Für Sie gelesen
Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
APOTHEKE | Systemblick |
Stand: Donnerstag, 4. Dezember 2025, um 18:10 Uhr
Apotheken-News: Kommentar von heute
Kommentar von Seyfettin Günder zu den aktuellen Apotheken-Nachrichten über Versandhandel, Vor-Ort-Strukturen und das Bild vermeintlicher Gleichwertigkeit
Wenn ein TV-Magazin Versandapotheken so inszeniert, als seien sie funktional einfach nur eine moderne Variante der öffentlichen Apotheken, wirkt das auf den ersten Blick harmlos und zeitgemäß. Wer genauer hinschaut, erkennt jedoch, wie sehr ein solches Bild die Wahrnehmung verschiebt: Versandhandel erscheint als smarter, preisgünstiger Vollversorger, während die Aufgabe der wohnortnahen Strukturen auf Lieferpunkt und Rezeptabwicklung reduziert wird. Übrig bleibt eine scheinbare Wahl zwischen „günstig und bequem“ oder „teurer und tradiert“, in der entscheidende Unterschiede bei Erreichbarkeit, Verantwortung und Risikotragung unsichtbar bleiben.
Tatsächlich bedienen Versandapotheken vor allem jene Teile des Marktes, die planbar, standardisiert und wirtschaftlich attraktiv sind: stabile Dauermedikation, überschaubare Risiken, kalkulierbare Logistik. Die Last der Akutversorgung, Notdienste in der Nacht, kurzfristige Lösungen bei Lieferproblemen und der Umgang mit komplizierten Therapiesituationen tragen weiterhin die Vor-Ort-Strukturen. Wer in einer winterlichen Nacht mit einem fiebernden Kind vor der Tür steht, braucht keine Rabattmail, sondern ein geöffnetes Licht in erreichbarer Nähe. Die Gleichbehandlung im TV-Bild verwischt diese Unterschiede und suggeriert eine Symmetrie, die im Versorgungsalltag so nicht existiert.
Ökonomisch ist die Sache ähnlich schief: Versandhandel selektiert nach Skalen- und Margenvorteilen, Vor-Ort-Betriebe müssen dagegen das komplette Spektrum abdecken – inklusive jener Leistungen, für die es keine gesonderte Honorierung gibt. Wenn margenträchtige Segmente in großem Stil abwandern, bleiben Fixkosten für Personal, Miete, Lagerhaltung und Dienstbereitschaft unangetastet. Das schwächt jene Strukturen, die ein Gebiet über Jahre tragen, und stärkt Angebote, die im Zweifel nur dort präsent sind, wo es sich lohnt. Unter dem Strich wird ein Teil der finanziellen Grundlage entzogen, aus der heraus Beratung, Notdienst und spontane Problemlösung bisher mitgetragen wurden.
Besonders heikel ist, dass mediale Inszenierungen solche Verschiebungen normalisieren, ohne die Konsequenzen langfristig mitzudenken. Ein Beitrag, der Versandhandel als gleichwertige Alternative präsentiert, wirkt wie ein Gütesiegel, das sich direkt in Einstellungen von Versicherten, Arbeitgebern und irgendwann auch politischen Entscheidungsträgern niederschlagen kann. Wenn Preisvorteile und Paketromantik die Erzählung dominieren, geraten jene Aspekte in den Hintergrund, die sich nicht in Sekundenbildern erzählen lassen: Fehlervermeidung an der Schnittstelle zwischen Arztpraxis und Arzneimittel, medikationsübergreifende Risiken, sensible Gespräche mit verunsicherten Menschen. Die Folge ist ein Erwartungsdruck, der wohnortnahe Versorgung auf ein Discountniveau drücken will, das mit den bestehenden Aufgaben nicht kompatibel ist.
Hinzu kommt eine systemische Dimension, die im schnellen Beitrag kaum eine Rolle spielt: Wird der Eindruck verfestigt, Versandhandel sei unter dem Strich gleichwertig, sinkt die Bereitschaft, regionale Strukturen gezielt zu stützen und weiterzuentwickeln. Dann erscheinen Schließungen einzelner Standorte als bedauerliche, aber irgendwie verkraftbare Begleiterscheinung eines vermeintlich modernen Marktes. Für viele Regionen wäre dieser Verlust jedoch weit mehr als eine Komforteinbuße. Es geht um Wegezeiten, Sprachmittlungsfunktion, soziale Ankerpunkte und die Fähigkeit, im Notfall ohne Umweg über anonyme Kanäle Hilfe zu bekommen. Wo dieser Zusammenhang nicht mehr gesehen wird, ist der nächste Strukturbruch nur eine Frage der Zeit.
Die eigentliche Zumutung der Gleichwertigkeitsbehauptung liegt darin, dass Verantwortung zur Austauschware gemacht wird. Versandmodelle können eine sinnvolle Ergänzung in planbaren Bereichen sein, wenn Transparenz, Qualität und faire Rahmenbedingungen stimmen. Gefährlich wird es dort, wo sie als vollwertiger Ersatz inszeniert werden, ohne dieselbe Last an Nachtbereitschaft, Präsenzpflicht und lokaler Verantwortung zu tragen. Der Unterschied entscheidet darüber, ob ein Gesundheitssystem in Krisenmomenten trägt oder an Kanten ausfranst. Wer heute öffentlich so tut, als ließen sich beide Modelle einfach nebeneinanderstellen und nach Sympathie wählen, blendet aus, dass die robustere Seite auf Dauer jene ist, die auch dann noch da ist, wenn etwas schiefgeht.
Fernsehbilder können den Eindruck erzeugen, als sei die Entscheidung zwischen Versandhandel und wohnortnaher Versorgung nur eine Frage von Geschmack und Bequemlichkeit. Hinter diesem Bild steckt jedoch ein System, das in vielen Regionen an der Grenze läuft und in dem jede Verschiebung von Umsätzen die Fähigkeit zur Präsenz schwächt. Im Alltag zeigt sich der Unterschied nicht in der Werbepause, sondern in Nächten, an Feiertagen und in Momenten, in denen Unsicherheit oder akute Beschwerden schnellen Rat verlangen. Nähe, Erreichbarkeit und Verantwortung werden erst dann sichtbar, wenn sie fehlen, und genau deshalb wirken scheinbar harmlose Gleichsetzungsformeln so tief in das Bewusstsein von Menschen hinein.
Dies ist kein Schluss, der gelesen werden will – sondern eine Wirkung, die bleibt. Wenn Berichte Versandhandel und wohnortnahe Versorgung auf eine Ebene stellen, verändert sich Schritt für Schritt, was als normal und ausreichend gilt. Wirkung entfaltet sich dort, wo Verantwortliche in Betrieben und in der Politik den Unterschied zwischen preisgetriebener Logik und verlässlicher Präsenzversorgung klar benennen und nicht hinter freundlichen Servicebildern verstecken. Sie zeigt sich, wenn im Gespräch mit Menschen vor Ort erklärt wird, warum Erreichbarkeit, Notdienst und persönliche Einschätzung mehr sind als ein optionales Extra. Und sie reicht bis zu Entscheidungen über Strukturen und Vergütung, die darüber bestimmen, ob das Licht im Notdienstfenster auch dann noch brennt, wenn der nächste Beitrag wieder suggeriert, dass ein Paket ausreicht. Wo dieses Bewusstsein wächst, verliert der scheinbare Glanz des Versandmodells ein Stück seiner Wirkung, und der Blick für das, was im Hintergrund trägt, wird wieder schärfer.
SG
Prokurist | Publizist | Verantwortungsträger im Versorgungsdiskurs
Kontakt: sg@aporisk.de
Wer das für Formalie hält, unterschätzt die Verantwortung, die Sprache heute tragen muss.
Ein Kommentar ist keine Meinung. Er ist Verpflichtung zur Deutung – dort, wo Systeme entgleiten und Strukturen entkoppeln.
Ich schreibe nicht, um zu erklären, was gesagt wurde. Ich schreibe, weil gesagt werden muss, was sonst nur wirkt, wenn es zu spät ist.
Denn wenn das Recht nur noch erlaubt, aber nicht mehr schützt, darf der Text nicht schweigen.
Sie haben einen Beruf gewählt, der weit mehr als reine Erwerbstätigkeit ist. Sie verfolgen im Dienste der Bevölkerung hohe ethische Ziele mit Energie, fachlicher Kompetenz und einem hohen Maß an Verantwortung. Um sich voll auf Ihre Aufgabe konzentrieren zu können, erwarten Sie die optimale Absicherung für die Risiken Ihrer Berufsgruppe.
Sie suchen nach Möglichkeiten, Ihre hohen Investitionen zu schützen und streben für sich und Ihre Angehörigen nach einem angemessenen Lebensstandard, auch für die Zukunft.
Unter der kostenfreien Telefonnummer 0800. 919 0000 oder Sie faxen uns unter 0800. 919 6666, besonders dann, wenn Sie weitere Informationen zu alternativen Versicherern wünschen.
Mit der ApoRisk® FirmenGruppe steht Ihnen ein Partner zur Seite, der bereits viele Apothekerinnen und Apotheker in Deutschland zu seinen Kunden zählen darf. Vergleichen Sie unser Angebot und Sie werden sehen, es lohnt sich, Ihr Vertrauen dem Versicherungsspezialisten für Ihren Berufsstand zu schenken.