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  • 27.06.2025 – Zentrale Apotheken scheitern an Verkehrspolitik, Onlinehandel verschiebt Patientenzugang, medizinische Innovationen durchbrechen Therapiegrenzen
    27.06.2025 – Zentrale Apotheken scheitern an Verkehrspolitik, Onlinehandel verschiebt Patientenzugang, medizinische Innovationen durchbrechen Therapiegrenzen
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | Zentral gelegene Apotheken schließen, digitale Anbieter gewinnen Marktanteile, innovative Therapien stellen Versorgung neu auf – eine A...

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Zentrale Apotheken scheitern an Verkehrspolitik, Onlinehandel verschiebt Patientenzugang, medizinische Innovationen durchbrechen Therapiegrenzen

 

Standorte verlieren trotz Ärztenähe an Attraktivität, digitale Plattformen dominieren den CHC-Markt, operative Durchbrüche schaffen neue Überlebenschancen

Apotheken-News von heute

Straßensperren, bauliche Maßnahmen und eine verfehlte Verkehrspolitik entwerten selbst strategisch gelegene Apothekenstandorte, wie das Beispiel der Sano-Apotheke in Berlin-Köpenick zeigt, deren Schließung trotz Lage im Ärztehaus symptomatisch für eine sich verschärfende Strukturkrise im urbanen Gesundheitswesen steht, während digitale Plattformen im Consumer-Healthcare-Bereich durch algorithmisch gesteuerte Patientenbindung, Preistransparenz und automatische Wiederbestellungen bereits mehr als jeden vierten Euro außerhalb klassischer Apotheken umleiten und damit das Machtgefüge im Markt neu ordnen, gleichzeitig eröffnen medizinische Innovationen wie die weltweit erste erfolgreiche Operation eines als unheilbar geltenden Gallengangstumors, neuroprotektive Effekte moderner GLP-1-Rezeptoragonisten und telemedizinisch steuerbare Hirnschrittmacher bei Parkinson völlig neue Horizonte für die Versorgungsrealität, die Apotheken vor eine doppelte Führungsaufgabe stellen – zwischen Standortbehauptung und therapeutischer Anschlussfähigkeit.

 

Zentrale Lagen verlieren Anziehungskraft, Nachfolgeprobleme wachsen weiter, Verkehrspolitik bedroht Apothekenstandorte

Absperrungen blockieren Erreichbarkeit, Ärztenähe sichert kein Überleben, Strukturkrise verschärft sich im Kiez

Ende Juni schließt die Sano-Apotheke in Berlin-Köpenick. Die Entscheidung markiert mehr als den Rückzug einer Inhaberin – sie steht für eine wachsende Unsichtbarkeit urbaner Apotheken, die trotz vermeintlicher Idealbedingungen an der Realität scheitern. Die Lage? Direkt in der Altstadt, im Ärztehaus. Die Infrastruktur? Katastrophal. Der Zugang? Durch bauliche Maßnahmen blockiert. Die Symbolik? Vollständig. Denn wer eine zentral gelegene, medizinisch eingebettete Apotheke verliert, verliert mehr als einen Standort: Er verliert das Vertrauen in das Funktionieren lokaler Gesundheitsversorgung.

Die Inhaberin nennt klare Gründe: keine Parkplätze, keine Zufahrt, keine Perspektive. Was als „verkehrsberuhigte Zone“ in der politischen Sprache erscheint, wird im Apothekenalltag zur betriebswirtschaftlichen Erstickungszone. Patienten kehren nicht zurück, wenn sie die Apotheke einmal nicht erreichen – sie gehen online, wechseln Anbieter, bauen neue Gewohnheiten auf. Die Erreichbarkeit wird zur Bedingung für die Sichtbarkeit – und diese wiederum zur Voraussetzung für die wirtschaftliche Existenz. Ein Teufelskreis, der nicht durch Marketing, sondern nur durch stadtpolitische Weichenstellungen durchbrochen werden kann.

Der Fall ist kein Einzelfall, sondern ein Brennglas auf ein vielschichtiges Versorgungsproblem. Lange galt das Ärztehaus als Standortvorteil – heute erweist sich diese Nähe vielfach als Illusion, wenn das Umfeld nicht mitspielt. Denn eine zentrale Lage sichert keine Frequenz mehr, wenn die Rahmenbedingungen sie konterkarieren. Stadtplanung, Verkehrsführung, Lieferlogistik, Sichtachsen, Haltemöglichkeiten – all das sind heute überlebensentscheidende Faktoren. Die gute Lage auf der Karte bringt wenig, wenn Patient:innen nicht dorthin gelangen können.

Hinzu kommt der zunehmende Frust bei Inhaber:innen, die keine Nachfolge mehr finden. Zu hoch die regulatorischen Hürden, zu unsicher die Perspektiven, zu groß die Angst vor Investitionen in starre Strukturen. Das Bild ist klar: Selbst dort, wo medizinische und infrastrukturelle Voraussetzungen stimmen könnten, kippt der Betrieb am Ende doch – wegen politischer Ignoranz gegenüber den realen Betriebsbedingungen. Wer glaubt, Apothekensterben sei ein rein ländliches Phänomen, übersieht, was sich aktuell in Städten wie Berlin, Hamburg oder Leipzig vollzieht: Ein leises, systemisches Zurückziehen aus der Fläche – nicht mangels Bedarf, sondern mangels Rahmen.

Was lernen wir daraus? Dass sich das Verständnis von „guter Lage“ wandeln muss. Es reicht nicht mehr, auf Patientenströme oder Ärzteumfeld zu schauen. Die neue Lage ist digital, logistisch, urbanistisch, emotional. Sie lebt von Vertrauen, Sichtbarkeit und Unterstützung durch kommunale Strukturen. Die physische Präsenz allein genügt nicht. Entscheidend ist, ob sie im Alltag auch genutzt werden kann – ohne Frustration, ohne Hürden, ohne Umwege. Die neue Lage ist nutzbare Lage.

Für Apotheker:innen ergibt sich daraus eine strategische Forderung: Standortanalysen müssen heute mehrdimensional gedacht werden – nicht nur mit Blick auf Quadratmeterpreise oder Einzugsgebiet, sondern auf Erreichbarkeit, Verkehrsfluss, digitale Präsenz und integrationsfähige Kooperationsformen. Gleichzeitig muss das Berufsbild gestärkt und breiter aufgestellt werden. Wer heute eine Apotheke führt, ist nicht nur Pharmazeut, sondern auch Stadtteilmanager, Kommunikationsexperte, Krisennavigator. Diese Rollen müssen anerkannt, geschult und unterstützt werden – auch durch Kammern und Politik.

Gleichzeitig wächst der Druck auf die Politik, konkrete Verantwortung zu übernehmen. Es reicht nicht, Sonntagsreden über flächendeckende Versorgung zu halten, wenn Montagmorgen die Wege zur Apotheke durch städtische Sperrungen unpassierbar sind. Eine Apothekenstrategie, die nicht mit der Stadtentwicklungsplanung abgestimmt ist, verfehlt ihr Ziel. Wenn der Weg zur Arzneimittelversorgung blockiert ist, helfen keine Digitalstrategien und keine Reallabore. Dann bleibt nur: Tür zu, Licht aus.

Der Fall Köpenick zeigt, wie sehr Versorgung nicht nur vom „Ob“, sondern vom „Wie“ abhängt. Der Zugang entscheidet. Wer nicht erreichbar ist, ist irgendwann überflüssig – so sieht es die wirtschaftliche Realität. Und genau hier muss Politik ansetzen: mit klugen Mobilitätskonzepten, mit Parkregelungen, mit öffentlich sichtbarer Wertschätzung für pharmazeutische Versorgung als Rückgrat der Primärversorgung. Ohne diese Klarheit bleibt der Apothekenstandort ein Spielball städtebaulicher Kollisionen.

In Berlin steht nun wieder ein Apothekenraum leer – trotz aller Kriterien, die man bisher für „gute Lage“ gehalten hätte. Das ist kein Betriebsunfall, sondern ein Systemzeichen. Es sagt: Die klassische Logik von Standort, Ärzteanbindung und Zentrumslage trägt nicht mehr allein. Wer Versorgung will, muss Zugang sichern – baulich, logistisch, politisch. Alles andere ist Schönwetterpolitik in einer Realität voller Baustellen, Lieferengpässe und Parkverboten.

 

Versandhandel verschiebt Kundenströme, Apotheken kämpfen um Relevanz, Absicherung wird zur Führungsaufgabe

Digitale Plattformen dominieren den CHC-Markt und verändern die Patientenerwartung, stationäre Apotheken brauchen neue Sichtbarkeit und starke Risikodeckung, Unternehmerverantwortung wird zur zentralen Führungsqualität

Der Versandhandel im Consumer-Healthcare-Segment (CHC) wächst nicht nur stetig – er verändert die Systemlogik des Gesundheitsmarktes tiefgreifend. Plattformanbieter und internationale Konzerne haben den direkten Zugang zur Patientenschaft algorithmisch optimiert. Sichtbarkeit, Preissteuerung, Verfügbarkeitsanzeige und automatisierte Wiederbestellung werden zur neuen Normalität. 25,3 Prozent Marktanteil im CHC-Bereich bedeuten bereits heute, dass jeder vierte Euro außerhalb klassischer Apothekenstrukturen bewegt wird. Dabei sind es nicht nur Convenience-Käufe, sondern zunehmend gesundheitsrelevante Entscheidungen, die in digitalen Ökosystemen getroffen werden – ohne jede persönliche Beratung, oft ohne pharmazeutisches Fachwissen.

Für stationäre Apotheken ist das eine doppelte Herausforderung. Einerseits verlieren sie an Relevanz als Erstansprechpartner. Andererseits geraten sie unter Zugzwang, sich strategisch neu zu positionieren: als vertrauenswürdige Gesundheitsakteure, als präventiv handelnde Dienstleister – und als wirtschaftlich eigenständige Einheiten mit resilienter Betriebsstruktur. Das bedeutet: Der Apotheker oder die Apothekerin als Einzelperson genügt nicht mehr. Gefordert ist ein unternehmerisches Leitbild mit Führungsstärke, Systemverständnis und einem klaren Risikomanagement.

Insbesondere die Dynamik der neuen Leistungsbausteine – pharmazeutische Dienstleistungen, Impfungen, Medikationsanalysen, Lieferdienste – verlangt nach belastbaren Versicherungslösungen. Eine einfache Betriebshaftpflicht ist angesichts der Komplexität nicht mehr ausreichend. Fehlerhafte Impfstofflagerung, ein unterlassener Hinweis bei AMK-Meldung, eine fehlerhafte Dosierungsempfehlung bei Selbstmedikation – all das sind reale Schadensszenarien. Kommen digitale Prozesse hinzu – etwa ein Systemausfall bei automatisierten Bestellroutinen oder eine Datenschutzverletzung bei digitaler Medikationsanamnese –, verschärft sich die Bedrohungslage erheblich.

Versicherer erkennen diesen Wandel. Immer häufiger verlangen sie präzise Risikoanalysen, Protokolle zu Notfallabläufen, Fortbildungsnachweise und eine strukturierte Dokumentation interner Prozesse. Apotheken, die in technischer oder organisatorischer Hinsicht Nachholbedarf haben, riskieren nicht nur Leistungskürzungen, sondern unter Umständen sogar den Ausschluss aus bestimmten Versicherungstarifen. Entscheidend ist deshalb, frühzeitig Strukturen aufzubauen, die im Schadensfall Beweissicherheit und proaktive Kommunikation ermöglichen.

Ein zweites, häufig unterschätztes Feld betrifft die digitale Sichtbarkeit. Viele Apotheken sind zwar mit einer Website oder einem Instagram-Kanal vertreten – aber kaum strategisch eingebunden in ihre eigene Patientenkommunikation. Sichtbarkeit entsteht nicht automatisch durch Onlinepräsenz. Sie muss gezielt erzeugt werden – mit einem konkreten digitalen Konzept, regelmäßiger Contentpflege, Einbindung in lokale Netzwerke und einer Kommunikationslinie, die Beratung, Verfügbarkeit und Serviceangebote nachvollziehbar vermittelt. Plattformanbieter spielen hier mit anderen Bandagen: Marketingbudgets in Millionenhöhe, datenbasierte Steuerung und permanente Suchmaschinenoptimierung. Wer als Apotheke mithalten will, braucht kein Copy-Paste, sondern ein eigenständiges, authentisches Gegenmodell mit lokaler Verwurzelung und digitaler Reichweite.

Ein drittes Handlungsfeld ist die Personalstruktur. Viele Apotheken sind heute auf Kante besetzt – zeitlich, personell, emotional. Die Einführung neuer Angebote scheitert nicht selten an Überlastung oder mangelndem Schulungskonzept. Doch ohne Verteilung der Verantwortung, ohne dokumentierte Zuständigkeiten und gezielte Weiterbildung im Team können neue Services nicht sicher und wirtschaftlich tragfähig umgesetzt werden. Auch das gehört zur Führungsaufgabe: nicht jede Innovation sofort mitzumachen, sondern Prozesse so zu gestalten, dass sie nachhaltig funktionieren und rechtlich abgesichert sind. Risikomanagement beginnt im Alltag – bei Kühlschrankkontrolle, Datenschutzprotokoll und dem Bewusstsein, dass Fehler nicht nur menschlich, sondern haftungsrelevant sind.

Gleichzeitig droht eine gefährliche Selbstunterschätzung. Apothekeninhaber:innen reduzieren ihre Rolle vielfach auf Verwalten – dabei ist heute mehr denn je unternehmerische Initiative gefragt. Wer sich nicht aktiv auf die Seite der Veränderung schlägt, wird von ihr überrollt. Der Wandel ist nicht aufzuhalten – aber gestaltbar. Das bedeutet: Versicherungsstrategien sind nicht Beiprodukt, sondern Kern der Betriebsführung. Sichtbarkeit ist keine Aufgabe für nebenbei, sondern zentraler Erfolgsfaktor. Kommunikation ist keine Kür, sondern existenzieller Bestandteil der Leistungserbringung.

Die Zukunft der Apotheke entscheidet sich nicht im Widerstand gegen Versandhandel, sondern in der Fähigkeit, alternative Qualitäten sichtbar zu machen: Erreichbarkeit, Beratungskompetenz, Verantwortung, Sicherheit. Wer das glaubwürdig kommuniziert, kann nicht nur Kunden halten, sondern neue gewinnen – auch in einer digitalen Welt. Die Grundlage dafür ist kein nostalgisches Berufsbild, sondern ein modernes Risikobewusstsein, das Beratung, Betrieb und betriebliche Absicherung als untrennbare Einheit begreift.

Dazu gehört auch, sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass eine starke Apotheke heute ein kleiner Gesundheitsbetrieb ist – mit klaren Zuständigkeiten, validierter Absicherung und digitaler Führungsfähigkeit. Nicht jede Apotheke braucht ein digitales Beratungstool, aber jede Apotheke braucht ein strategisches Fundament. Wer seine Werte nicht kennt, kann sie nicht schützen. Wer seine Risiken nicht einschätzt, kann sie nicht absichern. Und wer seine Relevanz nicht selbstbewusst artikuliert, verliert sie.

Die Lektion der Digitalisierung lautet nicht: Apotheken verschwinden. Sie lautet: Nur die strategisch Führungsstarken bleiben.

 

Operation trotzt Prognose, Leber regeneriert sich, Tumortherapie erreicht neues Niveau

Neue OP-Technik rettet vermeintlich unheilbare Krebspatientin, Leber wächst nach der Teilresektion erfolgreich nach, systemische Chirurgie durchbricht bisherige Grenzen

Als Susanne Viehmeier im Jahr 2022 ihre Krebsdiagnose erhält, ist die Situation aus medizinischer Sicht eindeutig: Gallengangstumor, fortgeschritten, nicht operabel, keine Heilung möglich. Das ärztliche Urteil ist vernichtend, ihre Lebenserwartung auf wenige Monate begrenzt. In ihrer Verzweiflung beginnt die 62-jährige Wolfsburgerin, sich auf das Sterben vorzubereiten. Die eigene Bestattung wird geplant, Urlaubsreisen zum 60. Geburtstag abgesagt, das Leben scheint am Ende. Doch heute, gut drei Jahre später, steht sie symptomfrei in ihrem Garten, macht Zukunftspläne – und erzählt von einem medizinischen Wunder, das diesen Begriff verdient. Möglich wurde es durch ein innovatives Verfahren an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), das weltweit erstmals bei einem vermeintlich unheilbaren Gallengangstumor zum Einsatz kam und zum lebensrettenden Wendepunkt wurde.

Die Operation, durchgeführt von einem interdisziplinären Team unter Leitung von Professor Dr. Moritz Schmelzle, gilt als Pionierleistung der onkologischen Chirurgie. Innerhalb von viereinhalb Stunden wurde der bösartige Tumor entfernt – unter Bedingungen, die bislang als kontraindiziert galten. Die Leber der Patientin war nach dem Eingriff auf nur noch 25 Prozent ihres ursprünglichen Volumens reduziert, doch Schmelzle war überzeugt: „Das Gute an der Leber ist, dass sie sich regenerieren kann.“ Bereits kurz nach der OP begann das Organ mit dem Wiederaufbau. Inzwischen, so der MHH-Chirurg, habe es wieder etwa die Ausgangsgröße erreicht. Für die Patientin bedeutete das: keine Beschwerden, keine Medikamente, kein Tumor – und ein geschenktes Leben.

Dieser Fall ist nicht nur eine Erfolgsgeschichte auf individueller Ebene, sondern ein Durchbruch in der medizinischen Systematik. Tumoren der Gallengänge – fachlich cholangiozelluläre Karzinome – gelten als besonders aggressiv und schwer therapierbar. Ihre Lage inmitten lebenswichtiger Strukturen der Leber und die späte Entdeckung machen sie zu einer der komplexesten Herausforderungen der chirurgischen Onkologie. Dass die MHH nun mit einer neuartigen, hochpräzisen OP-Technik einen solchen Tumor erfolgreich entfernen konnte, zeigt: In der modernen Krebsmedizin entstehen gerade neue Räume des Handelns – jenseits bisheriger Grenzen.

Die Grundlage dieser Entwicklung liegt in einer Kombination aus systemischer Vorbehandlung, moderner Bildgebung und computergestützter Planung. Der Eingriff bei Viehmeier war das Ergebnis wochenlanger Vorbereitung: Die Leber wurde vorab mit einer speziellen Technik zur Volumenzunahme angeregt – einem Verfahren, das in Fachkreisen als „ALPPS“ (Associating Liver Partition and Portal vein ligation for Staged hepatectomy) bezeichnet wird. Parallel dazu kamen innovative Navigationssysteme zum Einsatz, die eine millimetergenaue Tumorentfernung bei maximalem Organerhalt ermöglichten. Der Eingriff selbst war eine Kombination aus klassischer Resektion, digitaler Schnittführung und mikrochirurgischer Präzision – durchgeführt unter höchster Sicherheitsüberwachung.

Der Fall Viehmeier eröffnet damit neue Perspektiven für Patientinnen und Patienten, deren Tumorerkrankung bisher als nicht behandelbar galt. Zugleich wirft er zentrale Fragen für die Leitlinienentwicklung auf: Muss die Definition von „inoperabel“ neu gefasst werden? Welche Rolle spielen hochspezialisierte Zentren wie die MHH in der personalisierten Krebstherapie? Und wie können solche Pionierverfahren künftig breiteren Patientengruppen zugänglich gemacht werden, ohne medizinische Standards zu unterlaufen? Antworten darauf werden derzeit international diskutiert – mit Hannover als Referenzzentrum im Zentrum dieser Debatte.

Doch hinter aller Technik und klinischer Exzellenz steht in diesem Fall auch ein zutiefst menschlicher Faktor: der Wille der Patientin, sich nicht aufzugeben. Viehmeier berichtet, wie sie sich nach dem Schock der Diagnose zurück ins Leben kämpfte. Mit Unterstützung ihrer Familie, einem Netzwerk engagierter Ärzte und der Überzeugung, dass es irgendwo eine Lösung geben muss. Ihre Entscheidung, die OP trotz aller Risiken zu wagen, war dabei ebenso mutig wie rational – und wurde belohnt. Drei Monate nach dem Eingriff erklärt sie: „Ich fühle mich gesund, ich brauche keine Medikamente mehr, ich habe keine Schmerzen – ich habe wieder ein Leben.“

Für die onkologische Forschung und Praxis ist dieser Fall ein Aufruf zum Umdenken: Was gestern noch als Ausschlusskriterium für einen chirurgischen Eingriff galt, kann heute unter bestimmten Bedingungen realisiert werden. Die Leberchirurgie hat durch diesen Eingriff eine neue Qualität erreicht – nicht nur technisch, sondern auch konzeptionell. Der Fokus verschiebt sich von standardisierten Indikationen hin zu individuell ermittelten Chancen. Entscheidend ist dabei nicht nur das Tumorstadium, sondern die Kombination aus Resilienz der Patientin, multidisziplinärem Know-how und struktureller Innovationsfähigkeit der Klinik. Der Fall zeigt, was möglich wird, wenn operative Exzellenz auf visionäre Therapieansätze trifft.

Aus Sicht der Patientensicherheit ist ebenfalls bedeutsam, dass die OP trotz ihrer Komplexität ohne Komplikationen verlief. Keine Nachblutungen, keine Infektionen, keine Leberinsuffizienz – Faktoren, die gerade bei Leberoperationen das postoperative Risiko dominieren. Die Nachsorge verlief ebenso unauffällig: Nach kurzer stationärer Phase konnte Viehmeier in die ambulante Betreuung wechseln. Ihre Leberwerte stabilisierten sich rasch, Kontrollbildgebung zeigt keine Hinweise auf ein Tumorrezidiv.

Derzeit bereitet die MHH eine wissenschaftliche Publikation zu diesem Eingriff vor. Parallel wird eine Falldokumentation in internationale Register eingespeist, um Vergleichsfälle zu identifizieren und die langfristige Übertragbarkeit der Methode zu prüfen. Fachgesellschaften aus den USA und Frankreich haben bereits Interesse signalisiert.

Was bleibt, ist mehr als eine medizinische Sensation. Es ist ein Signal für Hoffnung, Mut und medizinischen Fortschritt – mit Hannover als Ausgangspunkt und einer Patientin, die sich mit nichts anderem als ihrer eigenen Entschlossenheit gegen eine Todesprognose gestellt hat.

Patientinnen und Patienten Zugang zu dieser Technologie – ein nicht zu unterschätzender Beitrag zur Chancengleichheit.

Ein vielversprechender Ausblick: Aktuell wird an adaptiven Systemen geforscht, bei denen Sensoren im Körper automatisch erkennen, wann eine Stimulation notwendig ist – und sie in Echtzeit anpassen. Diese Technik könnte die tiefe Hirnstimulation noch präziser und individualisierter machen. Bis zur klinischen Reife werden jedoch noch einige Jahre vergehen. Bis dahin bleibt der Hirnschrittmacher eine wirksame, technisch gereifte und versorgungspolitisch anspruchsvolle Lösung für viele Parkinsonpatienten in Deutschland.

Besonders die Digitalisierung wird die Therapie künftig weiter verändern: Schon heute lassen sich Bewegungsdaten in Echtzeit erfassen und in Therapiedatenbanken auswerten. Langfristig könnten KI-Systeme anhand dieser Daten individuelle Stimulationsmuster vorschlagen und damit die neurologische Betreuung auf ein neues Niveau heben. Gleichzeitig wachsen damit aber auch Anforderungen an Datenschutz, ethische Begleitung und technische Resilienz. Die Technik kann nur so gut sein wie das Versorgungssystem, das sie trägt.

Damit diese Systeme ihren vollen Nutzen entfalten, braucht es gezielte Schulung von Fachpersonal, klare Qualitätsstandards und eine bessere regionale Vernetzung von Versorgungszentren. Hier sind Politik, Krankenkassen und Berufsverbände gefordert, gemeinsam tragfähige Konzepte zu entwickeln – damit Hirnschrittmacher nicht nur technologisch, sondern auch strukturell ein Fortschritt für die Patientenversorgung bleiben.

  

Holtzbrinck investiert in digitale Hautmedizin, neue Kapitalallianz stärkt Dermanostic, Apothekennähe wird strategisch ausgebaut

Wort & Bild, Noventi und Ursapharm positionieren sich im E-Health-Markt, Venture-Fonds DHV zielt auf Versorgungsintegration, Telemedizin erreicht nächste Finanzierungsrunde

Dermanostic hat eine neue Finanzierungsrunde abgeschlossen – und mit dem Digital Health Fund (DHV) einen strategisch gewichteten Investor an Bord geholt, der gleich mehrere Einflusslinien aus der Gesundheitsbranche bündelt. Hinter dem DHV steht ein Konsortium, das unter anderem Holtzbrinck, den Wort & Bild Verlag, die Apotheken-IT-Gruppe Noventi und die Eigentümerfamilie von Ursapharm vereint. Die Konstellation ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert – nicht nur wegen der Kapitalstärke, sondern vor allem wegen der strategischen Signale für den Apothekenmarkt.

Dermanostic ist auf die telemedizinische Versorgung von Hauterkrankungen spezialisiert. Patient:innen reichen Fotos und Angaben über eine App ein und erhalten innerhalb von 24 Stunden eine Diagnose samt Therapieempfehlung. Das Geschäftsmodell gilt als skalierbar, niedrigschwellig und potenziell systementlastend – zugleich steht es im Spannungsfeld mit etablierten Versorgungsstrukturen, insbesondere dem dermatologischen Facharztwesen und der apothekengestützten Selbstmedikation. Die Tatsache, dass sich ausgerechnet Akteure wie Noventi und Wort & Bild an dieser Plattform beteiligen, weist auf eine strategische Neupositionierung hin: Statt Telemedizin als Konkurrenz zu verstehen, setzen sie offenbar auf Integration, Sichtbarkeit und Marktvernetzung.

Für Holtzbrinck als klassischen Medieninvestor bietet der Einstieg Zugang zu einem wachstumsstarken Gesundheitsmarkt mit hohem Daten- und Nutzungswert. Für Noventi, die als IT-Dienstleister tief in der Apothekenlandschaft verwurzelt sind, liegt der Hebel woanders: Dermanostic könnte perspektivisch zu einem Brückenglied zwischen digitaler Konsultation und stationärer Abgabe werden – ein digitaler Erstkontakt, der Patient:innen automatisiert in die Apotheke leitet. Die Nähe zu Wort & Bild wiederum öffnet Kommunikationskanäle und Patientenzugänge, die das Modell im Gesundheitsmarkt verankern könnten. Der DHV-Fonds fungiert dabei als Kapitalvehikel mit integriertem Branchenverständnis.

Bemerkenswert ist, dass der Einstieg zu einem Zeitpunkt erfolgt, an dem sich der Markt für Digital Health nicht mehr in der Hochstimmung früherer Jahre befindet. Viele Start-ups kämpfen mit stagnierender Nutzerbasis, regulatorischen Unsicherheiten und zunehmend kritischen Investoren. Dass Dermanostic dennoch neue Mittel einsammelt – und das mit Beteiligung strukturtragender Akteure des Apothekensystems – deutet auf eine ausdifferenzierte Zukunftsstrategie hin: weg vom reinen Start-up-Wachstum, hin zur sektorenübergreifenden Versorgungsintegration.

Gleichzeitig wird ein politisches Signal gesendet. Während klassische Arztpraxen durch Budgetierung und Fachkräftemangel unter Druck stehen, zeigen digital getriebene Unternehmen, dass sie Versorgungsengpässe zumindest teilweise abfedern können – wenn sie strategisch eingebunden und regulativ begleitet werden. Dass Apothekenakteure dabei mit investieren, zeigt, wie stark sich die Versorgungslogik verschiebt: vom Standort zur Plattform, von der Verordnung zur Empfehlung, von der Nachfrage zur Nutzerbindung.

Für den Apothekenmarkt eröffnet der Einstieg mehr als nur eine Kapitalverbindung. Er wirft die Frage auf, ob digitale Erstkontakte künftig systematischer in den Apothekenprozess überführt werden können. Denkbar wäre ein Modell, in dem dermatologische Empfehlungen aus der Dermanostic-App nicht nur in Richtung Arztpraxis, sondern direkt zur wohnortnahen Apotheke geleitet werden – inkl. Rezeptdigitalisierung, pharmazeutischer Beratung und OTC-Optimierung. Der Begriff „digitale Patientenreise“ erhält damit eine neue praktische Dimension, in der Apotheken wieder stärker vorkommen.

Für die Gründer von Dermanostic ist die Runde ein Etappensieg: Sie sichern sich nicht nur weiteres Wachstumskapital, sondern auch Branchenzugänge, die für die Etablierung im Gesundheitssystem entscheidend sein könnten. Für die beteiligten Investoren ist der Einstieg eine doppelte Positionierung: als Innovationsakteur in der Telemedizin und als strategischer Gestalter zukünftiger Versorgungspfade. Insbesondere die Beteiligung von Ursapharm – einem Hersteller, der eng mit der Selbstmedikation und Sichtwahlstruktur in Apotheken verbunden ist – deutet darauf hin, dass Dermanostic mittelfristig als Zugangskanal für Produkte, Empfehlungen und Therapiewege genutzt werden könnte.

Kritikerinnen und Kritiker könnten argumentieren, dass die zunehmende Verflechtung von Kapital, Versorgung und Plattformökonomie Risiken birgt – etwa durch Einflussnahmen auf Empfehlungslogiken, Produktpriorisierungen oder patientenlenkende Algorithmen. Tatsächlich stellt sich die Frage, wie neutral eine telemedizinische Plattform bleibt, wenn ihre Investoren zugleich Produkte vertreiben oder Werbemittel steuern. Andererseits zeigt der Einstieg klassischer Apothekenakteure auch, dass die Branche nicht länger am Rand der digitalen Entwicklung stehen will – sondern aktiv mitgestalten und neue Rollen finden muss.

Für den Markt bedeutet der Einstieg: Telemedizin ist nicht mehr nur Start-up-Spielwiese, sondern wird zur strategischen Infrastruktur. Dermanostic ist damit nicht nur ein dermatologisches Diagnostiktool – sondern ein Signal, wie sich die Versorgungsarchitektur verändert: datenbasiert, plattformgetrieben, sektorübergreifend.

 

Hausärztemangel fordert neue Strukturen, Digitalisierung stärkt Praxen, Teamarbeit entlastet Versorgung

Das Pilotprojekt „Häppi“ testet neue Rollenverteilungen im hausärztlichen Team, digitale Instrumente zur Kommunikationsverbesserung und Lösungswege gegen Versorgungsdruck

In einer Zeit, in der chronisch kranke und multimorbide Patienten immer mehr hausärztliche Betreuung benötigen, während gleichzeitig die Zahl der praktizierenden Hausärzte insbesondere im ländlichen Raum rückläufig ist, startet Rheinland-Pfalz ein ambitioniertes Modellprojekt: Mit dem Titel „Häppi“ – ausgeschrieben als Hausärztliches Primärversorgungszentrum, Patientenversorgung Interprofessionell – wird in sieben ausgewählten Praxen erprobt, wie neue Teamkonzepte und digital unterstützte Versorgungsprozesse den stetig wachsenden Druck in der hausärztlichen Versorgung abfedern können. Der Name klingt bewusst freundlich und niedrigschwellig, die Zielsetzung hingegen ist hochkomplex: Der drohenden Versorgungslücke soll mit struktureller Modernisierung begegnet werden – und das unter aktiver Beteiligung des medizinischen Fachpersonals.

Die zentrale Idee: Hausärzte sollen künftig stärker durch nichtärztliche Kräfte entlastet werden, ohne dabei an Qualität oder Verantwortungsstruktur einzubüßen. Praxisangestellte mit weiterführender Qualifikation sollen Aufgaben übernehmen, die bislang ausschließlich ärztlich delegiert oder geleistet wurden – etwa im Bereich der Anamnese, des Gesundheitscoachings oder im Versorgungsmonitoring chronisch Erkrankter. Ergänzt wird dieses Rollenmodell durch gezielte digitale Unterstützung, etwa in Form von KI-basierten Telefonassistenten, Video- und Messengerkommunikation oder softwaregestützter Terminvergabe. Ziel ist es, über klare Zuständigkeitsprofile und effizientere Kommunikationswege jene Zeitreserven zu schaffen, die es ermöglichen, sich den komplexen Fällen intensiver zu widmen.

Für das Projekt stellt das Land Rheinland-Pfalz gemeinsam mit der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland Fördermittel in Höhe von bis zu 280.000 Euro zur Verfügung. Die Laufzeit ist zunächst auf sechs Monate angesetzt, wobei das Modell explizit als Blaupause für die Weiterentwicklung der ambulanten Primärversorgung gedacht ist. „Wir haben eine Verantwortung für die Zukunft der medizinischen Versorgung in ländlichen Regionen – und die gelingt nicht durch nostalgisches Festhalten an überholten Strukturen, sondern nur durch mutige Veränderungen“, erklärte Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) zum Projektauftakt. Barbara Römer, Landesvorsitzende des Hausärzteverbands, betonte den Paradigmenwechsel: „Wir wollen das Potenzial in unseren Teams heben – durch Vertrauen, durch digitale Werkzeuge und durch neue Ausbildungswege.“

Besonders hervorzuheben ist dabei der Einsatz einer KI-gestützten Telefonassistenz, die nicht nur organisatorische Anfragen filtert, sondern auf Basis intelligenter Sprachverarbeitung erste Vorabklärungen treffen kann – ein Novum in der hausärztlichen Primärversorgung auf Bundesebene. Diese Entlastung am Praxisempfang soll den Zugang zur Versorgung verbessern, Wartezeiten verkürzen und das Teamgespräch in den Fokus rücken. Auch telemedizinische Tools wie Videokonsultationen oder digitale Patientenakten gehören zur neuen Infrastruktur, die im Rahmen von „Häppi“ erprobt wird. Unterstützt wird dies durch begleitende Schulungsformate für medizinische Fachangestellte, die gezielt auf erweiterte Aufgabenfelder vorbereitet werden.

Doch hinter der Projektbeschreibung steht ein stiller Befund: Ohne tiefgreifende Strukturveränderungen droht vielen Regionen der Versorgungskollaps. Das Modellprojekt ist daher nicht nur ein Innovationsbaustein, sondern ein Signal an Politik, Kassen und Patienten, dass Primärversorgung nur mit konsequenter Teamerweiterung, digitaler Intelligenz und strategischer Neuausrichtung überlebensfähig bleibt. Bundesvorsitzende Professor Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth formulierte es unmissverständlich: „Mit ‚Häppi‘ setzen wir einen Kontrapunkt zur schleichenden Überforderung unserer Praxen. Es ist ein aktiver Reformvorschlag – und ein Bekenntnis zur hausärztlichen Zukunft.“

  

Semaglutid senkt Alzheimer-Risiko, differenziert gegenüber Insulin und Metformin, liefert neue Impulse für neuroprotektive

Therapieansätze Semaglutid schützt Typ-2-Diabetiker vor Demenz, Datenanalyse zeigt robuste Risikoreduktion, Studienschwächen begrenzen klinische Übertragbarkeit

Die Verbindung zwischen Typ-2-Diabetes und kognitiven Defiziten ist seit Langem bekannt, doch neue Studiendaten eröffnen nun einen konkreten Ansatz zur therapeutischen Intervention: Eine großangelegte Analyse elektronischer Gesundheitsakten von über 1,7 Millionen Typ-2-Diabetikern in den USA belegt, dass die Behandlung mit Semaglutid nicht nur den Blutzuckerspiegel kontrolliert, sondern auch das Risiko für Alzheimer-Demenz signifikant senken kann. Die Erkenntnisse stützen sich auf eine sogenannte Emulationszielstudie, die reale Versorgungsdaten retrospektiv mit methodischer Präzision auswertet, um Aussagen zur Wirksamkeit unter Alltagsbedingungen zu treffen. Dabei zeigte sich ein 46 Prozent geringeres Alzheimer-Risiko im Vergleich zu Insulin, ein Rückgang um 33 Prozent gegenüber Metformin und eine Reduktion um 20 Prozent gegenüber älteren GLP-1-Rezeptoragonisten.

Bemerkenswert an dieser Auswertung ist nicht nur die statistische Breite, sondern auch die Stabilität der Effekte über demografische Subgruppen hinweg: Die Schutzwirkung zeigte sich bei Frauen stärker ausgeprägt als bei Männern, bei älteren stärker als bei jüngeren Patienten und unabhängig vom BMI. In der Gesamtbetrachtung der drei Hauptendpunkte – Alzheimer-Demenz, vaskuläre Demenz und Gesamtüberleben – trat Semaglutid besonders als potenziell neuroprotektive Komponente hervor. Für seltenere Demenzformen wie die frontotemporale Demenz oder Lewy-Körper-Demenz ergab sich hingegen kein signifikanter Zusammenhang. Die Wirkweise bleibt Gegenstand weitergehender Forschung. Diskutiert werden sowohl antiinflammatorische als auch vaskulär-stabilisierende Eigenschaften der Substanzklasse.

Die methodische Grundlage der Studie bietet Anlass zur Zuversicht, auch wenn Einschränkungen bestehen bleiben. Die beobachtete Wirkung basiert auf realen Verordnungsdaten und klinischen Diagnosen, nicht auf kontrollierten kognitiven Tests oder molekularbiologischen Biomarkern. Gleichwohl wurden alle Vergleichsgruppen aus einem konsistent dokumentierten Datenpool generiert, sodass die interne Validität der Risikovergleiche als robust gelten kann. Ein strukturelles Problem vieler Versorgungsdatenanalysen bleibt jedoch bestehen: Unterschätzungen durch undercoding, fehlende Informationen zur Medikamentenadhärenz oder nicht erfasste Genvarianten, die das Demenzrisiko beeinflussen könnten.

Für die Praxis ergibt sich dennoch eine relevante Perspektive: Wenn sich die neuroprotektiven Hinweise weiter verdichten, könnte Semaglutid langfristig auch im Rahmen von Präventionsstrategien für Hochrisikopatienten außerhalb der Diabetesindikationen Bedeutung gewinnen. Gerade bei älteren, mehrfach erkrankten Personen mit metabolischem Syndrom stellt sich die Frage, ob die Wirkstoffgruppe der GLP-1-Analoga über ihre antihyperglykämische Wirkung hinausgehend auch präventives Potenzial gegenüber neurodegenerativen Prozessen entfalten kann. Derzeit jedoch bleibt die Anwendung auf die zugelassene Indikation beschränkt.

Der Zusammenhang zwischen metabolischer Dysregulation und neuronaler Degeneration wird in Fachkreisen zunehmend differenziert betrachtet. Studien legen nahe, dass chronisch erhöhte Insulinspiegel, systemische Inflammation und Mikroangiopathien nicht nur vaskuläre Demenz, sondern auch Alzheimer-ähnliche Pathologien begünstigen. Semaglutid, das sowohl peripher als auch zentral wirksam ist, könnte hier systemisch gegensteuern. Allerdings bedarf es für belastbare Aussagen kontrollierter Langzeitstudien mit neurokognitiven Endpunkten und strukturellen Bildgebungen. Erste Projekte dieser Art sind initiiert, jedoch noch nicht abgeschlossen.

Vor dem Hintergrund dieser offenen Fragen mahnen die Autoren der Studie zur wissenschaftlichen Zurückhaltung. Die Beobachtungsdauer von drei Jahren ist für neurodegenerative Erkrankungen eher kurz bemessen, gerade im Frühstadium verläuft die klinische Manifestation oft schleichend. Auch die Heterogenität in der Versorgungsrealität – etwa Unterschiede in Diagnosestellung, Gesundheitskompetenz und Therapieadhärenz – kann Einfluss auf die beobachteten Effekte genommen haben. Dennoch liefert die Studie einen wertvollen Beitrag zur translationalen Forschung und öffnet die Diskussion für neue Therapieziele.

Die Erkenntnisse könnten auch für die Beratung in Apotheken relevant werden: Gerade bei multimorbiden Diabetespatienten mit familiärer Vorbelastung oder beginnender kognitiver Beeinträchtigung stellt sich perspektivisch die Frage nach der geeigneten Antidiabetikatherapie. Dabei darf Semaglutid nicht als kognitives Schutzpräparat beworben werden, wohl aber als möglicher Vorteil im Rahmen einer differenzierten Nutzen-Risiko-Abwägung. Pharmazeutisches Personal kann hier auf Basis der vorliegenden Evidenz beraten, ohne therapeutische Entscheidungen vorwegzunehmen. Insbesondere bei polymorbiden Patienten mit eingeschränkter Mobilität kann die Diskussion über orale versus injizierbare Antidiabetika, Nebenwirkungsprofil und Wirkungsspektrum auch kognitive Aspekte stärker berücksichtigen.

In der Forschung wächst unterdessen das Interesse an GLP-1-Rezeptoragonisten als künftige Leitstruktur der Neuroprotektion. Bereits in der Alzheimerforschung der letzten Jahre hatten verwandte Substanzen wie Liraglutid Hinweise auf günstige Effekte gezeigt, allerdings in kleineren Populationen und ohne ausreichende Primärendpunkte. Der Nachweis neurokognitiver Effekte von Semaglutid in großen Registerkohorten stellt somit einen methodischen Fortschritt dar. Sollte sich dieser Zusammenhang auch in prospektiven, randomisierten Studien bestätigen, wäre ein Paradigmenwechsel denkbar: weg von rein symptomatischen, hin zu stoffwechselbasierten Therapieansätzen in der Demenzprävention.

Derzeit bleibt es bei einem datenbasierten Hoffnungsschimmer. Die Ergebnisse aus Cleveland zeigen, dass Semaglutid mehr kann als den Blutzucker senken – sie werfen die Frage auf, ob ein Antidiabetikum auch ein potenzieller Schutzfaktor vor dem geistigen Verfall sein kann. Ob sich aus der Realdatenanalyse ein neuer Standard entwickelt oder nur ein epidemiologischer Hinweis, wird die wissenschaftliche Validierung in den kommenden Jahren entscheiden. Die Diskussion über präventive Potenziale ist jedoch eröffnet – und könnte in Zukunft auch die Therapiealgorithmen im Bereich kognitiver Erkrankungen mit beeinflussen.

  

Hirnschrittmacher verbessern Beweglichkeit, digitale Nachsorge erweitert Therapie, interdisziplinäre Teams sichern Behandlungserfolg

Elektrische Impulse lindern Parkinsonsymptome, moderne Systeme sind telemedizinisch steuerbar, integrierte Nachsorge stärkt Versorgung im Alltag

Die Parkinson-Krankheit raubt vielen Menschen zunehmend die Kontrolle über ihre Bewegungen. Wenn Medikamente wie Levodopa allein nicht mehr ausreichen, können Hirnschrittmacher als gezielte Therapieoption helfen. Jährlich erhalten in Deutschland rund 1000 Patientinnen und Patienten ein solches System. Dabei handelt es sich um hochentwickelte Elektroden, die in tiefe Gehirnareale implantiert werden und dort über elektrische Impulse die gestörte Bewegungssteuerung gezielt beeinflussen. Die sogenannte tiefe Hirnstimulation (THS) senkt die überaktive Erregung des Nucleus subthalamicus, deren Übersteuerung bei Parkinson die Motorik hemmt. Die Wirkung ist vergleichbar mit jener von L-Dopa, nur erfolgt sie elektrisch.

Dank technischer Fortschritte sind die Implantate heute nicht größer als eine Smartwatch, vielfach telemedizinisch steuerbar und über Induktion aufladbar. Die Akkulaufzeit kann dabei bis zu 30 Tage betragen, das Gerät selbst ist für eine lebenslange Nutzung konzipiert. Entscheidend für den Therapieerfolg ist nicht nur die Operation, sondern vor allem die kontinuierliche Anpassung. Moderne Impulsgeber lassen sich inzwischen online konfigurieren: Ärztinnen und Ärzte überwachen per Videosprechstunde die Bewegungsmuster und können das Gerät in Echtzeit nachjustieren – vorausgesetzt, die Internetverbindung ist stabil. Damit wird Nachsorge nicht nur präziser, sondern auch wohnortnäher.

Geeignet ist die tiefe Hirnstimulation für Parkinsonpatienten, die seit mindestens vier Jahren erkrankt sind, unter motorischen Schwankungen leiden und trotz optimierter Medikation keine ausreichende Lebensqualität mehr erreichen. Entscheidend ist zudem eine psychisch und kognitiv stabile Ausgangslage. Schwerwiegende Depressionen, Demenz oder ein erhöhtes OP-Risiko gelten als Kontraindikationen. Das Alter allein ist kein Ausschlusskriterium. „Eine fitte 75-Jährige kann geeigneter sein als ein multimorbider 55-Jähriger“, betont Dr. Andreas Becker vom SRH Kurpfalzkrankenhaus in Heidelberg. Seine Klinik war eine der ersten in Europa, die den bislang kleinsten Impulsgeber implantierte.

Der Eingriff erfolgt in Vollnarkose. Durch zwei kleine Bohrungen im Schädel werden die Elektroden in das Zielareal eingebracht, die Steuerkabel unter der Haut zum Impulsgeber geleitet. Dieser wird meist unter dem Schlüsselbein, alternativ im Bauchbereich eingesetzt. Schon das Einsetzen der Elektroden kann zu einem vorübergehenden „Setzeffekt“ führen, der Symptome deutlich lindert. Erst drei Monate nach dem Eingriff erfolgt die Feineinstellung des Systems. Diese erste Programmierung ist entscheidend, da der Setzeffekt dann abgeklungen ist und die echte Stimulationserfahrung beginnt.

Die Nachsorge bleibt auch langfristig komplex. Denn die Krankheit schreitet fort, sodass Geräteeinstellungen und Medikamentendosierungen regelmäßig angepasst werden müssen. Integrierte Versorgungskonzepte gewinnen hier an Bedeutung. Becker warnt: „Set it and forget it“ funktioniere bei Hirnschrittmachern nicht. Es braucht ein interprofessionelles Team, das Neurologen, Neurochirurgen, Apotheker, Ergo- und Physiotherapeuten, Pflegekräfte, Logopäden und Sozialdienste umfasst. Auch die Angehörigen sollten einbezogen werden, da sich der Alltag nach erfolgreicher THS massiv verändern kann – im Positiven wie im Herausfordernden.

Die tiefe Hirnstimulation verändert nicht nur die körperlichen Symptome, sondern oft auch die psychische Verfassung der Patientinnen und Patienten. Einige berichten von einer neuen Lebensqualität, mehr Selbstständigkeit und sozialer Teilhabe. Andere müssen lernen, mit den Veränderungen umzugehen – etwa wenn die gesteigerte Beweglichkeit auch zu neuen Erwartungen im Umfeld führt oder wenn Nebenwirkungen wie Impulsivität, Unruhe oder depressive Verstimmungen auftreten. Wichtig ist, diese Entwicklungen engmaschig zu begleiten und gemeinsam mit dem Patienten regelmäßig zu evaluieren.

Nebenwirkungen sind möglich, aber meist beherrschbar: Dazu zählen Wesensveränderungen, Sprach- und Gangstörungen oder gesteigerte Impulsivität. In der Regel lassen sich diese durch Anpassung der Impulsstärke korrigieren. Auch das OP-Risiko ist mit Infektionen oder Blutungen verbunden, bleibt aber insgesamt gering. Die GKV übernimmt die Kosten, wenn die medizinischen Voraussetzungen erfüllt sind. Dies eröffnet auch einkommensschwächeren Patientinnen und Patienten Zugang zu dieser Technologie – ein nicht zu unterschätzender Beitrag zur Chancengleichheit.

Ein vielversprechender Ausblick: Aktuell wird an adaptiven Systemen geforscht, bei denen Sensoren im Körper automatisch erkennen, wann eine Stimulation notwendig ist – und sie in Echtzeit anpassen. Diese Technik könnte die tiefe Hirnstimulation noch präziser und individualisierter machen. Bis zur klinischen Reife werden jedoch noch einige Jahre vergehen. Bis dahin bleibt der Hirnschrittmacher eine wirksame, technisch gereifte und versorgungspolitisch anspruchsvolle Lösung für viele Parkinsonpatienten in Deutschland.

Besonders die Digitalisierung wird die Therapie künftig weiter verändern: Schon heute lassen sich Bewegungsdaten in Echtzeit erfassen und in Therapiedatenbanken auswerten. Langfristig könnten KI-Systeme anhand dieser Daten individuelle Stimulationsmuster vorschlagen und damit die neurologische Betreuung auf ein neues Niveau heben. Gleichzeitig wachsen damit aber auch Anforderungen an Datenschutz, ethische Begleitung und technische Resilienz. Die Technik kann nur so gut sein wie das Versorgungssystem, das sie trägt.

Damit diese Systeme ihren vollen Nutzen entfalten, braucht es gezielte Schulung von Fachpersonal, klare Qualitätsstandards und eine bessere regionale Vernetzung von Versorgungszentren. Hier sind Politik, Krankenkassen und Berufsverbände gefordert, gemeinsam tragfähige Konzepte zu entwickeln – damit Hirnschrittmacher nicht nur technologisch, sondern auch strukturell ein Fortschritt für die Patientenversorgung bleiben.

 

Zulassung verändert Versorgung, Langzeitdaten sichern Vertrauen, neue Dosierung entlastet Patienten

Eylea erhält EU-Zulassung für 6-Monats-Intervall und erweitert den Behandlungsstandard bei nAMD und DMÖ, Langzeitstudien belegen Stabilität der Wirkung, Patienten und Augenärzte profitieren von reduzierter Krankheitslast

Mit der Entscheidung der Europäischen Kommission, Eylea 8 mg (Aflibercept, Bayer) für die Behandlung der neovaskulären altersbedingten Makuladegeneration (nAMD) und des diabetischen Makulaödems (DMÖ) in verlängerten Intervallen bis zu sechs Monaten zuzulassen, wird ein Meilenstein in der Versorgung chronisch erkrankter Patienten gesetzt. Die Zulassung erlaubt es, dass Patientinnen und Patienten künftig nur noch zweimal jährlich zur intravitrealen Injektion erscheinen müssen – ein Fortschritt, der nicht nur die Therapietreue verbessert, sondern auch das Versorgungssystem strukturell entlastet.

Vorausgegangen war der Zulassungserweiterung eine positive Bewertung durch den Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), die sich auf Langzeitergebnisse der klinischen Studien Pulsar (für nAMD) und Photon (für DMÖ) stützt. In beiden Studien zeigte sich, dass Patienten mit der 8-Milligramm-Dosierung über drei Jahre hinweg stabile visuelle und anatomische Ergebnisse aufrechterhalten konnten. Rund 25 Prozent der Studienteilnehmer erreichten dabei das maximale Intervall von sechs Monaten. Für Bayer bedeutet diese Entscheidung nicht nur eine Bestätigung der Produktstrategie, sondern auch einen wichtigen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Wirkstoffen wie Vabysmo (Roche).

Das Sicherheitsprofil von Eylea 8 mg überzeugte ebenfalls: Es zeigte über die Studiendauer hinweg keine signifikanten Abweichungen vom bisherigen 2-Milligramm-Standard. Auch ein Wechsel von der niedrigeren zur höheren Dosierung verlief ohne zusätzliche unerwünschte Ereignisse. Damit kann die neue Dosierung nicht nur als effektiver, sondern auch als sicher gelten – ein entscheidender Faktor bei der langfristigen Behandlung chronischer Augenerkrankungen.

Mit dem anti-VEGF-Wirkstoff Aflibercept, der das Wachstum krankhafter Blutgefäße in der Netzhaut unterbindet, zielt Eylea auf zentrale Pathomechanismen der nAMD und des DMÖ. Die Vision einer halbjährlichen Therapiepause gewinnt angesichts der oft lebenslangen Therapien an Gewicht. Für viele ältere oder multimorbide Patienten bedeutet dies eine spürbare Entlastung – organisatorisch, emotional und finanziell.

Bayer unterstreicht die Relevanz dieser Erweiterung durch klare Positionierung: „Verlängerte Behandlungsintervalle mit Eylea 8 mg können die Häufigkeit von Injektionen und Arztbesuchen für die Patienten deutlich reduzieren, ohne die Wirksamkeit zu beeinträchtigen“, erklärte Christine Roth, Executive Vice President bei Bayer. Für Augenärzte bedeutet dies zugleich eine Chance zur Kapazitätssteuerung: Weniger Wiederholungsbesuche, mehr Zeit für neu diagnostizierte Patienten – ein signifikanter Vorteil in einem überlasteten Fachbereich mit wachsender Patientenzahl.

Eylea wird von Bayer außerhalb der USA vermarktet und weltweit in über 60 Ländern eingesetzt. Die Konkurrenz mit Vabysmo wird dabei zunehmend über Dosierungskomfort und Langzeitverträglichkeit ausgetragen. Der globale Bedarf ist unbestritten: Bei der nAMD handelt es sich um eine der häufigsten Ursachen für Erblindung bei älteren Menschen – betroffen sind weltweit bereits 170 Millionen, bis 2040 könnten es 288 Millionen sein. Zehn Prozent davon entwickeln die aggressive neovaskuläre Form, die unbehandelt schnell zur Erblindung führt.

Auch das DMÖ ist weit mehr als eine diabetische Begleiterscheinung. Rund 27 Millionen Menschen leiden daran – verursacht durch die krankhafte Durchlässigkeit der Gefäße in der Makula, ausgelöst durch diabetische Retinopathie. Die Folge: verzerrtes Sehen, Erblindung im Spätstadium. Für diese Patientengruppe bedeutet jede Reduktion der Therapielast eine neue Chance auf Lebensqualität und berufliche Teilhabe.

Für Apotheken ist Eylea 8 mg ein klar positioniertes Hochpreispräparat mit spezifischer Indikation und nachvollziehbarer Nutzenkommunikation. Das Produkt ist eingebettet in eine langfristig orientierte Therapiestrategie, die auf planbare Intervalle, dokumentierte Wirksamkeit und bewährte Vertriebsstrukturen setzt. Entscheidend wird nun sein, ob sich die Vorteile der halbjährlichen Dosierung auch in der Versorgungspraxis durchsetzen – bei Ärzten, Krankenkassen und Patienten gleichermaßen.

 

Kaffee schützt vor früher Sterblichkeit, fördert gesundes Altern, verliert Wirkung bei Zuckerzusatz

Regelmäßiger Kaffeekonsum reduziert das Sterberisiko signifikant, verbessert körperliche und geistige Fitness im Alter, entfaltet Wirkung nur ohne Zucker und Fett

Kaffee gehört zu den weltweit beliebtesten Getränken – und steht nun auch wissenschaftlich im Zentrum der Frage, wie sich Lebensdauer und Lebensqualität beeinflussen lassen. Zwei neue großangelegte Studien aus den USA liefern bemerkenswerte Hinweise darauf, dass der regelmäßige Konsum von Kaffee nicht nur mit einem niedrigeren Sterberisiko einhergeht, sondern auch das gesunde Altern begünstigt. Der gesundheitliche Vorteil zeigt sich allerdings nur, wenn auf Zucker und Sahne verzichtet wird – andernfalls kehrt sich der Effekt sogar um.

Die erste Analyse stammt von der Tufts University in Boston. Forschende um Bingjie Zhou werteten Daten aus neun NHANES-Zyklen (National Health and Nutrition Examination Survey) aus, die zwischen 1999 und 2018 erhoben wurden. Insgesamt flossen die Angaben von 46.000 Erwachsenen in die Untersuchung ein. In einem mittleren Nachbeobachtungszeitraum von rund zehn Jahren verstarben 7074 Personen – ihre Angaben zum Kaffeekonsum wurden mit den Mortalitätsdaten korreliert. Die Ergebnisse: Schon eine Tasse koffeinhaltiger Kaffee täglich reduzierte die Gesamtsterblichkeit um elf Prozent. Wer zwei bis drei Tassen konsumierte, konnte den Effekt auf bis zu 17 Prozent steigern. Ab drei Tassen täglich blieb der Effekt stabil, bei vier Tassen war er rückläufig, jedoch immer noch positiv gegenüber Nicht-Kaffeetrinker:innen.

Entscheidend war jedoch die Zusammensetzung des Getränks: Nur schwarzer Kaffee ohne Zusätze zeigte einen positiven Effekt. Bereits 2,5 Gramm Zucker oder 1 Gramm gesättigtes Fett pro Tasse reichten laut Definition der Forschenden aus, um die gesundheitlichen Vorteile zu neutralisieren. Diese Mengen entsprechen etwa einem Esslöffel Kaffeesahne oder fünf Esslöffeln fettreduzierter Milch. Wer seinen Kaffee süßt oder mit Sahne versetzt, verliert also nicht nur Aroma, sondern auch potenzielle Lebensjahre.

Die vermuteten Wirkmechanismen liegen in der hohen Konzentration bioaktiver Inhaltsstoffe wie Polyphenolen, Kaffeesäuren und Chlorogensäure, die entzündungshemmend, antimikrobiell und antioxidativ wirken. Diese Substanzen könnten zentrale Stoffwechselwege beeinflussen, die mit Alterung, Zellreparatur und Immunantwort in Verbindung stehen. Professorin Fang Fang Zhang, Koautorin der Studie, betont jedoch, dass es sich um eine Beobachtungsstudie handelt: Kausale Zusammenhänge lassen sich nicht ableiten, und Gedächtnisverzerrungen bei der Ernährungserhebung sind nicht ausgeschlossen. Trotzdem sei die Korrelation robust, so Zhang – und sollte in künftigen Interventionsstudien weiterverfolgt werden.

Noch deutlichere Hinweise auf gesundes Altern durch Kaffee liefert eine zweite aktuelle Untersuchung, publiziert im Fachjournal Current Developments in Nutrition durch ein Team um Dr. Sara Mahdavi von der Harvard University. Die Wissenschaftler:innen analysierten Daten aus der Nurses’ Health Study, einer Langzeitstudie mit über 47.000 Krankenschwestern, die seit den 1980er-Jahren regelmäßig zu ihrem Lebensstil befragt werden. Ziel war es, den Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und der Wahrscheinlichkeit für »gesundes Altern« zu untersuchen.

Als gesund gealtert galten Teilnehmerinnen, die das 70. Lebensjahr erreicht hatten, ohne an schweren chronischen Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Leiden oder Diabetes zu erkranken und die zudem körperlich, kognitiv und psychisch uneingeschränkt blieben. Bis zum Jahr 2016 erfüllten 3700 Frauen diese anspruchsvollen Kriterien. Die durchschnittliche Koffeinaufnahme betrug etwa 315 Milligramm pro Tag, was zwei bis drei Tassen Kaffee entspricht.

Die Analyse zeigte einen linearen Zusammenhang: Mit jeder zusätzlichen Tasse Kaffee pro Tag stieg die Wahrscheinlichkeit für gesundes Altern um fünf Prozent. Körperliche Leistungsfähigkeit, mentale Gesundheit und das Fehlen chronischer Erkrankungen profitierten mit jeweils zwei bis fünf Prozent höheren Chancen. Der Effekt war unabhängig von sozioökonomischen Faktoren, BMI oder Rauchstatus – er blieb auch nach Adjustierung erhalten.

Interessant ist, was nicht wirkte: Tee, entkoffeinierter Kaffee oder koffeinhaltige Limonaden zeigten keine oder sogar gegenteilige Effekte. Insbesondere Cola-Getränke schnitten negativ ab: Frauen, die regelmäßig Cola konsumierten, hatten ein um 20 bis 26 Prozent geringeres Risiko, gesund alt zu werden. Diese Daten legen nahe, dass die Kombination aus Koffein und Zucker nicht nur ineffektiv, sondern potenziell schädlich sein kann – möglicherweise über metabolische Entzündungsprozesse.

Für Apotheken eröffnen die Studienergebnisse neue Perspektiven: Die Beratung zur Ernährung im Alter könnte gezielt auf koffeinhaltige, zuckerfreie Getränke fokussieren, der Stellenwert von Kaffee in der Präventionsstrategie sollte neu bewertet werden. Zwar ersetzt Kaffee keine Bewegung oder ausgewogene Ernährung, aber als integraler Bestandteil eines gesunden Lebensstils kann er einen messbaren Beitrag leisten – sofern er in seiner ursprünglichen, bitteren Reinheit genossen wird.

Die aktuelle Studienlage erlaubt keine Kausalität, aber sie stärkt ein Bild, das sich aus der Summe vieler Daten ergibt: Kaffee kann das Leben verlängern und die Lebensqualität im Alter steigern – nicht als Wundermittel, sondern als schützende Komponente innerhalb eines gesundheitsfördernden Gesamtverhaltens.

 

Dämpfe, Defizite und Didgeridoos

Was Apotheken im Hanfnebel erfinden, Pflegekassen verschweigen und ein Probenpäckchen unfreiwillig politisiert

Als das Bundesgesundheitsministerium neue Vorgaben für Medizinalcannabis ankündigte, entschied sich Henrik Falkenberg-Zumsand nicht für Protest, sondern für Umbau. Seine „Zumsand-Apotheke“ wurde zur Wohlfühlstation mit Duftwolke und Vinyl-Charme, zum botanisch beratenden Rückzugsort zwischen Lavendel, Reggae und Ritual. In der Warteschlange – genannt „Philosophenschlange“ – meditieren Menschen mit Fruchtgummis, Podcasts und Didgeridoo. Drinnen herrscht entspannte Atmosphäre mit Tee, sanfter Stimme und ausgedehnten Gesprächen über Dosierungen und Dasein.

Doch diese neue Nähe hat einen ernsten Auslöser: Der Missbrauch digitaler Cannabisrezepte, per Klick ohne jede Beratung. Die Bundesapothekerkammer schlug Alarm, die Politik reagierte – aus Wildwest wurde Gesprächspflicht. Selbst der Digitalpionier Dr. Cannova kämpft inzwischen juristisch gegen Plattformkonkurrenz. Apotheke vor Ort ist zurück im Spiel – als Prüfstein, Projektionsfläche, Ort der Umkehr.

Gleichzeitig reißt eine andere Nachricht alte Wunden auf: Die DAK fordert 5,2 Milliarden Euro an Corona-Hilfen zurück. Zu Unrecht aus der Pflegekasse genommen, nun rückabzuwickeln. Die Alternative? Beitragserhöhung. Während also Teekannen in Beratungsräumen dampfen, steigen am Haushaltsrand die Sorgenblasen. Achtsamkeit auf Rezept, aber für die Finanzlage keiner zuständig.

Auch anderswo wird systemisch kreativ: Ein MS-Patient aus München erschleicht mit gefälschten Quittungen 150.000 Euro – 25 Mal. Ein Fehler mit Folgen, aber ohne Freiheitsentzug. Und in Landshut erlebt eine Pflasterprobe ihre unfreiwillige Werbekarriere: „Jetzt bei Dropla“, steht es diskret im Päckchen. Die Sonnenwinkel-Apotheke lacht, Medisano Labs rudert zurück. Peinlich? Politisch? Nur ein Etikettenschwindel mit Nebenwirkung?

Währenddessen sendet Nordhafen andere Signale. Die Prisma-Apotheke zeigt queerfreundliche Haltung, doch nicht alle applaudieren. Online-Häme trifft Regenbogenständer – die Debatte über Sichtbarkeit läuft mit, zwischen Kompressionsstrümpfen und Cannabiskeksen. Apotheke ist nicht mehr neutraler Ort, sondern Aushandlungsraum.

In Bad Bergfeld verflechten sich Blüten und Brauchtum. Die Cannabis-Lounge dort serviert Schwarzwälder Kirsch mit Aussicht und empfiehlt Sitzkissen zur Erstberatung. „Grüne Theken“ haben Wartelisten. Fortbildungen heißen inzwischen „Terpene & Temperamente“, „Aroma-Flow“ statt Pharma-Quickie. Die Berufsverbände nicken vorsichtig. Wandel ja, aber bitte mit Struktur.

Was daraus entsteht? Ein neuer Apothekentyp: gastfreundlich, zugewandt, nicht autoritär, sondern aufmerksam. Wer hier Hanf berät, hört nicht auf Symptome, sondern auf Lebenslagen. Und plötzlich ist die Apotheke wieder das, was sie fast verloren hatte: ein Ort der Langsamkeit, der Haltung, der kulturellen Anschlussfähigkeit. Vielleicht ist das mehr als ein Trend. Vielleicht ist es eine Verwandlung. Mit Lavendel. Mit Verantwortung. Und manchmal: mit Didgeridoo.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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