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  • 20.06.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Wenn Botendienste riskant werden, Stundenkosten durchschlagen, Versicherungen entscheidend sind
    20.06.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Wenn Botendienste riskant werden, Stundenkosten durchschlagen, Versicherungen entscheidend sind
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | Botendienst als Risiko, Öffnungszeiten als Kostenfalle, Personalbindung als Herausforderung: Warum Apotheken heute mehr denn je prozesssi...

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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-Nachrichten von heute: Wenn Botendienste riskant werden, Stundenkosten durchschlagen, Versicherungen entscheidend sind

 

Warum Retaxationen Apotheken gefährden, Öffnungszeiten neu gedacht werden müssen und Policen zur betriebswirtschaftlichen Überlebensfrage werden

Der Botendienst wirkt auf den ersten Blick wie ein selbstverständliches Serviceelement moderner Apotheken, doch die Abrechnungsrealität offenbart ein Haftungsrisiko mit wachsender Tragweite: Immer häufiger führen Formalfehler, fehlende Begründungen oder nicht belegbare Zustellungen zur vollständigen Retaxation – mit massiven Folgen für den Ertrag und die Liquidität. Gleichzeitig steigen die Betriebskosten je Stunde, während die tatsächliche Wirtschaftlichkeit einzelner Öffnungszeiten kaum analysiert wird. Wer Notdienste und Randstunden betriebswirtschaftlich unterschätzt, verschenkt Potenzial oder produziert Verluste. Die angekündigte Fixumserhöhung auf 9,50 Euro bringt theoretisch Entlastung, ebenso wie mögliche Skontovorteile – doch die Wirksamkeit dieser Maßnahmen hängt von der Qualität der internen Prozesse ab, von Dokumentation, Personalbindung, Digitalisierung. Parallel geraten Apotheken durch ausbleibende Skonti, Fachkräftemangel, sinkende Betriebswerte und zunehmende Regulierungsverdichtung unter strukturellen Druck. Variable Vergütung kann dabei helfen, Personal zu halten – aber nur, wenn sie rechtssicher, fair und zielgerichtet eingebunden wird. Politisch gefährlich bleibt die Debatte um Apotheken-GmbHs: Sie greift das Fremdbesitzverbot an und öffnet Investorenstrukturen das Feld. Auch finanzstrategisch fordern Forward-Darlehen die Risikokompetenz von Apothekeninhabern, während zugleich kulturelle und therapeutische Versorgungslücken – etwa in internationalen Apotheken oder bei extrem seltenen Erkrankungen wie AHDS – beweisen, wie vielfältig, komplex und verantwortungsvoll der Apothekenalltag geworden ist.

 

Wenn der Dienst zur Falle wird, die Gebühr verpufft, die Kasse streicht

Warum Apotheken beim Botendienst ständig Retaxrisiken ausgesetzt sind, was juristisch zählt und wie eine gute Versicherung zur Überlebensfrage wird

Der Botendienst zählt längst zum Selbstverständnis vieler Apotheken – beinahe 98 Prozent bieten ihn mittlerweile regelmäßig an. Doch der scheinbar einfache Service birgt juristische Fallstricke, wirtschaftliche Risiken und abrechnungstechnische Tücken. Allein im Jahr 2024 wurden 25,47 Millionen Botendienste zulasten der gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet – ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr, in dem noch über 29 Millionen solcher Lieferungen vergütet wurden. Die Ursachen reichen von regulatorischen Einschränkungen bis hin zu strenger geprüften Einzelfällen durch die Kassen. Im Zentrum steht die Frage: Wann darf die Botendienstgebühr tatsächlich abgerechnet werden – und wann droht eine Retaxation?

Die rechtliche Grundlage liefert § 129 SGB V. Danach sind Botendienste bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel zulasten der GKV mit 2,50 Euro zzgl. Mehrwertsteuer abrechenbar, sofern bestimmte Kriterien erfüllt sind. Dazu zählt die Lieferung an einen einzelnen Lieferort pro Tag – mehrfach beliefertes Personal oder Heimbewohner:innen fallen somit heraus. Auch nicht verschreibungspflichtige Medikamente, Hilfsmittel, Medizinprodukte oder Privatrezepte sind explizit ausgeschlossen. Der Anwendungsbereich ist also begrenzt – und wird von einzelnen Kassen regelmäßig eng ausgelegt. Retaxationen sind die Folge, nicht selten im dreistelligen Bereich pro Fall, wenn etwa Kinderarzneimittel (OTC) oder mehrfach täglich ausgelieferte Medikamente abgerechnet werden.

Die operative Grundlage für den Botendienst definiert § 17 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO). Dort ist festgelegt, dass die Zustellung durch Apothekenboten keine Versandhandelserlaubnis voraussetzt – solange die Bot:innen zum Apothekenpersonal gehören und der Apothekenleitung unterstellt sind. Wird dagegen ein externer Lieferdienst regelmäßig beauftragt, wird die Lieferung zum Versand im Sinne des § 11a ApoG und verliert damit ihren Abrechnungsanspruch im GKV-System. Dieser Unterschied ist nicht nur formell, sondern auch haftungsrelevant – insbesondere, wenn es um das Einhalten von Liefer- und Lagerbedingungen geht. Bei Wiederholungszustellungen – etwa bei Abwesenheit des Kunden – darf die Botendienstgebühr laut ApBetrO kein zweites Mal berechnet werden, wohl aber muss die Apotheke für eine kostenfreie Zweitzustellung sorgen.

In der Praxis bedeutet dies: Apotheken müssen jeden Boteneinsatz dokumentieren, plausibel belegen und auf Fallstricke hin prüfen. Vor allem in strukturschwachen Regionen, wo Botendienste oft ein zentrales Versorgungselement darstellen, ist das nicht nur eine logistische, sondern auch eine administrative Herausforderung. Fehlerquellen lauern nicht nur bei der Auswahl der Sonder-PZN oder der Rezeptzuordnung, sondern auch in der internen Abstimmung – etwa wenn morgens eine Botin ein Rezept liefert und abends ein Kollege ein weiteres Medikament an dieselbe Adresse bringt.

Die wirtschaftlichen Folgen einer Retaxation reichen von kleineren Einzelverlusten bis hin zu systematischen Belastungen. Angesichts der angespannten Finanzlage vieler Apotheken kann sich eine Vielzahl an Retaxfällen rasch zu einem Liquiditätsproblem auswachsen – insbesondere, wenn Widersprüche abgelehnt werden und Fristen versäumt werden. Auch Regressforderungen im Nachgang fehlerhafter Abrechnungen stellen ein zunehmendes Risiko dar.

Hier setzt die Notwendigkeit einer spezialisierten Retax-Versicherung an. Solche Policen bieten nicht nur finanziellen Rückhalt im Fall einer berechtigten oder unberechtigten Retaxation, sondern sichern auch juristische Unterstützung bei Widerspruchsverfahren, Aufklärung und Prävention. Gute Retax-Versicherungen arbeiten zudem eng mit spezialisierten Abrechnungsdienstleistern zusammen, um Fehlerquellen im Vorfeld zu erkennen. Inzwischen bieten mehrere Versicherer branchenspezifische Modelle an – allerdings unterscheiden sich Umfang, Selbstbehalt und Reaktionszeit zum Teil erheblich.

Fazit: Der Botendienst ist kein optionales Extra mehr, sondern vielfach ein integraler Bestandteil der wohnortnahen Versorgung – doch der Grat zwischen Service und Regress ist schmal. Wer hier ohne fundierte Kenntnisse der rechtlichen und wirtschaftlichen Spielräume agiert, riskiert nicht nur finanzielle Verluste, sondern auch Imageschäden und Arbeitsbelastung. Klare Dokumentation, regelmäßige Schulungen und eine gut gewählte Retax-Police sind keine Kür, sondern längst betriebswirtschaftliche Pflicht.

 

Druckpunkt Stunde, Risikozone Bereitschaft, Optimierungshebel Rendite

Warum die Öffnungszeit ein unterbewerteter Kostenfaktor ist, wie Notdienste wirtschaftlich kalkuliert werden können und was das für Ihre Betriebsstrategie bedeutet

Die Diskussion um Apothekenkennzahlen wird oft über Kundenzahl, Umsatz oder Rohertrag geführt. Doch eine Größe bleibt auffällig unterbewertet, obwohl sie jeden Betriebsablauf strukturell prägt: die Zeit. Nicht im Sinne abstrakter Dauer, sondern als konkret bezahlter Betriebsaufwand pro Stunde. Wer seine Apotheke präzise steuern will, muss wissen, was eine Stunde Öffnungszeit tatsächlich kostet, wie sich Bereitschaftsdienste auf die betriebliche Gesamtlast auswirken – und welche Hebel zur Ergebnisverbesserung überhaupt offenstehen. Denn nicht jede Stunde bringt Ertrag, aber jede Stunde kostet Geld. Dieser Zusammenhang führt zur zentralen Frage: Wie wirtschaftlich arbeiten Apotheken eigentlich wirklich pro Stunde?

Die Spannbreite regulärer Öffnungszeiten ist je nach Standort enorm. Ländliche Apotheken kommen oft mit 1.800 bis 2.500 Jahresstunden aus, da Samstagsöffnungen eingeschränkt sind und Mittagspausen üblich. Stadt-Apotheken, insbesondere in Ärztehauslagen, erreichen durchgängige Öffnungen an sechs Tagen mit bis zu 3.000 Stunden. Centerlagen – klassisch 8 bis 20 Uhr an sechs Tagen – knacken mit 3.672 Stunden regelmäßig die Schwelle zur Dauerpräsenz. Selbst bei einer einheitlich unterstellten 51-Wochen-Basis ergibt sich damit eine dramatisch unterschiedliche Ausgangslage für Kosten- und Erlösstruktur.

Die zweite Zeitebene ist jene der Notdienste – ökonomisch riskant, organisatorisch herausfordernd. Eine Landapotheke, die werktags um 18.00 Uhr schließt und am Folgetag um 8.30 Uhr öffnet, hat im Dienstfall rund 14,5 Stunden Bereitschaft zu leisten – nicht selten sogar 19 Stunden von Samstag auf Sonntag. In Stadt- oder Centerlagen reduziert sich dieser Wert teils deutlich, da Öffnungszeiten überlappen. Im Jahresschnitt fallen bei Landapotheken bis zu 500 Stunden an, bei typischen Apotheken etwa 300–350. Die Belastung ist damit weder gleich verteilt noch vernachlässigbar – vor allem nicht wirtschaftlich.

Denn jede Stunde kostet. Und zwar unabhängig davon, ob Umsatz erwirtschaftet wird. Ein Großteil der Apotheken bewegt sich bei den Grundkosten pro Betriebsstunde zwischen 70 und 80 Euro. Kommen Personalkosten hinzu – im Tagesbetrieb meist mit Assistenzkraft, im Notdienst in der Regel nur mit approbierter Leitung –, liegt der Stundenaufwand zwischen 120 und 150 Euro. Notdienststunden, die nach außen hin als „kostengünstiger“ erscheinen mögen, sind in Wahrheit nur im Personalanteil leicht reduziert. Kalkuliert man ehrlich – inklusive Aufwand für Warenbewirtschaftung, technische Betriebsbereitschaft und Sicherheitszuschläge – sind auch diese Stunden betriebswirtschaftlich hoch relevant.

Daher überrascht die Diskussion um angeblich überhöhte Notdienstkosten nicht. Die Apothekerkammer Baden-Württemberg etwa bezifferte jüngst den volkswirtschaftlichen Wert eines durchschnittlichen Nachtdienstes mit rund 2.000 Euro. Rechnet man 13,5 Stunden zu 120 bis 130 Euro pro Stunde, ergibt sich ein Wert zwischen 1.700 und 1.800 Euro – ohne Sonderposten. Bei Feiertagsdiensten mit 24 Stunden wären es sogar bis zu 3.000 Euro. Angesichts der tatsächlichen Notdienstvergütung und Einnahmen liegt der Deckungsgrad damit regelmäßig unterhalb der Selbstkosten – eine strukturelle Defizitlogik, die vor allem außerhalb von Ballungszentren zur Ertragsfalle wird.

Allerdings lohnt sich der Blick auf die regulären Zeiten ebenso kritisch. Wenn in bestimmten Randstunden – etwa früh morgens oder spät abends – regelmäßig kein Rohertrag in Höhe der Kosten erzielt wird, sollten Öffnungszeiten infrage gestellt werden. Gerade in hochfrequentierten Lagen, in denen Personal permanent in Bereitschaft ist, stellt jede ineffiziente Stunde ein Renditerisiko dar. Auch im Hinblick auf die Mitarbeiterbelastung und potenzielle Personalfluktuation ist eine Neujustierung angezeigt. Denn Kunden zeigen zunehmend Verständnis für schlankere Zeiten – sofern sie planbar, konsistent und kommuniziert sind.

Der Hebel liegt also nicht allein im Dienstplan, sondern in der Analyse. Moderne Kassensysteme erlauben heute sekundengenaue Auswertungen von Umsatz, Frequenz und sogar Rohertrag nach Zeitfenstern. Wer diese Daten strukturiert nutzt, erkennt schnell, wann gearbeitet wird – und wann gezahlt wird, ohne zu verdienen. Eine betriebswirtschaftlich fundierte Öffnungsstrategie kann daher ebenso ergebniswirksam sein wie eine Sortimentsexpansion oder Kostenreduktion. Im Gegenteil: Sie ist oft die schnellere, risikoärmere Stellschraube.

Hinzu kommt: Die Kalkulationen zeigen auch, dass extreme Betriebskostenabweichungen eher bei sehr kleinen oder sehr großen Betrieben auftreten. Für die breite Mehrheit liegt die Belastung je Stunde erstaunlich nah beieinander. Auf dem Land steigen die Kosten durch mehr Notdienstzeiten, in der City verteilen sich die Grundkosten auf viele Stunden. Das ergibt insgesamt ein Bild, in dem weder Mythos noch Emotion hilfreich sind – sondern betriebliche Realität und exakte Kalkulation.

Wer also künftig über Rendite spricht, sollte zuerst über Stunden reden. Denn der Weg zur Optimierung beginnt dort, wo Ressourcen gebunden werden, ohne Ertrag zu generieren. Und dieser Weg führt – unausweichlich – über die Uhr.

 

Zukunftserträge, Tarifdruck, Standortdigitalisierung

Warum der Koalitionsvertrag neue Chancen eröffnet, Tariflasten kalkulierbar bleiben und Apotheken digital offensiv denken müssen

Nach dem bilanziellen Rückblick folgt der strategische Ausblick – und der fällt differenziert aus: Licht und Schatten liegen eng beieinander. Die politische Ausgangslage verheißt zunächst Rückenwind: Der neue Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD verspricht eine spürbare Stärkung der Apothekenstruktur. Die Anhebung des Fixums für Rx-Arzneimittel auf 9,50 € soll der Durchschnittsapotheke bei rund 47.000 GKV-Packungen jährlich ein Mehrertrag von rund 54.000 € bringen, in ländlichen Regionen sind bei erhöhtem Versorgungsgrad sogar 11,00 € möglich. Parallel könnte die angekündigte Rückkehr zu Skonti bei zeitnaher Zahlungsweise einen weiteren Gewinnschub von bis zu 15.000 € ermöglichen. In Summe ergibt sich für viele Betriebe ein theoretisches Plus von bis zu 70.000 € – allerdings nur unter der Prämisse, dass sämtliche Liquiditäts-, Abrechnungs- und Betriebsprozesse optimal ineinandergreifen.

Gleichzeitig sind die Aufwendungen auf der Kostenseite nicht zu unterschätzen. Der gesetzlich angehobene Kassenabschlag von 2,00 € pro verschreibungspflichtigem Arzneimittel läuft zum 31.01.2025 aus, was für jede Apotheke durchschnittlich rund 7.000 € an Entlastung bedeutet – eine willkommene Rückkehr zur ursprünglichen Regelung von 1,77 € pro Rx-Packung. Doch diese positive Entwicklung trifft direkt auf die nächste tarifliche Kostenwelle: Der neue Gehaltstarifvertrag zwischen ADA und ADEXA bringt in drei Stufen steigende Belastungen mit sich. Nach bereits erfolgter Einführung von Stufe 1 (Gehaltserhöhung) und Stufe 2 (Arbeitszeitverkürzung und zusätzlicher Urlaubstag) folgt zum 01.01.2026 Stufe 3 mit einer linearen Gehaltsanhebung um weitere 3 %. Die dadurch entstehenden Mehrkosten beziffern sich je nach Apothekengröße auf rund 30.000 bis 35.000 € jährlich – in personalintensiven Betrieben kann dieser Betrag bis auf 80.000 € ansteigen. Damit schwindet ein erheblicher Teil der politisch in Aussicht gestellten Ertragssteigerung wieder im Personalblock.

Die strukturellen Belastungen reichen dabei über die reine Tariflohnerhöhung hinaus. Die Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 39 Stunden erfordert entweder Personalaufstockungen oder innerbetriebliche Umverteilungen, sofern keine übertariflichen Mehrarbeitsvereinbarungen vorliegen. Zusätzlich entstehen Planungsaufwand, Koordinationskosten und potenziell auch Spannungen in Teams mit unterschiedlichen Arbeitszeitmodellen. Wer diese Prozesse nicht aktiv gestaltet, riskiert Ineffizienzen und innerbetriebliche Reibungsverluste.

Neben tariflichen und politischen Weichenstellungen geraten auch externe Marktimpulse stärker in den Fokus: dm positioniert sich mit einer tschechischen Präsenzapotheke gezielt im digitalen Versandgeschäft. Zwar sollen keine Rx-Arzneimittel angeboten werden, doch das Geschäftsmodell ist klar auf OTC-Produkte und schnelle Lieferlogistik zugeschnitten. Die Nähe zur deutschen Grenze erlaubt es, regulatorische Unterschiede gezielt zu nutzen und die eigene Markenreichweite in den Apothekenmarkt zu überführen. Was dm als Brücke zwischen Versand- und Vor-Ort-Modell beschreibt, ist in Wahrheit ein digitaler Angriff auf die OTC-Erträge stationärer Apotheken. Der Effekt wird regional unterschiedlich stark sein – flächendeckend aber ein deutliches Signal an die Wettbewerbsdynamik im Apothekenmarkt senden.

Wer dieser Entwicklung nur zuschaut, verpasst die Chance auf ein proaktives Kundenbindungs- und Digitalmanagement. Der zentrale Hebel liegt im Ausbau der pharmazeutischen Dienstleistungen: Beratung bei Bluthochdruck, Inhalationstechniken oder Polymedikation sind prädestiniert für die gezielte Nutzung der pDL-Förderstruktur. Bisher werden viele dieser Leistungen erbracht, aber nicht abgerechnet – ein ökonomischer Blindspot. Wer stattdessen feste Beratungszeiten einführt, strukturierte Checklisten nutzt und Homeoffice-Auswertungen einbindet, erzielt nicht nur eine bessere Organisation, sondern auch finanzielle Effekte bei gleichzeitig höherer Teamzufriedenheit.

Ein weiteres zentrales Element: das E-Rezept. Das Cardlink-Verfahren bietet Apotheken die Möglichkeit, digitale Rezeptzuweisungen aktiv zu gestalten – inklusive der Chance, Patientenbindung technisch zu verankern. Wer seine Kunden bei der App-Einrichtung unterstützt, QR-Codes für den Zugang bereithält und die App in den Alltag integriert, erhöht die Nutzungsintensität. Push-Nachrichten, Vorbestellfunktionen, Erinnerungen und Newsletter schaffen ein Kommunikationsökosystem, das klassische Sichtwahl und digitale Interaktion verbindet.

Ein solches System erfordert allerdings Klarheit in der Führung und ein Bewusstsein für den Transformationsdruck. Das bedeutet nicht, jeden Trend mitzumachen – aber sehr wohl, Kunden dort zu begegnen, wo sie ihre Entscheidungen treffen. Im Idealfall geschieht das hybrid: persönlich in der Apotheke, digital im Alltag.

Auch die Koalitionsvereinbarung zur Abschaffung formeller Nullretaxationen und zur Gleichstellung von Versand- und Vor-Ort-Apotheken bei Kühlkettenpflichten ist ein Signal für mehr Gerechtigkeit im Markt. Doch auch hier gilt: Die strukturellen Verbesserungen müssen in operative Prozesse übersetzt werden. Wer sich auf politische Zusagen verlässt, aber keine innerbetriebliche Konsequenz daraus ableitet, wird langfristig nicht profitieren.

Denn der wirtschaftliche Spielraum wird sich in den nächsten Jahren nicht sprunghaft erweitern – zu eng ist das Korsett aus Fixkosten, Ertragsdruck und Personalaufwand. Doch wer seine Stärken kennt, klare Prioritäten setzt und in Teamführung, Digitalisierungsprozesse sowie Dienstleistungsprofile investiert, kann nicht nur bestehen, sondern gezielt wachsen. Nicht jedes Potenzial lässt sich monetär quantifizieren – aber fast jede Fehlentscheidung lässt sich betriebswirtschaftlich exakt beziffern. Und dafür ist die Marge inzwischen zu knapp.

 

Wachstum mit Bremsspuren, Preise mit Richtung, Politik mit Prognoselücken

Was die Finanz- und Wirtschaftsdaten zum 06.06.2025 über Inflationsrisiken, Investitionsdynamik und strukturelle Unsicherheiten verraten

Die deutsche Wirtschaft steht Anfang Juni 2025 unter dem Eindruck gleich mehrerer gegenläufiger Entwicklungen. Während die Inflationsrate zuletzt auf 2,1 % gefallen ist und sich damit formal dem Zielkorridor der Europäischen Zentralbank annähert, mahnen Wirtschaftsinstitute zur Vorsicht: Die Preisdynamik flaut ab, aber sie tut es uneinheitlich. Energiepreise haben ihren temporären Rückzug an den internationalen Rohstoffmärkten fortgesetzt, doch Dienstleistungen und Teile der Nahrungsmittelgruppe legen wieder spürbar zu. Der harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) bleibt volatil, was die Erwartung stabiler monetärer Bedingungen zunehmend relativiert.

Gleichzeitig zeichnet sich beim Bruttoinlandsprodukt eine leichte Erholung ab. Das Statistische Bundesamt hat die Wachstumsrate für das erste Quartal 2025 auf +0,4 % zum Vorquartal korrigiert – ein marginales Plus, das ökonomisch eher ein Verharren als einen Trendwechsel signalisiert. Im Jahresvergleich bleibt das Wachstum mit –0,2 % leicht negativ. Der positive Impuls stammt überwiegend aus staatlichen Investitionsprogrammen, darunter klimabezogene Infrastrukturmaßnahmen sowie EU-kofinanzierte Forschungsprojekte im Bereich Gesundheit, KI und Energie. Dennoch bleibt der private Konsum fragil: Die Reallöhne steigen langsam, aber nicht flächendeckend, und die Konsumzurückhaltung in unteren Einkommensgruppen bremst das Wachstum.

Ein zentrales wirtschaftspolitisches Thema bleibt die Finanzierung öffentlicher Haushalte unter Schuldenbremse. Zwar konnte der Bund die Defizitquote durch eine Umschichtung bestehender Sondervermögen begrenzen, doch Länder und Kommunen berichten weiterhin über massiven Konsolidierungsdruck. Besonders deutlich zeigt sich das im Gesundheitswesen, in dem unter anderem die Krankenhausreform, die Digitalisierung und der Fachkräftemangel gleichzeitig finanziert werden sollen.

Auf EU-Ebene dominieren derzeit fiskalpolitische Auseinandersetzungen um den Mehrjährigen Finanzrahmen 2028–2034. Deutschland pocht auf eine strikte Haushaltsdisziplin, während südeuropäische Staaten auf höhere gemeinsame Investitionen in Verteidigung, Digitalisierung und Demografie reagieren möchten. Die Differenzen drohen sich spätestens im Herbst 2025 zu verfestigen, wenn die neue Haushaltsarchitektur verhandelt wird. Die deutsche Wirtschaft ist hiervon direkt betroffen, denn Strukturhilfen, Forschungsförderung und Landwirtschaftsgelder bilden bedeutende sekundäre Einnahmequellen für verschiedene Branchen.

Auf dem Arbeitsmarkt zeigt sich derweil eine robuste Grundverfassung. Die Arbeitslosenquote liegt laut Bundesagentur für Arbeit bei 5,7 % – leicht über dem Vorjahreswert, aber unterhalb der 6-Prozent-Marke, die häufig als Kipplinie gilt. Das ifo-Institut rechnet für das Gesamtjahr 2025 mit einer Quote von 6,3 %, bedingt durch strukturelle Anpassungen im Einzelhandel, bei Banken und in Teilen des Maschinenbaus. Diese Entwicklung wird derzeit durch einen weiterhin hohen Fachkräftebedarf im Gesundheitswesen, in der IT und bei Bildungsdienstleistern abgefedert.

Die exportorientierte Industrie zeigt sich hingegen schwankungsanfällig. Während chemische Erzeugnisse, Pharma und Elektronik zuletzt leichte Zuwächse verzeichneten, leidet die deutsche Automobilwirtschaft unter schwacher Auslandsnachfrage – insbesondere aus China. Zusätzlich erschweren geopolitische Unsicherheiten, darunter verschärfte Zollbedingungen mit den USA sowie Spannungen in der Taiwanstraße, die Planbarkeit langfristiger Investitionen. Der Rückgang der Auftragseingänge im Maschinenbau um 3,8 % im Jahresvergleich unterstreicht die strukturelle Wachstumsbremse.

Besonderes Augenmerk gilt derzeit der Energie- und Umweltpolitik. Das DIW warnt vor steigenden Energiepreisen infolge möglicher geopolitischer Eskalationen im Nahen Osten. Zudem belastet die Umsetzung der neuen EU-Abwasserrichtlinie (KARL) die pharmazeutische Industrie – insbesondere die Hersteller von Standardwirkstoffen wie Metformin. Eine Kostendurchleitung auf die Endpreise könnte mittelfristig wieder zu einem Anstieg medizinischer Versorgungsausgaben führen.

Auf monetärer Ebene bleibt die EZB unter Druck. Zwar hat sie auf ihrer Juni-Sitzung erste Zinssenkungen vollzogen – der Leitzins liegt nun bei 3,75 % –, doch die Diskussion um die „richtige“ Inflationsbekämpfung ist nicht abgeschlossen. EZB-Vize Luis de Guindos bekräftigte in einem Interview, man rechne mit einer Rückkehr zur 2 %-Marke bis 2027. Marktteilnehmer interpretieren dies als Signal für eine lange Phase der geldpolitischen Unsicherheit.

Der deutsche Finanzsektor ist dabei selbst Teil des Problems: Zwar zeigen sich die Banken nach wie vor kapitalstark, doch die Kreditvergabe an den Mittelstand bleibt zögerlich. Besonders betroffen sind Gründungen im Bereich Gesundheitstechnologie sowie CO2-neutrale Baustoffe – ausgerechnet jene Sektoren, die politisch priorisiert werden. Die Zinsstrukturkurve ist seit Jahresbeginn wieder invers, was Investoren verunsichert und klassische Kreditmodelle weiter unter Druck setzt.

Der Konsumklimaindex liegt laut GfK leicht im Plus, was jedoch mehr auf Sondereffekte bei Steuererstattungen und Einmalzahlungen im öffentlichen Dienst zurückzuführen ist als auf einen echten Stimmungsumschwung. Die Spanne zwischen optimistischen Frühindikatoren und realwirtschaftlichen Grunddaten bleibt eklatant – ein Signal für die anhaltend hohe Unsicherheit in Unternehmen und Haushalten gleichermaßen.

Für die kommenden Quartale ist laut Prognosen von Bundesbank, EU-Kommission und verschiedenen Wirtschaftsforschungsinstituten mit einer gedämpften Dynamik zu rechnen. Die Spanne reicht von Stagnation bis zu moderatem Wachstum um +0,3 % für das Gesamtjahr 2025. Erst ab 2026 sehen die Institute wieder Spielräume für stärkere Wachstumsimpulse – etwa durch steuerliche Entlastung, Reformen bei Bürokratiekosten und Digitalisierungsschübe in Mittelstand und Verwaltung.

Das Gesamtbild bleibt daher zwiespältig: Die deutsche Volkswirtschaft ist robust, aber nicht dynamisch; sie ist stabilisiert, aber nicht entfesselt; sie ist reformbereit, aber strukturell überfordert. Der Datenstand vom 6. Juni 2025 liefert keine Trendwende, sondern eine Momentaufnahme systemischer Verzögerung – ein Spiegelbild wirtschaftlicher Geduld, politischer Zurückhaltung und globaler Verstrickung.

 

Wirtschaft wächst, Rendite schwindet, Substanz zerfällt

Warum Apotheken mehr leisten müssen, wie das Skontoverbot die Marge zerstört und was das für Betriebswerte bedeutet

Deutschlands Apotheken stehen unter ökonomischem Hochdruck – nicht, weil sie weniger leisten, sondern weil sie mehr leisten müssen, um dasselbe zu verdienen. Der Markt wächst nominell, doch die Rendite sinkt real. Der Hebel, mit dem sich ein rentabler Betrieb stemmen lässt, wird immer länger. Die betriebswirtschaftliche Schmerzgrenze hat sich verschoben: Was früher mit 2,0 Millionen Euro Jahresumsatz als tragfähiges Fundament galt, reicht heute nicht mehr aus. Inzwischen gelten selbst Umsätze bis 2,5 Millionen Euro als kritisch – vor allem dann, wenn keine externen Umsatzzuflüsse durch Schließungen im lokalen Umfeld zu erwarten sind. Die wirtschaftliche Belastung steigt, während die Ertragssituation auf der Stelle tritt oder gar rückläufig ist.

Ein Blick auf die bundesweite Struktur macht das Dilemma greifbar: Ende 2024 zählte Deutschland laut ABDA noch exakt 17.041 Apotheken. In den letzten fünf Jahren verschwanden jährlich im Schnitt 407 Standorte vom Markt – allein im Jahr 2024 waren es 578. Dieser Rückgang entspricht dem Verlust einer Apotheke alle 15 Stunden. Wird dieser Trend linear fortgeschrieben, droht bis Ende 2028 ein weiterer Aderlass von rund 2.300 Betrieben – und das in einer Zeit, in der Versorgungssicherheit und regionale Präsenz besonders dringend wären. Der Rückzug aus der Fläche erfolgt schleichend, aber systematisch – getrieben von einer betriebswirtschaftlichen Dynamik, die vielen kleinen und mittleren Betrieben kaum noch Luft lässt.

Besonders prekär ist die Lage für Apotheken mit Jahresumsätzen unter 2,0 Millionen Euro. Ihre Zahl nimmt rasant ab – und mit ihr die Möglichkeit, noch als wirtschaftlich tragfähige Einheiten zu überleben. Selbst bei konsequenter Unternehmensführung lassen sich aus dieser Umsatzklasse im besten Fall noch 4,5 % Umsatzrendite erzielen – also rund 90.000 € Gewinn. Nach Abzug von Steuern, Tilgungen, Vorsorge- und Lebenshaltungskosten verbleiben dem Inhaber netto oft weniger als 3.800 € pro Monat – ein Betrag, der nicht nur unter dem Angestelltengehalt eines Approbierten liegt, sondern kaum Spielraum für Reinvestitionen oder betriebliche Weiterentwicklung bietet.

Dass unter diesen Bedingungen kaum noch Betriebsnachfolger zu finden sind, überrascht nicht. Der Ertragswert der Apotheke liegt vielfach unter dem Substanzwert, was den Verkauf de facto unmöglich macht. Investoren wenden sich ab, potenzielle Übernehmer schrecken zurück – und bleiben bestenfalls als Mieter oder Filialleiter erhalten. In vielen Fällen ist eine strategische Übernahme durch benachbarte Wettbewerber die letzte Option – alternativ wird eine sogenannte Schließungsprämie zum einzigen verbleibenden Liquiditätsimpuls. Die Realität zeigt: Wer mit unter 2,0 Millionen Euro Jahresumsatz operiert, hat keinen strukturellen Atem mehr – es sei denn, der Betrieb läuft mietfrei oder extrem personalreduziert.

Das wiederum führt zu einem sekundären Marktmechanismus: Die durch Schließungen freigesetzten Umsätze werden umverteilt – nicht gleichmäßig, sondern selektiv. Wenn 2.300 Apotheken den Markt verlassen, profitieren vor allem die verbleibenden Betriebe im jeweiligen Umfeld. Statistisch lässt sich ein Durchschnittszuwachs von etwa 575.000 € je Apotheke errechnen – bezogen auf den Gesamtumsatz von 63 Milliarden Euro. Doch diese Zahl relativiert sich: Da meist kleine Apotheken schließen, liegt der reale Umverteilungswert pro übriggebliebener Offizin eher bei 200.000 €. Damit ist klar: Nur Apotheken, die geografisch richtig positioniert sind, profitieren – andere gehen leer aus. Wer heute zwischen 2,25 und 2,5 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet und nicht vom Ausfall anderer profitiert, könnte morgen selbst betroffen sein.

Angesichts dieser Dynamik kommt dem politischen Rahmen besondere Bedeutung zu. Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Anhebung des Fixhonorars auf 9,50 € sowie die Abschaffung des Skontourteils könnten bei Umsetzung ein spürbares Polster für wirtschaftlich grenzwertige Betriebe schaffen. Insbesondere Apotheken mit Jahresumsätzen zwischen 2,0 und 2,5 Millionen Euro würden profitieren – durch ein erwartbares Plus von rund 70.000 € jährlich. Für Betriebe unterhalb der Schwelle bleibt die Lage jedoch auch dann fragil – die strukturellen Probleme lassen sich durch Einzelmaßnahmen nicht heilen.

Am Ende bleibt ein klarer betriebswirtschaftlicher Befund: Apotheken, die auch in vier Jahren noch überleben wollen, müssen mindestens 2,5 Millionen Euro pro Jahr umsetzen – besser mehr. Wer darunter bleibt, steht unter Konsolidierungsdruck und muss sich auf Personalverzicht, Standortaufgabe oder Filialisierung einstellen. Die Spanne zwischen Überleben und Aufgeben verengt sich. Die Branchendynamik kennt nur zwei Richtungen: wachsen oder weichen. Der Markt hat bereits entschieden – jetzt ist es an der Politik, ob sie die verbliebenen Strukturen stabilisieren will oder dem nächsten Zyklus beim Drehen zuschaut. Denn eines ist sicher: Das Rad wird sich weiterdrehen. Nur wer den Griff noch halten kann, bleibt Teil der Bewegung.

 

Leistung anerkennen, Motivation steigern, Bindung stärken

Warum variable Vergütung auch in Apotheken funktionieren kann – wenn sie klug, rechtssicher und teamorientiert eingeführt wird

Variable Gehaltsbestandteile sind in vielen Branchen gelebte Realität – von Vertriebsprovisionen bis zu projektbasierten Bonuszahlungen. In Apotheken jedoch herrscht bei diesem Thema Zurückhaltung: Die Sorge vor rechtlichen Fallstricken, möglicher Unfrieden im Team und der Eindruck, dass Leistung in einem heilberuflichen Umfeld schwer messbar sei, führen häufig dazu, dass Potenziale ungenutzt bleiben. Doch der Fachkräftemangel zwingt viele Apothekeninhaber zu neuen Wegen, um qualifiziertes Personal zu halten und Motivation langfristig zu sichern. Ein zielorientiertes Bonussystem kann dabei eine strategische Antwort sein – vorausgesetzt, es wird auf die besonderen Rahmenbedingungen des Apothekenbetriebs zugeschnitten.

Apotheken sind keine typischen Verkaufsstätten, sondern Gesundheitseinrichtungen mit gesetzlichem Auftrag. Dennoch gibt es zahlreiche betriebliche Stellschrauben, an denen Mitarbeiterleistung objektiv messbar ist: von Sichtwahlumsätzen über Retaxvermeidung bis hin zur Umsetzung pharmazeutischer Dienstleistungen. Gerade letztere bieten sich für eine Pilotphase an, da sie neu sind, etabliert werden müssen und sich messbar im Betriebsalltag abbilden lassen. Wer beispielsweise für jede erfolgreich dokumentierte Inhalatorschulung einen Bonus in Aussicht stellt, schafft Anreize zur aktiven Umsetzung – allerdings nur, wenn diese Zielgröße nicht isoliert bleibt. Denn Einzelanreize bergen die Gefahr, dass das Teamgefüge Schaden nimmt. Daher empfehlen sich Bonusmodelle mit drei bis fünf unterschiedlichen Zielparametern, die idealerweise in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander stehen. So lässt sich vermeiden, dass rein quantitative Ziele dominieren und etwa die Beratungsqualität leidet.

Geeignete Ziele können auf individueller, gruppenbezogener oder Apothekenebene definiert werden. Während individuelle Ziele spezifische Leistungen adressieren – etwa Social-Media-Aktivitäten, Fortbildungsnachweise oder Zusatzverkäufe –, fördern Teamziele wie die gemeinsame Reduktion von Retouren oder die Steigerung des Korbumsatzes das Miteinander und beugen interner Konkurrenz vor. Besonders interessant sind Rollen mit klarer Ergebnisverantwortung wie Filialleitungen, Projektverantwortliche oder Fachbeauftragte (z. B. für Heimversorgung). Hier lassen sich Zielerreichung und unternehmerische Mitverantwortung gut verbinden.

Wichtig ist, dass alle Ziele nach dem sogenannten SMART-Prinzip formuliert sind: Spezifisch, Messbar, Attraktiv, Realistisch und Terminiert. Ebenso entscheidend ist die rechtliche Ausgestaltung. Ein schriftlicher Vertrag mit klaren Zieldefinitionen, nachvollziehbarer Bewertungslogik und dem expliziten Hinweis auf die Freiwilligkeit der Bonuszahlung ist unerlässlich. Nur so lässt sich vermeiden, dass aus einer wiederholten Zahlung ein arbeitsrechtlicher Anspruch entsteht. Auch Besonderheiten wie Teilzeitmodelle, Elternzeit oder längere Erkrankungen müssen sauber berücksichtigt werden, damit die Vergütungsstruktur nicht als ungerecht empfunden wird.

Apropos Krankheit: Auch die Reduktion von Krankentagen wird mitunter als Zielgröße diskutiert. Hier ist jedoch besondere Zurückhaltung geboten. Zwar gibt es durchaus Mitarbeitende mit auffälligen Fehlzeiten, die durch weiche Anreize zu mehr Verlässlichkeit motiviert werden könnten. Doch muss sichergestellt sein, dass gesundheitlich bedingte Ausfälle nicht durch monetären Druck verdrängt werden. Die Einbindung solcher Ziele sollte daher immer in ein differenziertes Modell eingebettet sein, das Leistung nicht nur an bloßer Anwesenheit misst.

Gerade in inhabergeführten Apotheken kann ein variable Vergütungssystem ein Kulturwandel sein – hin zu mehr Mitdenken, Verantwortung und unternehmerischem Handeln. Wer sich darauf einlässt, sollte nicht mit einem starren Schema starten, sondern mit einem Pilotprojekt: ein überschaubares Ziel, ein klar definiertes Team, ein begrenzter Zeitraum. Die Implementierung gelingt erfahrungsgemäß am besten, wenn die Zieldefinition gemeinsam mit den Mitarbeitenden erfolgt. Das schafft Akzeptanz und gibt Inhabern zugleich die Möglichkeit, realistische Untergrenzen zu definieren. Ergänzt durch quartalsweise Feedbackgespräche und eine jährliche Evaluation entsteht so ein lernendes System, das sich kontinuierlich weiterentwickeln lässt.

Nicht zuletzt kann ein variables Vergütungsmodell auch im Wettbewerb um Fachkräfte ein starkes Signal senden. Wer offen zeigt, dass Engagement, Innovationsbereitschaft und Verlässlichkeit nicht nur erwartet, sondern auch gezielt honoriert werden, positioniert sich als moderner Arbeitgeber – mit einem strukturellen Vorteil gegenüber starren Tarifmodellen. Besonders in Regionen mit übertariflicher Entlohnung, etwa in Teilen Westdeutschlands, kann das Modell doppelt lohnend sein: Statt pauschaler Aufschläge lässt sich ein Teil der Überzahlung in einen leistungsbezogenen Bonus überführen – transparent, motivierend und im Erfolgsfall sogar mit höherem Gesamteinkommen für engagierte Teammitglieder.

So verstanden, ist die Einführung variabler Gehaltsbestandteile in Apotheken weder riskant noch illusorisch – sondern eine strategisch kluge Maßnahme zur langfristigen Bindung und Entwicklung wertvoller Mitarbeiterpotenziale. Wer Leistung sichtbar macht, erhöht nicht nur die Motivation, sondern auch das unternehmerische Selbstverständnis im Team – ein Mehrwert, der in Zeiten struktureller Herausforderungen wichtiger ist denn je.

 

Apothekenrecht braucht Rückgrat, Generation Z braucht Schutz, das System braucht Grenzen

Warum die Debatte um Apotheken-GmbHs mehr zerstört als löst, das Fremdbesitzverbot verteidigt werden muss und die Kohärenzkeule zur Systemwaffe wird

Die Forderung nach Apotheken-GmbHs ist ein Warnsignal. Kein Vorschlag zur Reform, sondern ein Weckruf, dass zentrale Prinzipien unseres Gesundheitssystems unter Beschuss geraten sind. Was als Schutzmaßnahme für junge Pharmazeutinnen verkauft wird, ist in Wahrheit ein Projekt, das das Rückgrat des bestehenden Apothekenrechts zersägt – absichtlich, strategisch, fremdgesteuert.

Prominent gefordert wird die neue Rechtsform unter anderem von Rainer Kern, vormals ABDA-Kommunikationschef, inzwischen Lobbyist für DocMorris. Damit reiht er sich ein in eine Koalition aus Versandapotheken, spezialisierten Berufsverbänden und wirtschaftsnahen Apothekenlobbys, die die GmbH nicht als rettende Struktur für verunsicherte Berufseinsteiger sehen, sondern als Einfallstor für Investoren. Denn wer die persönliche Haftung vom Betrieb entkoppelt, öffnet den Markt für Kapitalinteressen – und entzieht gleichzeitig dem Berufsrecht seine Durchgriffsmöglichkeiten.

Der Schlüsselbegriff in der Debatte heißt „Kohärenz“. Klingt harmlos, ist juristisch jedoch ein Hebel, der von EuGH und deutschen Gerichten genutzt wird, um gesetzliche Ungleichbehandlungen zu kippen. Wenn eine GmbH als Betreiberin von Apotheken zugelassen würde, ließe sich kaum verhindern, dass auch andere Kapitalgesellschaften auf Gleichbehandlung pochen – mit verfassungsrechtlichem Nachdruck. Die Apotheken-GmbH wäre damit das trojanische Pferd zur Demontage des Fremdbesitzverbots.

Das Fremdbesitzverbot schützt mehr als den Beruf. Es schützt ein System, das auf Vertrauen basiert: Apotheken als Versorger in öffentlicher Verantwortung, nicht als Filialbetrieb von Shareholder-Gesellschaften. Die GmbH droht diese Ordnung aufzulösen. Denn Kapitalgesellschaften sind nicht approbierbar, sie können keine Berufsaufsicht im eigentlichen Sinne erfahren – und sie tragen keine persönliche Verantwortung. Das aber ist der Kern der Versorgungssicherheit.

Jene, die den Wandel fordern, argumentieren mit der sogenannten Generation Z – junge Pharmazeutinnen und Pharmazeuten, die sich angesichts finanzieller Risiken gegen eine Selbstständigkeit entscheiden. Doch diese Haltung rechtfertigt keinen Systembruch. Wer Gründungshemmnisse abbauen will, muss gezielte Haftungserleichterungen, finanzielle Förderinstrumente und praxisnahe Übernahmemodelle schaffen – nicht aber durch die Hintertür das Apothekengesetz liberalisieren.

Die Gefahr ist konkret: Wenn einmal eine GmbH zugelassen ist, folgt der juristische Dominoeffekt. Warum keine AG? Warum kein Fremdbesitz ganz allgemein? Genau dieses Argumentationsmuster ist längst Teil der Investorenstrategie, wie die Parallelen zu Entwicklungen bei Tierärzten, Augenärzten und Zahnärzten belegen. Dort haben MVZ-Ketten die freie Praxis verdrängt, Renditeziele ersetzen ärztliche Freiberuflichkeit. Die Apotheke wäre der nächste Dominostein.

Auch der Versuch, eine Apotheken-GmbH über flankierende Regelungen zu zähmen, ist naiv. Wie beim Versandhandel 2004 zeigt sich, dass „regulierte Öffnung“ in der Praxis zur vollständigen Erosion führt. Regelwerke können Schlupflöcher nicht schließen, wenn das System einmal geöffnet ist. Je komplexer die Regulierung, desto mehr Angriffsfläche bietet sie – gerade unter dem Kohärenzprinzip, das juristisch inkonsistente Detailregelungen gnadenlos aufdeckt.

Der Gesetzgeber hat das Fremdbesitzverbot mehrfach bestätigt – zuletzt 2009 vom EuGH als zulässig und wirksam anerkannt. Auch der Koalitionsvertrag stärkt es. Doch ausgerechnet jetzt, wo die Rechtslage fest und politisch unstrittig ist, bringen interne Stimmen die Systemfrage aufs Tableau – eine paradoxe Selbstgefährdung der eigenen Ordnung. Die Berufspolitik muss sich hier klar positionieren. Äquidistanz ist keine Option.

Statt eines Systembruchs braucht es gezielte, berufsnahe Reformen. Dazu gehört ein Modell, das Apothekengründungen durch staatlich gestützte Risikoabsicherung erleichtert. Oder eine verbesserte rechtliche Einbettung von Filialverbünden, die Verantwortungsteilung ohne Fremdbesitz ermöglichen. Auch die Rolle der Standesvertretungen muss gestärkt werden, damit sie nicht – wie im Fall Rainer Kern – zum Sprungbrett für Systemwechsel wird.

Am Ende stellt sich nicht die Frage, ob GmbHs Apotheken besser betreiben könnten – sondern ob wir wollen, dass das Apothekensystem denselben Weg geht wie die Zahnarztpraxis oder die Tiermedizin: hin zur austauschbaren Filiale, gesteuert aus anonymen Zentralen. Wenn wir diesen Weg nicht wollen, müssen wir jetzt klare Grenzen ziehen.

Denn: Wer einmal den Markt öffnet, wird ihn nicht mehr schließen. Was bleibt, ist dann nur noch die Frage, wie lange das Versorgungssystem standhält – und wer die Verantwortung trägt, wenn es kippt.

 

Zinspolitik verlangt Weitblick, Sicherheit kostet Handlungsspielraum, Planung braucht Konsequenz

Wie Forward-Darlehen den Zins der Zukunft binden, welche Risiken sie verschleiern und warum Finanzentscheidungen Voraussicht fordern

Die Zinslandschaft für Baufinanzierungen hat in den letzten Jahren eine Dynamik entfaltet, wie sie in der deutschen Immobilienfinanzierung lange nicht zu beobachten war. Insbesondere der abrupte Zinsanstieg 2022/2023 – ausgelöst durch eine drastische Leitzinsanhebungspolitik der Europäischen Zentralbank – hat vielen Immobilienbesitzern vor Augen geführt, wie brisant das Thema Anschlussfinanzierung werden kann. Denn wer zu Hochzinszeiten eine bestehende Baufinanzierung ablösen muss, zahlt unter Umständen mehrere tausend Euro mehr pro Jahr als ein Kreditnehmer mit früherem Vertragsabschluss. Ein Forward-Darlehen bietet hier einen strategischen Schutzschild: Es ermöglicht, bereits mehrere Jahre vor Ablauf der bestehenden Zinsbindung einen neuen Darlehensvertrag zu heutigen Konditionen zu schließen. Doch die vermeintliche Sicherheit hat ihren Preis – und ist nicht für jeden Kreditnehmer sinnvoll.

Beim Forward-Darlehen handelt es sich um eine besondere Form des Annuitätendarlehens mit festgeschriebenem Zinssatz, das erst nach Ablauf eines bestimmten Vorlaufzeitraums – meist zwischen sechs und 66 Monaten – ausgezahlt wird. Diese Vorlaufzeit erlaubt es dem Kreditnehmer, sich einen aktuell niedrigen Zinssatz für die Zukunft zu sichern. Das Prinzip funktioniert wie eine Wette: Wer davon ausgeht, dass die Zinsen künftig steigen, sichert sich mit einem Forward-Darlehen gegen eben diesen Anstieg ab. Doch die Bank lässt sich diesen Zinsfixierungszeitraum durch einen sogenannten Forward-Aufschlag bezahlen, der den Zinssatz des Anschlussdarlehens pro Monat Vorlaufzeit um typischerweise 0,01 bis 0,04 Prozentpunkte erhöht. Je länger der Zeitraum zwischen Vertragsabschluss und tatsächlicher Auszahlung, desto teurer wird das Produkt.

Die zentrale Frage lautet daher: Lohnt sich ein Forward-Darlehen – und wenn ja, für wen? Entscheidend ist die Zinsentwicklung. Wer Anfang 2022 ein Forward-Darlehen für eine Anschlussfinanzierung im Jahr 2024 abgeschlossen hat, profitiert heute oft von einem günstigen Zinssatz von rund 1,5 bis 2 Prozent – während aktuelle Anschlusskonditionen teils über 3,5 Prozent liegen. In diesem Fall war das Forward-Darlehen ein Glücksgriff. Umgekehrt kann es aber auch teuer werden: Wer bei sinkenden Zinsen auf steigende Zinsen gesetzt hat, zahlt mehr als nötig. In einem solchen Fall kann es sogar sein, dass der Forward-Aufschlag die vermeintlich gewonnene Zinssicherheit vollständig zunichtemacht. Für Verbraucher ist es daher essenziell, sich nicht von kurzfristigen Marktrufen oder medialen Prognosen blenden zu lassen, sondern fundierte Finanzberatung einzuholen.

Ein weiterer Aspekt: Die Bindung an ein Forward-Darlehen ist verbindlich. Ein Rücktritt vom Vertrag ist nach Abschluss nicht mehr möglich, außer gegen hohe Vorfälligkeitsentschädigungen. Das bedeutet: Wer seine Immobilie vorzeitig verkauft oder aus anderen Gründen keine Anschlussfinanzierung mehr benötigt, trägt das volle Risiko. Die Zinsbindung beim Forward-Darlehen wird somit zur doppelten Pflicht: Wer sich absichert, bindet sich nicht nur finanziell, sondern auch vertraglich über viele Jahre. Diese Langfristigkeit kann bei beruflicher oder familiärer Ungewissheit zum Bumerang werden. Umgekehrt ist sie ein Vorteil für planungssichere Haushalte mit stabilen Einkommensverhältnissen, langfristiger Bleibeabsicht und klarem Tilgungsplan.

Marktanalysen zeigen, dass Banken in der aktuellen Hochzinsphase wieder vermehrt Forward-Produkte anbieten und offensiv bewerben. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die gestiegenen Kapitalmarktzinsen sich auch auf die Kalkulationsgrundlagen der Banken auswirken. Während früher ein Forward-Aufschlag von 0,01 Prozentpunkten pro Monat als marktüblich galt, verlangen viele Institute inzwischen deutlich höhere Zuschläge – insbesondere bei langen Vorlaufzeiten von über drei Jahren. Gleichzeitig besteht eine hohe Unsicherheit über die weitere Zinsentwicklung. Zwar signalisiert die EZB aktuell eine mögliche Zinssenkung, doch geopolitische Krisen, Inflationserwartungen und wirtschaftliche Risiken können das Zinsniveau erneut treiben. Forward-Darlehen bleiben damit ein spekulatives Instrument zur Risikominimierung – kein Garant für die beste Finanzierung.

Für Kreditnehmer mit auslaufender Zinsbindung zwischen 2026 und 2028 stellt sich die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für den Abschluss. Grundsätzlich empfiehlt es sich, etwa drei Jahre vor Ablauf der Bindung aktiv zu werden und Angebote einzuholen. In dieser Phase ist der Aufschlag meist noch überschaubar, gleichzeitig erhöht sich die Transparenz über künftige Zinsentwicklungen. Wichtig ist dabei, mehrere Angebote zu vergleichen – nicht nur hinsichtlich des effektiven Zinssatzes, sondern auch in Bezug auf Sondertilgungsrechte, Tilgungsanpassungen und mögliche Kombimodelle mit Bausparverträgen oder Tilgungsersatzprodukten. Gerade bei größeren Darlehenssummen entscheidet oft die Gesamtkondition über mehrere zehntausend Euro Mehr- oder Minderkosten.

Auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind Forward-Darlehen eine spannende Stellschraube im Liquiditätsmanagement von Privatpersonen. Wer seine monatliche Belastung auf einem bekannten Niveau halten will, gewinnt durch frühzeitige Zinsbindung Planbarkeit. Gleichzeitig kann der gesicherte Zinssatz im Zusammenspiel mit einem langfristigen Tilgungsplan eine gezielte Vermögensbildung fördern – vorausgesetzt, die übrigen Lebensumstände bleiben stabil. Familien mit wachsendem Finanzbedarf, Selbstständige mit schwankendem Einkommen oder Investoren mit spekulativen Anlagezielen sollten hingegen genau abwägen, ob der Fixierungseffekt eines Forward-Darlehens nicht eher einengen als schützen könnte.

Abschließend lässt sich festhalten: Forward-Darlehen sind kein Standardinstrument für jede Anschlussfinanzierung, sondern ein strategisches Instrument für informierte Kreditnehmer mit klarem Plan. Sie bieten in volatilen Zinsphasen eine reale Absicherungsmöglichkeit, erfordern aber auch ein hohes Maß an Prognosefähigkeit, Verlässlichkeit und Vertragsdisziplin. Wer diese Kriterien erfüllt, kann mit einem gut getimten Forward-Darlehen seine Finanzierungskosten massiv senken. Wer dagegen auf das falsche Zinsniveau setzt oder sich zu früh bindet, riskiert nicht nur finanzielle Mehrbelastung, sondern auch eine langfristige Verengung seiner Handlungsoptionen. Die Devise lautet daher: nicht blind sichern, sondern klug kalkulieren.

 

Mehrsprachigkeit als Versorgungsauftrag, Importarzneien als Spezialkompetenz, Namensrecht als Stolperfalle

Was internationale Apotheken auszeichnet, warum ihr Titel fast verboten worden wäre und welche Versorgungslücke sie schließen

Wenn sich eine Apotheke in Deutschland „internationale Apotheke“ nennt, klingt das für viele zunächst nach einem PR-Etikett ohne belastbare Grundlage. Doch hinter dem Begriff steht weit mehr als eine hübsche Namensidee – nämlich ein spezialisierter Versorgungsauftrag, der tief in die Wirklichkeit der Migrationsgesellschaft und des globalisierten Arzneimittelmarktes eingreift. Dr. Christian Fehske, Inhaber der „Rathaus Apotheke – internationale Apotheke“ in Hagen, kennt die Herausforderungen genau: Er kämpfte nicht nur mit der Bürokratie um die offizielle Bezeichnung, sondern auch mit der Nachfrage nach Arzneimitteln, die in Deutschland nicht mehr, noch nicht oder nur schwer verfügbar sind – und dennoch für viele Patientinnen und Patienten medizinisch unverzichtbar sind.

Tatsächlich wurde die Bezeichnung „internationale Apotheke“ zeitweise von Behörden kritisch betrachtet. Fehske berichtet, dass ihm fast untersagt worden sei, den Begriff in die offizielle Apothekenbezeichnung aufzunehmen. Der Vorwurf: Eine Irreführung der Kundschaft sei möglich, da nicht definiert sei, was „international“ konkret bedeute. Doch die Realität in seiner Offizin spricht eine deutliche Sprache: Kundinnen und Kunden mit Rezepten aus Syrien, dem Iran oder Polen, mehrsprachige Beratung in Türkisch, Arabisch, Russisch, Englisch oder Französisch und eine tägliche Auseinandersetzung mit ausländischen Wirkstoffnamen, Packungsgrößen oder Importregelungen.

Eine internationale Apotheke im engeren Sinn unterscheidet sich nicht durch ihre Außenfassade oder ein Weltkartenposter im Beratungsraum – sondern durch konkrete Kompetenzen: Sprachkenntnisse des Teams, Erfahrung im Umgang mit ärztlichen Verschreibungen aus dem Ausland, Kenntnis über die Beschaffung von Re-Importen, EU-weiten Sonderarzneien oder bei Bedarf auch Einzelimporten nach § 73 Abs. 3 AMG. Für viele Migranten, Austauschstudenten, Geflüchtete oder Menschen mit multikulturellem Hintergrund ist genau diese Apotheke die einzige, die ihr Anliegen versteht – sprachlich wie pharmakologisch.

Dass dieser Versorgungsbeitrag dennoch an formalen Hürden zu scheitern drohte, zeigt ein strukturelles Defizit im Umgang mit Apothekenidentitäten. Während Begriffe wie „Familienapotheke“, „City-Apotheke“ oder „Gesundheitszentrum“ ungeprüft firmieren, müssen international tätige Apotheken um die Anerkennung ihres realen Beitrags ringen. Auch die Kammern hielten sich lange zurück mit einer einheitlichen Definition – und ließen damit Raum für Rechtsunsicherheit.

Dr. Fehske hat sich entschieden, die internationale Dimension seiner Apotheke nicht als dekoratives Label, sondern als inhaltliche Leitlinie zu verstehen. Sein Team besteht aus mehrsprachigen Fachkräften, viele selbst mit Migrationsgeschichte. Schulungen zu ausländischen Darreichungsformen, lokalen Arzneimittelbezeichnungen und internationalen Rabattverträgen sind Bestandteil der internen Fortbildung. Gerade bei chronisch kranken Menschen, die aus ihrer Heimatmedikation nicht einfach umgestellt werden können, sind solche Kompetenzen unverzichtbar.

Zudem zeigt die Erfahrung: Viele Menschen, die neu nach Deutschland kommen, suchen nicht nur Arzneimittel, sondern Orientierung. Internationale Apotheken bieten oft beides. Sie verstehen die sozialen, kulturellen und medizinischen Brüche, die eine Migration mit sich bringt – und können so auch in einer Mittlerrolle zwischen Patient, Arzt und System agieren.

Doch wie lässt sich der Begriff „international“ künftig rechtssicher nutzen? Die Rechtslage bleibt diffus. Zwar gibt es keine explizite Verordnung, die die Bezeichnung „internationale Apotheke“ verbietet, doch Einzelfallentscheidungen können zum Risiko werden – etwa wenn Wettbewerber juristisch gegen die Namenswahl vorgehen oder Aufsichtsbehörden formale Anforderungen an Werbung und Selbstdarstellung anlegen.

Der Fall aus Hagen macht deutlich, dass die Apothekenrealität inzwischen deutlich diverser ist als viele Vorschriften vermuten lassen. Und dass Internationalität längst nicht nur eine Frage der Herkunft, sondern auch der Zukunft ist. Denn mit wachsender europäischer Integration, Globalisierung des Gesundheitsmarkts und anhaltender Migration wächst der Bedarf an Apotheken, die nicht nur dolmetschen können – sondern über kulturelle wie regulatorische Grenzen hinweg beraten, erklären und handeln.

Dass eine solche Apotheke heute noch um ihren Namen kämpfen muss, offenbart letztlich ein Versäumnis der Standespolitik, auf neue Versorgungsrealitäten mit klarem ordnungsrechtlichen Rahmen zu reagieren. Es wäre an der Zeit, internationale Apotheken nicht mehr als Ausnahme, sondern als Normalfall einer diversen Gesellschaft zu verstehen – und ihnen endlich auch formal die Rolle zuzugestehen, die sie faktisch längst ausfüllen.

 

Therapie bei AHDS greift gezielt, Tiratricol wirkt zellgängig, Studien belegen Nutzen

Wie der neue Wirkstoff Emcitate eine extrem seltene Schilddrüsenhormonstörung mildert, welche Interaktionen zu beachten sind und was die Zulassungsdaten zeigen

Das Allan-Herndon-Dudley-Syndrom (AHDS) stellt eine der seltensten genetischen Erkrankungen dar, die bislang kaum therapeutische Optionen bot. Mit der Einführung von Tiratricol (Emcitate) ist nun erstmals ein Wirkstoff verfügbar, der gezielt die hormonelle Fehlverteilung bei dieser X-chromosomal vererbten Störung ausgleicht. AHDS beruht auf einer Mutation im SLC16A2-Gen, das für den Schilddrüsenhormontransporter MCT8 kodiert. Dieser Defekt führt zu einem paradoxen Zustand: Während im zentralen Nervensystem (ZNS) ein T3-Mangel herrscht, verursacht ein Überschuss desselben Hormons in der Peripherie eine Thyreotoxikose. Bislang blieb dieser Zustand therapeutisch unkontrolliert – das könnte sich mit Tiratricol grundlegend ändern.

Tiratricol ist ein natürlicher Metabolit von T3, der sich durch eine entscheidende Eigenschaft auszeichnet: Er kann unabhängig vom MCT8-Transporter in die Zielzellen eindringen und dort seine biologische Wirkung entfalten. Diese Fähigkeit erlaubt es, die Schilddrüsenhormonwirkung im ZNS wiederherzustellen, ohne den peripheren Hormonüberschuss zusätzlich zu verstärken. In der klinischen Anwendung zeigt sich die Substanz in einer alters- und gewichtsspezifischen Dosierung wirksam – mit einem klar strukturierten Titrationsschema. Bei unter 10 Kilogramm Körpergewicht beginnt die Therapie mit 175 µg pro Tag, darüber mit 350 µg. Die Anpassung erfolgt alle zwei Wochen, bis der T3-Serumwert unter den altersentsprechenden Mittelwert gesenkt ist. Wichtig: Die Bestimmung dieses Wertes muss mittels LC/MS/MS erfolgen, da Tiratricol bei Immunoassays mit T3 kreuzreagiert und somit falsch hohe Werte vorgaukelt.

Auch die galenische Zubereitung ist speziell geregelt. Die Tabletten werden unmittelbar vor der Anwendung mit Wasser zu einer Suspension angerührt und per Spritze in die Wangentasche appliziert. Alternativ ist eine Gabe über Sonden möglich. Die zubereitete Suspension bleibt vier Stunden bei Raumtemperatur stabil und kann bei Bedarf erneut aufgerührt werden.

In der offenen Studie Triac I mit 46 AHDS-Patienten zeigte sich unter Tiratricol eine signifikante Senkung des Serum-T3-Werts von durchschnittlich 4,97 auf 1,82 nmol/l. Klinisch resultierten daraus Verbesserungen bei Körpergewicht, Herzfrequenz und systolischem Blutdruck. Zwei Drittel der Probanden zeigten Verbesserungen bei mindestens zwei dieser Parameter. Die häufigsten Nebenwirkungen betrafen Schwitzen, Durchfall und psychische Symptome wie Reizbarkeit oder Albträume – meist bei Therapiebeginn oder Dosisanpassung. Diese Effekte klangen in der Regel innerhalb weniger Tage ab.

Die Anwendung von Tiratricol ist mit potenziellen Interaktionen verbunden, insbesondere bei gleichzeitiger Gabe mit Antazida, Eisen-, Calcium- oder Phosphatpräparaten, die die Resorption stören können. Auch PPI, Leberenzyminhibitoren, CYP3A4-Substrate oder Antikoagulanzien erfordern eine engmaschige Überwachung. Bei Patienten mit Herzproblemen oder Diabetes ist eine besonders vorsichtige Titration indiziert.

Gelagert wird Emcitate gekühlt zwischen 2 und 8 °C. Das Präparat wird in Tablettenform geliefert und jeweils frisch zur Suspension aufgelöst. Die Therapie kann ab Geburt eingesetzt werden – ein Novum in der Versorgung dieser komplexen genetischen Erkrankung.

Trotz der geringen Patientenzahl – weltweit sind bislang nur rund 370 Fälle dokumentiert – markiert die Zulassung von Tiratricol einen bedeutenden Fortschritt. Sie steht exemplarisch für eine personalisierte Therapieentwicklung bei monogenen Erkrankungen. Die systematische Senkung pathologisch erhöhter T3-Spiegel, die Wiederherstellung der ZNS-Hormonwirkung und die insgesamt gut steuerbare Verträglichkeit machen Emcitate zu einem Hoffnungsträger in der Orphan-Drug-Forschung. Klinisch stellt sich damit erstmals eine konkret handhabbare Option für betroffene Jungen mit MCT8-Mangel ein – mit spürbarem Einfluss auf vegetative Stabilität, Gewichtsentwicklung und kardiale Belastungssymptome.

Der Erfolg dieser gezielten Substitutionstherapie wirft zugleich grundsätzliche Fragen zur zukünftigen Rolle hormonähnlicher Metaboliten in der Behandlung endokrinologischer Erkrankungen auf. Was heute mit einem seltenen Krankheitsbild beginnt, könnte perspektivisch Modellcharakter für andere Transportdefekte im Hormonstoffwechsel bekommen. Die Zulassung von Tiratricol steht somit nicht nur für ein neues Arzneimittel, sondern für eine therapeutische Logik, die biologische Umwege nutzt, um molekulare Blockaden zu umgehen – mit klinischer Präzision und wachsender Bedeutung im Zeitalter individueller Medizin.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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