung erscheinen. Tatsächlich sind sie Indikatoren: Die Grenze wird nicht dort erreicht, wo es laut wird, sondern dort, wo Kompensation nicht mehr funktioniert und der Alltag nur noch durch Improvisation zusammengehalten wird. Improvisation kann kurzfristig retten, langfristig macht sie müde, weil sie keine Richtung bietet.
Der Gipfelpunkt ist nüchtern: Ohne Zusage wird Reform zur Gewöhnung an Unsicherheit. Dieser Satz ist hart, weil er nicht moralisch ist, sondern mechanisch. Ein Betrieb kann vieles tragen, solange er weiß, wofür er trägt und wie lange. Wenn er nicht weiß, wie lange, wird aus Tragen ein Schwanken. Wenn aus Schwanken Routine wird, entsteht eine stille Absenkung, die später niemand mehr einem Datum zuordnen kann, die aber als Folgekosten wiederkehrt: mehr Fluktuation, mehr Konflikt, weniger Bindung, weniger Mut zu Investition, weniger Lust, Verantwortung zu übernehmen.
Die Zukunft der Gesundheitsversorgung hängt nicht allein von Politik ab, aber sie hängt entscheidend davon ab, ob Politik Verlässlichkeit als Bestandteil von Versorgung versteht und nicht als optionalen Luxus. Wer über viele Jahre an der Honorarbasis reibt, darf sich nicht wundern, wenn irgendwann das Vertrauen in Verfahren selbst zum Engpass wird. Dann geht es nicht mehr um einzelne Bausteine, sondern um die Frage, ob die Ordnung, die Versorgung tragen soll, ihre Träger noch trägt. Genau hier entscheidet sich, ob Reform Stabilisierung meint oder nur Verwaltung von Erwartung.
An dieser Stelle reicht es, die Verantwortungsrichtung zu benennen: Verbindlichkeit gehört dorthin, wo entschieden wird, und Risiko darf nicht dort geparkt werden, wo der Auftrag praktisch erfüllt wird. Der nächste Entwurf zählt weniger als die Bereitschaft, Zusagen zu machen, die den Alltag wieder planbar machen. Ohne Planbarkeit wird jede Reform am Ende zur Belastungsprobe, nicht zur Stabilisierung.
An dieser Stelle fügt sich das Bild.
Ein Jahr lässt sich manchmal besser an dem erkennen, was im Hintergrund dauerhaft geworden ist, als an dem, was vorn groß angekündigt wurde. Wo Zusagen ausbleiben, entsteht eine zweite Sprache: Man spricht von Reform, aber rechnet mit Zwischenzeit. Man hört Verfahren, aber lebt Folgekosten. Und je länger das dauert, desto mehr wird Unsicherheit zur Gewohnheit, bis sie nicht mehr als Ausnahme wahrgenommen wird, sondern als Rahmen, in dem man sich eben einrichtet. Genau das ist die gefährliche Verschiebung: Nicht die Reform verschiebt sich nur, sondern die Erwartung an Verlässlichkeit verschiebt sich gleich mit.
Dies ist kein Schluss, der gelesen werden will – sondern eine Wirkung, die bleibt. Wenn Verlässlichkeit vertagt wird, wird Unsicherheit zur stillen Betriebsregel. Das erzeugt nicht sofort Zusammenbruch, sondern eine Normalität, in der Risiko täglich mitgeführt wird, ohne dass es politisch als Last anerkannt wird. Ein Auftrag, der so funktioniert, erfüllt sich nicht, er rutscht ab. Und was abrutscht, wird irgendwann teuer, nicht nur in Geld, sondern in Vertrauen.
SG
Prokurist | Publizist | Verantwortungsträger im Versorgungsdiskurs
Kontakt: sg@aporisk.de
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Wer das für Formalie hält, unterschätzt die Verantwortung, die Sprache heute tragen muss.
Ein Kommentar ist keine Meinung. Er ist Verpflichtung zur Deutung – dort, wo Systeme entgleiten und Strukturen entkoppeln.
Ich schreibe nicht, um zu erklären, was gesagt wurde. Ich schreibe, weil gesagt werden muss, was sonst nur wirkt, wenn es zu spät ist.
Denn wenn das Recht nur noch erlaubt, aber nicht mehr schützt, darf der Text nicht schweigen.
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