Reformentwurf verliert Fixum, Kabinett hält PTA-Vertretung, Branche prüft die Restlogik
Der überarbeitete Entwurf zum Apothekenversorgung-Weiterentwicklungsgesetz ist kein Totalausfall, aber er wirkt wie eine verpasste Zäsur. Dass das Bundeskabinett die Fassung gebilligt hat und auch das Finanzministerium sie mitträgt, macht die verbleibenden Brüche umso sichtbarer. Eine spürbare Honorarbewegung fehlt weiterhin, obwohl die Wartezeit seit 2013 längst zu einem Vertrauensproblem geworden ist. Politisch klingt das nach „Kritik aufgenommen“, im Betrieb aber nach einem Aufschub ohne Sicherung. Der Entwurf lädt damit zu einer nüchternen Frage ein: Reicht Prozesspflege, wenn die wirtschaftliche Basis offen bleibt? Der Entwurf zeigt damit, dass Symbolik im Gesetzgebungsprozess nicht dieselbe Währung ist wie Liquidität im Alltag. Zwischen Zustimmung in Berlin und Belastung in der Fläche liegt eine Lücke, die sich nicht wegmoderieren lässt.
Am schärfsten zeigt sich das bei der PTA-Vertretungsbefugnis, die nicht gestrichen, sondern in eine eng gefasste Erprobung überführt wurde. Die Regel ist als Ausnahme konstruiert: ländliche Sonderlagen, Genehmigung durch die zuständige Behörde und ein räumliches Kriterium, das den Versorgungsrahmen eng zieht. Damit wird Verantwortung nicht beseitigt, sondern in Einzelfallentscheidungen, Dokumentationspflichten und Verwaltungslogik verlagert. Setzung bleibt: Leitung ist Leitung, auch wenn sie zeitweise delegiert wird. Wer hier „Entlastung“ erwartet hat, liest nun vor allem Bedingungen, die neue Konflikte zwischen Anspruch und Machbarkeit erzeugen. Der Text versucht, Konflikte zu beruhigen, indem er sie in Kriterien zerlegt, doch Kriterien ersetzen keine Stabilität. Wer eine solche Regel später erweitert, schafft zudem einen Präzedenzfall, der in weiteren Fachfragen als Argument herangezogen werden kann.
Hinzu kommen Eignungs- und Bindungskriterien, die im Gesetzestext klar klingen, in der Praxis aber nachweisintensiv werden. Gefordert werden langjährige Erfahrung, eine verlässliche Tätigkeit in genau dieser Apotheke und die Einordnung in eine Sonderkonstellation, die ausdrücklich nicht zur Regel werden soll. Selbst wenn die Vertretung auf 20 Tage im Jahr begrenzt ist, entsteht ein neues Haftungsprofil für die vertretende Person und für die Inhaberseite. Der Satz, dass während der Vertretung die Pflichten einer Leitung gelten, ist juristisch eindeutig und organisatorisch schwer. Es ist die Art Regel, die formal sauber wirkt und im Alltag an Personalrealitäten, Urlaubslücken und Erwartungsdruck reibt. Wer Verantwortung ausweitet, muss die Schutzmechanik gleich mitliefern. In dieser Spannung entscheidet sich, ob eine Reform als Entlastung oder als neue Last gelesen wird.
Parallel hält der Entwurf an der erleichterten Gründung von Zweigapotheken mit abgesenkten räumlichen Anforderungen in abgelegenen Gebieten fest, einschließlich einer längerfristigen Genehmigungsperspektive. Das kann Versorgung sichern, wenn es als Instrument für echte Lücken genutzt wird, und es kann Strukturen ausdünnen, wenn es als Ersatz für Stabilisierung gelesen wird. Setzung bleibt: Ausnahmen dürfen nicht zur stillen Normalform werden. Entscheidend sind hier nicht Überschriften, sondern Auflagen, Kontrollen und die Frage, ob Qualitätssicherung als Standard oder als Kulisse organisiert wird. Je mehr Betrieblichkeit durch Sonderregeln ersetzt wird, desto stärker wird die Aufsicht selbst zum Versorgungsfaktor. Für die Praxis bedeutet das: Jede neue Genehmigung wird zum politischen Signal, ob Versorgung durch Struktur oder durch Ausnahmeverwaltung gesichert werden soll. Gerade dort, wo Wege weit sind, wird die Verlässlichkeit von Zuständigkeiten wichtiger als jede Wortwahl im Gesetz.
Auf der Haben-Seite stehen mehrere Bausteine, die in der täglichen Arbeit tatsächlich Erleichterung versprechen: Zuschüsse für Teilnotdienste, die Rückkehr von Skonto-Spielräumen, zusätzliche Impfoptionen und das Ende der Nullretaxation bei rein formalen Fehlern. Auch die Möglichkeit, in eng begrenzten dringlichen Konstellationen ohne Rezept abgeben zu können, ist eher ein Regelwerk der Einschränkungen als eine Einladung zur Beliebigkeit. Dazu kommen flexiblere Öffnungsoptionen und weitere Elemente, die den Werkzeugkasten breiter machen, ohne den Kernkonflikt zu lösen. Politisch bleibt das Paket fragil, solange der Honoraranker nur als spätere Zusage herumliegt, etwa mit dem Verweis auf 9,50 Euro beim Packungsfixum. Wenn Zusagen nicht zeitnah in Rechtswirklichkeit übersetzt werden, wird jede Teillösung zum Test auf Glaubwürdigkeit. Wer sich über die positiven Bausteine freut, tut das oft mit dem Zusatz, dass sie ohne wirtschaftliche Flankierung ihren Effekt verlieren. Der Entwurf wirkt deshalb wie ein Bündel aus richtigen Einzelideen, das auf der zentralen Frage noch keine Entscheidung trifft.
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