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  • 19.06.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Verordnung lähmt Vertrauen, Bürokratie frisst Bewegung, Kammern versagen beim Kurswechsel
    19.06.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Verordnung lähmt Vertrauen, Bürokratie frisst Bewegung, Kammern versagen beim Kurswechsel
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | Von Retaxation bis Mikroplastik: Wie Apotheken, Kliniken und Versorgungssysteme im Jahr 2025 unter politischen Versäumnissen, Kammerkonfl...

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-Nachrichten von heute: Verordnung lähmt Vertrauen, Bürokratie frisst Bewegung, Kammern versagen beim Kurswechsel

 

Warum Apotheken im Dschungel aus Retax-Regeln, Zwangsdiensten und Honorarlogik stagnieren, während Ministerien von Entfesselung reden und Verbände bei der Reform versagen

Die Apotheke ist im Jahr 2025 kein Ort mehr für betriebliche Gestaltung, sondern für regulatorische Erstarrung – während das Bundesgesundheitsministerium von „Entfesselung“ spricht, lähmen Retaxationen, Kontrollpflichten und Honorarlücken den Alltag vieler Betriebe, strukturell verschärft durch verbandsinternen Stillstand und kammerpolitische Orientierungslosigkeit; parallel ringt die Apothekerversorgung Schleswig-Holstein mit dem Rückbau risikobehafteter Anlagen nach einem Milliardenverlust, Apothekenpräsident Münch warnt vor der Abwanderung in Legalisierungsnischen, CDU-Abgeordnete fordern politische Strukturreformen, Kliniken verstärken den Opferschutz bei K.-o.-Tropfen, Studien verknüpfen Mikroplastik mit chronischen Herzkrankheiten, Adipositas-OPs verlangen pharmazeutische Neudefinitionen und Intervallfasten enttäuscht trotz Hype – ein Systembericht über politische Ausflüchte, versorgungstechnische Schieflagen und strukturelles Reformversagen.

 

Verordnung lähmt Vertrauen, Bürokratie frisst Bewegung, Kammern versagen beim Kurswechsel

Warum Apotheken im Dschungel aus Retax-Regeln, Zwangsdiensten und Honorarlogik stagnieren, während Ministerien von Entfesselung reden und Verbände bei der Reform versagen

Die Apotheke in Deutschland ist ein Ort der Kontrolle – ein regeltechnisches Biotop, das sich in den letzten Jahrzehnten in einen Schutzwall aus Vorschriften verwandelt hat. Während Bundesbauministerin Klara Geywitz jüngst mit markigen Worten den Bürokratieabbau beschwor, bleibt die Apotheke im Gesundheitswesen eines der am stärksten regulierten Gewerbe – mit dramatischen Folgen für Arbeitsabläufe, Vertrauensstrukturen und wirtschaftliche Belastbarkeit. Hinter dem Begriff des Bürokratieabbaus verbirgt sich in der Apotheke kein akademisches Wunschdenken, sondern eine existenzielle Frage: Wer weiterhin auf Paragrafen pocht, ohne ihre Wirkung zu verstehen, gefährdet mehr als nur betriebliche Effizienz. Er blockiert Versorgung.

Ein Beispiel, das vielerorts Wut und Resignation auslöst, ist die Retaxationspraxis der Krankenkassen. Selbst minimale Formfehler – etwa eine fehlende Angabe zur Packungsgröße oder ein falsch gesetztes Aut-idem-Kreuz – führen nicht nur zur Verweigerung der Erstattung, sondern oft zu monatelangen Auseinandersetzungen mit der Abrechnungsstelle. Der Aufwand, diese Bagatellfälle aufzuarbeiten, steht in keinem Verhältnis zum ökonomischen Ergebnis. Doch schlimmer noch: Es ist Ausdruck eines grundlegend misstrauischen Systems. Wer auf Apotheker:innen als hochqualifizierte Fachkräfte setzt, sollte deren pharmazeutische Leistung nicht durch ein überzogenes Kontrollregime sabotieren.

Nicht besser sieht es bei den pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) aus. Was ursprünglich als honorierte Zusatzaufgabe gedacht war, versickert inzwischen im bürokratischen Morast. Die Abrechnung über Krankenkassen erfordert Nachweise, Dokumentation, Fortbildungsbelege – doch eine Vereinfachung bleibt aus. Das politisch gewollte Instrument der patientennahen Arzneimittelberatung scheitert oft an der Realitätsferne der Verwaltungsarchitektur. Die Frage drängt sich auf: Wer schützt hier wen – und vor wem?

Der nächste Brennpunkt betrifft die Zwangsabonnements für digitale Prozesse. Zahlreiche Apotheken werden durch Telematikdienste, Anbieter von Rezeptabrufsystemen oder Plattformanbieter in technologische Abhängigkeiten gedrängt. Dabei fehlt es an Auswahlfreiheit, Interoperabilität und echten Alternativen. Statt Entfesselung erleben viele Betriebsinhaber:innen eine digitale Gängelung mit Preisbindung – oft in Kombination mit Vertragspflichten, die über Jahre fesseln. Nicht selten gleicht der Markt digitalen Monopolen mit Zwangscharakter, unterstützt durch regulatorische Rückendeckung. Der Befreiungsschlag bleibt aus.

Auch auf personeller Ebene spitzt sich die Lage zu. Der Nachwuchsmangel ist nicht nur Folge von Fachkräftelücken, sondern auch der Überfrachtung durch gesetzliche Anforderungen. Der Zugang zum Beruf wird durch Anerkennungsverfahren, Nachweispflichten und sprachliche Barrieren erschwert. Wer aus dem Ausland kommt, muss nicht nur Nachqualifizierungen bestehen, sondern oft auch über Monate auf Prüfungszulassungen warten – ein Zustand, den selbst integrationswillige Kräfte als abschreckend empfinden. Dass Kammern und Aufsichtsbehörden hier keine klaren Zeitvorgaben, Fristen oder Eskalationsstufen implementieren, ist Ausdruck einer dysfunktionalen Bürokratie ohne Systemverantwortung.

Ein kritischer Blick gilt auch der Standesvertretung. Statt politisch mutig Reformen zu fordern, verlieren sich manche Kammern und Verbände in internen Strukturdebatten oder verteidigen längst überholte Formalismen. Wo ein gemeinsames Vorgehen nötig wäre, dominieren Besitzstandswahrung und Statuskonservatismus. Dabei wäre es an der Zeit, die Rolle der Apotheke neu zu denken – nicht als reglementierten Erfüllungsgehilfen der Kassen, sondern als vertrauenswürdigen Gesundheitsdienstleister mit professioneller Eigenverantwortung. Wer dieser Idee folgen will, muss nicht weniger regeln, sondern besser.

Die Realität der Apothekenpraxis zeigt deutlich: Bürokratie ist keine Nebensache mehr, sondern ein versorgungsgefährdender Risikofaktor. Sie lähmt nicht nur wirtschaftliche Initiative, sondern beschädigt auch die Vertrauensstruktur zwischen Patienten, Apotheken und Politik. Dabei wäre eine kluge Deregulierung kein Kontrollverlust, sondern Ausdruck politischer Reife. Vertrauen ist kein Verwaltungsverzicht, sondern ein regulatorisches Bekenntnis zur Leistung derjenigen, die Verantwortung tragen – Tag für Tag.

 

Versorgungswerk konsolidiert Portfoliostrategie, reduziert Risiken und plant Dynamisierung

Mezzanine-Abbau, Rentenstabilität und neue Anlageausrichtung – Apothekerversorgung SH mit positiver Bilanz 2024

Die Apothekerversorgung Schleswig-Holstein (AVSH) hat nach einem verlustreichen Jahr 2023 die Wende geschafft und 2024 eine positive Nettorendite von 2,16 Prozent erzielt. Das teilte der stellvertretende Geschäftsführer Till Friedrich auf der Kammerversammlung in Kiel mit. Zwar liegt das Ergebnis noch unter dem mittelfristig angestrebten Rechnungszins von 3,2 Prozent, doch Wirtschaftsprüfer Jochen Reinke vom Unternehmen Baker Tilly sprach angesichts der klaren Kurskorrekturen und der risikoorientierten Kapitalstrategie von einem erfolgreichen »Turnaround«. Zentrale Ursache für das Minus im Vorjahr waren massive Wertberichtigungen auf sogenannte Mezzanine-Investments im Immobilienbereich, bei denen das Versorgungswerk als nachrangiger Kapitalgeber eingebunden war. Diese Beteiligungen, die unter der Kategorie »Private Real Estate Debt« fallen, hatten unter der anhaltenden Baukrise erheblich gelitten. Die AVSH hatte 2023 rund 18 Prozent ihrer Anlagen in diesem Segment, reduzierte diesen Anteil inzwischen auf 11 Prozent.

Laut Reinke wird der verbliebene Bestand nun »ruhig und ordnungsgemäß« abgewickelt. Geschäftsführer Stefan Zerres stellte klar, dass zu keinem Zeitpunkt Rentenzahlungen gefährdet gewesen seien. Man habe über ausreichende Rücklagen und kalkulatorische Sicherheiten verfügt, sodass auch größere Abschreibungen ohne Inanspruchnahme von Reserven bewältigt werden konnten. Medienberichte, die eine Schieflage suggerierten, wies der Vorstand entschieden zurück. Man arbeite aktiv an der Wiederherstellung des Vertrauens durch transparente Kommunikation und weitere Mitgliederveranstaltungen.

Zur professionellen Portfoliosteuerung wurde im März 2024 das externe Beratungsunternehmen RMC Risk Management Consulting hinzugezogen, das auch andere Versorgungswerke betreut. Deren Geschäftsführer Herwig Kinzler und Consultant Daniel Sommerer berichteten, dass sämtliche problematischen Mezzanine-Investments überprüft und wo möglich vertraglich nachjustiert wurden. Ziel sei es, Risiken zu begrenzen und – wenn realistisch – Restchancen zu nutzen.

Parallel hat die AVSH die Assetstruktur deutlich angepasst: Der Anteil klassischer Immobilienanlagen wurde leicht von 26 auf 28 Prozent erhöht. Zugleich sank die Aktienquote von 10 auf 5 Prozent – ein Teil der Rendite sei durch frühzeitige Gewinnrealisierung entstanden. Deutlich ausgebaut wurde der Anteil an Rentenpapieren, der als stabiles Rückgrat der Kapitalanlage nun 31 Prozent ausmacht (Vorjahr: 22 Prozent). Zudem wurden festverzinsliche Neuanlagen mit durchschnittlich 4 Prozent Verzinsung getätigt.

Die neue strategische Ausrichtung folgt dem ABV-Leitfaden für berufsständische Versorgungswerke und umfasst auch regelmäßige Stresstests sowie die Planung einer Asset-Liability-Studie im Jahr 2026. RMC-Geschäftsführer Kinzler betonte, dass die Kapitalmärkte zwar instabil, aber grundsätzlich beherrschbar seien. Das Portfolio sei komplex, aber breit gestreut. In der aktuellen Phase stehe Risikominimierung vor Renditemaximierung. Langfristiges Ziel bleibe die Wiederaufnahme einer Dynamisierung von Renten und Anwartschaften – frühestens ab 2027/2028.

Die AVSH versorgt derzeit 4458 Mitglieder. Die Verantwortlichen signalisierten geschlossen, dass das Haus nun wieder auf einem tragfähigen Kurs ist – professionell beraten, risikobewusst gesteuert und mit wachsendem Spielraum für künftige Leistungsverbesserungen.

 

Ungedeckelt, umstritten, unentschieden

Warum Kammerbeiträge die Apotheken polarisieren, was das Düsseldorfer Urteil offenlässt und wie Systemsolidarität neu verhandelt werden muss

Es ist eine der ältesten, gleichzeitig aber auch eine der brisantesten Fragen berufsständischer Organisationen: Wer trägt wie viel zur Selbstverwaltung bei – und wer trägt dabei wen mit? Im Zentrum steht die Apothekerkammer Nordrhein, genauer gesagt ihr Beitragssystem, das mitunter zu Quartalsforderungen im fünfstelligen Bereich führt. Der aktuelle Fall: Ein Apotheker wehrte sich gegen einen aus seiner Sicht überzogenen Kammerbeitrag und rief das Verwaltungsgericht Düsseldorf an. Was folgte, war ein Urteil, das mehr Fragen offenlässt als es beantwortet – aber trotzdem eine finanzielle Konsequenz für die Kammer hat: Sie muss einen Teil ihrer Rücklagen auflösen, obwohl die Grundsatzfrage der Beitragsgerechtigkeit überhaupt nicht geklärt wurde. Das Urteil liest sich wie ein Kompromiss ohne Perspektive. Denn es geht hier längst nicht nur um Euro und Cent, sondern um Systemfragen – und um die Verteilungslogik innerhalb einer Berufsgruppe, die mit wirtschaftlich stark auseinanderdriftenden Betriebsrealitäten kämpft.

Konkret: In Nordrhein orientiert sich die Beitragserhebung der Kammer am Umsatz, und das bedeutet im Extremfall, dass Großbetriebe, etwa mit Zyto-Produktion, Impfstofflogistik oder Heimversorgung, einen deutlich höheren Kammerbeitrag zahlen als klassische Vor-Ort-Apotheken. Das klingt zunächst logisch – große Umsätze, große Verantwortung, große Beiträge. Doch der Teufel steckt im Detail: Nicht jeder Umsatz ist gleich profitabel, nicht jede Apotheke kann ihre Investitionen in Technologie, Personal und Risikoabsicherung so kalkulieren, dass unter dem Strich ein überdurchschnittlicher Gewinn übrig bleibt. Dass nun ausgerechnet diese hochspezialisierten Apotheken, die ohnehin mit erhöhtem Regulierungs- und Sicherheitsaufwand operieren, auch noch eine massive Beitragsschraube zu drehen haben, stößt nicht nur wirtschaftlich, sondern auch strukturell an Grenzen. Die Frage, ob Umsatz wirklich der geeignetste Maßstab ist, bleibt im Raum – und wurde im Urteil nicht beantwortet.

Stattdessen konzentrierten sich die Richter auf die Rücklagenbildung. Die Kammer hatte Rückstellungen aufgebaut, die offenbar deutlich über dem Richtwert von 15 Prozent der erwartbaren Ausgaben lagen. Dieser Richtwert geht auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1990 zurück. Damals legte das Gericht fest, dass eine berufsständische Körperschaft ihre Beitragserhebung verhältnismäßig gestalten und Übererhebungen vermeiden müsse. Übersetzt bedeutet das: Es ist nicht Aufgabe einer Kammer, Finanzpolster auf Vorrat zu horten – sondern sie muss die Beiträge möglichst genau an dem realen Bedarf ausrichten. In Nordrhein heißt das nun: Rücklagen abschmelzen, Beitragssätze kurzfristig senken, finanzielle Entspannung für alle – zumindest vorübergehend.

Doch die strukturelle Schwäche bleibt. Wenn die Kammer künftig größere Investitionen tätigen oder unerwartete Kosten schultern muss – etwa für Digitalisierung, Haftungsschutz, Notdienstinfrastruktur oder Fortbildungsoffensiven –, wird der fehlende Puffer spürbar. Schon jetzt warnt das Management vor Beitragssprüngen, die in unregelmäßigen Abständen auf die Mitglieder zukommen könnten. Das wäre ein System mit Unwägbarkeiten – genau das, was viele Betriebe in der aktuellen Lage nicht brauchen. Denn inmitten von Filialschließungen, Lieferengpässen, Personalmangel und stockenden Honorarverhandlungen ist Planbarkeit zu einem überlebenswichtigen Faktor geworden. Wer da das letzte finanzielle Sicherheitsnetz kappt, sorgt vielleicht kurzfristig für Gerechtigkeit – langfristig aber für Instabilität.

Und dennoch: Die Gerechtigkeitsfrage bleibt zentral. Was ist fair? Was ist solidarisch? Was ist leistungsfähig? Während das Steuerrecht eine progressive Logik verfolgt – hohe Einkommen zahlen überproportional –, setzt die Gesetzliche Krankenversicherung auf eine Beitragsbemessungsgrenze: Wer mehr verdient, zahlt zwar mehr, aber nur bis zu einem gewissen Deckel. Das soll verhindern, dass Gutverdiener massenhaft ins private System abwandern. Und wie halten es die Kammern? Die Antwort ist: uneinheitlich. Während manche auf pauschale Beiträge setzen, differenzieren andere nach Umsatz oder Personalstand. Manche orientieren sich sogar am Gewinn, was betriebswirtschaftlich naheliegt, aber zugleich als unternehmerfeindlich gilt. Denn wer einen hohen Reinvestitionsbedarf hat oder unter schwierigen Marktbedingungen agiert, kann trotz großer Umsätze kaum Gewinn erwirtschaften – und fühlt sich durch eine rein gewinnbezogene Beitragserhebung benachteiligt.

Das alles macht deutlich: Es braucht neue Maßstäbe. Die Kammerbeiträge müssen nicht nur finanzielle Realitäten abbilden, sondern auch die unterschiedlichen Rollen, Risiken und Leistungen innerhalb der Apothekerschaft berücksichtigen. Eine Spezialversorger-Apotheke im onkologischen Bereich übernimmt andere Systemaufgaben als eine kleinstädtische Landapotheke mit hohem Beratungsschwerpunkt. Beide sichern Versorgung – aber auf unterschiedliche Weise. Deshalb darf sich die Frage nach dem „gerechten Beitrag“ nicht allein an Umsatzkennziffern orientieren, sondern muss strukturelle Aspekte, soziale Verantwortung und Systemrelevanz einbeziehen. Nur so lässt sich verhindern, dass die einen sich als Melkkuh fühlen, während die anderen als Trittbrettfahrer gelten.

Die politische Dimension liegt auf der Hand: Wer das Apothekenwesen langfristig stabilisieren will, muss auch innerhalb der Selbstverwaltung neue Balancen schaffen. Der Rückgriff auf starre Pauschalen oder einfache Prozentsätze löst keine Strukturprobleme. Es braucht ein Beitragsmodell, das zugleich planbar, solidarisch und differenziert ist – und das die Vielfalt der Apothekenlandschaft nicht plattbügelt, sondern abbildet. Denn wenn die Großen aussteigen, weil sie sich ungerecht behandelt fühlen, und die Kleinen kollabieren, weil sie unter Kostenlasten zusammenbrechen, verliert das ganze System seine Basis.

Das Urteil aus Düsseldorf hat zwar die Rücklagen in den Mittelpunkt gerückt – die echte Debatte über Gerechtigkeit, Verteilung und Systemverantwortung aber steht erst am Anfang. Vielleicht braucht es ein bundeseinheitliches Modell. Vielleicht aber auch nur mehr Mut zur Differenzierung. Sicher ist: Nur ein solidarisches Beitragsmodell schafft Vertrauen – und das wird angesichts der aktuellen Herausforderungen dringend gebraucht.

 

Apotheken unter Druck: Legalisierungsrisiken, Reformstau, Nachwuchskrise

Kammerpräsident Münch warnt vor der Rolle als Coffeeshop-Ersatz, fordert klare politische Kurskorrekturen und stellt den drohenden Versorgungskollaps ins Zentrum

Während die Politik noch über Strukturreformen debattiert, stehen viele Apotheken längst am Rand der wirtschaftlichen und berufsethischen Belastungsgrenze – so der Tenor der gestrigen Kammerversammlung der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt (AKSA) in Magdeburg. In seiner Grundsatzrede stellte Kammerpräsident Jens-Andreas Münch klar: „Wir stehen immer noch in puncto Honorierung auf dem Stand von 2014“, und die Reformpläne des ehemaligen Gesundheitsministers Lauterbach gehörten nicht in Schubladen, sondern „in den Schredder“. Dass das Bundesgesundheitsministerium bisher nur vage Vorschläge präsentiert habe, verstärke die Unsicherheit unter den Berufsträgern. Die wirtschaftliche Schieflage sei bereits jetzt dramatisch – in Sachsen-Anhalt seien in diesem Jahr bereits zwölf Apotheken geschlossen worden, drei weitere hätten ihre bevorstehende Schließung angekündigt. Gleichzeitig steige durch die demografische Entwicklung der Versorgungsbedarf – doch das politische Handeln bleibe aus.

Scharfe Worte fand Münch zur Cannabis-Legalisierung: „Auch ich halte die Freigabe nach wie vor für falsch.“ Die rechtliche Ausgestaltung sei lückenhaft, die Gesundheitsgefahren nicht wegzudiskutieren. Dass Apotheken in die Rolle von Abgabestellen gedrängt würden, sei inakzeptabel: „Ich werde mich mit Händen und Füßen dagegen wehren, dass Apotheken als Coffeeshops missbraucht werden.“ Das Argument, Apotheker könnten durch ihre Fachkompetenz den Kinder- und Jugendschutz sicherstellen, wies Münch als vorgeschoben zurück: „Dann müssten wir mit derselben Logik auch Alkohol und Tabak vertreiben.“ Die Abgabe reiner Genussmittel sei den Apotheken aus gutem Grund untersagt – alles andere würde das Berufsbild in den Abgrund führen. „Dann sind wir Drogendealer im Kittel – und werden auch so behandelt“, warnte Münch.

Ein weiterer Fokus lag auf dem Thema Versandhandel. Münch erinnerte daran, dass prominente Persönlichkeiten – etwa Günther Jauch – weiterhin für niederländische Versandapotheken werben, während die Vor-Ort-Apotheken unter existenzbedrohenden Bedingungen kämpfen. Die Forderung nach einem Verbot des Rx-Versandhandels sei daher aktueller denn je. Politik und Öffentlichkeit müssten daran erinnert werden, dass wirtschaftliche Stärkung der Apotheken mit regulatorischen Entscheidungen beginne. Dazu gehöre auch eine faire, planbare und gesetzlich fixierte Honoraranpassung, betonte Münch. Der Koalitionsvertrag enthalte zwar erstmals eine Vielzahl apothekenbezogener Punkte – darunter das Fixum und mögliche Zuschläge für Landapotheken –, doch diese müssten gesetzlich konkretisiert werden. Unterschiedliche Preise dürften dabei nicht entstehen, um die Preisbindung nicht zu gefährden.

Münch warnte eindringlich vor dem Glauben, der GKV-Spitzenverband werde freiwillig zu einem auskömmlichen Vergütungsmodell beitragen: „Es steht dabei sicher nicht zu befürchten, dass der GKV-SV uns freigiebig mit Geld überschütten wird.“ Umso wichtiger sei eine gesetzlich präzise Definition der Spielregeln für die künftige Honoraranpassung. Immerhin könne man dann – trotz aller Auseinandersetzungen – wenigstens erwarten, dass das Thema regelmäßig „auf den Tisch“ komme, statt erneut ein Jahrzehnt in der Warteschleife zu verharren.

Mit vorsichtiger Hoffnung blickte Münch auf die neue Gesundheitsministerin Nina Warken. Dass sie bislang gesundheitspolitisch nicht vorbelastet sei, könne sich als Vorteil erweisen – vorausgesetzt, sie sei für Sachargumente offen. Ihre geplante Teilnahme am Deutschen Apothekertag deutete auf Dialogbereitschaft hin – ein Signal, das in der Standespolitik zuletzt schmerzlich vermisst worden sei.

Geschäftsführerin Michaela Gbur ergänzte die Analyse um eine sozial- und personalpolitische Perspektive. Positiv hob sie hervor, dass Sachsen-Anhalt im Bundesvergleich die höchste Apothekendichte aufweise – mit 26 Apotheken pro 100.000 Einwohner:innen – und dass 57,3 Prozent der dort tätigen Apotheker:innen unter 45 Jahre alt seien. Doch das ändere nichts am Fachkräftemangel. PTA-Nachwuchs sei kaum noch zu gewinnen, und viele Schüler:innen scheiterten an Prüfungen – insbesondere aus sprachlichen Gründen. In Halle bestünden von 28 Prüflingen nur 16, in Magdeburg gar nur sechs. Die AKSA wolle hier gegensteuern und sei auf Berufsmessen präsent, um Schüler:innen frühzeitig für pharmazeutische Berufe zu interessieren. Zugleich appellierte Gbur an die Apotheken, verstärkt pharmazeutische Dienstleistungen anzubieten – nicht nur als Versorgungsinstrument, sondern auch als strategisches Mittel zur Nachwuchsgewinnung: „Ich weiß, es ist zeitintensiv – aber was tun wir nicht alles für den Nachwuchs.“

Dagmar Stein und Katrin Pohl berichteten zur PTA-Situation und zur Öffentlichkeitsarbeit, Lars-Alexander Mohrenweiser präsentierte solide Zahlen zur Jahresrechnung. Insgesamt spiegelte die Versammlung einen Berufsstand wider, der um seine wirtschaftliche Basis, seine ethische Integrität und seine Nachwuchsfähigkeit kämpft – und dabei zunehmend das Gefühl hat, zwischen politischen Planspielen, gesellschaftlichen Legitimationsdefiziten und struktureller Überforderung aufgerieben zu werden.

 

Verantwortung wird verdrängt, Kritik wird konkreter, Aufarbeitung wird gefordert

Wie Jens Spahn unter öffentlichem Druck gerät, der Maskenskandal neue Fragen aufwirft und die Pandemiepolitik der CDU zum Risiko wird

Der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sah sich am gestrigen Abend gleich in zwei öffentlichkeitswirksamen Sendungen mit massiver Kritik konfrontiert: Bei »Markus Lanz« im ZDF sowie im nachfolgenden »heute journal« wurde er mit zentralen Vorwürfen aus dem aktuellen Bundesrechnungshof-Sonderbericht zur Corona-Maskenbeschaffung konfrontiert. Dabei zeigte sich deutlich, wie stark die politischen Altlasten der Pandemiezeit noch immer nachwirken – insbesondere bei der Frage nach Verantwortung, Transparenz und haushalterischer Sorgfalt.

Spahns Auftritt bei Lanz verlief sichtlich angespannt. Moderator Markus Lanz griff die Recherchen aus dem Sonderbericht frontal auf: Rund sechs Milliarden Euro sollen im Zuge der pandemischen Notbeschaffungen für Masken ausgegeben worden sein – mit in Teilen zweifelhaftem Nutzen und teils vollständigem Verfall im Lager. Der Rechnungshof wirft dem Gesundheitsministerium unter Spahns Leitung mangelnde Wirtschaftlichkeit, unzureichende Dokumentation und ein »vollständig entgrenztes« Einkaufsverhalten vor. Spahn verwies mehrfach auf die dramatische Lage im Frühjahr 2020, betonte die Notwendigkeit sofortiger Verfügbarkeit von Schutzmaterialien und wies den Eindruck zurück, es sei verantwortungslos agiert worden. Doch die Rückfragen blieben hartnäckig – insbesondere zum Thema der sogenannten »Open-House-Verträge«, die es Hunderten teils dubiosen Anbietern ermöglichten, Masken zu teils absurd hohen Preisen an den Staat zu verkaufen.

Brisant wurde es, als Lanz nach konkreten Einzelentscheidungen fragte, unter anderem zur Rolle des damaligen CSU-Ministers Andreas Scheuer, der bei der Logistik eine umstrittene Rolle spielte. Spahn wich mehrfach aus, berief sich auf das damalige »Ringen um jede Maske« und verwies auf die Verantwortung der Beschaffungsstrukturen im BMG, insbesondere auf das nachgelagerte Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS). Doch mit jeder Minute wurde deutlicher: Die politische Verantwortung für den millionenfachen Ankauf nicht geprüfter, fehlerhafter oder nicht genutzter Masken lastet schwer auf dem früheren Minister – auch weil es bis heute keine echte politische oder juristische Aufarbeitung dieser Beschaffungspraxis gegeben hat.

Im »heute journal« wurde Spahn noch direkter mit Vorwürfen aus dem Rechnungshofbericht konfrontiert. Die Journalistin Marietta Slomka legte nach: Warum habe das Ministerium 2021, als der Markt sich längst beruhigt hatte, weiter in diesem Modus gearbeitet? Warum wurden bis weit ins Jahr Masken zu Höchstpreisen abgenommen, obwohl längst absehbar war, dass diese weder benötigt noch qualitätsgesichert verwendet werden konnten? Spahns Antwort wirkte fahrig: Man habe im Nachhinein vieles besser machen können, müsse aber auch die damalige Ausnahmesituation berücksichtigen. Der Vorwurf des strukturellen Staatsversagens wies er entschieden zurück – doch auch hier blieb die Erklärung schuldig, warum zentrale Akten noch immer nicht vollständig vorliegen und interne Prüfprozesse offenbar systematisch ausgesetzt wurden.

Besonders kritisch wurde Spahn für seine Äußerung zur Eigenverantwortung im Rückblick bewertet. Er sagte: »Ich habe in dieser Zeit mein Bestes gegeben und bin jeden Tag an meine Grenzen gegangen.« Doch genau diese Formulierung wurde von Beobachtern als Versuch gewertet, sich einer klaren Verantwortung zu entziehen. Während das Vertrauen in staatliche Institutionen in weiten Teilen der Bevölkerung massiv gelitten hat, wirken solche Rückzugsformeln wie eine Nebelkerze. Auch innerhalb der CDU rumort es: Parteiintern mehren sich Stimmen, die eine offenere Aufarbeitung der Corona-Zeit fordern – gerade im Hinblick auf Spahns Ambitionen auf höhere Parteiämter.

Neben der finanziellen Dimension – laut Bericht könnten bis zu 2 Milliarden Euro endgültig abgeschrieben werden – stehen auch politische und ethische Fragen im Raum: Wer entschied über Lieferungen, wer profitierte, wer wurde begünstigt? Besonders brisant: Die Rolle einzelner Bundestagsabgeordneter, die offenbar Kontakte zwischen Anbietern und Ministerium vermittelten, bleibt weiter ungeklärt. Spahn kündigte gestern an, »alle offenen Fragen im Rahmen des Untersuchungsausschusses« beantworten zu wollen – doch bis heute fehlt es an lückenloser Transparenz.

In der Öffentlichkeit wird der Eindruck zunehmend gefestigt, dass die Maskenaffäre kein Einzelfall politischer Betriebsamkeit war, sondern Symptom eines grundlegend überforderten Systems, das in der Krise Regeln außer Kraft setzte – ohne Absicherung, Nachprüfung oder politische Kontrolle. Dass Jens Spahn in dieser Gemengelage als Fraktionsvize der CDU im Bundestag weiter Einfluss auf gesundheitspolitische Themen nimmt, empfinden viele als Widerspruch zur Aufarbeitungspflicht.

Die Opposition zeigt sich entsprechend scharf: Die Grünen fordern eine umfassende parlamentarische Aufklärung, die Linke spricht von einem »Pandemie-Kapitalismus« und verlangt rückhaltlose Offenlegung aller politischen Entscheidungswege. Die AfD nutzt den Fall, um ihre generelle Systemkritik zu befeuern, während selbst aus der SPD mahnende Stimmen laut werden, der Untersuchungsausschuss dürfe kein parteipolitisches Feigenblatt werden.

Unterm Strich bleibt nach dem gestrigen Fernsehabend ein klares Bild: Jens Spahn ist zurück auf der politischen Bühne – aber nicht als Gestalter, sondern als politischer Protagonist in einem der teuersten und unübersichtlichsten Kapitel der deutschen Pandemiegeschichte. Die Frage, wie viel Aufarbeitung, Verantwortung und Konsequenz noch möglich ist, steht seit gestern neu im Raum. Und mit ihr die Frage: Wie viele Masken braucht es, um Transparenz zu vernebeln?

 

Politiker im Apothekenalltag, Arzneimittelherstellung im Fokus, Vergütung auf dem Prüfstand

CDU-Abgeordnete aus Sachsen und NRW setzen mit Hospitationen in Vor-Ort-Apotheken Zeichen gegen das Apothekensterben und plädieren für strukturelle Reformen

Zwei CDU-Abgeordnete haben in dieser Woche mit Besuchen in Apotheken ihrer Wahlkreise ein deutliches politisches Signal gesetzt: Sie wollen dem anhaltenden Apothekensterben nicht länger tatenlos zusehen. Rick Ulbricht, Mitglied des Sächsischen Landtages und des Gesundheitsausschusses, absolvierte am Dienstag eine Hospitation in der Leipziger Arkana Apotheke. Dort erhielt er detaillierte Einblicke in die patientenindividuelle Herstellung hochwirksamer Arzneimittel, insbesondere im Bereich der Zytostatika. Der Besuch offenbarte nicht nur die immense sicherheitstechnische und fachliche Komplexität der Prozesse, sondern auch die Rolle der Apotheke als unverzichtbarer Teil der wohnortnahen Gesundheitsversorgung. Ulbricht würdigte die Leistung der Apothekenteams und mahnte zugleich, dass politische Weichenstellungen zwingend die Sicherung der flächendeckenden Apothekenstruktur ins Zentrum rücken müssten.

Unterstützung erhielt Ulbricht durch den Vorsitzenden des Sächsischen Apothekerverbandes (SAV), Thomas Dittrich, der in der Hospitation ein „ermutigendes Signal“ für mehr Realismus in der gesundheitspolitischen Debatte sah. Die strukturellen und wirtschaftlichen Belastungen seien erheblich, so Dittrich, und nur durch konsequente Reformen zu bewältigen. Persönliche Einblicke wie dieser Besuch seien unverzichtbar, um Fehlsteuerungen in der politischen Wahrnehmung entgegenzuwirken.

Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Joachim Ebmeyer setzt auf den unmittelbaren Dialog mit den Apotheken. Bei einem Termin in Herford, Nordrhein-Westfalen, sprach er mit Jens Kosmiky vom Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) über die Ursachen des Apothekenrückgangs. In der anschließenden Mitteilung des Verbandes betonte Ebmeyer, die schwarz-rote Koalition habe die Dringlichkeit der Lage erkannt. Erste Maßnahmen wie eine Anhebung der Vergütung pro Arzneimittelpackung seien im Koalitionsvertrag verankert – ein Schritt in die richtige Richtung, aber bei weitem nicht ausreichend. Erforderlich sei ein massiver Bürokratieabbau, um wirtschaftliche Handlungsspielräume wiederherzustellen und die Versorgung dauerhaft zu sichern.

Die Besuche zeigen exemplarisch, wie wichtig persönliche Begegnungen und Einblicke in die Praxis für die politische Meinungsbildung sein können. Während sich viele Apotheken mit steigenden Betriebskosten, Nachwuchsmangel und sinkender Honorierung konfrontiert sehen, reichen pauschale Reformversprechen nicht aus. Es braucht gezielte, handhabbare und vor allem unbürokratische Schritte zur Stärkung der Apothekenstruktur – besonders im ländlichen Raum. Die CDU-Politiker senden mit ihrer Präsenz ein Signal, doch zwischen Gespräch und Gesetzgebung liegt ein weiter Weg.

Apothekenleiterinnen und -leiter hoffen nun, dass aus politischer Aufmerksamkeit auch politische Konsequenz erwächst. Die ABDA begrüßte die Besuche ausdrücklich, ebenso die Landesverbände in Sachsen und NRW. In der öffentlichen Wahrnehmung stellen Apotheken oft nur eine Alltagsinfrastruktur dar – doch gerade die individuelle Herstellung etwa von Zytostatika unter höchsten hygienischen Standards zeigt, wie hochspezialisiert und verantwortungsvoll der Apothekenberuf heute ist.

Inmitten wirtschaftlicher Unsicherheit und regulatorischer Überforderung sind Besuche wie die von Ulbricht und Ebmeyer ein wichtiger Schritt, um Verständnis, Rückhalt und Handlungsdruck zu erzeugen. Sie können allerdings nur der Auftakt sein – denn ohne konkrete Anpassungen bei Vergütung, Bürokratie, Nachwuchsgewinnung und rechtlichen Rahmenbedingungen wird das Apothekensterben nicht zu stoppen sein.

 

Kliniken als Schlüsselakteure im Kampf gegen K.-o.-Tropfen

Universitätskliniken professionalisieren Opferschutz, warnen vor Dunkelziffer und fordern rechtliche Nachschärfung beim GBL-Zugang

K.-o.-Tropfen, oft gleichgesetzt mit GBL, GHB oder „Liquid Ecstasy“, sind ein ebenso bekanntes wie gefährliches Phänomen an der Schnittstelle zwischen Drogenmissbrauch, Sexualdelikten und rechtlicher Grauzone. Während die chemischen Substanzen ursprünglich als industrielle Lösungsmittel entwickelt wurden, hat sich ihr Missbrauch in Nachtleben und Partyszene längst als gesellschaftliches Problem etabliert. Die unsichtbare, oft folgenreiche Wirkung trifft überwiegend Frauen – die überfallartig eintretende Bewusstlosigkeit oder Erinnerungslücke („Filmriss“) macht Betroffene zu wehrlosen Opfern. Kliniken rücken deshalb zunehmend in den Fokus – nicht nur als erste Anlaufstelle in der Akutphase, sondern auch als aktive Akteure im Opferschutz und der Beweissicherung.

Der politische Wille zum Handeln ist zwar artikuliert, jedoch oft halbherzig umgesetzt. So sieht ein aktueller Gesetzentwurf zur Änderung des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes (NpSG) vor, den Versandhandel mit GBL und GHB einzuschränken und die Weitergabe an Minderjährige zu verbieten. Die ABDA äußerte dazu bereits Bedenken: Der legale stationäre Handel für Erwachsene bleibe unangetastet – und öffne potenziell weiter Tür und Tor für Missbrauch. Die Bundesvereinigung verweist darauf, dass eine wirksame Prävention nur möglich ist, wenn auch der Zugang durch Erwachsene auf das notwendige Maß beschränkt werde. Gerade im Kontext der Istanbul-Konvention, die seit 2018 auch Deutschland zur aktiven Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt verpflichtet, zeigt sich die Notwendigkeit eines umfassenderen Schutzkonzepts.

Ein solches Schutzkonzept beginnt heute nicht mehr erst im Gerichtssaal oder beim polizeilichen Ermittler, sondern unmittelbar im Klinikalltag. Das Universitätsklinikum Augsburg dokumentierte in den letzten neun Monaten 22 Fälle, in denen Frauen nach mutmaßlichem Einsatz von K.-o.-Tropfen medizinisch versorgt wurden. Der verantwortliche Arzt der Gewaltschutzambulanz, Jonas Bubmann, schildert, dass regelmäßig Blut- und Urinproben sofort eingefroren werden – da die Substanzen nur wenige Stunden im Körper nachweisbar sind, sei das Timing essenziell für eine spätere Strafverfolgung. Gerade weil sich viele Betroffene erst verzögert an Polizei oder Rechtsmediziner wenden, komme Kliniken eine zentrale Rolle zu – nicht nur medizinisch, sondern auch rechtspraktisch.

Einen ähnlichen Weg geht das Universitätsklinikum Ulm mit dem Projekt „Kampf dem K.O.“, das gemeinsam mit dem städtischen Team für Chancengerechtigkeit und Vielfalt umgesetzt wird. Seit Anfang 2024 nimmt das Institut für Rechtsmedizin bei Verdachtsfällen routinemäßig gerichtsverwertbare Proben. Ziel ist es, den Opferschutz durch frühzeitige Spurensicherung zu verbessern – unabhängig davon, ob das Opfer sich sofort zu einer Anzeige entschließt. Dabei geht es nicht nur um Strafverfolgung, sondern auch um ein Signal: Kliniken stehen an der Seite der Opfer – professionell, nicht paternalistisch.

Die Substanzen selbst sind tückisch in ihrer Wirkung und Dosierung. Die Deutsche Aidshilfe beschreibt GHB in geringen Mengen als alkoholähnlich, in höheren Mengen als stark enthemmend – mit sexualisierter Wirkung. Ab einer Dosis von 1,8 Millilitern könne es zu Bewusstlosigkeit kommen, ab 3 Millilitern bestehe akute Lebensgefahr. Besonders brisant ist dabei die Möglichkeit der freiwilligen Einnahme im Partykontext: Die Grenze zwischen Konsum, Selbstgefährdung und gezielter Straftat verschwimmt – nicht nur für die Nutzer:innen, sondern auch für Polizei, Gerichte und Mediziner:innen. Die Tatsache, dass GBL als Vorprodukt in zahlreichen Industrien legal gehandelt wird, erschwert jede Form der Nachverfolgung. Die Website ko-tropfenonline.de ist nur ein Beispiel für die Leichtverfügbarkeit – mit scheinbar legalem Hintergrund.

Das European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction (EMCDDA) dokumentiert die steigende Relevanz von GHB und GBL in Klinikdaten. Im Jahr 2022 gehörten die Substanzen zu den vier häufigsten Partydrogen, die in 32 europäischen Kliniken bei akuten Intoxikationen festgestellt wurden. Insgesamt meldeten 17 Länder über 1.500 Sicherstellungen mit einem Gesamtvolumen von 114 Kilogramm und rund 800 Litern. Doch trotz dieser Zahlen bleibt die statistische Erfassung auf deutscher Ebene lückenhaft. Die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik führt K.-o.-Tropfen nicht gesondert auf – zu unklar sei die Beweislage in vielen Fällen. Die Dunkelziffer sei „enorm“, heißt es offiziell. Und auch die wenigen Präventionskampagnen bleiben oft wirkungslos: Laut einer Charité-Studie mangelt es an zielgruppenspezifischer Ansprache, insbesondere für Konsument:innen, die die Substanz freiwillig einnehmen. Der Fokus auf „Spiking“ greife zu kurz.

Hier setzt die Forderung nach einem neuen Präventionsverständnis an: Kliniken können eine Art Frühwarnsystem darstellen, wenn ihre Fälle systematisch dokumentiert, gemeldet und ausgewertet werden. Zudem braucht es rechtlich verbindliche Standards für die Spurensicherung bei Verdachtsfällen. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe hatte bereits 2022 auf bundesweit fehlende Standardprotokolle hingewiesen. Auch bei Schulungen von Klinikpersonal gibt es noch deutliche Lücken – sowohl in der medizinischen Praxis als auch im Umgang mit betroffenen Personen.

Gleichzeitig bleibt die juristische Aufarbeitung ein heikles Terrain: Die Kombination aus kurzer Nachweisbarkeit, Erinnerungslücken und oft fehlenden Zeug:innen macht die Beweisführung in Prozessen kompliziert. Viele Fälle verlaufen im Sande oder werden gar nicht erst angezeigt. Umso wichtiger ist der Schulterschluss zwischen medizinischen Einrichtungen, Polizei und Justiz. Das Einfrieren von Proben stellt dabei keine bloße Vorsichtsmaßnahme dar, sondern eine aktive Strategie für Rechtssicherheit – im Interesse der Betroffenen, aber auch zur Abschreckung potenzieller Täter.

Unterm Strich zeigt sich: Kliniken sind längst mehr als passive Behandlungsorte. Sie werden zu aktiven Knotenpunkten im gesellschaftlichen Umgang mit einem schwer greifbaren, aber gefährlichen Phänomen. Der Schlüssel liegt in der Interdisziplinarität – medizinisch, juristisch, sozial. Wo der Gesetzgeber bislang zögert, übernehmen einige Universitätskliniken bereits Verantwortung – als Vorreiter für einen systematischeren Opferschutz und als Mahner für eine realistischere Drogenpolitik.

 

Adipositas-Chirurgie als sensibles pharmazeutisches Feld

Stationsapotheker stabilisieren postoperative Therapien, sichern Wirkstoffumstellungen ab und begleiten Supplementationskonzepte interdisziplinär

Die Versorgung von Patienten nach adipositaschirurgischen Eingriffen ist eines der komplexesten Felder der klinischen Pharmazie – sowohl in medizinischer als auch in pharmazeutischer Hinsicht. Eingriffe wie der Roux-en-Y-Magenbypass oder die Schlauchmagenresektion verändern die Anatomie und Physiologie des Verdauungstrakts tiefgreifend. Diese Veränderungen betreffen nicht nur die Nährstoffaufnahme, sondern auch den Metabolismus, die Resorption und die Bioverfügbarkeit von Arzneistoffen. In dieser Situation gewinnt die Rolle der Stationsapotheker massiv an Bedeutung: Sie sind nicht nur Berater, sondern auch aktive Mitgestalter einer sicheren, wirksamen und individualisierten Arzneimitteltherapie im Krankenhaus. Ihre Expertise wird insbesondere dann unentbehrlich, wenn polymorbide Patienten mit Mehrfachmedikation betreut werden, bei denen sowohl arzneimittelbezogene Probleme als auch supplementationspflichtige Defizite absehbar sind. Die Integration der pharmazeutischen Perspektive in das interdisziplinäre Behandlungsteam steigert nicht nur die Therapiesicherheit, sondern auch die Nachhaltigkeit der chirurgischen Maßnahme.

Bereits in der prästationären Phase beginnt die Arbeit des Stationsapothekers mit der strukturierten Analyse der Vormedikation. Ziel ist es, potenziell kritische Arzneistoffe zu identifizieren, die prä- oder perioperativ pausiert oder angepasst werden müssen. Besonders kritisch sind Wirkstoffe mit enger therapeutischer Breite, starker pH-Abhängigkeit oder galenischen Besonderheiten – etwa Retardpräparate, magensaftresistente Tabletten oder Formulierungen mit verzögerter Wirkstofffreisetzung. Auch Interaktionen mit Anästhetika, Narkosemitteln oder Schmerzmitteln sind im Vorfeld zu berücksichtigen. Die erste Medikationsanalyse zielt also nicht allein auf Sicherheit, sondern auch auf Antizipation: Welche Arzneiformen sind postoperativ noch sinnvoll? Welche Stoffe müssen substituiert, flüssig verabreicht oder durch andere Wirkmechanismen ersetzt werden?

Ein zentrales Problemfeld ist die Resorptionsstörung: Nach bariatrischen Eingriffen ändern sich nicht nur Magenvolumen und Transitzeit, sondern auch die Kontaktzeit des Wirkstoffs mit dem Darmepithel. Fettlösliche Wirkstoffe, pH-labile Substanzen oder Wirkstoffe mit geringer therapeutischer Breite sind besonders gefährdet. Zusätzlich verändern sich im Rahmen der postoperativen Gewichtsabnahme häufig die pathophysiologischen Ausgangslagen: Ein Typ-2-Diabetes kann remittieren, ein Hypertonus kann sinken, eine Dyslipidämie kann sich normalisieren – mit direkten Konsequenzen für die Dosierung und Zielwerte der Therapie. Auch psychiatrische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen unterliegen teils massiven Schwankungen. Der Umgang mit Antidepressiva, Neuroleptika oder angstlösenden Substanzen erfordert eine enge Abstimmung mit der ärztlichen Leitung. Die Stationsapotheker sind hier nicht bloße Zuarbeiter, sondern evidenzbasierte Entscheidungspartner.

Die aktive Umstellung der Medikation erfolgt auf Grundlage einer detaillierten pharmazeutischen Bewertung. Dabei fließen nicht nur Literaturdaten, Leitlinienempfehlungen und galenische Machbarkeiten ein, sondern auch praktische Erfahrungswerte aus dem interdisziplinären Team. In vielen Fällen werden Retardformulierungen auf sofort freisetzende Tabletten oder flüssige Darreichungsformen umgestellt. Manche Wirkstoffe müssen komplett ersetzt werden, weil ihre Resorption im veränderten Gastrointestinaltrakt nicht mehr gewährleistet ist. Ergänzend kommt es zur Anpassung von Dosisintervallen, insbesondere bei Substanzen mit Gewichtskorrelation. Neben der Medikationsanpassung nehmen die Apotheker auch beratende Funktionen ein – sowohl für das Team als auch für die Patienten. Dies betrifft die Vitamin- und Spurenelementsupplementation ebenso wie den kritischen Umgang mit nicht verschreibungspflichtigen Präparaten, die postoperativ nicht mehr vertragen oder resorbiert werden.

Ein Fallbeispiel verdeutlicht die Breite der pharmazeutischen Intervention: Ein 45-jähriger Patient mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus Typ 2, Hypothyreose und rezidivierender Depression wurde zur bariatrischen Operation stationär aufgenommen. Bereits im Vorgespräch wurden mehrere potenziell problematische Medikamente identifiziert. Postoperativ kam es nach Absprache mit dem ärztlichen Team zur schrittweisen Dosisreduktion der Insulintherapie, zur Umstellung des Schilddrüsenpräparats auf eine flüssige Formulierung sowie zur Substitution des Antidepressivums durch eine sofort lösliche Tropfenlösung. Parallel wurden die Schilddrüsenwerte engmaschig kontrolliert und die psychiatrische Begleittherapie regelmäßig überprüft. Für die Entlassung erhielt der Patient ein individuell zusammengestelltes Informationspaket mit Empfehlungen zur Nährstoffsupplementation, zur Vermeidung kritischer OTC-Produkte und zu bewährten Verhaltensregeln bei Magenunverträglichkeiten.

Pharmazeutische Betreuung endet jedoch nicht mit der Entlassung: Gerade in der Nachsorge spielt die begleitende Beratung eine entscheidende Rolle. Supplementationspläne, Interaktionschecks mit neu verordneten Arzneimitteln und wiederkehrende Evaluierungen der Wirksamkeit und Verträglichkeit sind notwendig, um Rehospitalisierungen zu vermeiden. Eine durchgängige pharmazeutische Linie – von der Prämedikation bis zur Langzeitnachsorge – erhöht nicht nur die Patientensicherheit, sondern auch die Zufriedenheit aller Beteiligten. Die Adipositas-Chirurgie ist in diesem Sinne ein Lehrbeispiel für die Relevanz der klinischen Pharmazie im Krankenhaus: Dort, wo sich anatomische Realität, physiologische Ausnahmesituation und arzneimittelbezogene Risiken überschneiden, beginnt das eigentliche Arbeitsfeld der pharmazeutischen Intelligenz.

Angesichts steigender Zahlen bariatrischer Eingriffe, wachsender Multimorbidität und zunehmender Selbstmedikation im häuslichen Umfeld ist die strukturelle Integration von Stationsapothekern kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Ihre Fähigkeit, evidenzbasiert, patientenzentriert und interdisziplinär zu agieren, macht sie zu einem unersetzlichen Bestandteil moderner Krankenhausversorgung. Wer heute über Versorgungssicherheit spricht, muss die pharmazeutische Perspektive einschließen – gerade dort, wo Operation, Stoffwechsel und Medikationsrealität aufeinanderprallen.

 

Mikroplastik erreicht das Herz, unterwandert die Ernährung, verschärft chronische Risiken

Warum Kunststoffpartikel in Küstenregionen mit Diabetes und Herzkrankheit korrelieren, wie sich Mikroplastik über Nahrung und Trinkwasser verbreitet und welche Fragen Forscher jetzt dringlich klären müssen

Die Belastung durch Mikroplastik ist längst nicht mehr nur ein ökologisches Problem – sie entwickelt sich zur potenziellen Gesundheitsgefahr mit systemischer Wirkung. Eine neue US-amerikanische Auswertung zeigt erstmals einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der Mikroplastikbelastung mariner Lebensräume und dem Auftreten chronischer Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes und koronarer Herzkrankheit. Besonders alarmierend: Die Unterschiede in der Prävalenz der untersuchten Krankheiten zwischen Regionen mit geringer und sehr hoher Mikroplastikbelastung sind so gravierend, dass die Frage nach kausalen Zusammenhängen drängender wird – auch wenn der Nachweis individueller Aufnahmemengen bislang fehlt.

Untersucht wurden im Rahmen der im „Journal of the American Heart Association“ veröffentlichten Studie 152 Küstenbezirke entlang von Atlantik, Pazifik und dem Golf von Mexiko. Die Wissenschaftler erfassten die durchschnittlichen Konzentrationen von Mikroplastikpartikeln im Meer innerhalb eines Umkreises von 200 Seemeilen pro Bezirk und ordneten die Werte in vier Belastungsstufen ein – von unter 0,005 bis über 10 Partikel pro Kubikmeter Meerwasser. Parallel dazu wurden Gesundheitsdaten der lokalen Bevölkerung analysiert, die 2022 im Rahmen einer groß angelegten CDC-Auswertung erhoben worden waren. Der Abgleich offenbarte eine deutliche Tendenz: Je höher die Umweltbelastung mit Mikroplastik, desto häufiger traten metabolische und kardiovaskuläre Erkrankungen auf.

Konkret zeigte sich in Regionen mit sehr hoher Verschmutzung eine um 18 Prozent höhere Prävalenz von Typ-2-Diabetes und eine um 7 Prozent häufigere koronare Herzkrankheit im Vergleich zu Regionen mit minimaler Belastung. Auch das Schlaganfallrisiko war um 9 Prozent erhöht. Diese Unterschiede blieben auch bestehen, nachdem klassische Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht, sozioökonomischer Status und Lebensstil kontrolliert wurden. Die Korrelation lässt damit einen eigenständigen Einfluss von Umweltfaktoren wie Mikroplastikbelastung vermuten – auch wenn die Beweisführung für einen direkten kausalen Mechanismus noch aussteht.

Ein zentrales Problem der bisherigen Studienlage ist der Nachweispfad. Zwar ist bekannt, dass Mikroplastik über Fisch und Meeresfrüchte in den menschlichen Verdauungstrakt gelangen kann. Hinzu kommt der Eintrag aus dem Meer in Küsten-Grundwassersysteme, der wiederum Trinkwasserquellen kontaminiert. In Regionen mit hoher mariner Mikroplastikdichte steigt damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass Kunststoffe über Umwege in die Nahrungs- und Wasserversorgung gelangen – mit bislang unklaren physiologischen Folgen. Besonders die Kombination aus regelmäßiger Exposition und fehlenden Ausscheidungsmechanismen könnte zum Problem werden, sollten sich Partikel in Organen oder Blutgefäßen ablagern.

Die Studienautoren fordern daher eine Intensivierung interdisziplinärer Forschung. Insbesondere müsse geklärt werden, ab welchen Konzentrationen Mikroplastik toxisch wirkt, ob sich Partikel in bestimmten Geweben bevorzugt anreichern und welche chronischen Entzündungsprozesse dadurch angestoßen werden. Hinweise aus Tiermodellen deuten bereits auf endotheliale Irritationen, hormonelle Dysregulationen und immunologische Veränderungen hin. Ob diese Mechanismen beim Menschen ebenfalls greifen, ist Gegenstand laufender Untersuchungen.

Aus Public-Health-Perspektive markiert die neue Analyse einen Wendepunkt: Sie stellt Mikroplastik nicht länger nur als Umweltproblem dar, sondern positioniert es als möglichen Risikofaktor für die Zivilisationskrankheiten unserer Zeit. Die Tatsache, dass vor allem in vulnerablen Küstenregionen mit ohnehin höherer Krankheitslast diese Belastung zusätzlich auftritt, verschärft den Handlungsdruck. Die politische und regulatorische Dimension ist dabei nicht zu unterschätzen – denn während die Forschung die Langzeitfolgen noch erkundet, verschmutzen globale Lieferketten, industrielle Plastikproduktion und mangelhafte Abwasserregulierung weiterhin ungebremst die marinen Lebensräume.

Mikroplastik, so zeigt sich, ist nicht nur ein ökologisches Erbe des Anthropozäns, sondern womöglich auch ein unterschätzter Treiber chronischer Erkrankungen. Die Zukunftsfrage lautet daher nicht nur, wie wir Plastik aus den Meeren holen – sondern wie wir seine Spuren aus unseren Körpern fernhalten.

 

Fastenmuster beeinflussen Wirkung, Kalorienreduktion bleibt stabil, klinischer Erfolg bleibt begrenzt

Wie Intervallfasten in der Metaanalyse abschneidet, warum Alternieren etwas mehr bringt und wieso professionelle Unterstützung entscheidender ist als die Methode

Intervallfasten hat sich in der öffentlichen Wahrnehmung als effektive Abnehmstrategie etabliert – doch wie gut funktioniert es im Vergleich zu klassischer Kalorienrestriktion wirklich? Eine neue Metaanalyse, die diese Woche im British Medical Journal veröffentlicht wurde, liefert eine systematische Bewertung anhand von 99 Studien mit insgesamt 6.582 Erwachsenen mit Übergewicht. Zwei Drittel der Teilnehmenden waren weiblich, das Durchschnittsalter lag bei 45 Jahren, der mittlere Body-Mass-Index bei 31. Knapp 90 Prozent litten unter gesundheitlichen Vorerkrankungen. Die Interventionsdauer variierte zwischen drei und 52 Wochen, im Schnitt lag sie bei rund zwölf Wochen.

Analysiert wurden verschiedene Formen des intermittierenden Fastens, darunter das zeitlich begrenzte Essen (z. B. 16:8), das alternierende Fasten (Wechseltage zwischen Fasten und normalem Essen) sowie das ganztägige Fasten an bestimmten Wochentagen (z. B. 5:2-Methode). Diese wurden mit klassischer kontinuierlicher Kalorienrestriktion sowie mit uneingeschränkter Ernährung verglichen. Das zentrale Ergebnis: Sowohl Fastenstrategien als auch herkömmliche Diäten führten zu einem moderaten Gewichtsverlust gegenüber einer unregulierten Ernährung, doch die Unterschiede zwischen den Methoden blieben insgesamt gering.

Nur das alternierende Fasten konnte einen minimalen Vorteil gegenüber der Kalorienreduktion erzielen: Die mittlere Differenz betrug minus 1,29 Kilogramm. Auch gegenüber anderen Fastenformen war dieser Effekt leicht ausgeprägter (bis zu 1,69 kg Unterschied). Doch kein Ansatz überschritt die von den Studienautoren definierte Mindestgrenze für klinisch relevante Wirksamkeit von 2 Kilogramm. Zudem traten messbare Vorteile nur dann auf, wenn das Fasten über einen Zeitraum von mindestens 24 Wochen durchgeführt wurde – eine Dauer, die in vielen Studien nicht erreicht wurde.

Auch bei den kardiometabolischen Parametern zeigten sich leichte Unterschiede: So war das alternierende Fasten mit einer stärkeren Reduktion von Gesamt- und LDL-Cholesterin verbunden. Demgegenüber führte das zeitlich begrenzte Essen zu keinem Vorteil und war in Bezug auf Cholesterin sogar nachteilig gegenüber dem ganztägigen Fasten. Bei Blutzuckerwerten und HDL-Cholesterin ließ sich hingegen bei keiner der untersuchten Strategien ein signifikanter Unterschied feststellen.

Die Forschenden um John Sievenpiper von der Universität Toronto betonen, dass die Studienlage insgesamt von erheblicher Heterogenität geprägt ist – sowohl hinsichtlich Studiendesign als auch Qualität, Dauer und Zielgruppen. Dennoch lautet ihr Fazit: Intervallfasten ist hinsichtlich der Gewichtsabnahme und einiger Risikofaktoren in etwa vergleichbar mit konventionellen Diäten. Es könne als gleichwertige Alternative empfohlen werden – jedoch nicht als Ersatz.

Der begleitende Kommentar im Fachjournal unterstreicht die Bedeutung einer professionellen Begleitung bei jedem Abnehmversuch. Wichtiger als die konkrete Diätform sei die nachhaltige Veränderung des Essverhaltens und die langfristige Umsetzung gesunder Gewohnheiten. Denn selbst beim Intervallfasten gelte: Wer an den "freien Tagen" unkontrolliert oder ungesund isst, verspielt die Effekte schnell. Für viele Menschen könne eine kontinuierliche tägliche Kalorienreduktion – etwa um 500 Kilokalorien – praktikabler sein als der regelmäßige Verzicht ganzer Mahlzeiten.

Unterm Strich bestätigt die neue Analyse, dass Intervallfasten funktionieren kann – aber nicht besser funktioniert. Die Methode allein macht keinen Unterschied, wenn nicht Struktur, Verbindlichkeit und Beratung hinzukommen. Entscheidend ist nicht, wann oder wie viel man fastet, sondern ob der Lebensstil langfristig tragfähig und gesund bleibt.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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