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  • 22.06.2025 – Versicherungsrecht am Kipppunkt, Sprachlogik im Zentrum, Präventionskosten im Abseits
    22.06.2025 – Versicherungsrecht am Kipppunkt, Sprachlogik im Zentrum, Präventionskosten im Abseits
    SICHERHEIT | Medienspiegel & Presse | Ein Sturm beschädigt einen Baum schwer, doch das Landgericht Oldenburg lehnt Versicherungsschutz ab – weil der Baum nicht vollständi...

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ApoRisk® Nachrichten - SICHERHEIT:


SICHERHEIT | Medienspiegel & Presse |

Versicherungsrecht am Kipppunkt, Sprachlogik im Zentrum, Präventionskosten im Abseits

 

Wie das Landgericht Oldenburg den Begriff „umgestürzt“ präzisiert, der BGH-Vergleichsmaßstab zum Maß aller Dinge wird und die Grenzen zwischen Schadensverhütung und Versicherungsfall neu gezogen werden

Apotheken-News von heute

Ein Sturm beschädigt eine Rosskastanie schwer, doch der Versicherer zahlt nicht – weil der Baum nicht vollständig umgestürzt war: Was wie eine bürokratische Spitzfindigkeit klingt, ist in Wahrheit ein präziser Grenzfall zwischen Vertrag, Sprachgebrauch und juristischer Kausalität, den das Landgericht Oldenburg zum Maßstab für den Umgang mit Aufräumkosten gemacht hat. Dabei steht nicht nur die konkrete Erstattungssumme von über 8.000 Euro im Raum, sondern die viel grundsätzlichere Frage, wie eng Versicherungsbedingungen auszulegen sind, wann ein Schaden im Rechtssinn überhaupt vorliegt und inwiefern präventive Maßnahmen auf eigene Rechnung gehen. In einem Urteil, das sich auf die BGH-Leitlinie zum Verbraucherverständnis von Versicherungsverträgen stützt, wird das Verständnis des Begriffs „Umsturz“ auf seine wörtliche Bedeutung reduziert: Nur ein Baum, der komplett kippt oder entwurzelt wird, löst den vereinbarten Versicherungsschutz aus – alles andere bleibt privates Risiko. Auch eine empfohlene, aber nicht sofort gebotene Fällung zählt nicht als Rettung im Sinne des § 90 VVG, und selbst ein sachverständig begründetes Vorgehen führt nicht zur Erstattungsfähigkeit, wenn kein unmittelbarer Versicherungsfall droht. Damit entsteht eine juristische Schnittlinie zwischen sichtbarem Schaden und rechtlich relevantem Ereignis, die viele Versicherte überraschend treffen könnte. Das Urteil verdeutlicht, wie sehr sich die Realität im Schadensfall von der gefühlten Sicherheit durch eine Police unterscheiden kann, wenn semantische Nuancen über Schutz oder Ablehnung entscheiden – und warum klare Vertragsformulierung, transparente Risikobewertung und rechtzeitige Erweiterung des Versicherungsschutzes in Zeiten zunehmender Wetterextreme wichtiger denn je sind.


Wenn der Wind weht, fallen nicht nur Äste – sondern auch Illusionen über den Umfang von Versicherungsschutz. Die Entscheidung des Landgerichts Oldenburg vom 30. September 2024 (13 O 671/24) schafft Klarheit in einem Terrain, das im Alltag kaum je beachtet wird, aber im Schadenfall über mehrere Tausend Euro entscheidet: Was ist ein umgestürzter Baum im Sinne einer Wohngebäudeversicherung? Die sprachliche Feinheit, mit der das Gericht zwischen „abgebrochen“ und „umgestürzt“ unterscheidet, ist mehr als semantische Akrobatik – sie bildet die rechtliche Trennlinie zwischen Erstattung und Ablehnung, zwischen Versicherungsschutz und Eigenlast. Ausgangspunkt war ein schwerer Sturm, bei dem eine hohe Rosskastanie auf einem versicherten Grundstück massive Schäden erlitt: Die Baumkrone, mehrere große Stammteile, brachen weg – doch der Stamm als solcher blieb stehen. Was aus Sicht der Eigentümer nach einem klaren Fall für die Wohngebäudeversicherung aussah, entpuppte sich rechtlich als unversicherter Grenzfall, denn im Vertrag waren ausdrücklich nur Kosten für das Entfernen „umgestürzter Bäume“ versichert – und nicht für solche, die nur teilweise beschädigt sind. Dieses scheinbare Detail entwickelte sich vor Gericht zum Dreh- und Angelpunkt. In der Vertragsauslegung berief sich das LG Oldenburg ausdrücklich auf das BGH-Urteil IV ZR 159/18, das den Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zum Referenzrahmen erklärt. Nach dessen Maßgabe sei ein „umgestürzter“ Baum nur dann gegeben, wenn er vollständig oder weitgehend entwurzelt und infolgedessen zur Seite gefallen ist – das Stehenbleiben größerer Stammanteile widerspreche diesem Verständnis und schließe die Anwendung des Versicherungsschutzes aus.

Diese Auslegung führte zur vollständigen Klageabweisung. Die Hausbesitzer, die über 8.000 Euro für Fällung, Abtransport und ein Baumgutachten aufgewendet hatten, gingen leer aus. Besonders bemerkenswert ist die Argumentation des Gerichts zu den sogenannten Rettungskosten nach § 90 VVG. Obwohl der hinzugezogene Sachverständige zur raschen Entfernung des Baumes riet, weil ein weiterer Abbruch durch Fäulnis drohen könnte, genügte dies dem Gericht nicht als Nachweis für einen „unmittelbar bevorstehenden“ Versicherungsfall. Es fehle an der konkreten Dringlichkeit, die § 90 VVG voraussetzt – ein bloß theoretisches Risiko oder eine mittelbare Gefährdung reiche nicht. Auch die Gutachterkosten in Höhe von 300 Euro wurden nicht erstattet, da weder ein Versicherungsfall vorlag noch der Versicherer eine Beauftragung verlangt hatte. Damit zog das Gericht eine klare Grenze zwischen privaten Vorsorgemaßnahmen – die der Versicherungsnehmer selbst zu tragen hat – und versicherten Ereignissen, bei denen Kosten übernommen werden müssen. Der Fall zeigt exemplarisch, wie sich vermeintlich banale Formulierungen in den Versicherungsbedingungen im Ernstfall als entscheidend für die Erstattungsfähigkeit von Leistungen erweisen.

Für die Versicherungswirtschaft liefert das Urteil ein klares Signal: Die Vertragsklauseln zur Mitversicherung von Baum-Aufräumkosten werden exakt am Wortsinn gemessen – wer hier Schutz jenseits des „Umsturzes“ bieten will, muss dies explizit vertraglich regeln. Einige Versicherer haben das bereits erkannt und neue Tarifgenerationen aufgelegt, in denen auch durch Sturm beschädigte oder irreparabel geknickte Bäume mitversichert sind, sofern eine Wiederherstellung des Naturwuchses nicht möglich ist. Für Verbraucher wiederum heißt das: Wer sich auf eine Wohngebäudeversicherung verlässt, ohne die Details zu prüfen, riskiert im Fall der Fälle ein böses Erwachen – besonders bei naturnahen Risiken wie Sturmschäden. Der Fall der Rosskastanie zeigt, wie schwer es sein kann, zwischen Naturereignis und juristischer Relevanz zu unterscheiden. Der Baum war im Alltag beschädigt genug, um entfernt zu werden – aber im Sinne des Vertrags nicht beschädigt genug, um bezahlt zu werden. Hier liegt der eigentliche Kern des Problems: Die Diskrepanz zwischen Sichtbarkeit eines Schadens und rechtlicher Anerkennung als Versicherungsfall.

Diese Lücke betrifft auch die kommunale Praxis. Viele Städte verlangen von Grundstückseigentümern nach Sturmereignissen eine Sicherung oder Entfernung von potenziell instabilen Bäumen – ein Verwaltungsakt, der Kosten auslöst, die in alten Versicherungsbedingungen aber nicht abgedeckt sind. Die rechtliche Klarheit, die das LG Oldenburg nun geschaffen hat, könnte sich als Stein des Anstoßes für Tarifreformen erweisen. Denn in Zeiten zunehmender Extremwetterlagen ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch andere Versicherungsnehmer mit ähnlich gelagerten Schäden konfrontiert werden – und nach Präzedenzfällen suchen. Was bleibt, ist eine ernüchternde Lehre: Die Grenze zwischen umstürzen und zerbrechen kann im juristischen Kontext teurer sein als der Sturm selbst. Der Versicherungsvertrag wird damit zum Instrument sprachlicher Genauigkeit – und zur Falle für alle, die semantische Feinheiten im Alltag übersehen. Wer das Urteil des LG Oldenburg liest, begreift, dass Versicherungsrecht keine Poesie, aber eben auch keine Umgangssprache duldet. Es ist ein präzises Regelsystem – und wer Prävention will, muss sich vorher für sie entscheiden, nicht im Nachhinein auf sie hoffen.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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