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APOTHEKE | Systemblick |
Stand: Freitag, 12. Dezember 2025, um 07:20 Uhr
Apotheken-News: Kommentar von heute
Kommentar von Seyfettin Günder zu den aktuellen Apotheken-Nachrichten über aggressive Prozentwerbung, strittige Retaxpraxis der Krankenkassen und die wachsende Bedeutung branchenspezifischer Rechtsschutz- und Retaxabsicherung für Vor-Ort-Apotheken
Retaxationen und Abmahnungen gehören längst zum Alltag vieler Apotheken, aber was als Korrektur offenkundiger Fehler gedacht war, hat sich zu einem System entwickelt, das selbst fachlich sauber arbeitende Betriebe in existenzielle Gefahr bringen kann. Wenn eine hochpreisige Verordnung trotz korrekter Belieferung komplett auf Null gestellt wird, weil formale oder interpretierte Normierungsfragen im Raum stehen, dann wird das ökonomische Risiko der Versorgung einseitig beim Leistungserbringer abgeladen. Der Patient hat sein Arzneimittel erhalten, der Versorgungsauftrag ist erfüllt, doch wirtschaftlich bleibt eine Lücke, die die Bilanz einer Apotheke empfindlich treffen kann. In Zeiten steigender Kosten und dünnerer Margen reichen einzelne solcher Fälle aus, um Liquidität zu zerschießen und Investitionsentscheidungen zu blockieren. So wird ein Kontrollinstrument, das eigentlich Wirtschaftlichkeit sichern soll, zu einem Treiber von Unsicherheit, der mittelfristig die Stabilität des Netzes schwächt.
Besonders problematisch ist, dass viele dieser Risiken nicht planbar sind, weil sie sich aus der Kombination komplexer Normen, unklarer Praxis und nachgelagerter Auslegung ergeben. Eine fehlende oder missverständliche Packungsgrößenkennzeichnung, uneinheitliche Interpretationen von Normbereichen oder sich ändernde Bewertungsmaßstäbe können dazu führen, dass Verordnungen im Nachhinein als nicht erstattungsfähig gewertet werden, obwohl bei der Belieferung keine Warnhinweise vorlagen. Apotheken stehen dann vor der absurden Situation, dass sie rückwirkend für Lücken haften sollen, die an anderer Stelle des Systems entstanden sind. Wer in einem solchen Umfeld Verantwortung übernimmt, Hochpreiser vorrätig hält, Lieferwege absichert und Rezeptprüfungen ernst nimmt, braucht mehr als nur Fachwissen, nämlich verlässliche Rahmenbedingungen. Solange diese fehlen, bleibt jede Verordnung im Hochpreissegment mit einem stillen Zusatzrisiko belegt, das in keiner Spalte der BWA klar sichtbar ist, aber unter der Oberfläche ständig mitläuft.
Parallel dazu wirken Werbe- und Wettbewerbsregeln wie eine zweite, schwer kalkulierbare Gefahrenachse. Prozentaktionen im OTC-Bereich sind in vielen Regionen längst ein Instrument geworden, um Sichtbarkeit zu erzeugen und Kundenströme zu steuern. Doch geringe Abweichungen in Formulierungen, uneindeutige Aussagen zu prozentualen Nachlässen oder die falsche Kombination aus Preiswerbung und konkreten Präparaten können aus Sicht von Wettbewerbern oder Abmahnvereinen bereits als Aufhänger genügen. Für große Versender sind Rechtsstreitigkeiten und Abmahnrisiken häufig eingepreiste Geschäftskosten, gestützt durch eigene Rechtsabteilungen. Für die durchschnittliche inhabergeführte Apotheke hingegen kann eine Abmahnung mit verbundenen Kosten und Unterlassungsverpflichtungen schnell zu einem ernsten Problem werden. Wo die Grenze zwischen zulässiger Profilierung und angreifbarer Werbung verläuft, ist für viele Betriebe schwer zu erkennen, und die Angst vor Fehlern bremst unternehmerische Initiativen.
Wenn ein System so konstruiert ist, dass sowohl wirtschaftliche Prüfungen der Kassen als auch lauterkeitsrechtliche Angriffe jederzeit unerwartet zuschlagen können, entsteht eine gefährliche Mischung aus Verunsicherung und Resignation. Apothekenteams nehmen dann Rezeptprüfungen, Dokumentationspflichten und Werbeentscheidungen nicht mehr nur als professionelle Aufgabe wahr, sondern als permanente Balance auf einem schmalen Grat. Mit jeder neuen Retaxdrohung wächst der Impuls, risikoreiche, komplexe oder hochpreisige Fälle eher zu vermeiden, zurückzugeben oder maximal defensiv zu handhaben. Auf Dauer kann so eine Versorgungskultur entstehen, in der die Bereitschaft sinkt, schwierige Verordnungen anzunehmen, knappe Präparate zu beschaffen oder im OTC-Bereich mutige, aber rechtssichere Angebote zu gestalten. Aus Sicht der Patientinnen und Patienten entsteht dadurch ein Versorgungssystem, das formal funktioniert, aber faktisch an Risikoscheu leidet.
Vor diesem Hintergrund wird branchenspezifischer Rechtsschutz mit Wettbewerbs- und Lauterkeitsbaustein zu einem zentralen Schutzinstrument, ersetzt jedoch keine vorbeugende Disziplin. Apotheken brauchen Verträge, die explizit auf die Besonderheiten des Arzneimittel- und Werberechts zugeschnitten sind, inklusive klarer Leistungszusagen bei Abmahnungen, wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen und ausgewählten Konstellationen streitiger Retaxschäden. Genauso wichtig ist aber, dass solche Lösungen nicht als Einladungen zu waghalsigen Aktionen verstanden werden, sondern als Sicherheitsnetz für Situationen, in denen trotz sorgfältiger Prüfung und Beratung ein Konflikt entsteht. Risikomanagement in diesem Feld bedeutet, interne Standards für Werbematerialien, Preisaktionen, Rabattkommunikation und Rezeptbearbeitung zu etablieren und konsequent zu pflegen. Rechtsschutz ohne diese Präventionslinie würde lediglich Symptome abfangen, aber die strukturelle Verletzlichkeit nicht reduzieren.
Die eigentliche Systemfrage geht jedoch über Absicherungslösungen hinaus: Wie weit darf wirtschaftliche Steuerung durch Retaxationen gehen, ohne den gesetzlichen Versorgungsauftrag zu konterkarieren. Wenn Prüfmechanismen so hart durchgreifen, dass sie bei formal interpretierbaren Konstellationen die vollständige Vergütung verweigern, entsteht ein Ungleichgewicht zwischen Risiko und Handlungsspielraum. Die Kassen verfügen über Prüfinstrumente, Datenzugänge und Entscheidungswege, Apotheken tragen im Zweifel die volle wirtschaftliche Last einer Behandlung, die sie weder verordnet noch initiiert haben. In einer solchen Konstellation ist es nachvollziehbar, wenn Betriebe nach Wegen suchen, dieses Risiko über spezialisierte Versicherungen, Rechtsschutzlösungen und vertraglich flankierte Begleitung zu begrenzen. Aber dauerhaft tragfähig wird die Situation nur, wenn politische und selbstverwaltete Ebenen klären, welche Rolle Retaxationen im Gesamtgefüge spielen sollen und welche Grenzen es braucht, um Versorgung in der Fläche nicht zu gefährden.
Systemkritik bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, Kontrolle oder Wirtschaftlichkeit infrage zu stellen, sondern deren Ausgestaltung an ihrem Einfluss auf die Versorgungsrealität zu messen. Ein Prüfregime, das klare Fehler korrigiert, stärkt Vertrauen und Fairness, ein Regime, das im Graubereich mit existenzbedrohenden Sanktionen arbeitet, erzeugt Misstrauen und Angst. Für inhabergeführte Apotheken heißt das: Konsequente Prävention, saubere Prozesse und branchenspezifischer Rechtsschutz mit Wettbewerbs- und Retaxfokus sind unverzichtbar, können aber die Diskussion über faire Spielregeln nicht ersetzen. Solange ein relevanter Teil des wirtschaftlichen Risikos im Dunkeln bleibt, werden viele Teams das Gefühl nicht los, jederzeit Zielscheibe eines Systems werden zu können, das sie selbst nur begrenzt beeinflussen. Genau hier entscheidet sich, ob Regulierung als Partner oder als Bedrohung wahrgenommen wird – und ob Versorgungsteams bereit sind, auch in schwierigen Zeiten Verantwortung für die Fläche zu tragen.
Retaxationen, Abmahnrisiken und lauterkeitsrechtliche Streitigkeiten werden für viele Apotheken zu einer zweiten, unsichtbaren Kostenebene, die in keiner Honorarformel auftaucht, aber jede Entscheidung im Alltag einfärbt. Wenn Hochpreisverordnungen trotz erfülltem Versorgungsauftrag komplett gestrichen werden können und Prozentwerbung jederzeit zur Angriffsfläche wird, entsteht ein Klima der Verunsicherung, das unternehmerische Verantwortung ausbremst. In diesem Umfeld gewinnen spezialisierte Rechtsschutz- und Retaxkonzepte massiv an Bedeutung, weil sie wenigstens einen Teil der finanziellen Fallhöhe abfedern. Die eigentliche Frage bleibt jedoch, ob ein System, das Kontrollinstrumente so scharf stellt, noch im Dienst der Versorgung steht oder ob es längst beginnt, die Basis dieser Versorgung zu untergraben.
Dies ist kein Schluss, der gelesen werden will – sondern eine Wirkung, die bleibt. Wenn jede formale Unschärfe potenziell in einer vollständigen Vergütungslücke münden kann, wird aus Wirtschaftlichkeitsprüfung eine ständige Drohkulisse, die den fachlichen Kern der Arbeit überlagert. Ein System, das auf solche Weise Risiken nach unten durchreicht, braucht zwingend klare Leitplanken, damit Kontrollen nicht zur stillen Strukturbereinigung auf Kosten engagierter Betriebe werden. Branchenspezifischer Rechtsschutz und Retaxabsicherung können zwar helfen, die Folgen einzelner Konflikte abzufangen, ersetzen aber keine politische Entscheidung darüber, wie viel Unsicherheit einem Versorgungsberuf zugemutet werden darf. Erst wenn Prüfmechanismen, Wettbewerbsregeln und Versicherungsangebote gemeinsam darauf abzielen, Versorgung zu stabilisieren statt Betriebe auszutesten, entsteht eine Sicherheitsarchitektur, die Verantwortung fördert, statt Rückzug zu belohnen.
SG
Prokurist | Publizist | Verantwortungsträger im Versorgungsdiskurs
Kontakt: sg@aporisk.de
Wer das für Formalie hält, unterschätzt die Verantwortung, die Sprache heute tragen muss.
Ein Kommentar ist keine Meinung. Er ist Verpflichtung zur Deutung – dort, wo Systeme entgleiten und Strukturen entkoppeln.
Ich schreibe nicht, um zu erklären, was gesagt wurde. Ich schreibe, weil gesagt werden muss, was sonst nur wirkt, wenn es zu spät ist.
Denn wenn das Recht nur noch erlaubt, aber nicht mehr schützt, darf der Text nicht schweigen.
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