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  • 09.12.2025 – Abrechnungsbetrug als Sollbruchstelle, Vertrauen als Währung, Berufsbild unter Bewährung
    09.12.2025 – Abrechnungsbetrug als Sollbruchstelle, Vertrauen als Währung, Berufsbild unter Bewährung
    APOTHEKE | Systemblick |  Kommentar: Ein Apotheker verliert nach millionenschwerem Abrechnungsbetrug seine Approbation. Der Fall macht sichtbar, wie empfindlich das Gefüg...

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Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:

ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Systemblick | 

Abrechnungsbetrug als Sollbruchstelle, Vertrauen als Währung, Berufsbild unter Bewährung

 

Ausgabe Nr. 74 | Ein spektakulärer Betrugsfall macht sichtbar, wie verletzlich die Glaubwürdigkeit von Apotheken und Versicherern ist, wenn persönliche Gier die innere Berufsgrenze überschreibt

Stand: Dienstag, 09. Dezember 2025, um 18:15 Uhr

Apotheken-News: Kommentar von heute

Kommentar von Seyfettin Günder zu den aktuellen Apotheken-Nachrichten über Abrechnungsbetrug, Vertrauensverluste im Gesundheitswesen und die Folgen für Versicherbarkeit und Berufsstand

Ein Schaden von mehr als 1,6 Millionen Euro, 65-facher Abrechnungsbetrug, ein Bruder, der bereits an derselben Stelle gestürzt ist – das alles liest sich wie eine Fallstudie darüber, wie Vertrauen systematisch verspielt werden kann. Der Frankfurter Beschluss zum Approbationswiderruf erinnert daran, dass die Zulassung als Apothekerin oder Apotheker keine bloße Formalie ist, sondern ein Vertrauenskredit der Gesellschaft. Wer über Jahre hinweg Rezepte abrechnet, ohne Ware zu beziehen oder abzugeben, verlässt bewusst den Raum beruflicher Würde und betritt die Zone kalkulierter Täuschung. Dass der Gesetzgeber hier von „Unwürdigkeit“ spricht, ist keine moralische Floskel, sondern die präzise Beschreibung eines Zustands, in dem berufliche Glaubhaftigkeit nicht mehr rekonstruierbar erscheint.

Besonders brisant ist, dass der Apotheker nicht aus Unwissenheit handelte, sondern eine bereits bekannte Betrugspraxis fortführte. Die Vorgeschichte des Bruders, die strafrechtlichen Risiken und die approbationsrechtlichen Konsequenzen waren bekannt, trotzdem ging das Modell weiter. Genau darin liegt der eigentliche Sprengsatz für die Branche: Es geht nicht um eine spontane Entgleisung, sondern um eine verstetigte Routine des Falschen. Wenn aus einem einmaligen Grenzübertritt ein wiederholtes Geschäftsmodell wird, sendet das Signal weit über die Beteiligten hinaus. Dann steht nicht mehr nur eine einzelne Person im Fokus, sondern das Bild eines Berufsstandes, der sich gegen solche Entgleisungen erkennbar und dauerhaft abgrenzen muss.

Manche mögen einwenden, der Fall liege lange zurück, die Geschäfte seien eingestellt, ein Compliance-System eingeführt und Vergleichszahlungen geleistet worden. Doch im Bereich der Gesundheitsversorgung genügt dies nicht, um zerstörtes Vertrauen einfach glattzuziehen. Vertrauen funktioniert nicht wie ein Kontostand, der durch spätere Einzahlungen die alte Buchung ungeschehen macht. Es ist eine Währung, die sich langsam aufbaut und in Sekunden entwerten lässt. Wer über Jahre Medizin, Rezepte und Geldflüsse bewusst falsch verknüpft, beschädigt nicht nur die eigene Biografie, sondern auch das stille Versprechen, das mit jedem Kassenrezept und jeder Versichertenkarte verbunden ist: Hier wird korrekt, fachkundig und im Interesse der Patientinnen und Patienten gehandelt.

Der Fall berührt eine zweite Ebene, die selten offen angesprochen wird: die Wechselwirkung zwischen Betrug im Gesundheitswesen und Misstrauen auf Seiten der Versicherer. Wo spektakuläre Fälle von Abrechnungsbetrug öffentlich bekannt werden, reagieren Krankenkassen, private Versicherer und Haftpflichtträger mit verschärften Prüfpfaden, Dokumentationspflichten und Auflagen. Dadurch geraten auch diejenigen Apotheken unter Rechtfertigungsdruck, die sauber arbeiten. Am Ende bezahlen die Ehrlichen mit, wenn sich in Referenzakten zeigt, dass Leistungsabrechnungen nicht immer auf einer realen Versorgung beruhen. Je mehr solche Fälle publik werden, desto leichter entsteht ein Klima, in dem Generalverdacht und verschärfte Kontrollen zur vermeintlichen Normalität gehören.

Gleichzeitig zeigt der Fall, wie eng Abrechnungsbetrug und Versicherungslogik miteinander verwoben sind. Auch in der Versicherungsbranche gilt: Wer an Stellschrauben dreht, Risiken verschleiert oder Schäden inszeniert, mag kurzfristig profitieren, untergräbt aber die Grundlage des gesamten Systems. Versicherbarkeit beruht darauf, dass Risiken zufällig sind und sich in Kollektiven kalkulieren lassen, nicht darauf, dass einzelne bewusst Täuschungen in die Statistik einbauen. Wenn Gesundheitsbetriebe in diesem Feld als Täter auffallen, geraten sie doppelt in den Blick: als Leistungserbringer in einer sensiblen Versorgungsstruktur und als Versicherungsnehmer, deren Risikoprofil plötzlich nicht mehr zufällig, sondern selbst geschaffen wirkt.

Der Frankfurter Widerruf der Approbation markiert deshalb mehr als die persönliche Zäsur eines Apothekers. Er steht für eine Klarstellung: Wer sich in einem solchen Ausmaß an den Kassen bedient, stellt sich selbst außerhalb der beruflichen Gemeinschaft, die auf Vertrauen, Transparenz und berechenbare Integrität angewiesen ist. Dass das Gericht selbst intensives Nachtatverhalten – von Schadensausgleich bis Compliance – nicht als ausreichende Wiederherstellung der Würdigkeit ansieht, sendet eine deutliche Botschaft an alle, die mit dem Gedanken spielen, Grenzen auszutesten. Es gibt Verhaltensweisen, bei denen eine Rückkehr in das alte Berufsbild nicht nur rechtlich, sondern auch symbolisch kaum vorstellbar ist.

Gerade vor diesem Hintergrund braucht die Apothekerschaft eine doppelte Klarheit. Zum einen eine unmissverständliche Distanzierung von Betrug, auch dann, wenn er vermeintlich im Graubereich glättender Absprachen mit Patienten oder Ärzten stattfindet. Zum anderen eine selbstbewusste Verteidigung der überwältigenden Mehrheit, die mit hoher Professionalität arbeitet und sich durch solche Fälle nicht repräsentieren lassen darf. Berufsverbände, Kammern und Kooperationen können hier ein wichtiges Signal setzen, indem sie Betrugsfälle nicht relativieren, sondern als das benennen, was sie sind: Angriffe auf die Glaubwürdigkeit einer ganzen Berufsgruppe.

In der Summe bleibt ein Fall, der viel mehr erzählt als nur die Geschichte eines Apothekers, der sich verrechnet hat – im moralischen wie im juristischen Sinn. Er zeigt, dass die entscheidende Ressource im Gesundheitswesen nicht nur Geld, Technik oder Personal ist, sondern Vertrauen. Diese Ressource entsteht über Jahre in Beratungssituationen, Nacht- und Notdiensten, vertraulichen Gesprächen am Handverkaufstisch und im Zusammenspiel mit Ärzten, Kassen und Patienten. Wo sie durch bewussten Betrug beschädigt wird, helfen weder juristische Spitzfindigkeiten noch spätere Compliance-Programme wirklich weiter. Die eigentliche Lehre liegt darin, wie radikal der Beruf sein eigenes Fundament verliert, wenn das, was abgerechnet wird, nicht mehr mit dem übereinstimmt, was tatsächlich geleistet wurde.

Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen wirkt wie ein Brennglas, das zeigt, wie eng berufliche Integrität, finanzielle Steuerung und gesellschaftliches Vertrauen miteinander verflochten sind. Wo Rezepte zur Spielwiese krimineller Kreativität werden, geraten nicht nur Kassenbilanzen aus dem Lot, sondern auch die stille Übereinkunft, dass Heilberufe einem erhöhten Maßstab der Redlichkeit unterliegen. Zugleich wächst mit jedem spektakulären Fall der Druck auf all jene, die sauber arbeiten und sich plötzlich in einer Umgebung wiederfinden, in der Kontrollen härter, Verdachtsmomente schneller und Vertrauensvorschüsse kleiner werden. Der Fall des approbationsrechtlich gescheiterten Apothekers steht damit sinnbildlich für eine Grenze, hinter der nicht mehr über Formfehler diskutiert wird, sondern über die Frage, ob der Beruf noch als glaubwürdiger Treuhänder von Gesundheit, Geldströmen und sensiblen Daten wahrgenommen werden kann.

Dies ist kein Schluss, der gelesen werden will – sondern eine Wirkung, die bleibt. Wer Vertrauen als Währung begreift, erkennt, dass jeder betrügerische Eingriff in Abrechnungen den Kurs dieser Währung senkt und damit die Grundlage der eigenen Profession schwächt. In einer Branche, in der Versicherer Risiken kalkulieren und Heilberufe mit besonderer Verantwortung ausgestattet sind, verschwimmen die Grenzen zwischen Einzelfall und Systemfrage schneller, als vielen lieb ist. Je häufiger spektakuläre Betrugsfälle bekannt werden, desto leichter kippt die Wahrnehmung von verantwortungsvollen Leistungserbringern hin zu potenziellen Verdächtigen, die sich ständig rechtfertigen müssen. Eine tragfähige Zukunft der Versorgung hängt deshalb weniger an neuen Kontrollschrauben als an der Bereitschaft, Integrität sichtbar vorzuleben und Strukturen so zu gestalten, dass Fehlverhalten weder still toleriert noch durch ökonomische Fehlanreize befördert wird. Am Ende entscheidet sich gerade in solchen Fällen, ob das Gesundheitswesen als Raum der Verlässlichkeit wahrgenommen wird – oder als Schauplatz, in dem Misstrauen zur heimlichen Leitgröße wird.

 

SG
Prokurist | Publizist | Verantwortungsträger im Versorgungsdiskurs
Kontakt: sg@aporisk.de

Wer das für Formalie hält, unterschätzt die Verantwortung, die Sprache heute tragen muss.

Ein Kommentar ist keine Meinung. Er ist Verpflichtung zur Deutung – dort, wo Systeme entgleiten und Strukturen entkoppeln.

Ich schreibe nicht, um zu erklären, was gesagt wurde. Ich schreibe, weil gesagt werden muss, was sonst nur wirkt, wenn es zu spät ist.

Denn wenn das Recht nur noch erlaubt, aber nicht mehr schützt, darf der Text nicht schweigen.

 

Tagesthemenüberblick: https://aporisk.de/aktuell

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