Entziehung von Wohneigentum, angreifbare WEG-Abmahnungen, neue Leitplanken für Verwalter
Wer Hausgeld nicht zahlt oder durch sein Verhalten den Gemeinschaftsfrieden massiv stört, riskiert als äußerste Konsequenz die Entziehung des Wohnungseigentums. Das Wohnungseigentumsgesetz knüpft diese Ultima Ratio aber an strenge Voraussetzungen, die in der Praxis häufig nur vage bekannt sind. Der Bundesgerichtshof hat mit einer aktuellen Entscheidung nun klargestellt, dass die vorgelagerte Abmahnung nicht nur zwingende Voraussetzung eines Entziehungsprozesses ist, sondern selbst einem eigenständigen Beschlussanfechtungsverfahren unterliegt. Für Verwalter und Verwaltungsbeiräte bedeutet dies, dass ungenau formulierte oder formal fehlerhafte Abmahnungsbeschlüsse deutlich angreifbarer werden und deshalb mit größter Sorgfalt vorbereitet werden müssen. Zugleich stärkt die Entscheidung die Rechtsposition betroffener Eigentümerinnen und Eigentümer, die sich gegen ausufernde oder politisch gefärbte Beschlussfassungen wehren wollen.
Im entschiedenen Fall war eine Eigentümerin, die zugleich dem Verwaltungsbeirat angehörte, wegen „WEG-schädigenden Verhaltens“ abgemahnt worden. Anlass waren Auseinandersetzungen um die Kündigung einer Mitarbeiterin, der Vorwurf möglicher „Schützenhilfe“ für die Gegenseite und ein angeblicher Missbrauch einer Kontovollmacht. Die Abmahnung selbst beruhte auf einem Beschluss der Gemeinschaft, der den Verwalter zum Ausspruch ermächtigte. Amts- und Landgericht werteten den Vorgang zunächst als interne vorbereitende Maßnahme und wiesen die Anfechtungsklage ab. Erst der Bundesgerichtshof stellte klar, dass eine solche Beschlussfassung nicht folgenlos im Binnenverhältnis bleiben darf, sondern als eigener Beschluss anfechtbar ist. Damit wird ausdrücklich anerkannt, dass schon die Abmahnung den Betroffenen in seiner Rechtsposition berührt und nicht bloß eine unverbindliche Ermahnung darstellt.
Zentral ist die Aussage des Gerichts, dass es keinen Unterschied macht, ob die Gemeinschaft die Abmahnung unmittelbar durch Beschluss ausspricht oder lediglich den Verwalter zum Ausspruch ermächtigt. In beiden Fällen entsteht ein eigenständiger, gerichtlicher überprüfbarer Beschluss. Inhaltlich prüfen die Gerichte im Rahmen der Anfechtung jedoch nur formelle Kriterien, etwa ordnungsgemäße Einladung, Beschlusskompetenz, Bestimmtheit und Transparenz der Regelung. Ob die gegen den Eigentümer erhobenen Vorwürfe tatsächlich zutreffen oder ob sie schwer genug wiegen, um später eine Entziehung zu rechtfertigen, bleibt dem Entziehungsprozess vorbehalten. Die Anfechtung der Abmahnung ersetzt also nicht den späteren Rechtsstreit, schafft aber Klarheit darüber, ob die formalen Voraussetzungen für den drohenden Eingriff in das Eigentum überhaupt vorliegen.
Für Verwalter lässt sich aus der Entscheidung ableiten, dass Abmahnungen mit Blick auf eine mögliche Entziehung besonders präzise formuliert werden müssen. Es reicht nicht aus, pauschal „gemeinschaftsschädigendes Verhalten“ zu rügen oder auf eine unklare Gemengelage von Konflikten zu verweisen. Der betroffene Eigentümer muss klar erkennen können, welches Verhalten ihm konkret vorgeworfen wird, welche Pflichtverletzungen darin gesehen werden und welcher Verhaltensänderung es bedarf. Ebenso muss unmissverständlich deutlich gemacht werden, dass im Wiederholungsfall die Entziehung des Wohnungseigentums droht. Fehlt diese deutliche Androhung, liegt rechtlich nur eine Unterlassungsaufforderung, nicht jedoch eine wirksame Entziehungsabmahnung vor. Gerade in angespannten Gemeinschaften mit verfestigten Fronten kann die klare Strukturierung von Vorwürfen helfen, die Eskalation zu versachlichen.
Für Eigentümerinnen, Eigentümer und Verwaltungsbeiräte schafft die Entscheidung mehr Rechtssicherheit, geht aber auch mit prozessualen Pflichten einher. Wer sich gegen eine Abmahnung wehren will, muss innerhalb der Klagebegründungsfrist konkrete formelle Fehler des Beschlusses darlegen und darf sich nicht darauf beschränken, die inhaltlichen Vorwürfe pauschal zurückzuweisen. Ob Pflichtverletzungen tatsächlich vorliegen und ob sie schwer genug sind, einen Entziehungsantrag zu stützen, entscheiden die Gerichte später im Rahmen der Entziehungsklage. Beschlusskompetenz zur bloßen „Herbeibeschlussung“ von Tatsachen besteht nicht. Für die Gemeinschaft bleibt wichtig, dass ein rechtskräftiges Entziehungsurteil weitreichende Folgen hat: Das zwangsweise veräußerte Wohnungseigentum wird auf einen neuen Erwerber übertragen, und dem ausscheidenden Eigentümer steht in der Regel kein Stimmrecht mehr zu. Umso mehr lohnt es sich, Streitlagen früh zu entschärfen und den Instrumenteneinsatz sorgfältig zu dosieren, bevor die Eskalation in einen irreversiblen Entziehungsprozess mündet.
GKV-Überschuss von Milliarden, schneller steigende Ausgaben, wachsende Zusatzbeitragsrisiken
Die gesetzlichen Krankenkassen weisen für die ersten drei Quartale des laufenden Jahres einen Überschuss in Milliardenhöhe aus und vermitteln damit auf den ersten Blick Stabilität. Bei näherem Hinsehen wird jedoch sichtbar, dass die Ausgaben deutlich schneller wachsen als die Einnahmen und die Finanzreserven nach wie vor unterhalb der gesetzlich vorgesehenen Mindestgrenze liegen. Die aktuellen Zahlen zeigen einen Überschuss von 3,6 Milliarden Euro, der vor allem zur Auffüllung stark geschrumpfter Rücklagen genutzt werden muss. Ende des dritten Quartals beliefen sich die Reserven auf 5,4 Milliarden Euro und entsprachen damit nur 0,19 Monatsausgaben, während die Mindestreserve bei 0,2 Monatsausgaben liegen soll. In diesem Spannungsfeld wirkt der Überschuss weniger wie ein Zeichen komfortabler Polster, sondern eher wie ein notwendiger Zwischenschritt, um die Kassen überhaupt wieder an die vorgeschriebene Untergrenze heranzuführen.
Die Dynamik der Ausgaben bereitet dabei besondere Sorge. Während die Beitragseinnahmen im gleichen Zeitraum um rund 5,3 Prozent zulegten, stiegen die Ausgaben für Leistungen und Verwaltungskosten um 7,8 Prozent. Dieses Gefälle erinnert an die Entwicklung der vergangenen Jahre, in denen erst unerwartete Ausgabensteigerungen und anschließend politische Eingriffe zur Stabilisierung der Finanzierung notwendig wurden. Die Ausgaben summierten sich in den ersten neun Monaten auf etwa 262 Milliarden Euro bei Einnahmen von 265,6 Milliarden Euro, sodass rechnerisch nur ein schmaler Puffer bleibt. Ein erheblicher Teil der zusätzlichen Mittel wurde über deutlich erhöhte Zusatzbeiträge generiert, die Krankenkassen auf breiter Front zu Beginn des Jahres anheben mussten. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag lag Ende September bei 2,94 Prozent und damit klar über dem für 2025 prognostizierten ausgabendeckenden Satz von 2,5 Prozent, was die strategische Nutzung der Beitragshöhe zur Rücklagenbildung sichtbar macht.
Die politische Einordnung fällt entsprechend zurückhaltend aus. Die Ministerin betont zwar das Ziel, die Finanzsituation nachhaltig zu stabilisieren, warnt aber zugleich davor, aus den Überschüssen falsche Schlüsse zu ziehen. Der Hinweis auf kurzfristige Maßnahmenpakete, die bereits für 2026 skizziert wurden, zeigt, wie eng die Spielräume eingeschätzt werden. Verschärft wird die Lage durch die Entscheidung des Bundesrats, ein umfangreiches Sparpaket zunächst in den Vermittlungsausschuss zu verweisen. Diese Verzögerung schafft Unsicherheit für die Kassen, die ihre mittelfristige Finanzplanung nicht auf klare Rahmenbedingungen stützen können. Je länger unklar bleibt, welche Entlastungen oder Mehrausgaben politisch umgesetzt werden, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass Kassen erneut auf Beitragsanpassungen zurückgreifen, um Risiken abzufedern.
Besonders ins Gewicht fallen einzelne Ausgabenblöcke. Die Aufwendungen für Krankenhausbehandlungen stiegen im Betrachtungszeitraum um 9,9 Prozent und damit weitaus stärker als in den Vorjahren. Hier wirken sich Vergütungssteigerungen, Nachholeffekte und die Refinanzierung bisher nicht vollständig abgebildeter Tarifkosten aus. Auch im Arzneimittelsektor zeigt sich ein überdurchschnittliches Wachstum, wobei die ambulante spezialfachärztliche Versorgung einen auffälligen Zuwachs verzeichnet. Die Kombination aus teurer Krankenhausmedizin und wachsender Spezialisierung in der ambulanten Versorgung verschiebt das Gesamtniveau der Ausgaben und macht deutlich, dass punktuelle Kostendämpfung in einzelnen Sektoren nicht ausreichen wird. Vielmehr stellt sich die Frage, wie medizinischer Fortschritt, Tarifentwicklungen und Strukturreformen so ausbalanciert werden können, dass Versorgung verlässlich bleibt, ohne die Beitragszahler über Gebühr zu belasten.
Für Versicherte und Arbeitgeber bedeutet diese Entwicklung, dass die Phase relativer Beitragsruhe fragil ist. Selbst wenn kurzfristig keine weiteren Erhöhungen beschlossen werden, bleibt der Druck aus wachsender Ausgabendynamik, begrenzten Reserven und verschobenen Reformentscheidungen bestehen. Die Ankündigung, ab 2027 mit zweistelligen Milliardendefiziten rechnen zu müssen, deutet auf eine langfristige Herausforderung hin, die sich nicht allein mit einem weiteren Sparpaket lösen lässt. Es wird darauf ankommen, Strukturen zu verändern, Anreizsysteme zu überprüfen und gleichzeitig darauf zu achten, dass Leistungserbringer in ambulanter und stationärer Versorgung ihrer Aufgabe unter akzeptablen Rahmenbedingungen nachkommen können. Die Diskussion um faire Lastenteilung, Finanzreserven und Beitragssätze wird damit zu einem Dauerthema, das immer wieder neu austariert werden muss.
Public-Health-Index für Deutschland, schwache Präventionspolitik, steigende krankheitsbedingte Belastungen
Eine neue Vergleichsstudie zur Präventionspolitik stellt Deutschland ein ernüchterndes Zeugnis aus. Im Public-Health-Index, den ein großer Kassenverband gemeinsam mit einem führenden Forschungszentrum vorgestellt hat, landet die Bundesrepublik unter 18 europäischen Staaten auf dem vorletzten Platz. Grundlage des Index ist der Umsetzungsstand wissenschaftlich empfohlener Maßnahmen in den Bereichen Tabak, Alkohol, Ernährung und Bewegung. Während Deutschland im Feld Bewegung noch einen mittleren Rang erreicht, schneidet es bei Tabak, Alkohol und Ernährung deutlich schlechter ab als viele Nachbarn in Nord- und Zentraleuropa. Länder wie Großbritannien, Finnland und Irland setzen deutlich konsequentere Maßnahmen um und schaffen damit bessere Rahmenbedingungen für eine gesündere Lebensweise.
Auffällig ist, dass der Index nicht das individuelle Verhalten bewertet, sondern die politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen. Demnach setzt Deutschland gerade jene Instrumente nur zögerlich oder gar nicht ein, die nachweislich große Effekte haben, etwa höhere Abgaben auf Tabak und Alkohol, Werbe- oder Sponsoringbeschränkungen für riskante Produkte oder verbindliche Standards für Lebensmittelangebote. Expertinnen und Experten sprechen von „verpasstem Präventionspotenzial“ und warnen vor einer weiteren Verschiebung der Krankheitslast. Jüngere Erwachsene verbringen der Analyse zufolge bereits heute mehr Lebensjahre mit gesundheitlichen Einschränkungen als die Generation davor. Das bedeutet nicht nur individuelles Leid, sondern auch wachsende Belastungen für Gesundheits- und Sozialsysteme, wenn chronische Erkrankungen früher einsetzen und länger andauern.
Vertreter der beteiligten Institutionen machen deutlich, dass sich viele vermeidbare Krankheiten auf klar greifbare Risikofaktoren zurückführen lassen. Schätzungen zufolge geht eine sechsstellige Zahl von Krebsfällen pro Jahr auf Einflussgrößen wie Tabakkonsum, übermäßigen Alkoholkonsum, ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel zurück. Ähnliche Muster finden sich bei Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen. Deshalb wird Verhältnisprävention besonders betont: Es geht darum, die Umwelt so zu gestalten, dass gesundes Verhalten leichter fällt und riskante Muster weniger attraktiv oder zugänglich sind. Schulen, Kitas, Betriebe und öffentliche Räume spielen dabei eine zentrale Rolle, wenn beispielsweise verbindliche Ernährungsstandards, alkoholfreie Zonen oder bewegungsfreundliche Strukturen geschaffen werden.
Deutliche Kritik richtet sich an die bisherige Gesundheitspolitik, die vielfach auf Freiwilligkeit und Appelle an Eigenverantwortung gesetzt hat. Vertreterinnen von Fachgesellschaften und Bündnissen für nichtübertragbare Krankheiten sprechen davon, dass freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie und Informationskampagnen die erwarteten Effekte nicht gebracht haben. Gleichzeitig wird auf den Einfluss wirtschaftlicher Interessen hingewiesen, der mutmaßlich zur Zurückhaltung bei strengeren Regulierungsschritten beiträgt. Wenn etwa Werbung für zuckerreiche Produkte an Kinder oder intensive Vermarktung riskanter Genussmittel weitgehend ungebremst bleiben, geraten gesundheitliche Ziele in Konflikt mit Umsatzinteressen. Die Daten des Index deuten darauf hin, dass andere Länder diesen Konflikt klarer zugunsten der öffentlichen Gesundheit entschieden haben.
Die Ergebnisse sind nicht nur ein Warnsignal, sondern auch eine Handlungsagenda. Sie legen nahe, dass Deutschland seine Präventionspolitik stärker an evidenzbasierten Instrumenten ausrichten müsste, wenn langfristig steigende Krankheitslast und Kosten gedämpft werden sollen. Höhere Abgaben, Werbeverbote, verbindliche Standards und der Ausbau gesundheitsförderlicher Umgebungen werden als zentrale Hebel genannt. Gleichzeitig müsste Prävention in der Bildungs-, Sozial- und Stadtentwicklungspolitik stärker mitgedacht werden, statt isoliert im Gesundheitssektor zu verbleiben. Je früher riskante Verhaltensmuster in Kindheit und Jugend begrenzt und positive Alternativen gestärkt werden, desto größer ist die Chance, dass sich spätere Erkrankungen und Belastungen für das Gesamtsystem verringern. Die Studie liefert damit eine Grundlage, um den bisherigen Kurs zu überprüfen und über einen schärferen Mix an Maßnahmen zu diskutieren.
RKI-Panel zur Gesundheit, soziale Ungleichheit im Wohlbefinden, Risiken für künftige Versorgung
Mit dem neuen Panel „Gesundheit in Deutschland“ legt das zuständige Institut eine regelmäßig wiederkehrende Bestandsaufnahme des subjektiven Gesundheitszustands vor, die über klassische Einzelstudien hinausgeht. Mehr als 40.000 zufällig ausgewählte Personen ab 16 Jahren nehmen an der Befragung teil und beantworten drei- bis viermal pro Jahr Fragen zu ihrer allgemeinen Gesundheit, zu chronischen Erkrankungen und zum psychischen Wohlbefinden. Die jetzt veröffentlichten Ergebnisse der Jahreserhebung 2024 zeichnen ein vielschichtiges Bild, in dem sich durchschnittlich positive Einschätzungen mit deutlich sichtbaren Ungleichheiten nach Alter und sozialer Lage verbinden. Insgesamt bewerten 64,2 Prozent der Erwachsenen ihre Gesundheit als sehr gut oder gut, doch dieser Anteil ist im Vergleich zum Vorjahr um mehr als drei Prozentpunkte gesunken, wenn man Altersunterschiede herausrechnet.
Die Auswertungen zeigen, dass chronische Erkrankungen weit verbreitet sind. Gut die Hälfte der Befragten berichtet von mindestens einer dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigung. Besonders betroffen sind ältere Menschen: In der Altersgruppe der 65- bis 79-Jährigen ist der Anteil der Personen mit chronischen Leiden nahezu doppelt so hoch wie bei den 18- bis 29-Jährigen. Diese Unterschiede sind einerseits Ausdruck biologischer Alterungsprozesse, verweisen aber zugleich auf die Bedeutung von Lebensverläufen, Berufslasten und sozialer Unterstützung über die Jahrzehnte hinweg. Für die Versorgung stellt sich die Frage, wie gut es gelingt, ältere Menschen so zu begleiten, dass trotz Mehrfacherkrankungen eine gute Lebensqualität erhalten bleibt und unnötige Krankenhausaufenthalte vermieden werden.
Noch deutlicher treten soziale Unterschiede zutage, wenn Bildung und Einkommen betrachtet werden. Menschen mit hoher Bildung schätzen ihre Gesundheit wesentlich häufiger als sehr gut oder gut ein, während in der Gruppe mit niedriger Bildung fast jede zweite Person nur von mittlerer bis sehr schlechter Gesundheit berichtet. Ähnliche Muster zeigen sich bei der Einkommenslage: Wer ein erhöhtes Armutsrisiko trägt, berichtet deutlich häufiger von gesundheitlichen Einschränkungen als Personen mit hohen Einkommen. Diese Ungleichheiten spiegeln die langfristigen Folgen unterschiedlicher Arbeitsbedingungen, Wohnsituationen, Belastungen und Zugangschancen zu Gesundheits- und Präventionsangeboten wider. Sie machen deutlich, dass gesundheitliche Chancen in der Bevölkerung nicht gleich verteilt sind und dass sich soziale Spaltung auch im Körper abbildet.
Beim psychischen Wohlbefinden zeigt sich ein differenziertes Bild. Menschen mit niedriger Bildung geben häufiger ein geringes psychisches Wohlbefinden an als höher Gebildete, was auf stärkere Belastungen, geringere Handlungsspielräume und möglicherweise begrenzte Unterstützungssysteme schließen lässt. Gleichzeitig fällt auf, dass junge Erwachsene zwischen 18 und 29 Jahren überdurchschnittlich oft von niedriger psychischer Befindlichkeit berichten. Diese Generation steht in besonderen Spannungsfeldern zwischen Ausbildungs- und Erwerbsdruck, Zukunftssorgen, digitalen Vergleichsräumen und gesellschaftlichen Erwartungen. Die Zahlen legen nahe, dass psychische Gesundheit verstärkt in den Mittelpunkt gesundheitspolitischer Strategien rücken muss, wenn man nicht riskieren will, dass sich Belastungen verfestigen und langfristig in erhöhte Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen oder frühere Erwerbsunfähigkeit münden.
Für das System insgesamt haben die Ergebnisse mehrere Konsequenzen. Sie unterstreichen, wie wichtig es ist, gesundheitliche Ungleichheiten systematisch zu beobachten und Gegenstrategien zu entwickeln, die über reine Informationskampagnen hinausgehen. Regionale Versorgungsangebote, niedrigschwellige Zugänge, präventive Programme und sozialraumorientierte Ansätze können dazu beitragen, Belastungen abzufedern. Gleichzeitig macht das Panel deutlich, dass subjektive Gesundheit ein wertvoller Frühindikator für spätere Krankheitslast ist. Wenn breite Gruppen von Menschen ihre Gesundheit schlechter einschätzen als noch vor wenigen Jahren, ist dies ein Signal, das ernst genommen werden sollte. Nur wenn solche Hinweise in Planung und Steuerung einfließen, können Ressourcen, Angebote und Reformen so ausgerichtet werden, dass sie die tatsächlichen Bedarfe treffen und nicht lediglich statistische Durchschnittswerte stabil halten.
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