Für Sie gelesen
Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
APOTHEKE | Systemblick |
Stand: Mittwoch, 10. Dezember 2025, um 18:30 Uhr
Apotheken-News: Kommentar von heute
Kommentar von Seyfettin Günder zu den aktuellen Apotheken-Nachrichten über Lichtaus-Protest, jahrzehntelangen Honorarstillstand, Versorgungsrisiken und die Frage nach klügerer Verhandlungsmacht der Apotheken
Wenn die Standesvertretung für den 17. Dezember zum „Versorgungsblackout“ aufruft und Apotheken symbolisch das Licht ausknipsen sollen, erzählt das zunächst eine nachvollziehbare Geschichte: Ein Berufsstand ist müde, erschöpft, wütend darüber, seit zwei Jahrzehnten mit einem de facto eingefrorenen Honorar durch wachsende Aufgaben und Kosten gedrückt zu werden. Das Bild der dunklen Offizin ist stark, weil es ein Gefühl trifft, das viele Inhaberinnen und Inhaber im Alltag längst kennen. Gleichzeitig drängt sich eine unbequeme Frage auf: Wer lässt sich von einem weiteren Protestritual wirklich noch beeindrucken – und wer rechnet im politischen Raum inzwischen damit, dass der Lärm nach ein paar Tagen wieder abebbt, ohne dass die eigene Machtposition ernsthaft berührt wird.
Die politische Seite hat diese Routinen gelernt. Ein Protesttag hier, eine Kampagne dort, ein paar markige Worte, ein paar Fotos mit Plakaten vor Ministerien – und danach geht es zurück an die Arbeit in Ausschüssen, Fraktionen und Häusern, in denen Haushaltszahlen, Koalitionslogiken und Kommunikationsrisiken den Takt bestimmen. In dieser Logik ist der Lichtaus-Tag nur eine Variable unter vielen. Echte Hebelwirkung entsteht erst dann, wenn sichtbare Aktionen mit Szenarien verknüpft werden, die politischen Entscheiderinnen und Entscheidern zeigen, was eine weitere Erosion der Apothekenstruktur für Notdienste, ländliche Räume, Kliniken, Pflegeeinrichtungen und chronisch Kranke tatsächlich bedeutet. Genau hier beginnt der Unterschied zwischen Protest, der aus der Branche heraus überzeugend wirkt, und Verhandlungsintelligenz, die in Regierungskreisen Wirkung entfaltet.
Die Standesvertretung bewegt sich in einem gefährlichen Spannungsfeld. Auf der einen Seite stehen berechtigte Erwartungen aus der Basis: Endlich sichtbar werden, endlich den Ärger kanalisieren, endlich klar machen, dass es so nicht weitergeht. Auf der anderen Seite braucht es eine Sprache und Strategie, die jenseits moralischer Appelle anschlussfähig ist für Finanzministerien, Staatskanzleien, Regierungsfraktionen und nicht zuletzt für jene, die im Kanzleramt oder in den großen Ressorts die Prioritäten setzen. Wer sich zu sehr auf symbolische Akte verlässt, sendet zwar ein Signal an die eigenen Reihen, verpasst aber möglicherweise die Chance, die eigentliche Machtfrage zu stellen: Was kostet der Staat die Sicherstellung einer flächendeckenden, qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung – und was passiert haushalts- und sicherheitspolitisch, wenn dieses Netz weiter ausdünnt.
Aus ökonomischer Sicht ist die Lage seit langem klarer als die Protestformen vermuten lassen. Zwei Jahrzehnte Fixhonorar mit nur punktuellen Anpassungen stehen einem Kostengerüst gegenüber, das sich in mehreren Wellen nach oben bewegt hat: Tarifsteigerungen, Energiepreise, Investitionen in IT und Kühlung, regulatorischer Mehraufwand, Notdienstlast und nicht zuletzt der Umgang mit Lieferengpässen und Hochpreisarzneimitteln. Dass unter diesen Bedingungen Apothekenschließungen zunehmen, überrascht niemanden, der Bilanzen und Personalplanungen kennt. Die eigentliche Brisanz entsteht aber dort, wo einzelne Schließungen in Regionen kippen, in denen nur wenige Betriebe überhaupt noch vorhanden sind. An diesem Punkt ist nicht mehr die einzelne Offizin das Problem, sondern die Frage, wie der Staat seinen Sicherstellungsauftrag praktisch erfüllen will.
Genau an dieser Stelle wäre eine andere Form von Härte gefragt. Nicht der reflexhafte Ruf nach mehr Aktionstagen, sondern die kalte, nüchterne Präsentation von Szenarien, die über den Gesundheitssektor hinaus reichen. Was bedeutet es für Rettungsdienste, wenn Notdienste weiter zusammengelegt werden müssen. Welche Folgen hat eine weitere Ausdünnung für die Erreichbarkeit von Arzneimitteln bei älteren oder weniger mobilen Menschen. Wie verändern sich Fehler- und Haftungsrisiken, wenn Teams permanent an der Überlastungsgrenze arbeiten. Welche Summen müssen in anderen Bereichen aufgebracht werden, wenn die wohnortnahe Arzneimittelversorgung wegbricht und stattdessen Kliniken, Notaufnahmen und digitale Plattformen versuchen, die Lücken zu füllen. Wer solche Fragen mit belastbaren Zahlen und plausiblen Prognosen unterfüttert, erzeugt einen anderen Druck als durch noch so gut fotografierte Dunkelaktionen.
Das gilt umso mehr, als der Staat sich bislang gerne in einer bequemen Grauzone eingerichtet hat. Der Sicherstellungsauftrag wird formal betont, gleichzeitig werden die Kriterien für eine angeblich ausreichende Versorgung im Zweifel so ausgelegt, dass das bestehende Netz als noch hinnehmbar gilt. Solange sich in Statistiken eine gewisse Dichte an Betrieben abbilden lässt, wirkt die Lage auf den ersten Blick stabil. In der Praxis entsteht jedoch ein schleichender Substanzverlust: Öffnungszeiten werden reduziert, Teams ausgedünnt, Investitionen verschoben, Notdienste als permanente Überforderung erlebt. Wenn Verbände diesen Substanzverlust nicht als sicherheitspolitisches Thema rahmen, sondern als Dauerkonflikt zwischen Berufsstand und Ressortpolitik, bleibt die politische Deutungshoheit bei denen, die kurzfristige Haushaltslogik über langfristige Resilienz stellen.
Auch innerhalb des Berufsstandes ist Ehrlichkeit nötig. Protest darf kein Ersatz sein für die mühsame, aber unerlässliche Arbeit an belastbaren Forderungspaketen, breiten Allianzen und strategisch positionierten Verhandlungsführern. Es reicht nicht, laut zu sagen, was ungerecht ist; es muss ebenso klar formuliert werden, was politisch akzeptabel und finanziell umsetzbar erscheint, ohne die Strukturen zu zerstören. Wer nur maximal fordert, wird in komplexen Verhandlungen oft an den Rand geschoben. Wer dagegen mit durchgerechneten Modellen, differenzierten Vorschlägen und sichtbarer Kompromissfähigkeit auftritt, erhöht die Chance, dass die eigene Perspektive in Gesetzestexte und Verordnungen eingeht. Insofern ist die Frage, ob ein weiterer Protesttag notwendig ist, weniger interessant als die Frage, ob die Verhandlungsstrategie dahinter auf dem Niveau ist, auf dem Staat und Kostenträger heute arbeiten.
Die Rolle spezialisierter Akteure mit Blick für Risiko, Haftung und betriebliche Resilienz wird in diesem Umfeld größer, als manche Standesvertreter wahrhaben wollen. Wer die Apothekenstruktur als kritische Infrastruktur begreift, kommt an der Erkenntnis nicht vorbei, dass finanzielle Unterdeckung sich direkt in Risikoprofile übersetzt: geringere Investitionsfähigkeit, schwächere Notfallvorsorge, weniger Redundanzen, höhere Fehleranfälligkeit. Eine Kommentierung, die das offen ausspricht, richtet sich nicht gegen Verbände, sondern erweitert den Blickwinkel. Die politische Botschaft lautet dann nicht mehr nur: „Apotheken brauchen mehr Geld“, sondern: „Der Staat muss entscheiden, welches Versorgungsniveau er seinen Bürgerinnen und Bürgern garantieren will – und bereit sein, die dafür notwendigen Mittel und Strukturen bereitzustellen.“
Vielleicht ist der Lichtaus-Tag am Ende weniger wichtig als die Frage, was im Scheinwerferkegel danach sichtbar bleibt. Bleibt das Bild einer Branche, die sich an immer neuen Protestformen abarbeitet, ohne ihre Verhandlungsposition grundlegend zu verändern. Oder entsteht der Eindruck eines Berufsstandes, der seine Hausaufgaben gemacht hat, der Risiken, Kosten und Folgen präzise benennen kann und der die Regierung nicht nur anklagt, sondern konkret auffordert, ihren Sicherstellungsauftrag ernsthaft und langfristig zu erfüllen. In diesem Unterschied entscheidet sich, ob das Dunkel im politischen Betrieb tatsächlich für einen Moment irritiert – oder ob es nur zu einer weiteren Szene in einer Protestchoreografie wird, an die sich längst zu viele gewöhnt haben.
Wenn an einem Dezemberabend in Deutschlands Apotheken das Licht ausgeht, wirkt das auf den ersten Blick wie eine starke Szene aus einem politischen Theaterstück: Ein Berufsstand, der seit Jahren wirtschaftlich ausgehöhlt wird, macht seine Existenzangst sichtbar. Hinter dieser Symbolik steckt jedoch mehr als Frust über eine verschleppte Honorarerhöhung. Es geht um die Frage, wie ein Staat mit einer kritischen Infrastruktur umgeht, die leise erodiert, während die Verantwortung offiziell weiter bei denselben Schultern bleibt. Zwischen den Bildern dunkler Offizinen und den nüchternen Zahlen zu Kosten, Schließungen und Versorgungsdichte klafft eine Lücke, die bisher weder Politik noch Standesvertretung überzeugend geschlossen haben. Genau in diesem Spannungsfeld entscheidet sich, ob die kommende Protestaktion zur Randnotiz im politischen Betrieb verkommt – oder zum Ausgangspunkt für eine ernsthafte Neubewertung der Apothekenversorgung wird.
Dies ist kein Schluss, der gelesen werden will – sondern eine Wirkung, die bleibt. Entscheidend ist nicht, wie viele Fotos vom „Versorgungsblackout“ durch die Medien laufen, sondern ob danach die richtigen Fragen auf dem Tisch liegen: Was kostet eine stabile, flächendeckende Apothekenstruktur wirklich, und welche Folgekosten entstehen, wenn diese Struktur weiter ausdünnt. Eine Kommentierung, die den Protest weder romantisiert noch lächerlich macht, sondern ihn in den Kontext von Honorarstillstand, Sicherstellungsauftrag und realen Versorgungsrisiken stellt, verschiebt die Perspektive weg von Symbolen hin zu Verantwortung. Je klarer herausgearbeitet wird, dass wirtschaftlich ausgehöhlte Betriebe keine stabile Daseinsvorsorge tragen können, desto schwerer fällt es der Politik, den Status quo als noch hinnehmbar zu deklarieren. Der eigentliche Hebel liegt nicht in der Lautstärke des Protests, sondern in der Präzision der Argumente, mit denen aufgezeigt wird, welche Alternativen der Staat hat – und welche Folgen jede dieser Alternativen für Patientinnen, Patienten und Regionen hätte. Genau dort entsteht die Wirkung, die über den Aktionstag hinausreicht und die Rolle der öffentlichen Apotheken als unverzichtbare Infrastruktur dauerhaft ins politische Gedächtnis drückt.
SG
Prokurist | Publizist | Verantwortungsträger im Versorgungsdiskurs
Kontakt: sg@aporisk.de
Wer das für Formalie hält, unterschätzt die Verantwortung, die Sprache heute tragen muss.
Ein Kommentar ist keine Meinung. Er ist Verpflichtung zur Deutung – dort, wo Systeme entgleiten und Strukturen entkoppeln.
Ich schreibe nicht, um zu erklären, was gesagt wurde. Ich schreibe, weil gesagt werden muss, was sonst nur wirkt, wenn es zu spät ist.
Denn wenn das Recht nur noch erlaubt, aber nicht mehr schützt, darf der Text nicht schweigen.
Sie haben einen Beruf gewählt, der weit mehr als reine Erwerbstätigkeit ist. Sie verfolgen im Dienste der Bevölkerung hohe ethische Ziele mit Energie, fachlicher Kompetenz und einem hohen Maß an Verantwortung. Um sich voll auf Ihre Aufgabe konzentrieren zu können, erwarten Sie die optimale Absicherung für die Risiken Ihrer Berufsgruppe.
Sie suchen nach Möglichkeiten, Ihre hohen Investitionen zu schützen und streben für sich und Ihre Angehörigen nach einem angemessenen Lebensstandard, auch für die Zukunft.
Unter der kostenfreien Telefonnummer 0800. 919 0000 oder Sie faxen uns unter 0800. 919 6666, besonders dann, wenn Sie weitere Informationen zu alternativen Versicherern wünschen.
Mit der ApoRisk® FirmenGruppe steht Ihnen ein Partner zur Seite, der bereits viele Apothekerinnen und Apotheker in Deutschland zu seinen Kunden zählen darf. Vergleichen Sie unser Angebot und Sie werden sehen, es lohnt sich, Ihr Vertrauen dem Versicherungsspezialisten für Ihren Berufsstand zu schenken.