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  • 22.12.2025 – Apothekenreform im ApoVWG, Verhandlung ohne Fundament, Risikoexport in den Betrieb
    22.12.2025 – Apothekenreform im ApoVWG, Verhandlung ohne Fundament, Risikoexport in den Betrieb
    APOTHEKE | Systemblick |  Kommentar: Die Apothekenreform im ApoVWG zeigt, wie Verfahrenslogik ohne klare Honorargrundlage Verantwortung verschiebt und Konflikte aus Politi...

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Systemblick | 

Apothekenreform im ApoVWG, Verhandlung ohne Fundament, Risikoexport in den Betrieb

 

Ausgabe Nr. 108 | Wenn Verfahren Honorar ersetzt, wird der Versorgungsauftrag zur Belastungsprobe im Apothekenalltag

Stand: Montag, 22. Dezember 2025, um 20:25 Uhr

Apotheken-News: Kommentar von heute

Kommentar von Seyfettin Günder zu den aktuellen Apotheken-Nachrichten über ApoVWG, § 129 SGB V, Verhandlungslogik und die Frage, wer im System am Ende die Zwischenlast trägt

Die Apothekenreform ist nicht deshalb kritisch, weil sie viele Details berührt, sondern weil sie die zentrale Stabilitätsfrage in den Nebel schiebt: Was gilt sofort, was gilt später, und wer bezahlt die Zeit dazwischen. Politik kann sich erlauben, in Etappen zu denken. Ein Apothekenbetrieb kann das nicht. Der Betrieb rechnet nicht mit Überschriften, sondern mit Lohnläufen, Warenkrediten, Retaxrisiken, Ausfällen in der Personaldecke und dem täglichen Druck an der Kundenschnittstelle. Wenn ein Koalitionsversprechen wirtschaftliche Stärkung suggeriert, der Entwurf aber vorrangig Regeltechnik und Prozessarchitektur liefert, entsteht eine Differenz zwischen Erwartung und Tragfähigkeit. Diese Differenz wird nicht im Plenum spürbar, sondern am HV-Tisch.

Der Begriff „Verhandlung“ wirkt dabei wie ein politisches Beruhigungsmittel. Er klingt nach Bewegung, nach späterer Korrektur, nach einem Mechanismus, der schon irgendetwas ausbalancieren wird. Für Betriebe bedeutet Verhandlung aber oft etwas anderes: Unklarheit wird verlängert, Zuständigkeit wird verschoben, und die Zwischenlast wird stillschweigend nach unten gedrückt. Genau darin liegt der Risikoexport. Nicht als böswillige Entscheidung, sondern als strukturelles Muster: Wo Finanzierung nicht gesetzt wird, muss jemand die Zeit finanzieren. Wo Regeln offen bleiben, muss jemand die Folgen der Offenheit tragen. Und wo der Staat Aufgaben ausweitet, ohne die ökonomische Bodenplatte sichtbar zu verstärken, wird der Versorgungsauftrag zur Belastungsprobe, die zuerst die trifft, die nicht ausweichen können.

Das ApoVWG berührt mit dem Blick auf § 129 SGB V einen Kern, der in der Apotheke nicht abstrakt ist. Austauschregeln, Dienstleistungen, neue Abgabeoptionen und Verfahrensfragen sind nicht nur „Modernisierung“, sondern Eingriffe in Haftungs- und Verantwortungslogiken. Jede Erweiterung erzeugt neue Prüf- und Dokumentationspflichten, neue Erklärlagen gegenüber Patientinnen und Patienten und neue Konfliktstellen, wenn Kassenkommunikation, Verordnungsrealität und Apothekenpflichten auseinanderlaufen. Die politische Erzählung kann dabei flexibel bleiben. Der Betrieb darf es nicht, weil Fehler nicht mit einem Interview enden, sondern mit Regress, Retax, Vertrauensverlust oder Personalfluktuation.

Wer kann im Verfahren noch beeinflussen, was später als Alltagspflicht in der Offizin landet. Formal sind es Ausschüsse, Fraktionen, Länderpositionen, Verbände, Stellungnahmen und der lange Weg von Änderungsanträgen bis zur finalen Fassung. Praktisch entscheidet Einfluss aber an einer anderen Stelle: dort, wo Vollzugstauglichkeit in präzise Mechanik übersetzt wird. Ein Satz im Gesetz, der „Verhandlung“ sagt, kann in der Realität bedeuten, dass niemand mehr eindeutig haftet, wenn es schiefgeht. Ein Korridor kann bedeuten, dass Betriebe in einem Zwischenzustand leben, in dem sie bereits liefern, aber noch nicht wissen, nach welcher Logik die Leistung finanziell getragen wird. Die entscheidende Frage ist daher nicht, wer „recht hat“, sondern wer Ordnung schafft: klare Zuständigkeitslinien, belastbare Fristen, nachvollziehbare Finanzierung, eindeutige Grenzen der Belastbarkeit.

Dabei geht es ausdrücklich nicht um Personenangriffe. Es geht um Systemdesign. Ein Staat, der Versorgungsaufträge formuliert, muss auch das Risiko der Umsetzung verantworten. Wenn er es nicht tut, entsteht eine Schieflage: Die politische Ebene gewinnt Zeit, die Kassenebene gewinnt Deutungsspielräume, und der Apothekenbetrieb wird zum sichtbaren Adressaten für Entscheidungen, die er nicht getroffen hat. Die Kundschaft erlebt den Betrieb als Verantwortlichen, weil er greifbar ist. Und genau hier beginnt die gefährliche Nebenwirkung jeder unklaren Reform: Sie macht Betriebe zu Zielscheiben, nicht weil sie falsch handeln, sondern weil das System die Last nach unten durchreicht.

Die Diskussion um „Ersparnis“ verschärft dieses Muster. Wenn wirtschaftliche Stärkung immer wieder so behandelt wird, als müsse sie erst an anderer Stelle „freigeschaufelt“ werden, entsteht ein Honorarverständnis, das nicht an Auftrag und Leistung hängt, sondern an politischer Resteverteilung. Das ist ordnungspolitisch falsch, weil es Versorgung zur Nebenbedingung macht. Ein Betrieb kann nicht langfristig investieren, wenn seine Stabilität davon abhängt, ob die Gesamtsystemlage gerade Spielraum lässt. Versorgungssicherheit verlangt Planbarkeit, nicht Hoffnungslogik. Wer das ignoriert, organisiert nicht Reform, sondern Risiko.

Ein harter Satz bleibt deshalb übrig: Einfluss im Verfahren ist nur dann wirksam, wenn er die Zwischenlasten sichtbar macht und beseitigt. Alles andere ist Symbolik. Der Betrieb braucht keine weiteren Versprechen, die in Verhandlungsräume verlegt werden. Er braucht eine Architektur, die Verantwortung dort verankert, wo sie hingehört. Das ist keine Maximalforderung, sondern Mindestlogik eines Systems, das sich „krisenfest“ nennt. Und genau daran wird sich diese Reform messen lassen: nicht daran, ob sie modern wirkt, sondern daran, ob sie die Lastpfade schließt, bevor Betriebe unter der offenen Rechnung zusammenrutschen.

An dieser Stelle fügt sich das Bild.

Der Leitbegriff ist Verlässlichkeit, weil sie im Apothekenbetrieb nicht als Stimmung existiert, sondern als betriebliche Physik. Wenn Reformen Aufgaben verschieben, aber die Finanzbasis offenlassen, entsteht Verlässlichkeit nur noch durch Selbstaufzehrung: mehr Organisation, mehr Erklären, mehr Tragen. § 129 SGB V wird dann zur Schaltstelle, an der Verfahren in den Alltag tropfen, während die Frage der Kostentragung im Hintergrund bleibt. So wird aus Flexibilität ein Lastpfad, der erst spürbar wird, wenn Personal, Kundschaft und Kasse zugleich Druck machen.

Dies ist kein Schluss, der gelesen werden will – sondern eine Wirkung, die bleibt. Verhandlung kann ordnen, aber sie kann kein Fundament ersetzen, wenn das Fundament bereits im Betrieb verbraucht wird, bevor der Kompromiss steht. Die Deutung ist schlicht: Wo Finanzierung vertagt wird, wird Risiko verlagert, und wo Risiko verlagert wird, entsteht zwangsläufig eine neue Schieflage an der sichtbaren Front der Versorgung. Das System wird dann nicht durch einen großen Fehler beschädigt, sondern durch viele kleine Unklarheiten, die Tag für Tag in die Offizin hineinregnen. Die offene Frage ist nicht, ob die Reform weiterläuft, sondern ob sie die Richtung wechselt, bevor aus Verfahren ein Dauerzustand wird.

 

SG
Prokurist | Publizist | Verantwortungsträger im Versorgungsdiskurs
Kontakt: sg@aporisk.de

Wer das für Formalie hält, unterschätzt die Verantwortung, die Sprache heute tragen muss.

Ein Kommentar ist keine Meinung. Er ist Verpflichtung zur Deutung – dort, wo Systeme entgleiten und Strukturen entkoppeln.

Ich schreibe nicht, um zu erklären, was gesagt wurde. Ich schreibe, weil gesagt werden muss, was sonst nur wirkt, wenn es zu spät ist.

Denn wenn das Recht nur noch erlaubt, aber nicht mehr schützt, darf der Text nicht schweigen.

 

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