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  • 19.07.2025 – Kommentar des Tages – Seyfettin Günder zur Entkopplung von Technik, Recht und Verantwortung in der Apothekenrealität
    19.07.2025 – Kommentar des Tages – Seyfettin Günder zur Entkopplung von Technik, Recht und Verantwortung in der Apothekenrealität
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | Was passiert, wenn Gerichte urteilen, Technik entlastet und Täter frei ausgehen – aber Apotheken weiter tragen müssen? Der Kommenta...

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Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:

ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Kommentar des Tages – Seyfettin Günder zur Entkopplung von Technik, Recht und Verantwortung in der Apothekenrealität

 

Ausgabe Nr. 9 – Seyfettin Günder kommentiert

Apotheken-News: Kommentar von heute

Wenn Technik schneller wird, aber Verantwortung verschwimmt, wenn Gerichte urteilen, aber Vertrauen nicht zurückkehrt, wenn Versorgung effizienter wirkt, aber Menschen hinter Protokollen verschwinden, dann ist nicht der Fortschritt das Problem – sondern das, was er mit sich reißt. Die künstliche Intelligenz „Emma“ in den Hoffmann-Apotheken zeigt, was möglich ist: strukturelle Entlastung, Prozessbeschleunigung, digitale Taktung. Aber was passiert, wenn sich das System auf diese Maschinenlogik verlässt, ohne rechtlich zu sichern, was menschlich getragen werden muss? Die rechtliche Grauzone, die haftungsrechtliche Verschiebung, die ethische Unsicherheit – all das bleibt ungelöst. Der Fortschritt läuft, aber die Sicherung fehlt.

Gleichzeitig feiern Plattformen ein Urteil, das für Apotheken vor Ort einen Schlag bedeutet. Die Rx-Preisbindung gilt nicht für Versandapotheken im EU-Ausland – das hat der Bundesgerichtshof bestätigt. Formal ist das europarechtlich sauber. Politisch ist es eine Kapitulation. Inhaberin Ina Leischner spricht von einem Systemversagen – weil zehn Prozent der vulnerabelsten Patient:innen auf analoge Versorgung angewiesen sind. Der Markt darf entscheiden, wo das System Verantwortung aufkündigt. Das ist kein Wettbewerb – das ist Desintegration.

Diese Desintegration ist nicht abstrakt. Sie zeigt sich im Alltag. Im Moment, in dem Susanne Bormann nachts ein Medikament übergibt, das niemand sonst verfügbar hatte. In dem Ulrich Geltinger warnt, dass ein Notdienst ohne Papierrezepte gefährlich wird, weil digitale Infrastruktur keine Garantie kennt. In dem ein Apotheker in Mönchengladbach einen Rezeptbetrug aufdeckt, aber die Täter trotzdem wieder freikommen – weil Haftgründe fehlen, obwohl der Schaden real ist. All das sind keine Ausreißer. Sie sind Symptome eines Systems, das Verantwortung immer häufiger nur noch benennt, aber nicht mehr hält.

Die strukturellen Lasten wachsen – auch saisonal. Morton Douglas nennt es „Sonnenstich auf Systemebene“. Das klingt polemisch, aber trifft: Temperaturbedingte Lagerungsprobleme, explodierende Energiekosten, ausbleibende Honoraranpassungen – Apotheken arbeiten am Limit. Die Plattformen aber präsentieren sich als „Retter“ und steigern Rx-Umsätze. Für wen eigentlich? Für Patient:innen? Für Investoren? Für eine Idee von Versorgung, die reale Nähe durch digitale Logik ersetzt?

Dass Versorgung nicht nur wirtschaftlich, sondern auch neurobiologisch gefährdet ist, zeigt die Studie der SRH University Heidelberg. Sie weist objektiv nach, dass Covid-19 hippocampusabhängige Gedächtnisstörungen auslösen kann – dauerhaft, auch bei subjektiv Genesenen. Was das für Beratung, Medikation, Alltag bedeutet, ist enorm. Apotheken müssen hier kompensieren – obwohl sie nicht ausgestattet sind für diese Art von Langzeitwirkung.

Und dann die Altersdepression. Wolfgang Grupp hat ihr ein Gesicht gegeben. Professor Hegerl gibt ihr ein Etikett: die stille Katastrophe. Aber wer gibt ihr endlich einen strukturellen Ort? Apotheken könnten es sein – wenn sie mehr wären als Ausgabestellen. Wenn man ihnen zutraut, was sie längst leisten. Wenn das System endlich anerkennt, dass Beratung und Prävention dort beginnen, wo Nähe nicht verkauft, sondern gelebt wird.

Das Gegenteil zeigt Frankreich. Der Fall des Arztes Joël Le Scouarnec erschüttert – nicht nur wegen der Taten, sondern wegen der Strukturen, die sie ermöglichten. Jahrzehntelanger Missbrauch, Warnungen, keine Konsequenzen. Eine Ärztekammer, die sich schämt für die eigene Untätigkeit. Ein Justizsystem, das Ermittlungen nun gegen Behörden führt – nicht weil sie nichts wussten, sondern weil sie nicht handelten. Das ist die Ultima Ratio der Verantwortungslosigkeit: das Wissen ohne Wirkung.

Was all das verbindet – vom digitalen Assistenten bis zur Justizfarce – ist eine stille Verlagerung: Technik übernimmt Aufgaben, Recht regelt Details, aber Verantwortung bleibt unverteilt. Das System funktioniert, solange niemand fällt. Doch es ist nicht stabil – es ist labil in Struktur, diffus in Zuständigkeit, gefährlich in seiner Selbstüberschätzung. Apotheken sind Orte, an denen diese Fragilität sichtbar wird. Sie halten den Betrieb aufrecht – oft mit letzter Kraft. Sie reagieren auf Lücken, die anderswo entstehen. Sie sind mehr als ein Marktteilnehmer. Sie sind Systemanker.

Deshalb reicht es nicht, Fortschritt zu zeigen, ohne ihn zu sichern. Es reicht nicht, auf Gerichte zu verweisen, wenn sie Versorgung entkoppeln. Und es reicht schon gar nicht, Apotheken zu feiern, wenn man ihnen im selben Atemzug die Mittel entzieht, das zu leisten, wofür man sie braucht.

Denn wo Verantwortung nur delegiert, aber nicht getragen wird, entsteht keine Zukunft. Nur ein Spiel mit Sicherheiten, das niemand gewinnt – außer denen, die nie hafteten.

Und genau deshalb beginnt echte Versorgung nicht mit Technologie. Sie beginnt mit Haltung.

SG

Prokurist | Publizist | Verantwortungsträger im Versorgungsdiskurs

Kontakt: sg@aporisk.de

 

Wer das für Formalie hält, unterschätzt die Verantwortung, die Sprache heute tragen muss.

Ein Kommentar ist keine Meinung. Er ist Verpflichtung zur Deutung – dort, wo Systeme entgleiten und Strukturen entkoppeln.

Ich schreibe nicht, um zu erklären, was gesagt wurde. Ich schreibe, weil gesagt werden muss, was sonst nur wirkt, wenn es zu spät ist.

Denn wenn das Recht nur noch erlaubt, aber nicht mehr schützt, darf der Text nicht schweigen.

 

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