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  • 19.05.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Rückzahlungen, Rechtsbrüche, Rufschäden
    19.05.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Rückzahlungen, Rechtsbrüche, Rufschäden
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | DrAnsay setzt einstweilige Verfügungen gegen konkurrierende Cannabisplattformen durch – und bringt damit Versandapotheken, Plattforman...

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-Nachrichten von heute: Rückzahlungen, Rechtsbrüche, Rufschäden

 

Wie DrAnsay gegen Versandapotheken vorgeht, was das Zuweisungsverbot rechtlich bedeutet und warum Patient:innen nun Geld fordern können

Inmitten wachsender Marktverwerfungen rund um Medizinalcannabis und Online-Plattformen verschiebt sich der Fokus juristischer Auseinandersetzungen: DrAnsay, selbst erst kürzlich wegen unzulässiger Cannabis-Werbung vor Gericht, geht nun in mehreren Landgerichtsverfahren offensiv gegen konkurrierende Plattformen und Versandapotheken vor – mit Erfolg. Einstweilige Verfügungen, unter anderem gegen DoktorABC, CanDoc, Herz-Apotheke oder Grünhorn, bringen neue Dynamik in die Debatte um das sogenannte Zuweisungsverbot. Denn im Zentrum steht die Frage, ob ärztliche Verordnungen gezielt an bestimmte Apotheken gelenkt werden durften – und ob dies bei Onlineplattformen systematisch geschah. Nun sind nicht nur die betroffenen Anbieter unter Druck: Auch Patientinnen und Patienten könnten Rückerstattungen verlangen, wenn sie auf Basis rechtswidriger Rezeptvermittlung Produkte bezogen haben. Parallel gerät der Wettbewerb unter Telemedizinportalen, Apothekenversendern und Plattformbetreibern in eine heikle Phase der Selbstregulierung, in der rechtliche Grauzonen aufgedeckt, finanzielle Forderungen geprüft und Reputationsverluste bilanziert werden müssen. Inhaberinnen und Inhaber sowie Marktbeobachter fragen sich zunehmend, ob das regulatorische Instrumentarium der Bundesländer reicht, um diese komplexen Fallkonstellationen zügig und verbindlich zu klären.

 

Rückzahlungen, Rechtsbrüche, Rufschäden

Wie DrAnsay gegen Versandapotheken vorgeht, was das Zuweisungsverbot rechtlich bedeutet und warum Patient:innen nun Geld fordern können

Can Ansay, Gründer der Plattform DrAnsay, sorgt erneut für juristische Bewegung im Markt rund um Medizinalcannabis und telemedizinisch vermittelte Rezeptabgaben. Nachdem er im März selbst wegen rechtswidriger Werbeaussagen zur Legalisierung von Cannabis vor Gericht stand, richtet sich seine Strategie nun gegen konkurrierende Plattformen und Versandapotheken. In mehreren Fällen hat er vor Landgerichten einstweilige Verfügungen durchgesetzt – unter anderem in Hamburg, Frankfurt, Berlin und Leipzig.

Im Zentrum der Verfahren stehen mutmaßlich rechtswidrige Rezeptzuweisungen, überhöhte Abrechnungspreise und Verstöße gegen berufsrechtliche Vorschriften. Das Landgericht Leipzig entschied bereits zugunsten von DrAnsay: Wenn das sogenannte Zuweisungsverbot verletzt wird, entfällt der Vergütungsanspruch der Apotheke. Patient:innen könnten demnach geleistete Zahlungen vollständig zurückverlangen. Damit entsteht ein massives wirtschaftliches Risiko für Apotheken, die in Plattformmodelle eingebunden sind, ohne deren rechtliche Konstruktion im Detail zu kennen – oder sie bewusst ignorieren.

Besonders betroffen sind nach Ansays Angaben die Anbieter DoktorABC, CanDoc, die Berliner Herz-Apotheke sowie die Leipziger Versandapotheke Grünhorn. In mehreren Fällen wurde nicht nur die Zusammenarbeit mit bestimmten Apotheken gerichtlich untersagt, sondern auch Strafanzeigen gestellt – etwa gegen DoktorABC wegen des Verdachts auf gewerbsmäßigen Bandenbetrug. Eine Zustellung an die offiziell in London registrierte Adresse sei nicht möglich gewesen, weil sich die Betreiber laut Ansay tatsächlich in Israel aufhielten. Derartige Intransparenz sei gerade im sensiblen Bereich der Arzneimittelversorgung nicht hinnehmbar.

CanDoc (Tecanmed, Irland) wurde ebenfalls mit einstweiligen Verfügungen belegt – auch hier ging es laut Ansay um irreführende Angaben, mangelnde Transparenz und berufsrechtliche Defizite. Die Kritik fokussiert sich dabei nicht nur auf juristische Detailfragen, sondern auf den grundsätzlichen Anspruch, Plattformangebote im Gesundheitswesen müssten rechtsstaatlich, fair und patientensicher ausgestaltet sein.

Ansay sieht sich selbst in der Rolle des Korrektivs, wo die Behörden seiner Meinung nach versagen. Seine Position: „Wir haben Cannabis vom Schwarzmarkt in den Weißmarkt der Apotheken gebracht und sortieren nun alle schwarzen Schafe aus.“ Der juristische Feldzug wird flankiert von einem moralischen Anspruch, die Integrität des Gesundheitsmarkts zu schützen – vor Anbietern, die laut Ansay nicht im Sinne der Patient:innen handeln, sondern aus reiner Profitorientierung systematisch Regelverstöße begehen.

Dabei stellt sich die Frage, wie tragfähig das Zuweisungsverbot im digitalen Zeitalter überhaupt noch ist. Es soll die freie Apothekenwahl gewährleisten und verhindern, dass Patient:innen automatisiert an wirtschaftlich verbundene Apotheken durchgereicht werden. Gerade im Telemedizin-Bereich ist diese Regelung jedoch häufig unterlaufen worden – auch weil sie in der Praxis schwer zu kontrollieren ist. Wenn nun Gerichte wie das LG Leipzig eine klare Linie ziehen, hat das nicht nur wirtschaftliche, sondern auch strukturelle Konsequenzen.

Denn der Entfall des Vergütungsanspruchs bedeutet im Klartext: Apotheken, die durch unzulässige Kooperationen profitieren wollten, stehen plötzlich vor Rückzahlungsforderungen – mit potenziell tausenden Fällen. Dabei ist unklar, wie viele Patient:innen überhaupt wissen, dass sie Anspruch auf Rückerstattung hätten. Ansay ruft diese nun aktiv dazu auf, entsprechende Forderungen zu stellen – ein juristisch heikler, aber wirkungsvoller Schritt, um den Druck auf Anbieter und deren Partnerapotheken massiv zu erhöhen.

Gleichzeitig offenbart die Auseinandersetzung ein Vollzugsproblem: Viele zuständige Behörden – darunter Landesapothekerkammern und Gesundheitsaufsichten – sind bislang zurückhaltend geblieben oder schlicht überfordert. Die Einhaltung des Zuweisungsverbots, das als zentraler Schutzmechanismus für Transparenz und Marktneutralität gilt, bleibt oft ein leeres Versprechen, solange keine wirksamen Kontrollstrukturen greifen. Dass nun Privatpersonen wie Ansay mit einstweiligen Verfügungen agieren müssen, zeigt eine eklatante regulatorische Lücke.

Für Apotheken, die mit Versandplattformen zusammenarbeiten, bedeutet diese Entwicklung eine Zäsur. Wer sich auf ökonomisch lukrative Rezeptströme verlässt, muss sich künftig fragen, ob er damit rechtlich auf sicherem Boden steht – oder ob Haftungsrisiken, Rückforderungen und Reputationsschäden drohen. Dabei reicht es nicht, sich auf die AGB von Plattformen zu verlassen: Gefragt ist eine aktive Prüfung der eigenen Compliance, inklusive juristischer Beratung und klarer vertraglicher Abgrenzungen.

Ansays Offensive mag aus Eigeninteresse motiviert sein – sie wirft jedoch ein scharfes Licht auf einen unregulierten Graubereich im Gesundheitsmarkt, der bislang unterhalb des Radars der Öffentlichkeit blieb. Wenn sich Plattformen mit dubiosen Geschäftsadressen, verschachtelten Besitzverhältnissen und intransparenten Abrechnungsmodellen etablieren können, droht nicht nur das Apothekenrecht zur Farce zu werden – sondern auch das Vertrauen der Patient:innen in das legale Versorgungssystem nachhaltig zu erodieren.

Das Zuweisungsverbot ist damit zum juristischen Prüfstein geworden – nicht nur für Plattformanbieter, sondern für alle Akteure, die in der neuen, digitalen Versorgungswelt mitspielen wollen. Wer hier bestehen will, muss beweisen, dass er nicht nur innovativ, sondern auch rechtskonform agiert. DrAnsays Klagen markieren deshalb mehr als nur branchentypische Konkurrenzprozesse – sie markieren eine Etappe auf dem Weg zu einem verlässlichen und rechtssicheren Markt für digitale Arzneimittelversorgung.

 

Anerkennung kostet Vertrauen, Integration verlangt Substanz, Förderung scheitert an der Praxis

Warum Apotheker aus dem Ausland oft doppelt zahlen, wie bürokratische Hürden finanzielle Risiken verschärfen und wo Förderlogik und Realität auseinanderklaffen

Wer aus dem Ausland als Apotheker:in in Deutschland arbeiten will, steht nicht nur sprachlich und fachlich, sondern auch finanziell unter Druck. Der Anerkennungsprozess verlangt Geduld, strukturelle Orientierung – und nicht selten mehrere tausend Euro. Zwar gibt es mit dem „Anerkennungszuschuss“ ein Förderinstrument des Bundes, doch die praktische Nutzbarkeit dieses Angebots bleibt begrenzt, wie die Erfahrungen des Apothekers und Coaches Nikola Bošković eindrücklich zeigen. Denn viele scheitern schon an formalen Einstiegshürden, während andere in einem komplizierten Dickicht regionaler Zuständigkeiten und Vorschriften feststecken. Der Weg in den deutschen Apothekenmarkt ist für ausländische Fachkräfte ein Kostenparcours mit ungleichen Startbedingungen, asymmetrischer Informationslage und hoher psychischer Belastung – mit Auswirkungen auf Integration, Fachkräftesicherung und letztlich die Versorgungssicherheit im Gesundheitswesen.

Das Programm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) soll eigentlich genau hier helfen. Bis zu 600 Euro für Anerkennungsgebühren, 1200 Euro für Qualifikationsanalysen und maximal 3000 Euro für erforderliche Anpassungsmaßnahmen können beantragt werden – jedoch nur, wenn das Einkommen bestimmte Grenzen nicht übersteigt und der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland bereits besteht. Doch genau das ist in vielen Fällen nicht gegeben. „Viele potenzielle Bewerberinnen und Bewerber aus dem Balkan haben zum Zeitpunkt der Antragstellung noch keinen Wohnsitz in Deutschland – und fallen damit automatisch aus der Förderung“, erläutert Bošković, der in Serbien Pharmazie studierte und seit 2020 in Deutschland lebt. Vor seiner Arbeitsaufnahme in Bayern investierte er bereits über 2000 Euro in die Anerkennung und Aufenthaltserlaubnis – ein Betrag, der sich nach seiner Ankunft nahezu verdoppelte.

Besonders herausfordernd: Die Anerkennungskosten variieren je nach Bundesland stark. Während in Bayern die Sprachanforderungen vergleichsweise hoch, aber standardisiert sind, verlangen Bundesländer wie Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen eine zusätzliche formale Gleichwertigkeitsprüfung. Übersetzungen, Beglaubigungen, institutionelle Gutachten – all das summiert sich schnell auf mehrere tausend Euro. Bošković kennt zahlreiche Fälle, in denen die Approbation scheiterte, nicht an fehlendem Fachwissen, sondern am finanziellen Durchhaltevermögen. Zwar übernehmen manche Apotheken Teile der Kosten, doch das ist keine Selbstverständlichkeit – zumal auch Arbeitgeber durch Unsicherheiten im Verfahren und mangelnde Planbarkeit abgeschreckt werden.

Dabei gäbe es Unterstützungsangebote: Die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit bietet eine kostenfreie Erstberatung an – allerdings ausschließlich auf Deutsch. Für viele potenzielle Fachkräfte aus Südosteuropa ein zusätzliches Hindernis, das ohne sprachlich barrierefreie Informationskanäle kaum zu überwinden ist. Gerade in einer Branche mit nachweislichem Fachkräftemangel wirkt diese Praxis wie ein Bremsklotz. Bošković verweist darauf, dass Integration nicht allein durch Anerkennung geregelt werden könne, sondern ein strukturelles Verständnis für die Lebensrealitäten der Bewerber:innen erfordere. Dazu gehörten auch Sprachförderung, psychosoziale Begleitung und – ganz zentral – finanzielle Brücken in der Phase vor der Approbation.

Derzeit dominieren in der Praxis jedoch Ausgrenzungsmechanismen: Sprachkurse und Prüfungen werden nicht gefördert, obwohl sie entscheidende Voraussetzung für die Approbation sind. Ebenso ausgeschlossen sind Reisekosten ohne direkten Bezug zur Qualifizierungsmaßnahme oder Pflichtunterlagen wie Führungszeugnisse. Der Versuch, ausländische Fachkräfte mit einem Zuschuss von wenigen hundert Euro in ein fragmentiertes und hochreguliertes System zu integrieren, erscheint vor diesem Hintergrund mehr symbolisch als nachhaltig.

Die Folge: Vielversprechende Kandidat:innen bleiben auf halber Strecke stehen – nicht wegen fehlender Eignung, sondern weil ihnen die finanziellen Mittel ausgehen. Der viel beschworene Bedarf an Fachkräften kollidiert so mit einem System, das die Last der Integration auf die Schultern der Bewerbenden verlagert. Was bleibt, ist eine Förderlandschaft mit Lücken, ein Anerkennungsverfahren mit Systemrisiken und ein Integrationsversprechen, das in der Praxis allzu oft an der Bürokratie scheitert.

 

Zugriff, Kontrolle, Vertrauensbruch

Warum Gehe/AHD Apothekendaten abziehen will, welche Risiken das auslöst und wie Inhaber jetzt reagieren müssen

Die neue Datenstrategie von Gehe/Alliance Healthcare Deutschland (AHD) wirft grundsätzliche Fragen zum Schutz unternehmensinterner Apothekendaten auf, zur Rolle von Großhändlern als potenzielle Datenschnittstelle für Dritte – und zur betrieblichen Souveränität einzelner Apotheken. Denn was auf den ersten Blick als technische Einwilligungserklärung zur Systemintegration erscheint, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein weitreichendes Mandat zur Datenerhebung, -verarbeitung und -weitergabe, das Rückschlüsse auf Sortimentsentscheidungen, Bestellverhalten und Patientenversorgung einzelner Betriebe erlaubt. Im Zentrum steht ein vorformulierter Einwilligungstext, den Gehe/AHD seinen Apothekenkunden zur Unterschrift vorgelegt hat – und der die Zustimmung zu einer umfassenden Datenextraktion in Echtzeit vorsieht. Die Klauseln erlauben es dem Großhändler unter anderem, Bewegungsdaten aus Warenwirtschaftssystemen automatisiert zu übertragen, auszuwerten und „Dritten zur Verfügung zu stellen“. Zwar wird auf Nachfrage versichert, es handele sich lediglich um „anonymisierte“ Informationen – doch Branchenjuristen warnen: Schon pseudonymisierte Datensätze können in Verbindung mit Standort-, Zeit- und Mengenangaben Rückschlüsse auf einzelne Apotheken, Lieferprofile oder gar spezifische Patientengruppen zulassen. Damit stellt sich nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine strategische Frage für Inhaberinnen und Inhaber: Wollen Apotheken in Zeiten wachsender Plattformmacht und digitaler Transparenz freiwillig interne Versorgungs- und Beschaffungsroutinen offenlegen – und damit ihr eigenes Geschäftsmodell entblößen?

Einige Apotheker sprechen bereits von einem „digitalen Ausverkauf“, andere berichten von erheblichem Druck, die Erklärung zu unterschreiben. Der Wettbewerb im pharmazeutischen Großhandel ist angespannt, Rabattstaffeln und Lieferverträge hängen zunehmend an vertraglich flankierten Datenfreigaben. Dabei ist das Grundprinzip der freien Apothekenwahl beim Großhandelsbezug in Gefahr, wenn Daten als neue Währung der Beeinflussung missbraucht werden. Während früher der direkte Kundendialog im Vordergrund stand, droht nun ein algorithmisches Profiling auf Grundlage betrieblicher Rohdaten – mit möglichen Folgen für Lieferkonditionen, Beratungsvorgaben oder gar Rabattstrukturierung. Besonders heikel ist dabei, dass viele Apothekensoftware-Systeme technische Schnittstellen enthalten, die den Zugriff durch Externe ermöglichen, sobald eine Einwilligung – auch pauschal – erteilt wurde. Datenschützer fordern deshalb dringend eine genaue Prüfung solcher Dokumente, die nicht selten Klauseln enthalten, die über den konkreten Zweck der Datenverarbeitung hinausgehen und eine nachträgliche Weitergabe oder Verwendung zu Marketing-, Forschungs- oder Wettbewerbszwecken erlauben.

Die Allianz Healthcare Deutschland, die zur Walgreens Boots Alliance gehört, verfolgt erklärtermaßen eine Digitalisierungsstrategie, die auf optimierte Warenflüsse, Bestandsmanagement in Echtzeit und Prognosemodelle für die Lieferkette setzt. Doch wenn solche Modelle auf sensiblen Apothekenbetriebsdaten basieren, sind nicht nur juristische Schranken relevant – es geht um ein Grundverständnis von Partnerschaft auf Augenhöhe. Apothekerinnen und Apotheker berichten in internen Netzwerken von Unsicherheit, Unverständnis und einem Gefühl der Ohnmacht gegenüber der strukturellen Machtverschiebung zugunsten der Datensammler. Gerade in einer Zeit, in der Apotheken durch gesetzgeberische Reformen, wirtschaftlichen Druck und Lieferengpässe belastet sind, könne ein solcher Vorstoß nicht als „neutrale Optimierungsmaßnahme“ verstanden werden. Vielmehr entstehe der Eindruck, dass Großhändler in ihrer Rolle als logistischer Versorger zunehmend in strategische Managementsphären der Apotheken eindringen – und diese digital kartografieren wollen.

Juristisch stellt sich die Frage, ob ein derartiger Zugriff mit den Grundsätzen der DSGVO und des Wettbewerbsrechts vereinbar ist. Denn auch Unternehmensdaten genießen – insbesondere bei Kombination mit personenbeziehbaren Inhalten wie Rezeptinformationen, Frequenzdaten oder Standortbezug – einen indirekten Schutzstatus. Die Nutzung solcher Daten durch einen Vertragspartner, der zugleich wirtschaftlich eng vernetzt und marktmächtig ist, könnte den Tatbestand des strukturellen Datenmissbrauchs erfüllen. Das Kartellrecht kennt keine explizite Schranke für Datenabgriffe, wohl aber für Missbrauch marktbeherrschender Stellungen – und genau diese Frage drängt sich nun in der Apothekenlandschaft auf: Dürfen Großhändler ihre Marktmacht nutzen, um über Vertragsklauseln Einblicke in unternehmensinterne Prozesse zu erzwingen? Die Antwort dürfte entscheidend dafür sein, wie sich das Verhältnis zwischen pharmazeutischen Betrieben und ihren Großhandelsdienstleistern künftig gestaltet – und ob Datenhoheit weiterhin als Teil der unternehmerischen Unabhängigkeit gilt.

Zudem ist zu beobachten, dass der Trend zur Plattformisierung des Apothekenmarktes nicht nur von außen – etwa durch Redcare, Amazon oder Shop-Apotheke – vorangetrieben wird, sondern auch aus dem Inneren der Versorgungskette heraus: Wenn Großhändler beginnen, nicht nur Produkte, sondern auch Daten als strategisches Gut zu behandeln, verändern sich Rollen, Verantwortlichkeiten und Machtachsen. Der Apotheker als freier Kaufmann wird zum datenliefernden Akteur in einem algorithmisch gesteuerten System, dessen Regeln zunehmend von jenen definiert werden, die Zugang zu aggregierten Versorgungsdaten haben. In dieser Gemengelage ist Transparenz das erste Gegenmittel – und die politische Aufmerksamkeit das zweite. Denn die Frage, wem Apotheken ihre Daten geben dürfen – und wer daraus in welcher Weise Profit schlagen darf –, betrifft nicht nur einzelne Vertragsklauseln, sondern das Fundament einer versorgungsorientierten und vertrauensbasierten Gesundheitswirtschaft.

 

Software ausgedünnt, Kunden verschreckt, Strukturplan bestätigt

Warum Noventi „Jump“ endgültig einstampft, welche Irrtümer die Ein-Software-Vision begleiteten und wie tief das Projekt Fokussierung 2025 in die Konzernstrategie eingreift

Mit dem Aus für „Jump“ beendet Noventi endgültig ein Kapitel der internen Softwarediversität, das jahrelang für strategisches Schwanken, Kundenverunsicherung und betriebswirtschaftliche Belastungen sorgte. Was ursprünglich als Zukunftsprojekt begann, endet nun als Symbol misslungener Vereinheitlichung. Ende Juni wird die Linie aus der Wartung genommen – nach Infopharm und Pharmasoft ist sie die dritte Softwareplattform, die innerhalb kurzer Zeit stillgelegt wird. Der Hintergrund: Das unter dem Titel „Fokussierung 2025“ aufgelegte Sanierungskonzept greift. Damit sollen Ressourcen gebündelt, Komplexität reduziert und die beiden verbleibenden Systeme Awinta One und Prokas zu tragenden Säulen im Portfolio gemacht werden.

Was zunächst als Befreiungsschlag erscheint, ist in Wahrheit das Eingeständnis einer strategischen Niederlage. Denn Jump sollte nicht sterben – sondern ursprünglich alles ablösen. Bereits bei seiner Einführung war die Zielsetzung klar formuliert: Apotheken sollten vollständig auf die neue Software migriert werden. Doch die Rechnung ging nicht auf. Der Markt verweigerte sich, viele Betriebe lehnten den Wechsel ab – aus Gründen der Stabilität, Kompatibilität oder schlicht der Skepsis gegenüber einer zu schnellen Standardisierung.

Schon im Herbst 2017 versuchte man – damals noch unter dem Label Awinta – eine Strukturreform der Softwaresysteme: Awinta One sollte als universelle Plattform etablieren, während ältere Systeme wie Asys, Infopharm, Pharmasoft, Prokas und eben auch Jump nach und nach abgeschaltet würden. Technisch ambitioniert, wirtschaftlich notwendig – aber strategisch überfrachtet. Die Apotheken folgten nicht, das Unternehmen lenkte ein. 2021 dann die Wende: Der Plan einer Ein-Software-Zukunft wurde offiziell aufgegeben. Noventi verkündete, man habe die Vielfalt der Systeme nicht nur akzeptiert, sondern als Stärke erkannt. Statt Umstellung auf einen Nenner: Weiterentwicklung aller Linien. Ein Bekenntnis zur Kundenbindung, allerdings mit dem Preis anhaltender interner Komplexität.

Das Versprechen von Individualität wurde jedoch spätestens im Herbst 2022 auf den Prüfstand gestellt. Mit dem plötzlichen Abgang von CEO Hermann Sommer und Finanzchef Victor Castro – flankiert von Marktgerüchten über finanzielle Schieflagen – war der Handlungsdruck abrupt gestiegen. Die Konzernführung rief das Restrukturierungsprogramm „Fokussierung 2025“ aus. Eines der Kernziele: Bereinigung des Softwareportfolios. Die Wartung dreier Produktlinien sollte eingestellt werden, um betriebliche Redundanzen abzubauen und in die verbliebenen Plattformen gezielt zu investieren.

Nun zeigt sich, dass diese Ankündigungen nicht symbolischer Natur waren. Der Schritt gegen Jump ist ein konsequenter Vollzug der Neuausrichtung. Doch er wirft erneut ein Licht auf ein strukturelles Dilemma: Wenn Apotheken bei technologischem Wandel nicht mitziehen, bleibt selbst die bestgemeinte Reform ein Papiertiger. Der Fall Jump zeigt: Es reicht nicht, ein funktionales System zu entwickeln – es muss auch angenommen, verstanden und im Alltag verankert werden. Das ist Noventi im Fall Jump nicht gelungen.

Entscheidend wird nun, wie nachhaltig die Maßnahme auf das operative Geschäft wirkt. Kommende Woche wird der Konzern im Rahmen seiner Vertreterversammlung die Bilanz des vergangenen Geschäftsjahres vorlegen. Der Erfolg der Aufräumarbeiten wird sich an den Zahlen ablesen lassen müssen – ebenso wie die Belastbarkeit des Versprechens, mit Prokas und Awinta One langfristig tragfähige Standards zu setzen.

Der Markt, das zeigt diese Entwicklung exemplarisch, verzeiht strategische Volatilität nur begrenzt. Wer den Anspruch erhebt, digitaler Taktgeber der Apotheken zu sein, muss nicht nur technisch liefern – sondern auch organisatorisch, kommunikativ und mental mitführen. Der Rückzug von Jump ist daher nicht nur ein wirtschaftlicher Schnitt, sondern auch ein Vertrauenssignal an Kunden, Aktionäre und Belegschaft: Weniger Vielfalt, mehr Klarheit. Aber auch: harte Lektionen aus ambitionierten Irrtümern.

 

Verantwortung braucht Rückhalt, Versorgung braucht Reform, Apotheker brauchen Respekt

Warum Kammerpräsident Münch auf Warken setzt, das Rx-Versandverbot verteidigt und Kammerbeiträge hinterfragt

Die Erwartungen waren groß, die Enttäuschung ist greifbar: Als die Ampel-Koalition scheiterte und Karl Lauterbach das Amt des Bundesgesundheitsministers verlor, verband die Apothekerschaft diesen Bruch mit der Hoffnung auf einen echten Neuanfang. Auch Kammerpräsident Jens-Andreas Münch in Sachsen-Anhalt formulierte im Spätherbst 2024 klare Erwartungen: einen ernsthaften Dialog, keine weiteren Sonderopfer und endlich strukturelle Verbesserungen. Doch ein gutes halbes Jahr später fällt die Bilanz ernüchternd aus – trotz ersten Signalen der Gesprächsbereitschaft unter Nina Warken. Zwar ist der berüchtigte erhöhte Kassenabschlag inzwischen Geschichte, doch das Fixum steht weiterhin auf dem Stand von 2013, die Apothekenschließungen nehmen weiter zu, und auch das politische Grundvertrauen bleibt angeschlagen.

Münch, der in Magdeburg vor der Kammerversammlung sprach, zeichnete ein differenziertes, aber deutliches Lagebild: Die wirtschaftliche Erosion der Apotheken sei nicht länger ein larmoyantes Narrativ – sie ist Realität. In Sachsen-Anhalt sei die Zahl der Apotheken in den letzten Jahrzehnten auf nur noch 556 gesunken, ein Rückgang, der sich trotz regionaler Unterschiede bundesweit spiegeln lasse. „Die Zahl der in Deutschland geschlossenen Apotheken übersteigt längst die Summe aller je im Osten existenten Standorte seit der Wiedervereinigung“, rechnete Münch vor – ein symbolischer, aber klarer Fingerzeig auf die historische Dimension des Strukturverfalls.

Doch bei allem Befund bleibt der Kammerpräsident kein Mahner ohne Vorschlag. Er verweist auf die Chance, mit Ministerin Warken nun „wieder ins Gespräch zu kommen“ – eine Chance, die politisch nicht nur symbolisch, sondern auch praktisch unterlegt ist: Bereits das frühe informelle Telefonat mit ABDA-Präsident Thomas Preis wertet Münch als Zeichen eines neuen Stils. Auch Warkens persönliche Zusage für den Deutschen Apothekertag 2025 wird ausdrücklich gewürdigt. Die Symbolik ist ihm wichtig, aber nicht entscheidend – entscheidend sei vielmehr, dass die im Koalitionsvertrag angekündigten Maßnahmen jetzt endlich umgesetzt würden: Erhöhung des Fixums auf 9,50 Euro, bis zu 11 Euro für besondere Versorgungslagen, mehr Verantwortung bei Prävention, Entbürokratisierung, eine gesetzlich festgelegte Honorarlogik. Für Münch ist klar: „Wir wollen keine Almosen, sondern planbare und faire Rahmenbedingungen.“

Ein zentraler Streitpunkt bleibt die Rolle der Arzneimittelversender. Münch lässt keinen Zweifel daran, dass der Rx-Versandhandel nicht nur ökonomisch, sondern systemisch schädlich sei. Die Versandapotheken – polemisch als „niederländische Päckchenpacker“ bezeichnet – agierten zunehmend aggressiv im Markt, nutzten juristische Grauzonen aus und unterliefen die Grundlogik der wohnortnahen Versorgung. Ob Cardlink, MTA-Webinare oder KIM-basierte Werbung für E-Rezepte: Der Trend, ärztliche und pharmazeutische Versorgung zu entkoppeln, wird von Münch als gefährlich identifiziert. Und obwohl der Rx-Marktanteil der Versender noch vergleichsweise gering erscheint – 1,4 Prozent – geht es laut AKSA dennoch um 658 Millionen Euro Umsatzverlust pro Jahr für deutsche Apotheken, zuzüglich über 1,8 Milliarden Euro im OTC-Bereich.

Die logische Konsequenz aus Münchs Sicht: ein Verbot des Rx-Versandhandels. Diese Forderung ist nicht neu, aber sie erhält in seinen Ausführungen eine strategisch neue Rahmung: Ein Versandverbot würde nicht nur nationale Apotheken schützen, sondern auch digitale Rezeptketten durchbrechen, in denen Plattformen ohne echten Arztkontakt Verschreibungen generieren und sofort die Abgabe durch eine eigene Partnerapotheke initiieren. Ein doppelter Marktvorteil, der – so Münch – dem Prinzip heilberuflicher Verantwortung fundamental widerspricht.

Zudem wendet sich Münch entschieden gegen eine kulturelle Aushöhlung des Apothekenberufs durch politische Vereinnahmung in anderen Feldern: Bei Cannabis fordert er klare Trennlinien. Medizinalcannabis sieht er als gerechtfertigten Therapieweg – Genusscannabis jedoch lehnt er kategorisch ab. Die Vorstellung, Apotheken könnten in Zukunft als „Coffeeshops mit Rezepturabteilung“ wahrgenommen werden, sei mit dem Berufsbild unvereinbar. „Dann sind wir keine Heilberufler mehr, sondern staatlich legitimierte Dealer im weißen Kittel“, so Münch. Auch wenn die gesellschaftliche Entwicklung politisch kaum umkehrbar sei – die Ausgabestrukturen könnten und müssten so gestaltet werden, dass Apotheken aus der Doppelfunktion herausgelöst werden.

Einen weiteren Diskussionspunkt bildete in Magdeburg die Finanzierung der Kammerarbeit. Insbesondere die Systematik der Kammerbeiträge steht zur Disposition. Bei steigenden Hochpreiseranteilen, sinkenden Margen und wachsender Spreizung zwischen Umsatz und Rohertrag stellt sich die Frage: Ist ein Beitrag auf Basis des Nettoumsatzes noch gerecht? AKSA erhebt aktuell 0,09 Prozent vom Jahresnettoumsatz – ein vergleichsweise niedriger Satz im Bundesvergleich. Doch bei ungleich verteilter Hochpreiser-Abgabe kann es zu Überfinanzierungen kommen, wenn Apotheken mit besonders teuren Präparaten die Zahllast treiben, ohne tatsächlich höhere Erträge zu generieren.

Die sächsische Kammer hat dazu ein Pilotprojekt gestartet: Mitglieder können freiwillig auch ihre Rohertragszahlen mitteilen, um die Systemgerechtigkeit zu evaluieren. Die Ergebnisse dieser Erhebung stehen noch aus. Münch betonte, dass der Kammerhaushalt „bedarfsgerecht“ und „solidarisch“ ausgestaltet sein müsse – ohne übermäßige Rücklagen, aber auch ohne Unterdeckung. Eine Anpassung der Berechnungsgrundlage könnte letztlich wirkungslos bleiben, wenn der Gesamtbedarf gleich bleibt. Nur bei gravierenden Verwerfungen durch Hochpreiserverteilung könne eine Strukturreform sinnvoll werden – doch bislang habe niemand den „Stein der Weisen“ gefunden.

So bleibt Münchs Magdeburger Botschaft eine der differenzierten Klarheit: Die Apotheken sind bereit zur Mitgestaltung, zur Leistung und zur Verantwortung. Doch dafür benötigen sie einen politischen Rahmen, der ihnen nicht nur Funktion, sondern auch Vertrauen und finanzielle Beständigkeit zusichert. Die Warken-Ära bietet nach Jahren der Verhärtung eine Chance – doch sie muss aktiv genutzt werden. Dialogbereitschaft ersetzt keine Strukturreform. Und Vertrauen lässt sich nicht verordnen, sondern nur verdienen.

 

Abschreibungen belasten Bilanz, Immobilienwerte stabilisieren sich, Zukunftsperspektive wächst

Warum die Apothekerversorgung Schleswig-Holstein trotz 32,4 Millionen Euro Verlust für 2024 optimistisch bleibt, wie Immobilienrisiken verarbeitet wurden und ab 2027 neue Spielräume entstehen

Die Apothekerversorgung Schleswig-Holstein (AVSH) muss für das laufende Geschäftsjahr 2024 abermals hohe Abschreibungen in Höhe von 32,4 Millionen Euro verkraften. Trotz dieser Belastung signalisiert die Versorgungsanstalt eine grundlegende Wende in ihrer strategischen Entwicklung. Die Gremien zeigen sich geschlossen optimistisch, dass mit dem erneuten Schritt in der bilanziellen Wertkorrektur insbesondere die Folgen der Immobilienmarktverwerfungen der letzten Jahre weitgehend abgearbeitet seien. Vorstand und Verwaltung verweisen darauf, dass die durchgeführten Wertberichtigungen die Grundlage für eine nachhaltige Stabilisierung des Kapitalstocks bilden – und mittelfristig sogar Spielräume für Dynamisierungen eröffnen könnten.

Die Zahlen für das Geschäftsjahr 2024 bestätigen zunächst die schwierige Lage: Der größte Teil der Abschreibungen entfällt erneut auf Immobilienanlagen, insbesondere auf Projektentwicklungen, die in der Marktphase 2018 bis 2021 initiiert wurden. Die massiv gestiegenen Zinsen, ein krisenanfälliges Umfeld bei Projektpartnern sowie die generelle Zurückhaltung institutioneller Investoren haben dazu geführt, dass ursprünglich angesetzte Marktwerte nicht mehr aufrechtzuerhalten waren. Auch das Jahr 2023 hatte bereits mit einem Abschreibungsvolumen von rund 37 Millionen Euro ein belastetes Ergebnis gezeigt. Die AVSH hatte damals bereits angekündigt, dass eine zweite Welle der Korrektur notwendig sein könnte – nun ist sie eingetreten, allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Der jetzt veröffentlichte Jahresabschluss sei, so heißt es aus dem Umfeld des Verwaltungsrats, das Ende des bilanziellen Abwärtspfads.

Tatsächlich verweist die AVSH auf eine Reihe struktureller Maßnahmen, mit denen die Risiken der Vergangenheit aus dem Portfolio herausgearbeitet wurden. Dazu gehören der Rückzug aus bestimmten Fondsstrukturen, eine Konsolidierung von Einzelobjekten, der strategische Verzicht auf neue Projektentwicklungen sowie die konsequente Verschiebung der Asset Allocation in Richtung liquider, kontrollierter Anlagen mit sicherheitsorientierter Renditeerwartung. Der Immobilienanteil sei weiterhin wichtig, betont Vorstandschef Dr. Thore Petersen, doch die Neuausrichtung der Kapitalanlage verfolge einen deutlich disziplinierteren Kurs. Ein Großteil der Neubewertungen sei zudem bereits 2023 angestoßen worden, sodass der aktuelle Schritt nicht überraschend komme, sondern vielmehr das Ergebnis einer strategisch begleiteten Entwicklung sei.

Im Jahresverlauf 2024 konnte die AVSH nach eigenen Angaben bereits wieder ordentliche Erträge aus der klassischen Kapitalanlage erzielen. Insbesondere bei festverzinslichen Papieren, in Direktinvestitionen im Versorgungsumfeld sowie durch gezielte Umschichtungen in konservativ bewertete Sondervermögen habe sich das Ergebnis spürbar verbessert. Auch die Verwaltungskostenquote bleibe stabil, und das Beitragsaufkommen wachse dank steigender Mitgliederzahlen leicht an. Insgesamt verfüge das Versorgungswerk über ein Eigenkapitalpolster, das die nun verarbeiteten Verluste vollständig abdecke, ohne die Leistungsfähigkeit einzuschränken.

Besonders hervorzuheben ist, dass die AVSH bereits ab 2027 sogenannte Dynamisierungen wieder ins Auge fasst – also regelmäßige Anpassungen der Anwartschaften an die Preisentwicklung. Zwar sei dieses Ziel an eine stabile Performance in den Jahren 2025 und 2026 gekoppelt, doch die Simulationen des versicherungsmathematischen Gutachters deuteten auf eine mittelfristige Erholung hin. Auch die interne Kommunikation sei in den letzten Monaten neu strukturiert worden, mit Fokus auf Transparenz, Risikooffenheit und strategische Beteiligung der Mitgliedervertretung.

Ein Blick in die Versorgungslandschaft zeigt: Die AVSH ist mit ihren Abschreibungen kein Einzelfall. Auch andere berufsständische Versorgungswerke mussten in den vergangenen Jahren substanzielle Korrekturen im Immobiliensegment vornehmen – teils still, teils öffentlich. Was die AVSH jedoch unterscheidet, ist die erkennbare Absicht, mit der Aufarbeitung auch einen Neuanfang zu markieren. Der Jahresbericht spricht bewusst nicht von einem „Verlustjahr“, sondern von einem „Übergangsjahr mit strategischer Bereinigung“. Die regulatorischen Anforderungen – etwa im Hinblick auf § 142 VAG zur dauernden Erfüllbarkeit – seien in allen Szenarien erfüllt, betont der Vorstand. Die laufenden Rentenzahlungen seien zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen.

Vor diesem Hintergrund wird auch das politische Umfeld aufmerksam: Die wachsende Bedeutung der Versorgungseinrichtungen in der Altersstruktur von Apothekenpersonal erfordert Klarheit über langfristige Stabilität. Schleswig-Holsteins Kammerpräsident Dr. Erik Tenberken lobte in einer internen Sitzung ausdrücklich die Transparenz und Konsequenz, mit der die AVSH den Strukturwandel gestalte. Er sehe das Versorgungswerk als Vorbild für andere Regionen, auch im Hinblick auf die Kommunikation mit den Mitgliedern. Gleichwohl sei klar, dass sich kein Versorgungswerk auf einen ruhigen Kapitalmarkt verlassen dürfe. Der politische Appell lautet daher: Nachhaltigkeit und Professionalität müssen in Zeiten zunehmender Marktunsicherheit zum Standard werden – nicht zur Ausnahme.

Abschließend bleibt festzuhalten: Die AVSH hat für 2024 ein deutlich negatives Ergebnis ausweisen müssen – doch das Kalkül dahinter ist eindeutig auf Stabilität und Erneuerung ausgerichtet. Sollte sich die Kapitalmarktlage wie erwartet normalisieren, könnten ab 2026 erste positive Effekte sichtbar werden. Und wenn ab 2027 Dynamisierungen greifen, würde dies auch das Vertrauen der Mitglieder langfristig stärken. Der jetzige Schritt mag schmerzhaft sein – doch er könnte der entscheidende gewesen sein, um die AVSH auf eine verlässliche Spur zurückzuführen.

 

Werbung schützt Wahlfreiheit, EU-Recht schützt Märkte, Regulierung braucht Augenmaß

Wie der EuGH das Werbeverbot für Apotheken in Polen kippt, was das für Deutschland bedeutet und warum Differenzierung statt Pauschalverboten gefragt ist

Das Werbeverbot für Apotheken in Polen galt lange als Ausdruck besonders strenger Berufsethik. Seit 2012 war es den Betrieben im Nachbarland untersagt, in irgendeiner Form Werbung zu betreiben – weder online noch analog, weder für Leistungen noch für Produkte, weder lokal noch grenzüberschreitend. Nur minimale Informationen wie Adresse und Öffnungszeiten durften öffentlich gemacht werden. Ein Regelwerk, das selbst dem deutschen Apothekensystem, bei aller Regulierungstreue, als rigide galt. Nun hat der Europäische Gerichtshof diesem Kurs eine klare Absage erteilt. Auf Klage der EU-Kommission stellten die Richterinnen und Richter in Luxemburg fest, dass ein solches Totalverbot nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Weder die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr noch die Grundfreiheiten des Binnenmarkts ließen sich mit derart pauschalen Werbebeschränkungen vereinbaren. Insbesondere die Berufsausübung, der Dienstleistungsverkehr und der Markt für Gesundheitsangebote würden auf unzulässige Weise behindert.

Die Entscheidung bedeutet nicht nur das faktische Ende des Werbeverbots in Polen – sie entfaltet zugleich Wirkung für alle Mitgliedstaaten. Denn der EuGH betont in seinem Urteil die Balance zwischen Gesundheitsschutz und Marktöffnung, zwischen Berufsrecht und Grundfreiheiten. Werbung sei nicht per se gesundheitsgefährdend – im Gegenteil: Differenzierte Information könne den Patientennutzen steigern, etwa durch Aufklärung über Leistungen, neue pharmazeutische Dienste oder niedrigschwellige Versorgung. Auch die Möglichkeit, digitale Kanäle zu nutzen, müsse allen Angehörigen reglementierter Gesundheitsberufe offenstehen, sofern die Werbung sachlich und berufsrechtskonform sei. Damit konkretisiert das Gericht die Linie, die es in früheren Urteilen bereits bei ärztlicher oder anwaltlicher Werbung angedeutet hatte – nun aber für Apotheken mit höchstrichterlicher Klarheit durchsetzt.

Für Deutschland hat das Urteil zwar keine unmittelbare Aufhebungskraft, wohl aber starke Signalwirkung. Denn auch hierzulande sind Werbung und Kommunikation für Apotheken stark eingeschränkt. Zwar erlaubt § 11 HWG gewisse Maßnahmen, sofern sie nicht irreführend oder unangemessen sind – doch immer wieder geraten selbst harmlose Informationsangebote ins Visier von Behörden oder Kammern. Gerade digitale Plattformen und Social Media stehen im Spannungsfeld zwischen Wettbewerbsrecht, Berufsrecht und Telematikpflicht. Das Urteil aus Luxemburg verschiebt nun die Argumentationslinien. Wer Gesundheitskommunikation pauschal unter Verdacht stellt, muss begründen, warum sachliche Information mit europäischem Recht nicht vereinbar sein soll.

Zudem trifft das Urteil einen sensiblen Punkt des europäischen Binnenmarkts. Denn grenzüberschreitende Angebote – etwa Versandapotheken aus Deutschland, den Niederlanden oder Österreich – wurden in Polen bislang besonders benachteiligt. Ihnen war es de facto unmöglich, ihren Service bekannt zu machen oder rechtssicher zu kommunizieren. Der EuGH betont nun, dass dies nicht nur ein wirtschaftliches Wettbewerbsproblem sei, sondern ein direkter Eingriff in die Niederlassungsfreiheit und das Recht auf berufliche Entfaltung. Der Gesundheitssektor sei kein rechtsfreier Raum – aber auch kein marktfreier. Regulierung müsse verhältnismäßig, zielgerichtet und belegbar effektiv sein. Pauschale Eingriffe ohne belastbare Daten zur gesundheitlichen Wirkung, so die Luxemburger Richter, seien europarechtswidrig.

Polen hatte argumentiert, mit dem Verbot die Patientensicherheit zu schützen, etwa durch Vermeidung von Medikamentenmissbrauch oder Überversorgung. Doch der EuGH ließ diese Argumente nicht gelten – zu wenig differenziert, zu wenig belegt. Gerade in Zeiten digitaler Gesundheitsversorgung, in denen Patienten häufig selbst vergleichen, recherchieren und bewerten, müsse Transparenz erlaubt sein. Zudem sei es nicht plausibel, dass sachliche Werbung automatisch zu unkritischem Arzneimittelkonsum führe. Vielmehr lasse sich auch durch Regeln zur Werbeform, Tonalität und Zielgruppenansprache ein Gleichgewicht zwischen Information und Schutz herstellen.

Die Konsequenzen des Urteils reichen weit über den Fall hinaus. Sie stärken nicht nur Apotheken, sondern auch Plattformen, Telemedizinanbieter, digitale Versorgungsmodelle und alle Akteure, die auf eine informierte Patientenentscheidung setzen. Gleichzeitig rufen sie nationale Gesetzgeber auf, ihre Regelwerke auf Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht zu prüfen. Der Gesundheitsmarkt in Europa ist im Wandel – nicht nur durch Technik, sondern auch durch Rechtsprechung. Wer Zugang, Teilhabe und Qualität fördern will, braucht Kommunikationsräume statt pauschaler Mauern. Werbung ist in diesem Sinne kein Widerspruch zu Verantwortung, sondern Teil einer modernen Versorgungsstruktur.

 

Strukturen verschwinden, Prozesse stocken, Vertrauen schwindet

Wie die Abda ihre Hauptgeschäftsführung umbaut, sich im Ehrenamt selbst blockiert und die Standesvertretung in ein Vakuum zwischen Machtfrage und Reformabsicht rutscht

Wer derzeit mit Abda-Funktionären spricht, hört vor allem zwei Dinge: Unsicherheit und Durchhalteparolen. Im Zentrum steht ein institutioneller Umbauprozess, der seit dem personellen Neustart im Ehrenamt auch das Hauptamt erfasst – und dabei mehr Fragen aufwirft, als er beantwortet. Nach dem Rückzug von Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz soll die Geschäftsführerebene zum Jahreswechsel 2025 vollständig entfallen. Parallel wird eine neue Hauptgeschäftsführung gesucht. Doch die Ausschreibungslogik bleibt vage, die Entscheidungsstrukturen sind teils historisch verkrustet, teils durch das Ehrenamt derzeit selbst geschwächt. Beobachter sprechen von einer „Umstrukturierung ohne inneres Zentrum“ – in einer Phase, in der politische Schlagkraft und strategische Positionierung nötiger wären denn je.

Der Umbau der Abda-Spitze erfolgt unter dem Vorzeichen interner Spannung. Zwar wurde die Notwendigkeit einer strukturellen Neuaufstellung im Hauptamt bereits seit Jahren diskutiert – insbesondere angesichts der zunehmenden Aufgaben in der politischen Kommunikation, der Digitalisierung und der Koordination föderaler Gremien. Doch dass nun ohne gesichertes Nachfolgekonzept die Geschäftsführerebene gänzlich entfällt, markiert eine Richtungsentscheidung mit ungewissem Ausgang. Statt eines kollegialen Geschäftsführungsmodells soll es künftig eine einzelne Hauptgeschäftsführung geben. Diese Struktur erinnert an klassische Verbandsmodelle mit CEO-ähnlicher Leitung, stellt aber für die traditionsreiche und föderal organisierte Abda einen Bruch mit bisherigen Arbeitsweisen dar.

Zugleich fehlen bislang verbindliche Aussagen über die künftige strategische Verankerung dieser neuen Hauptgeschäftsführung: Soll sie – wie intern diskutiert – stärker politische Verantwortung übernehmen, auch öffentlich auftreten, und etwa als gleichgewichtiger Gesprächspartner zum Ehrenamt fungieren? Oder bleibt sie im operativ-verwaltenden Modus, was die Position zur verlängerten Werkbank der Kammern und Verbände degradieren könnte? Genau hier liegt der innere Widerspruch der aktuellen Reformdynamik: Die Abda will moderner und durchschlagskräftiger werden – und schafft gleichzeitig die Ebene ab, die bislang als Vermittler zwischen Struktur, Kommunikation und Personalmanagement fungierte.

Noch heikler wird die Situation, wenn man die Rolle des Ehrenamts in diesem Umbau betrachtet. Präsidentin Gabriele Regina Overwiening betont regelmäßig die Notwendigkeit eines „geschlossen auftretenden Berufsstands“. Doch innerhalb des Ehrenamts sind die Fronten keineswegs geschlossen. Der Rückzug des langjährigen Vizepräsidenten Mathias Arnold im Frühjahr, Diskussionen über die künftige Rolle der Bundesapothekerkammer und erste Vorzeichen parteipolitisch gefärbter Richtungsstreits in den Gremien zeigen: Der Umbau des Hauptamts fällt in eine Phase interner Neuorientierung, die auch machtpolitisch aufgeladen ist.

So wird die geplante Auswahl einer neuen Hauptgeschäftsführung zu einem Lackmustest: Gelingt es der Abda, eine fachlich profilierte, strategisch denkende und auch extern anschlussfähige Persönlichkeit zu finden? Oder läuft die Suche auf eine interne Konsenslösung hinaus, die weder den Willen zur Reform noch die nötige politische Unabhängigkeit repräsentiert? Letzteres wäre nicht nur ein Rückschritt, sondern gefährdet auch die ohnehin fragile Anschlussfähigkeit der Abda an politische Entscheidungsprozesse in Berlin. Gerade jetzt, wo sich das Bundesgesundheitsministerium unter Nina Warken neu sortiert und viele pharmazeutisch relevante Themen – vom Rx-Versand bis zur Impfstrategie – neu verhandelt werden.

Kritisch ist auch die zeitliche Taktung: Der Umbau soll bis Jahresende vollzogen sein – in einem Jahr, das die Abda bereits durch interne Vakanzen, externe Erwartungshaltungen und ein zunehmendes Maß an medienöffentlicher Kritik stark fordert. Ausgerechnet jetzt fallen zentrale Prozesse wie die Gremienmodernisierung, die Neuausrichtung der Öffentlichkeitsarbeit und auch die Weiterentwicklung des ABDA-Hauses in eine organisatorische Grauzone. Eine Hauptgeschäftsführung mit klarer Machtzuweisung fehlt, das Ehrenamt laviert zwischen Wunsch zur Professionalisierung und realpolitischer Kräftebindung.

Hinter den Kulissen wird bereits gewarnt: Wenn der Umbauprozess scheitert oder zu lange offen bleibt, droht nicht nur ein weiterer Vertrauensverlust bei den Mitgliedsorganisationen – sondern auch eine Erosion der Handlungsfähigkeit der Abda auf Bundesebene. Dies gilt umso mehr, als einzelne Landesorganisationen bereits eigene Öffentlichkeitsformate und politische Kommunikationslinien entwickeln – ein deutliches Zeichen für die Schwächung der Zentralstruktur. Die Zeit der Strukturgläubigkeit scheint vorbei, die der performativen Bewährung hat begonnen.

Gerade deshalb wird die Auswahlentscheidung zur neuen Hauptgeschäftsführung zur strategischen Nagelprobe. Wer die politische Schlagkraft der Apothekerschaft erhalten oder gar ausbauen will, braucht keine Kompromisskandidatur, sondern ein Führungsprofil, das analytisch, medienkompetent, föderal denkend und gleichzeitig risikobereit agiert. Diese Kombination dürfte auf dem Markt nicht leicht zu finden sein – und noch schwerer im Konsens der Gremien durchzusetzen. Doch nur mit einer solchen Entscheidung ließe sich verhindern, dass die derzeitige Zwischenphase in einen Zustand struktureller Instabilität übergeht. Die Abda steht vor der Frage: Umbau oder Umbaupause? Entscheidung oder Verschleppung? Führung oder Leerstelle?

 

Jugendschutz stärken, Missbrauch verhindern, industrielle Versorgung sichern

Warum die Regulierung von Lachgas und K.o.-Tropfen ein Drahtseilakt bleibt, was die Abda am Gesetzentwurf bemängelt und wie Politik und Industrie kollidieren

Der Missbrauch von Lachgas und sogenannten K.o.-Tropfen wie GBL oder 1,4-Butandiol hat in den vergangenen Jahren besorgniserregend zugenommen, insbesondere unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Während Lachgas einst als harmloses Narkosemittel galt, hat es sich längst zum leicht zugänglichen Partygift entwickelt. Auch industriell eingesetzte Substanzen wie GBL und 1,4-Butandiol, ursprünglich als Lösungsmittel und Reinigungsmittel gedacht, sind inzwischen fester Bestandteil der Rausch- und Kriminalitätsszene. Dass Bundesgesundheitsministerin Nina Warken diesen Entwicklungen nun mit einem Gesetz begegnen will, begrüßt die ABDA grundsätzlich – doch sie warnt zugleich vor gefährlichen Gesetzeslücken und fordert entscheidende Nachbesserungen.

Mit der geplanten Änderung des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes (NpSG) sollen Minderjährige künftig wirksamer geschützt werden. Dazu will das Bundesgesundheitsministerium (BMG) den Verkauf von Lachgas sowie von GBL und 1,4-Butandiol an Unter-18-Jährige verbieten und den Versandhandel für diese Substanzen untersagen. Die Regelung zielt klar auf die Missbrauchsgefahren, ohne jedoch die industrielle, medizinische oder wissenschaftliche Nutzung zu gefährden – zumindest in der Theorie. Denn in der Praxis bleiben zentrale Fragen offen, wie auch die ABDA in ihrer aktuellen Stellungnahme betont.

Die Standesvertretung der Apotheker*innen kritisiert vor allem, dass im Gesetzesentwurf keine Regelung zur Altersverifikation vorgesehen ist. Ohne ein effektives Kontrollsystem könnten Verkaufsverbote an Minderjährige ins Leere laufen. Auch dass Erwachsene GBL und 1,4-Butandiol weiterhin problemlos im stationären Handel erwerben dürften, sei mit Blick auf die Missbrauchsgefahr problematisch. Die ABDA schlägt vor, den Entwurf dahingehend zu überdenken, ob nicht allein eine Erweiterung des bisherigen NpSG-Katalogs ausreichen würde – ohne umfassende Gesetzesänderung, dafür mit klarer Stoffaufnahme.

Tatsächlich wäre diese Minimalanpassung juristisch eleganter, doch das BMG bleibt bei seiner Linie: Lachgas und die sogenannten K.o.-Tropfen seien anders gelagert als bisherige Stoffe im NpSG, weil sie originär aus industriellen Prozessen stammen und dort weiterhin benötigt werden. Gerade dieser Aspekt bringt auch die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) der Länder auf den Plan. In ihrer jüngsten Erklärung bekräftigen die Landesminister*innen ihre Unterstützung für Warkens Initiative, fordern aber gleichzeitig eine ungehinderte industrielle Verfügbarkeit. Die Balance zwischen öffentlicher Sicherheit und industrieller Nutzung wird damit zum Drahtseilakt zwischen Regulierung und Standortschutz.

Die Bedrohungslage ist indes real. Schon geringe Mengen GBL können bewusstlose Zustände hervorrufen. In der Partyszene ist die Substanz wegen ihrer geringen Kosten und ihrer euphorisierenden Wirkung beliebt – ebenso wie Lachgas, das über Sprühflaschen oder Luftballons inhaliert wird. Beide Substanzen werden auch zur gezielten Betäubung von Opfern bei Sexual- und Raubdelikten eingesetzt. Vor allem die Kombination aus leichter Beschaffung, fehlender Aufklärung und fehlender Altersbarriere macht sie brandgefährlich – besonders für Minderjährige.

Die Gesetzesnovelle setzt damit ein Signal, das längst überfällig ist. Sie will jugendliche Konsumenten schützen, kriminelle Nutzungen erschweren und dennoch die berechtigten Interessen von Industrie, Medizin und Forschung nicht beschneiden. Doch nur ein präzise austariertes Gesetz, das nicht an der Ladentheke endet, sondern auch im digitalen Handel greift, kann dieser komplexen Lage gerecht werden. Die Forderung der ABDA nach Altersprüfung und stationärer Verkaufseinschränkung für Erwachsene sollte daher nicht als bürokratische Schikane abgetan werden, sondern als notwendige Schärfung eines Gesetzes, das Leben retten könnte – im Wortsinn.

 

Sexualität braucht Entwicklung, Forschung braucht Nuancen, Versorgung braucht Sicherheit

Wie Studien zu Pubertätsblockern interpretiert werden, welche Fragen zur späteren sexuellen Funktion offenbleiben und warum eine ausgewogene Debatte dringend notwendig ist

Die medizinische Anwendung von GnRH-Analoga zur Pubertätsunterdrückung bei Jugendlichen mit Geschlechtsinkongruenz steht zunehmend im Spannungsfeld zwischen klinischer Evidenz, ethischer Verantwortung und gesellschaftlicher Polarisierung. Eine aktuelle Studie legt nun nahe, dass die spätere sexuelle Funktion Erwachsener, die in der Jugend eine Pubertätsblockade durchliefen, nicht negativ beeinträchtigt sei. Die Autoren sprechen von einer „positiven Gesamteinschätzung“, doch Fachleute aus Endokrinologie, Sexualmedizin und Ethik bewerten die Ergebnisse teils deutlich zurückhaltender – auch weil zentrale Langzeitdaten fehlen oder schwer vergleichbar sind.

Zentraler Befund der Untersuchung: Die befragten Erwachsenen, die im Jugendalter eine Pubertätsunterdrückung begannen und später eine geschlechtsangleichende Hormontherapie und in vielen Fällen operative Maßnahmen durchliefen, gaben überwiegend an, mit ihrer sexuellen Funktionalität zufrieden zu sein. Genannt wurden etwa positive Angaben zu sexueller Erregbarkeit, Orgasmusfähigkeit und intimen Beziehungen. Dabei lagen die Zufriedenheitswerte nach Selbstauskunft in einem ähnlichen Bereich wie bei Vergleichsgruppen ohne Geschlechtsinkongruenz. Die Studie wurde als retrospektive Kohortenanalyse unter Einbezug standardisierter Fragebögen durchgeführt.

Doch Kritiker mahnen zur Vorsicht. Erstens sei die Vergleichbarkeit zu anderen Gruppen durch methodische Unterschiede eingeschränkt. Zweitens fehle es an differenzierten Angaben zu subjektivem Lustempfinden, genitaler Empfindsamkeit oder auch zur Frage, wie sich frühe hormonelle Interventionen auf sexuelle Identität und Orientierung langfristig auswirken. Drittens sei der Einfluss psychosozialer Faktoren – etwa internalisierte Scham, gesellschaftliche Diskriminierung oder medizinische Vorerfahrungen – in solchen Studien schwer zu kontrollieren.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob sich biologische Entwicklungsschritte, die durch eine Blockade der endogenen Pubertät ausbleiben, vollständig nachholen lassen – etwa in Bezug auf neuroendokrine Reifung, genitales Wachstum oder die Ausbildung affektiver und erotischer Körperbezüge. Zwar berichten viele Betroffene, dass sie durch die frühe Intervention psychisch entlastet wurden und die Kontrolle über den eigenen Körper als stärkend empfanden, doch ist unklar, inwieweit diese Erleichterung auch mit späterer funktioneller Sexualität korreliert oder ob sich dabei neue Erwartungskonflikte ergeben.

Ein besonders heikler Punkt betrifft die Reversibilität der Blockade. Während die medizinische Leitlinie derzeit noch von einer grundsätzlichen Umkehrbarkeit ausgeht, mehren sich Stimmen, die langfristige Auswirkungen – etwa auf Libido, Fruchtbarkeit oder sexuelles Explorationsverhalten – zumindest nicht ausschließen wollen. Auch das niederländische Modell, das international oft als Referenz gilt, wird mittlerweile differenzierter betrachtet, gerade weil viele der dort behandelten Personen frühzeitig in ein binäres, hormonell gestütztes Geschlecht übergingen – und damit möglicherweise nie eine ununterbrochene Pubertätsentwicklung erlebten.

Zudem bleibt ungeklärt, wie groß die Rolle somatischer Veränderungen gegenüber psychosozialen Entwicklungen ist. Sexualität entsteht nicht allein aus Hormonen oder Organen, sondern in einem komplexen Geflecht aus Körperbild, Selbstwert, Beziehungserfahrung und kulturellem Rahmen. Dass ein transidenter Mensch nach Pubertätsblockade Sexualität anders erlebt als eine Person mit cisgender Entwicklungsgeschichte, sagt wenig über Defizite – aber viel über notwendige Sensibilität im medizinischen Diskurs.

In Fachkreisen wächst daher der Ruf nach langfristig angelegten, interdisziplinären Studien, die nicht nur auf sexuelle Funktionalität im engeren Sinn fokussieren, sondern auch auf Lebensqualität, Beziehungsfähigkeit, erotische Selbstwahrnehmung und langfristige Zufriedenheit. Gleichzeitig betonen Ethiker, dass die Vermeidung von pauschaler Stigmatisierung ebenso essenziell sei wie der Schutz junger Menschen vor zu frühen, irreversiblen Entscheidungen unter sozialem Druck.

Fest steht: Die Frage, wie sich eine unterdrückte Pubertät auf die spätere Sexualität auswirkt, lässt sich nicht monokausal beantworten – weder durch einen Fragebogen noch durch eine gesellschaftliche Debatte, die sich auf ideologische Raster stützt. Es geht um individuelle Entwicklungen, um medizinische Verantwortung, um sexuelle Selbstbestimmung und um die Verpflichtung, Entscheidungen für junge Menschen auf bestmöglicher Datenlage und mit größtmöglicher Offenheit für Langzeitperspektiven zu treffen.

 

Schleichende Gefahr, unterschätzte Belastung, unsichtbares Risiko

Wie Mikroplastik das Herz-Kreislauf-System bedrohen könnte, Diabetes befeuert und Trinkwasser zur stillen Quelle gesundheitlicher Probleme wird

Mikroplastik galt lange als Umweltproblem der Meere, nicht aber als medizinisches Risiko für das Herz – bis jetzt. Eine neue US-amerikanische Studie liefert erstmals belastbare Hinweise auf einen statistischen Zusammenhang zwischen hoher Mikroplastikbelastung und der Häufung kardiovaskulärer Erkrankungen in betroffenen Küstenregionen. Demnach leiden Menschen, die in besonders stark mit Mikroplastik kontaminierten Bezirken entlang des Pazifiks, Atlantiks oder des Golfs von Mexiko leben, nicht nur häufiger an Typ-2-Diabetes, sondern auch vermehrt an koronarer Herzkrankheit und Schlaganfällen. Die Analyse, publiziert im renommierten „Journal of the American Heart Association“, basiert auf Umwelt- und Gesundheitsdaten aus den Jahren 2015 bis 2022 und erfasst insgesamt 152 US-Küstenbezirke mit differenzierten Belastungsprofilen.

Dabei klassifizierten die Wissenschaftler die Mikroplastik-Konzentration im Meer bis zu 200 Seemeilen vor der jeweiligen Küste in vier Stufen – von minimaler Belastung bis über zehn Partikel pro Kubikmeter Meerwasser. Die Zuordnung der Umweltwerte erfolgte auf Basis bestehender Datenbanken und wurde mit den aktuellen bevölkerungsbezogenen Gesundheitsdaten der CDC (Centers for Disease Control and Prevention) abgeglichen. Die Analyse zeigte einen klaren Trend: Je höher die Belastung mit Mikroplastik, desto höher die Prävalenz der untersuchten chronischen Erkrankungen. Besonders signifikant war der Anstieg bei Typ-2-Diabetes, dessen Auftreten in Regionen mit sehr hoher Mikroplastikkonzentration um 18 Prozent über dem Basisniveau lag. Auch die koronare Herzkrankheit trat um sieben Prozent häufiger auf, während Schlaganfälle mit neun Prozent ebenfalls überrepräsentiert waren – stets im Vergleich zu Bezirken mit nur geringer Mikroplastikbelastung.

Bemerkenswert ist die Robustheit des Effekts auch nach Adjustierung um klassische Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht und sozioökonomischen Status. Zwar weisen die Autoren zu Recht darauf hin, dass keine direkten Messdaten zur individuellen Aufnahme von Mikroplastik vorliegen – doch die Korrelation zwischen Exposition und Erkrankungshäufigkeit ist statistisch stabil und verlangt nach medizinischer wie umweltpolitischer Beachtung. Der vermutete Expositionsweg reicht dabei über mehrere Kanäle: Der Konsum von Fisch und Meeresfrüchten stellt nur einen Teil der Aufnahme dar. Viel entscheidender könnte die Diffusion der Kunststoffpartikel aus dem Meer ins Grundwasser und in lokale Trinkwassersysteme sein – ein Weg, der bislang weder reguliert noch flächendeckend überwacht ist. Mikroplastikpartikel mit einem Durchmesser von unter fünf Millimetern gelangen potenziell unbemerkt in die menschliche Ernährungskette und entziehen sich dabei bisher jeder toxikologischen Quantifizierung.

Ob die Partikel tatsächlich im Gewebe akkumulieren, ob sie systemische Entzündungsprozesse auslösen oder vaskuläre Schäden verursachen, ist Gegenstand laufender Forschung. Erste tierexperimentelle Daten legen nahe, dass Nanoplastik das Endothel schädigen und oxidativen Stress erzeugen kann – ein Mechanismus, der auch für die Entstehung von Arteriosklerose und Diabetes relevant wäre. Die aktuelle Studie kann diesen kausalen Nachweis zwar nicht führen, doch sie liefert ein epidemiologisches Frühwarnsignal mit erheblichen Implikationen. Denn wenn sich bestätigen sollte, dass die Umweltverschmutzung mit Kunststoff nicht nur Meeresökosysteme, sondern auch das kardiometabolische Profil von Bevölkerungen beeinflusst, steht eine neue Debatte über Grenzwerte, Trinkwasserschutz und Plastikreduktion an – nicht aus ökologischen, sondern aus gesundheitspolitischen Gründen.

Noch fehlen verbindliche Normen zur maximalen Mikroplastikkonzentration im Trinkwasser, ebenso eine einheitliche Strategie zur systematischen Erfassung gesundheitlicher Effekte. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte bereits 2019 auf das Datenvakuum in diesem Bereich hingewiesen. Die neue US-Studie zeigt nun, dass es höchste Zeit ist, diese Forschungslücke zu schließen – nicht zuletzt, weil das Risiko für die Bevölkerung unsichtbar, schleichend und systemisch sein könnte. Umweltmedizin, Herz-Kreislauf-Forschung und Versorgungsplanung stehen damit vor einer neuen gemeinsamen Aufgabe. Nicht die akute Belastung, sondern die chronische Exposition könnte zum gesundheitspolitischen Risiko werden – besonders in Regionen, die ohnehin mit struktureller Benachteiligung und schlechter Gesundheitsversorgung zu kämpfen haben.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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