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APOTHEKE | Systemblick |
Stand: Sonntag, 30. November 2025, um 18:15 Uhr
Apotheken-News: Kommentar der Woche
Kommentar von Seyfettin Günder zu den aktuellen Apotheken-Nachrichten über Apothekensterben im Boulevard, das Ende vom Bild der Goldgruben und die Frage, warum die Politik trotz deutlicher Signale weiterschläft
Wenn eine Zeitung, die Apotheken jahrzehntelang als Goldgruben mit Porschefahrenden Golfspielern inszeniert hat, plötzlich von „Branche in Gefahr“ spricht und das tägliche Schließen von Offizinen zur Schlagzeile macht, ist das mehr als ein Stimmungsbild. Hier verschiebt sich die Deutungshoheit: Das Narrativ vom überprivilegierten Inhaber kippt in das Bild der ausgedünnten, überlasteten Infrastruktur. Und es ist kein Fachblatt, das das erzählt, sondern ein Boulevardmedium, das Stimmungen spiegelt und verstärkt. Wenn dort die Frage gestellt wird, wer sich heute noch vorstellen könnte, vom Einkommen von 2004 zu leben, bekommt die Debatte um das Fixum einen emotionalen Rahmen, den kein Gutachten und kein Protesttag je ersetzen kann.
Bemerkenswert ist, dass in diesem neuen Bild nicht mehr der vermeintlich überversorgte Mittelstand im Vordergrund steht, sondern Biografien, die von Verzicht geprägt sind: eine Inhaberin, die sich seit 2004 keine Gehaltserhöhung gegönnt hat und heute weniger verdient; ein Standesvertreter, der offen einräumt, dass der Beruf für den Nachwuchs unattraktiv wird. Diese Beispiele machen sichtbar, was betriebswirtschaftliche Kennziffern oft verschleiern: Die Lasten des Systems werden nach unten durchgereicht, bis sie bei denjenigen landen, die vor Ort Verantwortung tragen. Wer das liest, versteht intuitiv, dass hier nicht „goldene Zeiten“ verteidigt werden, sondern ein Versorgungsmodell, das seit Jahren auf Verschleiß gefahren wird.
Gleichzeitig wird eine zweite Gefahr klar benannt: die schleichende Degradierung der Apotheke zum Medikamenten-Kiosk, wenn die politische Linie in Richtung Ersetzung von Approbierten durch günstigere Profile zeigt. Die Warnung, Apotheken könnten zu einfachen Abgabestellen verkommen, wirkt aus dem Mund eines Standesvertreters anders, wenn sie im Boulevard zitiert wird. Sie erreicht Menschen, die sich sonst nie mit der Frage beschäftigen würden, wer hinter dem HV-Tisch steht und welche Ausbildung dort Verantwortung trägt. Es geht nicht nur um Status, sondern um die Frage, ob in kritischen Situationen die richtige Entscheidung getroffen wird – beim Interaktionscheck, bei Dosierungsfragen, bei Warnsignalen für ernsthafte Erkrankungen.
Der eigentliche Skandal liegt jedoch darin, dass diese neue mediale Klarheit auf eine politische Bühne trifft, die weitgehend im Reflexmodus verharrt. Während Boulevard und Fachmedien von Apothekensterben sprechen, werden Reformtexte so formuliert, dass Einschnitte relativiert, Verschiebungen beschönigt und Fixumzusagen vertagt werden. Man zeigt Verständnis, man äußert Bedauern, man verweist auf schwierige Haushaltslagen – und lässt gleichzeitig zu, dass jeden Tag eine weitere Offizin verschwindet. Es ist kein Erkenntnisproblem mehr, sondern eine Entscheidung, diese Entwicklung hinzunehmen. Wer jetzt noch behauptet, die Lage sei missverstanden oder überzeichnet, widerspricht nicht nur Verbänden, sondern auch der eigenen öffentlichen Wahrnehmung.
Gerade deshalb ist der aktuelle Tonwechsel im Boulevard ein Warnsignal mit eingebauter Chance. Zum ersten Mal seit langem wird einem breiten Publikum erklärt, dass Apothekensterben keine Standespose ist, sondern reale Standorte kostet, Wege verlängert und die Attraktivität des Berufs ausdünnt. Wenn Politik diesen Moment nicht nutzt, um das Thema aus der Ecke der „Sonderinteressen“ herauszuholen und als Infrastrukturfrage zu behandeln, verpasst sie eine seltene Konstellation: öffentliche Aufmerksamkeit, nachvollziehbare Einzelschicksale und sachlich begründete Forderungen fallen zusammen. Ignoriert sie das, wird das Bild der eingeschlafenen Entscheider zur nächsten Schlagzeile – und zwar zu Recht.
Am Ende steht eine einfache Feststellung: Wenn selbst das lauteste Boulevardblatt verstanden hat, dass Apotheken keine luxuriösen Privatbetriebe, sondern tragende Säulen der Versorgung sind, gibt es keine Ausrede mehr, die Probleme als Nischenthema abzutun. Die Geschichten von stagnierenden oder sinkenden Inhabereinkommen, Nachwuchsmangel und der Gefahr, zu Kiosken degradiert zu werden, sind nicht überzogen, sondern eine verdichtete Beschreibung dessen, was in vielen Regionen längst Alltag ist. Wer jetzt in der Politik weiter auf Zeit spielt, setzt sich dem Vorwurf aus, nicht nur Zahlen, sondern bewusst auch Versorgung aufs Spiel zu setzen.
Die mediale Erzählung über Apotheken war lange Zeit von Klischees geprägt, die den Blick auf die Realität verstellten: vermeintliche Goldgruben, überversorgte Stadtviertel, bequeme Inhaber mit sicheren Einkommen. Wenn nun ausgerechnet ein Boulevardmedium dieses Bild korrigiert und das Apothekensterben in den Mittelpunkt rückt, verschiebt sich das Kräfteverhältnis in der öffentlichen Wahrnehmung. Plötzlich werden Geschichten erzählt, in denen Verzicht, Überlastung und Nachwuchssorgen die Hauptrolle spielen, während die politische Ebene weiterhin so agiert, als ginge es nur um Detailfragen der Vergütung. Diese Spannung zwischen erkannter Krise in der Öffentlichkeit und gebremster Reaktion in der Gesetzgebung macht deutlich, dass die Auseinandersetzung um die Zukunft der Apotheken nicht mehr nur innerhalb des Berufsstandes geführt wird, sondern vor den Augen der gesamten Gesellschaft.
Dies ist kein Schluss, der gelesen werden will – sondern eine Wirkung, die bleibt. Wenn die lautesten Medien des Landes das Apothekensterben als Gefahr benennen und die Politik dennoch bei zögerlichen Korrekturen bleibt, entsteht ein Vertrauensvakuum, das sich nicht mit Kommunikationskampagnen füllen lässt. Die Bevölkerung lernt, dass diejenigen, die sie täglich versorgen, seit Jahren auf verschlissenem Fundament arbeiten, während politische Zusagen verschoben und strukturelle Risiken kleingeredet werden. Die Wirkung reicht weit über das Image eines Berufsstandes hinaus: Sie betrifft das Vertrauen in die Fähigkeit des Staates, kritische Infrastruktur zu erkennen und zu schützen, bevor sie bricht. Je länger diese Diskrepanz zwischen öffentlicher Erkenntnis und politischem Handeln anhält, desto wahrscheinlicher wird es, dass Apotheken nicht nur als Orte der Versorgung, sondern als Symbole eines Systems wahrgenommen werden, das warnende Signale ignoriert, bis die Schäden unübersehbar sind.
SG
Prokurist | Publizist | Verantwortungsträger im Versorgungsdiskurs
Kontakt: sg@aporisk.de
Wer das für Formalie hält, unterschätzt die Verantwortung, die Sprache heute tragen muss.
Ein Kommentar ist keine Meinung. Er ist Verpflichtung zur Deutung – dort, wo Systeme entgleiten und Strukturen entkoppeln.
Ich schreibe nicht, um zu erklären, was gesagt wurde. Ich schreibe, weil gesagt werden muss, was sonst nur wirkt, wenn es zu spät ist.
Denn wenn das Recht nur noch erlaubt, aber nicht mehr schützt, darf der Text nicht schweigen.
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