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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Die wirtschaftliche Lage der Apotheken in Deutschland offenbart 2024 ein trügerisches Bild: Während Durchschnittszahlen vermeintlich Stabilität signalisieren, verstärkt sich hinter den Kulissen eine gefährliche Spreizung zwischen Betrieben mit Standortvorteil und jenen, die wirtschaftlich ausbluten, weil keine benachbarte Apotheke vorher schließen musste. Gleichzeitig geraten Apotheken durch das E-Rezept tiefer in eine digitalisierte Infrastruktur, deren Sicherheitsrisiken systematisch unterschätzt werden – Cyberangriffe, Ausfälle und Haftungsfragen bedrohen Existenzen und machen Investitionen in technische Schutzmaßnahmen und spezielle Versicherungen zwingend erforderlich. Währenddessen wandelt sich die Rolle der Apotheke immer mehr vom Arzneimittelversorger zur ökologischen Vorzeigeinstitution, in der Klimavorgaben, CO₂-Bilanzen und absurde Raumklimaziele die fachliche Versorgung überlagern. Die demografische Entwicklung verstärkt den Druck weiter, denn Senior:innen, die mobil bleiben wollen, benötigen Beratung zu Fahrtauglichkeit und Medikamenteneinfluss – eine Aufgabe, die Apotheken übernehmen könnten, wenn sie nicht durch unklare Zuständigkeiten und mangelnde Unterstützung ausgebremst würden. Bei der Frühjahrssitzung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe sprach Präsidentin Overwiening deshalb Klartext: Immer weniger tragen immer mehr, während die Politik auf Zeit spielt. Die GMK beschloss derweil eine Strukturreform für pharmazeutische Dienstleistungen, deren Finanzierung endlich rechtssicher werden soll. Auch medizinisch rücken bislang ignorierte Zusammenhänge in den Fokus: Zyklusabhängige Arzneimittelwirkung bei Frauen, ein erhöhtes Meningeomrisiko unter Desogestrel sowie suizidale Nebenwirkungen bei zentralnervös wirksamen Substanzen zeigen die Dringlichkeit geschlechtersensibler und psychologisch achtsamer Arzneimitteltherapie. Im Wettbewerb um digitale Rezeptwege musste DocMorris eine Niederlage einstecken – das LG Köln wertete die KIM-gestützte Arztkommunikation an den Versender als unzulässige Werbung. Internationale Gäste wie der estnische Apothekerverband interessierten sich bei ihrem Besuch in Berlin nicht nur für diese Konfliktlinien, sondern zeigten, wie digitalisierte Vor-Ort-Systeme effizienter agieren können. Dass in der gesellschaftlichen Wirklichkeit Ketamin zwischen therapeutischer Substanz und Partydroge oszilliert und Apotheken zunehmend bei Rezeptfälschungen in den Fokus geraten, verschärft die Lage zusätzlich. Auch im Wochenbett fehlt häufig professionelle Begleitung – ein Feld, in dem Apotheken gezielt Unterstützung leisten könnten. Und dass sich pharmazeutische Logik sogar in kuratorische Arbeit übertragen lässt, bew
Wirtschaftliche Scheinruhe, strukturelle Spaltung, politische Ignoranz
Apotheken mit Standortvorteil profitieren 2024 – andere verlieren an Substanz, weil die Politik sich auf Durchschnittszahlen verlässt
Die wirtschaftliche Entwicklung westdeutscher Apotheken im Jahr 2024 lässt sich statistisch als Erfolg lesen – doch sie ist in Wahrheit ein Gleichnis für das Auseinanderdriften einer Branche, in der immer mehr vom Zufall des Standorts abhängt. Laut aktuellen Berechnungen konnte eine durchschnittliche Apotheke im Westen Deutschlands ihren Rohertrag im Vergleich zum Vorjahr um 7,98 Prozent steigern. In absoluten Zahlen entspricht das einem Plus von 60.043 Euro, sodass sich der mittlere Rohertrag auf 812.935 Euro summiert. Diese Zahl wirkt stabilisierend, fast ermutigend – zumindest auf den ersten Blick. Doch wer hinter den Mittelwert schaut, erkennt schnell die strukturelle Bruchkante: Viele Betriebe, die nicht vom Rückzug benachbarter Apotheken profitierten, mussten 2024 mit einem deutlich geringeren Rohertrag haushalten. Ihr wirtschaftlicher Spielraum hat sich zum Teil dramatisch verengt.
Ausschlaggebend für die scheinbar positive Durchschnittsentwicklung sind vor allem lokale Schließungseffekte. In vielen Regionen hat sich durch das Apothekensterben die Kundenfrequenz bei verbliebenen Betrieben vorübergehend erhöht – ein Effekt, der den Rohertrag dieser Apotheken verbessert hat, ohne dass strukturelle Probleme gelöst worden wären. Im Gegenteil: Die betriebswirtschaftlichen Lasten bleiben hoch. Personal- und Energiekosten steigen weiter, pharmazeutische Dienstleistungen bringen keine planbare Vergütung, das Fixhonorar ist nach wie vor eingefroren, und die Unsicherheit über Retaxationen oder regulatorische Eingriffe wächst. Betriebe ohne regionale Umfeldschließungen sehen sich daher mit einer doppelten Belastung konfrontiert: Während die Fixkosten zunehmen, bleibt das Kundenaufkommen konstant oder nimmt sogar ab, insbesondere in ländlichen oder einkommensschwachen Regionen, in denen das Apothekensterben selbst bereits eingesetzt hat.
Die Politik hat sich derweil auf den scheinbar positiven Trend gestützt. Aggregierte Zahlen wie der mittlere Rohertrag dienen als argumentative Grundlage, um dringend nötige Strukturreformen zu vertagen. Doch in Wahrheit entsteht ein verzerrtes Bild. Was auf dem Papier wie Stabilisierung aussieht, ist in der Praxis eine gefährliche Konzentration: ökonomisch, geografisch und demografisch. Sie entzieht immer mehr Apotheken die Luft zum Atmen – und zwar gerade jene, die sich durch solide Arbeit, beständige Versorgung und hohe Bindung in ihren Gemeinden bewährt haben, aber keine zufällige Sogwirkung aus Umfeldveränderungen erzielen können.
Dieser Befund ist nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern auch ein gesundheitspolitischer: Wenn sich der wirtschaftliche Erfolg von Apotheken zunehmend aus dem Niedergang benachbarter Kolleginnen und Kollegen speist, ist das gesamte Versorgungssystem in Schieflage. Es entsteht eine Form von Kannibalismus, die nicht auf Leistung, sondern auf Systemversagen beruht – und die in ihrer Konsequenz fatale Auswirkungen auf die flächendeckende Versorgung haben wird. Denn jeder Zugewinn auf der einen Seite geht mit einem unwiederbringlichen Verlust auf der anderen Seite einher. Diese Dynamik ist nicht nur betriebswirtschaftlich ruinös, sondern auch strukturell toxisch.
Was Apotheken jetzt brauchen, ist keine Diskussion über Mittelwerte, sondern ein Verständnis für die Heterogenität ihrer Lebenswirklichkeit. Es braucht ein wirtschaftspolitisches Instrumentarium, das nicht auf Sondereffekten aufbaut, sondern auf verlässlicher Grundlage, unabhängig von Standortglück oder Unglück. Der wirtschaftliche Auftrieb einzelner darf nicht länger als Entwarnung für alle herhalten. Vielmehr ist er ein Warnsignal, dass das System als Ganzes auf Kante läuft – und ohne grundlegende Gegenmaßnahmen bald mehr verliert, als es durch kurzfristige Umverteilung jemals gewinnen kann.
Digitalisierung verlangt Vorsorge, Cyberschutz sichert Existenzen, Versicherungen fangen Risiken auf
Wie das E-Rezept Apotheken vor neue Bedrohungen stellt, Sicherheitslücken zu Vermögensschäden führen können und welche Schutzstrategien jetzt entscheidend sind
Mit dem flächendeckenden Rollout des E-Rezepts verändert sich die Landschaft der Arzneimittelversorgung grundlegend – nicht nur für Patientinnen und Patienten, sondern insbesondere für die Apotheken. Während die Politik auf Effizienz und digitalisierte Versorgungsabläufe setzt, erleben viele Betriebe vor Ort eine Verlagerung der Verantwortlichkeiten und Risiken, deren finanzielle Dimension oftmals unterschätzt wird. Die Umstellung auf digitale Rezeptverarbeitung bedeutet nämlich auch, dass Apotheken in viel stärkerem Maße als früher in technisch verwundbare Systeme eingebunden sind – und dadurch auch haftungs- und versicherungstechnisch in neue Gefahrenzonen geraten.
Ein zentrales Problem ist die Absicherung gegen Cyberangriffe, Systemausfälle und daraus resultierende Vermögensschäden. Zwar profitieren viele Apotheken von effizienteren Abläufen und weniger Papieraufwand, doch die Eintrittswahrscheinlichkeit und der mögliche Schaden bei IT-Vorfällen steigen im Gegenzug deutlich. Attacken auf Rezeptserver, Token-Phishing, Datenlecks oder die gezielte Sabotage von Warenwirtschaftssystemen können binnen Sekunden nicht nur den Betrieb lahmlegen, sondern auch zu empfindlichen Verlusten führen – etwa durch gestörte Abgabeprozesse, fehlerhafte Abrechnungen oder DSGVO-relevante Verstöße.
In vielen Fällen unterschätzen Apotheken die Reichweite ihrer Haftung. Wer beispielsweise über veraltete IT-Systeme verfügt oder keinen dokumentierten Notfallplan nachweisen kann, riskiert im Falle eines Zwischenfalls nicht nur Bußgelder oder Imageschäden, sondern unter Umständen auch Regressforderungen der Kostenträger oder sogar eine strafrechtliche Komponente bei nachgewiesenem Organisationsverschulden.
Hier setzen mehrstufige Schutzkonzepte an, die von IT-Sicherheitslösungen über organisatorische Notfallpläne bis zu branchenspezifischen Versicherungspolicen reichen. Gerade Cyber-Versicherungen entwickeln sich in Apotheken zu einem Schlüsselwerkzeug. Sie greifen bei Angriffen auf Server, Systemausfällen oder Datenverlusten und übernehmen u. a. Kosten für IT-Forensik, Betriebsunterbrechung, Wiederherstellung sensibler Daten, aber auch Rechtsberatung und Reputationsschutz. Entscheidend ist allerdings, dass der Versicherungsschutz an ein aktives Risikomanagement gekoppelt ist – etwa durch Pflicht zu Penetrationstests, Firewall-Schutz oder revisionssichere Backup-Systeme.
Auch klassische Maßnahmen wie redundante Systeme, automatisierte Notfallumleitungen und Backup-Apotheken innerhalb von Verbundstrukturen gewinnen an Bedeutung. Wer sich frühzeitig mit möglichen Ausfallszenarien beschäftigt, kann nicht nur den Schaden im Ernstfall begrenzen, sondern auch gegenüber Versicherern bessere Konditionen und gegenüber Aufsichtsbehörden stärkere Verteidigungspositionen erwirken.
Rechtlich stehen Datenschutz und DSGVO-Konformität weiterhin im Fokus. Die Verarbeitung und Speicherung von Rezeptdaten, Gesundheitsprofilen oder Medikationsplänen unterliegt strengen Vorgaben, deren Verletzung empfindlich sanktioniert wird. Apotheken sind gut beraten, interne Datenschutzbeauftragte zu bestellen, sich regelmäßig extern auditieren zu lassen und alle Zugriffsrechte sowie Datenflüsse revisionssicher zu dokumentieren.
Die Einführung des E-Rezepts ist kein rein technischer Vorgang, sondern ein wirtschaftlicher Paradigmenwechsel. Wer ihn lediglich als Verwaltungsvereinfachung betrachtet, verkennt das Schadenspotenzial im Hintergrund. In Zeiten digitaler Transformation bedeutet betriebliche Stabilität vor allem: Sicherheitsstruktur, Absicherungskette und Krisenkompetenz müssen zusammen gedacht werden. Der Ertrag eines digitalen Rezepts bemisst sich letztlich daran, ob der Betrieb die Kontrolle über seine Risiken behält.
Fixum war gestern, jetzt kommt das Froschkonzert
Warum Apotheken bald Quellschutzgebiete werden, Rezepturen im Teich rühren und für CO₂-Armutszeugnisse mit Kräutertee belohnt werden
Was früher mit einem Kassenbon endete, beginnt heute mit einem Bodenfeuchtesensor. Denn die Apotheke von morgen ist nicht mehr nur Medikamentenabgabestelle, sondern staatlich geprüfter Lebensraum für bedrohte Moose, Reptilien und Mikroklimaziele. Willkommen in der neuen Welt der CO₂-kontrollierten Offizinwirtschaft, in der nicht mehr die Qualität des Wirkstoffs entscheidet, sondern die Luftreinheit im Handverkaufsbereich.
Auslöser der Transformation: das Umweltbundesamt. In einer mit viel Chlorophyll durchsetzten Erklärung fordert es, dass Apotheken sich zu „integrativen Klima- und Arzneiraumzellen mit multipler Rückkopplung“ entwickeln – was auf Deutsch heißt: Es gibt zehn Cent extra, wenn der Dreiwalzenstuhl von einem Solarziegel betrieben wird, der aus recyceltem Fensterglas besteht und beim Öffnen leise Vogelstimmen abspielt. Für die Atmosphäre.
Das Rezepturzimmer wird zur Schilfzone, der Laborbereich zum Feuchtbiotop. Wer jetzt denkt, das sei übertrieben, kennt nicht den neuen Entwurf für das „Grünapothekenzertifikat Stufe 1 – Quellgeschützt“. Verlangt wird: mindestens ein Wasserlauf mit Amphibiennachweis, Dachbegrünung mit Bestäuberindex über 7,5, Lichtführung mit Tageszeitdimmung und ein CO₂-Bilanztresor mit Echtzeitabfrage. Bonuspunkte gibt es für Apotheken, die über eigene Teichtiere verfügen – bevorzugt einheimisch, aber exotisch mit Herkunftsnachweis geht auch.
Natürlich müssen Apothekenleiter:innen künftig eine neue Ausbildung durchlaufen. Das Curriculum umfasst „Torfmoosanwendung in der Sichtwahl“, „Gehölzerpflege für Pharmazeut:innen“ und „Windkraftintegration in der Zytostatikaumgebung“. Die Prüfung erfolgt praktisch – auf dem Gelände einer Modellapotheke mit Erdwärmeloch, Kompost-Toilette und klimaneutralem Klingelschild aus Pilzleder.
Auch der Botendienst bekommt ein Update: Wer die Arznei noch mit dem Auto bringt, muss pro Fahrt einen Baum pflanzen oder alternativ 17 Minuten Fahrradkurbelzeit am Kommissionierer leisten – unter Aufsicht einer zertifizierten Nachhaltigkeitskraft. Der Liefernachweis wird nur anerkannt, wenn der Reifenabrieb unterhalb des EU-Mikroplastikgrenzwertes liegt.
Für die Kundschaft ist ebenfalls gesorgt. Jede Packung kommt mit CO₂-Fußabdruck, Aromatisierungshinweis und einem optionalen Beileger: „Wie Sie mit dem Einlösen dieses Rezepts zur Rettung des Planeten beitragen.“ Das Präparat selbst ist dabei fast nebensächlich – Hauptsache, es wurde emissionsneutral etikettiert und bei Halbmond abgefüllt. Für Thermosalben empfiehlt sich eine Lagerung im Lehmboden.
Die Kommunikation muss angepasst werden. Begrüßung am HV-Tisch künftig bitte nicht mehr mit „Wie kann ich helfen?“, sondern mit „Wie ist Ihr ökologisches Befinden?“ Wer den individuellen Temperaturhaushalt des Kunden nicht beachtet, riskiert einen Nachhaltigkeitsverstoß. Ein Punktesystem regelt, wie oft man sich einen Plastik-Messbecher leisten darf. Ab drei Verstößen gibt’s Beratungspflicht im „Klimaethik-Zirkel Pharmazie“.
Ganz neu: die CO₂-Selbstverpflichtung der Apothekenleitung. Sie muss jährlich belegen, wie viele Gramm Methan sie durch eigene Verhaltensanpassung eingespart hat. Sauna gestrichen? Pluspunkt. Rezeptur bei Tageslicht statt LED? Bonus. Kein Latte Macchiato mit Kuhmilch im Pausenraum? Belobigung mit Efeublatt-Aufkleber fürs Kassendisplay.
Was das alles bringen soll? Laut UBA eine „Verknüpfung von Arzneimittelsicherheit mit ökosystemischer Sensibilität“ – was ungefähr so greifbar ist wie der Wasserdampf in der Blisterverpackung. Doch sei’s drum: Wer in Zukunft nicht das Prädikat „ApoNatur Premium“ trägt, bleibt bei 9,48 Euro Fixum hängen. Die anderen dürfen sich über 10 Cent mehr freuen – pro Packung, pro Komposteinheit, pro Schmetterlingszähler.
In diesem Sinne: Denken Sie daran, den Frosch im Labor jeden Abend zu grüßen. Er ist nicht nur Maskottchen – er ist CO₂-Indikator, Energiezähler und wahrscheinlich bald Ihr neuer Filialleiter.
Sicher mobil, aufmerksam älter, gemeinsam verantwortungsvoll
Wie Senioren ihre Fahrtauglichkeit realistisch einschätzen, Assistenzsysteme sinnvoll nutzen und Familien den Abschied vom Lenkrad respektvoll begleiten können
Die Zahl älterer Verkehrsteilnehmer wächst – nicht nur statistisch, sondern auch im Straßenbild. Über 80 Prozent der 80-Jährigen besitzen heute noch eine Fahrerlaubnis. Die Gründe liegen auf der Hand: Autofahren bedeutet Unabhängigkeit, Selbstbestimmung und sozialen Anschluss – gerade in ländlichen Regionen, wo Bus und Bahn oft keine realistische Alternative darstellen. Doch mit der alternden Gesellschaft rückt auch eine unbequeme Frage in den Fokus: Wann endet sicheres Fahren? Nicht das Alter selbst, sondern die individuelle Fahrtauglichkeit muss den Maßstab setzen. Körperliche Veränderungen wie nachlassendes Seh- oder Hörvermögen, Gelenkbeschwerden und verlangsamte Reaktionen können die Fahrkompetenz beeinträchtigen. Wer regelmäßig Medikamente einnimmt oder an altersbedingten Erkrankungen leidet, ist zusätzlich gefordert, seine Verkehrstauglichkeit kritisch zu prüfen.
Doch pauschale Altersgrenzen lehnt die Politik bislang ab – mit gutem Grund. Denn viele Senioren kompensieren altersbedingte Defizite durch vorausschauendes Verhalten, defensive Fahrweise oder technische Hilfsmittel. Assistenzsysteme wie Spurhaltewarner, Einparkhilfen oder Notbremsassistenten können helfen, auch im Alter mobil zu bleiben. Dennoch gilt: Sicherheit geht vor. Die Begutachtungsleitlinien der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) regeln klar, wann medizinische Diagnosen wie Demenz, neurologische Ausfälle oder schwere Persönlichkeitsveränderungen ein ärztliches Fahrverbot erforderlich machen. Doch jenseits solcher Härtefälle bleibt viel Graubereich, in dem Selbstwahrnehmung, ärztliche Beratung und familiäre Verantwortung entscheidend werden.
Freiwillige Gesundheitschecks beim Hausarzt, Feedback-Fahrten mit einem Fahrlehrer oder Fahrsicherheitstrainings beim ADAC, TÜV oder DVR bieten einen risikofreien Realitätscheck für ältere Fahrer. Das EU-Parlament hat 2024 bewusst gegen eine verpflichtende medizinische Rezertifizierung für Senioren votiert – anders als Länder wie Portugal oder die Niederlande. In Deutschland bleibt es also beim Appell an die Eigenverantwortung. Dabei ist gerade hier das größte Problem auszumachen: Viele ältere Menschen unterschätzen ihre Einschränkungen oder ignorieren erste Warnzeichen aus Angst vor dem Verlust der Autonomie. Kleinere Unfälle, Kratzer am Fahrzeug, Verwechslungen beim Fahren oder Probleme beim Spurhalten sollten aber nicht bagatellisiert, sondern als Gesprächsanlass genutzt werden. Hier sind Angehörige gefragt – mit Respekt, aber auch mit Klarheit.
Untersuchungen zeigen, dass Senioren zwar seltener an Verkehrsunfällen beteiligt sind, aber in mehr als zwei Drittel der Fälle die Hauptschuld tragen, wenn es zu einem Unfall kommt. Das liegt weniger an Rücksichtslosigkeit als an Wahrnehmungsdefiziten, Konzentrationsproblemen und verzögertem Reaktionsvermögen. Dass die meisten älteren Fahrer einfache, bekannte Strecken bevorzugen und Stoßzeiten vermeiden, zeugt von Einsicht – doch sie ersetzt keine systematische Prüfung. Programme wie „Sicher mobil“ der Verkehrswacht oder der Online-Test des DVR bieten Orientierung – und das Gefühl, nicht allein zu sein.
Das eigene Fahrzeug kann ebenfalls eine entscheidende Rolle spielen: Wer auf klar strukturierte Bedienung, übersichtliches Cockpit und unterstützende Technik achtet, reduziert sein Risiko. Fahrassistenzsysteme sind mehr als nur Komfort – sie können Leben retten. Gleichzeitig darf Technik kein Ersatz für menschliche Urteilskraft sein. Die Entscheidung, wann der richtige Zeitpunkt für einen Rückzug vom Steuer gekommen ist, bleibt persönlich – aber sie darf nicht egoistisch getroffen werden. Der verantwortungsvolle Umgang mit dem Führerschein im Alter ist ein Akt der Reife – und der Fürsorge gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern.
Lastdruck steigt, Vorurteile halten sich, Hoffnung ruht auf Reformwillen
Wie Overwiening dem Apothekensterben entgegentritt, Mythen über Kostentreiber entlarvt und Koalitionspläne als Wendepunkt deutet
Die Apothekenlandschaft in Deutschland steuert weiter auf eine strukturelle Zerreißprobe zu – und mit ihr geraten Versorgungssicherheit, Fachkräftestabilität und wirtschaftliche Tragfähigkeit unter Druck. In Münster hat Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, die Entwicklungen bei der Frühjahrssitzung des Apothekerparlaments in ungewöhnlich offener Klarheit auf den Punkt gebracht: Immer weniger Apothekerinnen und Apotheker tragen eine wachsende Last, während politische Weichenstellungen auf sich warten lassen und digitale Nebelkerzen von der eigentlichen Misere ablenken. Vor dem Hintergrund einer älter werdenden, zugewanderten und zunehmend multimorbiden Gesellschaft betonte sie, dass nicht weniger, sondern mehr Apotheken erforderlich wären – eine Wahrheit, die sich diametral zur Realität verhält. Dass die Apothekenzahl bundesweit im ersten Quartal 2025 unter die historische Schwelle von 17.000 gefallen ist, kommentierte sie mit einem drastischen Rückblick: So wenige Apotheken wie heute gab es zuletzt vor einem halben Jahrhundert – damals allerdings nur in Westdeutschland.
Overwiening beließ es nicht bei Statistiken, sondern zerlegte auch gängige Narrative. Die Vorstellung, dass durch Digitalisierung Apotheken überflüssig würden, nannte sie kurzsichtig. Sie verwies auf einen fatalen Vergleich: Während in Deutschland 100.000 Menschen auf rund 20 Apotheken angewiesen seien, betrage der EU-Durchschnitt 31, in Griechenland sogar 101 – und zwar durchweg bei digitalisierten Strukturen. Der Mythos, Apotheken seien ein Kostentreiber im Gesundheitssystem, werde ebenfalls durch eine unsaubere Vermengung von Arzneimittel- und Apothekenkosten künstlich aufrechterhalten. Zwar steigen die Arzneiausgaben, doch Apotheken profitierten davon nicht. Gerade deshalb brauche es differenzierte Analysen – und politische Korrekturen.
Ein Hoffnungsschimmer ist aus Sicht der Kammerpräsidentin der Koalitionsvertrag, dessen Umsetzung sie mit Nachdruck einfordert: „zügig, zügig, zügig.“ Besonders das Vorhaben, das Fixum auf 9,50 Euro anzuheben, sei essenziell, um den wirtschaftlichen Aderlass zu stoppen. Für strukturschwache Regionen fordert Overwiening eine gezielte Zusatzkomponente, die Gleichpreisigkeit wahrt, aber gezielt kleinere Betriebe stützt – etwa durch ein fixes Packungskontingent mit Bonus. Auch die geplanten Maßnahmen zur Erleichterung bei Abgabe und Austausch von Arzneimitteln und die angestrebte Ausweitung der Prävention seien Signale in die richtige Richtung. Überhaupt lobte sie die Handschrift von CDU-Gesundheitspolitikern wie Kippels und Sorge, die in den Vertrag eingeflossen sei – ebenso wie die Rolle der neuen Bundesgesundheitsministerin Nina Warken, der sie mehr Umsetzungswillen als eigene Agenda unterstellt.
Doch Overwiening beließ es nicht bei berufsständischen Appellen. Ihre Rede war auch ein flammendes Plädoyer für demokratische Integrität. Mit Blick auf die Kanzlerwahl würdigte sie den Anstand der Oppositionsparteien, die den Weg für einen zweiten Wahlgang freigemacht hätten, obwohl ihnen dies politisch nicht genutzt habe. „Demokratie ist kein Geschenk, es ist tägliche Arbeit“, sagte sie. Diese Aussage legte sie retrospektiv auch auf ihre eigene Niederlage bei der ABDA-Präsidentenwahl im Dezember 2024 aus: Ohne Gegenkandidatin war sie durchgefallen – ein Dämpfer, der ihr offenbar als Denkzettel gelten sollte. Anders als im politischen Raum gab es hier jedoch keine Möglichkeit für einen zweiten Wahlgang – und so sei die ABDA ausgerechnet in einer Phase instabiler Regierung geschwächt worden.
Dass selbst banale Werbung zur Bedrohung avancieren kann, zeigte Overwiening am Beispiel der Werbekampagne von Günther Jauch. Diese suggeriere, der Bezug von Arzneimitteln sei nur online einfach möglich – eine Verdrehung der Realität, die sie zutiefst ärgert. Wenn selbst ihre 88-jährige Mutter auf der Krankenhausstation derart beeinflusst werde, sei das nicht nur ein medienethisches Problem, sondern Ausdruck einer gesellschaftlichen Umwertung. Jauch, so Overwiening, müsse sich fragen lassen, ob seine Rolle als Werbeträger nicht die Grenze zur Verantwortungslosigkeit überschreite. Arzneimittel dürften nicht wie „Bonbons“ behandelt werden – auch nicht in Werbespots, die suggerieren, Apothekerinnen und Apotheker seien nur noch Statisten im digitalen Abverkauf.
Die Rede der Kammerpräsidentin war damit mehr als ein berufspolitisches Statement: Sie war eine grundlegende Positionsbestimmung zu den Herausforderungen eines Systems, das nur dann tragfähig bleibt, wenn Vernunft, Vertrauen und Verantwortung wieder zum Maßstab politischen und gesellschaftlichen Handelns werden.
Angemessen sichern, wirksam steuern, Verantwortung neu verteilen
Warum pDL strukturell abgesichert werden müssen, wie die GMK auf Risiken reagiert und welche wirtschaftliche Last Apotheken nicht mehr tragen können
Die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) hat ein zentrales Strukturproblem des Apothekenwesens in den Fokus gerückt: Die Vergütung pharmazeutischer Dienstleistungen (pDL) ist bislang nicht rechtlich gesichert, nicht dauerhaft planbar und birgt für Apotheken erhebliche wirtschaftliche Risiken. In ihrer Tagung am 11. und 12. Juni in Weimar beschloss die GMK – unter Vorsitz der thüringischen Gesundheitsministerin Katharina Schenk (SPD) – mehrheitlich einen Antrag aus Brandenburg, der das Bundesgesundheitsministerium auffordert, eine rechtlich verbindliche, auskömmliche und nachhaltige Struktur für die Finanzierung pharmazeutischer Dienstleistungen zu schaffen. Der Beschluss zielt nicht auf kosmetische Nachbesserungen, sondern auf eine fundamentale Neuausrichtung des pDL-Finanzierungsmodells.
Derzeit erfolgt die Finanzierung der pDL über den beim Nacht- und Notdienstfonds (NNF) der ABDA angesiedelten Vergütungstopf, der ursprünglich zur Finanzierung des Nacht- und Notdiensthonorars eingeführt wurde und über eine gesetzlich geregelte Umlage der GKV-Versicherten gespeist wird. Mit dem im Jahr 2022 gesetzlich verankerten Anspruch auf pharmazeutische Dienstleistungen wurde dieser Fonds durch politische Entscheidung zusätzlich belastet. Seither wird aus diesem Topf die pDL-Vergütung bezahlt – zunächst in verhandelter, mittlerweile gesetzlich verankerter Höhe. Der Fonds ist zwar aktuell formal gefüllt, doch bei wachsendem Leistungsanspruch, möglichen Leistungsausweitungen oder Budgetumwidmungen ist ein strukturelles Defizit absehbar.
Brandenburgs Gesundheitsministerin Britta Müller (parteilos) warnte ausdrücklich vor der Illusion einer stabilen Finanzierungsgrundlage. Schon heute, so Müller, tragen Apotheken das vollständige wirtschaftliche Risiko: Sie investieren in Fortbildung, Infrastruktur, Geräte und Materialien, um anspruchsvolle pharmazeutische Leistungen wie Medikationsanalysen, standardisierte Blutdruckmessung oder Inhalationstrainings zu erbringen – und stehen gleichzeitig ohne Garantie da, ob und in welcher Höhe diese Leistungen in Zukunft vergütet werden. Das wirtschaftliche Risiko liegt faktisch bei den Apotheken selbst, obwohl sie im Auftrag des Systems agieren.
Die GMK erkennt hierin ein wachsendes Systemversagen: Wenn die Ausweitung pharmazeutischer Leistungen nicht mit einer rechtlich geschützten und dynamisch anpassbaren Vergütungsstruktur einhergeht, droht eine strategische Unterfinanzierung, die besonders inhabergeführte, mittelständische Apothekenbetriebe unter Druck setzt. Diese sind jedoch das Rückgrat der wohnortnahen Versorgung – insbesondere im ländlichen Raum, wo medizinische Grundversorgung durch Ärzte immer häufiger ausdünnt. Die pDL gelten als Brücke in genau diesem Versorgungsdilemma. Ohne wirtschaftliche Sicherung aber wird die Brücke zur Sackgasse.
Die Brisanz der Situation wird zusätzlich durch den Koalitionsvertrag unterstrichen: Dort ist eine erhebliche Ausweitung pharmazeutischer Aufgaben vorgesehen – etwa im Bereich Impfprävention, Prävention chronischer Erkrankungen, Arzneimitteltherapiesicherheit und digitaler Schnittstellen. Neue pDL werden diskutiert, darunter etwa pharmazeutische Betreuung bei onkologischer Medikation, standardisierte Medikationspläne für geriatrische Patientinnen und Patienten oder Telepharmazie-Modelle. All diese Maßnahmen setzen voraus, dass Apotheken verlässlich planen, investieren und dokumentieren können. Ohne gesicherte Vergütung wird das Gegenteil erreicht: strategische Verweigerung, Rückzug aus der Fläche, Verlust an Innovationsbereitschaft.
Ein zusätzliches Risiko ergibt sich aus der Konstruktion des Fonds selbst. Der NNF ist keine haushaltsrechtlich geschützte Institution des Staates, sondern eine von der Selbstverwaltung organisierte Umlageeinrichtung. Sie kann – abhängig vom Gesetzgeber – modifiziert, eingeschränkt oder mit weiteren Aufgaben belastet werden. Auch ein Wegfall oder eine Umwidmung ist rechtlich möglich. Damit ist keine langfristige Investitionssicherheit gegeben. Das widerspricht allen ökonomischen Prinzipien, nach denen Gesundheitsleistungen unter Einbeziehung privatwirtschaftlicher Strukturen erbracht werden sollen.
Aus Sicht der GMK muss deshalb eine verlässliche Rechtsgrundlage geschaffen werden, die nicht nur den Anspruch auf Leistung regelt, sondern auch das Anrecht auf faire, leistungsorientierte, vollständig refinanzierbare Honorierung garantiert – unabhängig von Haushaltsschwankungen, politischen Prioritäten oder der Finanzlage einzelner Kostenträger. Das bisherige Vergütungsmodell ist ein Interimsarrangement – geeignet zur kurzfristigen Einführung, aber ungeeignet für den dauerhaften Betrieb.
Nicht zuletzt gefährdet die Unsicherheit die Attraktivität des Berufsbilds. Junge Apothekerinnen und Apotheker, die in die Versorgung einsteigen wollen, brauchen Planbarkeit, betriebswirtschaftliche Stabilität und Klarheit über die Refinanzierung. Wenn Apothekenleitungen gezwungen sind, wirtschaftlich notwendige pDL abzulehnen, weil keine sichere Finanzierung vorliegt, wird nicht nur die Leistung unterbunden, sondern ein zukunftsfähiges Berufsbild beschädigt. Die GMK fordert deshalb eine Finanzarchitektur, die folgende Kriterien erfüllt: rechtliche Bindung, dynamische Anpassbarkeit, transparente Kalkulationsbasis, technologieoffene Infrastrukturförderung und klare Trennung von leistungsbezogener und struktureller Vergütung.
Ein Reformmodell könnte auf einer Kombination aus festen Sockelbeträgen je Leistung, dynamisierten Zuschlägen bei Risikopatientengruppen und Investitionskostenausgleich basieren – gekoppelt an Qualitätssicherungsmaßnahmen und digitale Dokumentationsstandards. Dies würde sowohl ökonomische Fairness als auch gesundheitspolitische Steuerbarkeit gewährleisten und die Apotheken als Gesundheitsakteure stärken, nicht schwächen.
Fazit der GMK: Wer Versorgung will, muss Vergütung sichern. Wer Verantwortung überträgt, muss Risiko tragen. Wer Apotheken stärken will, darf sie nicht als Pufferzone zwischen politischem Willen und ökonomischer Realität missbrauchen. Die Zeit für symbolische Vergütungspolitik ist vorbei – es geht jetzt um strukturelle Stabilität oder systemischen Kontrollverlust.
Zyklus verändert Wirkung, Dosierung braucht Anpassung, Forschung hinkt hinterher
Wie Hormonschwankungen Arzneien beeinflussen, warum Dosierungsstudien Lücken aufweisen und geschlechtersensible Forschung essenziell bleibt
Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass Hormonschwankungen im weiblichen Zyklus nicht nur Wohlbefinden, Stimmung und Stoffwechsel beeinflussen, sondern auch die Art und Weise, wie Medikamente aufgenommen, verstoffwechselt, verteilt und ausgeschieden werden. Dennoch bleibt diese fundamentale Erkenntnis in der Arzneimittelentwicklung, Zulassung und klinischen Anwendung nahezu unbeachtet. Was in der Tiermedizin seit den 1960er Jahren systematisch berücksichtigt wird – nämlich der Einfluss des Östruszyklus auf die Pharmakodynamik und Pharmakokinetik – ist in der Humanmedizin bis heute unvollständig erforscht, kaum reguliert und noch seltener praktisch umgesetzt. Die Folge ist ein struktureller Mangel an geschlechtersensibler Arzneimitteltherapie, der potenziell die Sicherheit, Wirksamkeit und Lebensqualität von Millionen Patientinnen beeinträchtigt.
Zyklische Schwankungen der endogenen Hormone – insbesondere Östrogen und Progesteron – modulieren über verschiedene Mechanismen die Wirkung und Verteilung von Arzneistoffen. Diese Hormone beeinflussen die Aktivität zentraler Enzymsysteme, insbesondere der Cytochrom-P450-Familie, verändern den Plasmaproteinstatus, modulieren Membrantransportproteine und beeinflussen Leber- und Nierenfunktion ebenso wie gastrointestinale Resorptionsbedingungen. Der weibliche Körper ist kein konstanter pharmakokinetischer Raum, sondern unterliegt in vier Phasen des Menstruationszyklus – Menstruation, Follikelphase, Ovulation und Lutealphase – einem fein abgestimmten hormonellen Oszillationsmuster mit pharmakologisch relevanten Konsequenzen.
Ein Beispiel ist das Enzym CYP1A2, das in der Follikelphase deutlich aktiver ist als in der Lutealphase. Es ist unter anderem verantwortlich für den Abbau von Coffein, bestimmten Neuroleptika und Antidepressiva. Die Halbwertszeit von Coffein verlängert sich bei Frauen in der späten Lutealphase signifikant, was zu kumulativen Wirkungen führen kann – Schlaflosigkeit, Nervosität oder tachykarde Episoden treten dann auch bei moderatem Konsum auf. Bei Paracetamol, das primär über Glucuronidierung und Sulfatierung in der Leber verstoffwechselt wird, zeigen Studien Unterschiede in der Resorptionsgeschwindigkeit und Wirkspiegeldauer – ein Einfluss, der insbesondere bei hoher Dosierung oder Lebervorerkrankungen sicherheitsrelevant ist. Auch die renale Clearance verändert sich im Zyklusverlauf, was Substanzen mit enger therapeutischer Breite (z. B. Lithium, Digoxin) deutlich beeinflussen kann.
Noch gravierender sind zyklusabhängige Unterschiede bei Medikamenten mit hoher Toxizität oder schmaler therapeutischer Breite, etwa Chemotherapeutika. Studien mit Frauen, die 5-Fluorouracil oder Cisplatin erhalten, zeigen eine deutlich niedrigere Neutropenie-Rate, wenn die Verabreichung während der späten Lutealphase erfolgt. Grund ist vermutlich eine hormoninduzierte Modulation der Zellzyklusaktivität im Knochenmark. Diese Beobachtung eröffnet nicht nur die Möglichkeit, Nebenwirkungen zu minimieren, sondern auch, durch zyklusoptimiertes Timing die Wirksamkeit zu steigern – ein Ansatz, der in der „Chronotherapie“ zwar diskutiert, aber kaum operationalisiert wird.
Auch im Bereich der Neurologie mehren sich die Hinweise, dass zyklische Hormonveränderungen mit der Wirkung zentral aktiver Medikamente interferieren. Antiepileptika wie Lamotrigin oder Valproinsäure zeigen in Studien bei Patientinnen mit katamenialer Epilepsie eine reduzierte Wirkung in der Perimenstruationsphase – trotz stabiler Dosierung. Ähnlich ist es bei Antidepressiva, deren Wirkung in manchen Zyklusphasen über serotonerge Mechanismen verändert wird. Schmerzmittel wie Ibuprofen verlieren in der Lutealphase an Wirksamkeit, während Naproxen bei hormonbedingter Migräne in der prämenstruellen Phase effektiver sein kann. Solche Differenzen müssten in der täglichen Praxis zu phasenadaptiven Dosierungsstrategien führen – bislang existieren dazu weder Leitlinien noch standardisierte Empfehlungen.
Die strukturelle Ignoranz gegenüber zyklusbezogenen Wirkvariationen hat historische Gründe. In der klinischen Arzneimittelforschung galt der weibliche Zyklus jahrzehntelang als Störgröße. Um statistische „Homogenität“ zu wahren, wurden Frauen – insbesondere solche im gebärfähigen Alter – systematisch aus Studien ausgeschlossen oder in zu kleinen Subkohorten berücksichtigt. Das Ergebnis ist ein Forschungsbias, der bis heute in den Dosierungsempfehlungen, Zulassungstexten und Fachinformationen fortlebt. Während in der Theorie inzwischen auf europäischer Ebene eine geschlechtersensible Forschungspflicht formuliert wurde, ist die Umsetzung schleppend. Noch immer werden Medikamente mit Dosierungen auf den „durchschnittlichen 75-Kilo-Mann“ abgestimmt – ein Maßstab, der physiologische, hormonelle und metabolische Unterschiede vollständig ignoriert.
Dabei ist die Berücksichtigung zyklusabhängiger Effekte nicht nur eine Frage wissenschaftlicher Genauigkeit, sondern auch der therapeutischen Gerechtigkeit. Wenn Frauen systematisch unter- oder überdosiert werden, ist das nicht bloß ein Nebenprodukt ungenauer Forschung – es ist ein struktureller Fehler im Versorgungssystem. Die Folgen sind im Alltag spürbar: unerklärliche Nebenwirkungen, verminderte Therapietreue, höhere Drop-out-Raten in Langzeitbehandlungen, unnötige Medikamentenwechsel – und im schlimmsten Fall vermeidbare Krankheitsverläufe.
Besondere Bedeutung erhält die zyklusabhängige Pharmakologie auch bei Frauen mit hormonellen Grunderkrankungen wie PCOS, Endometriose oder hypothalamischen Zyklusstörungen. Hier sind die oszillatorischen Muster nicht nur verändert, sondern oft dauerhaft verschoben, was zusätzliche pharmakologische Herausforderungen birgt. Gleichzeitig sind hormonelle Kontrazeptiva ein massiver Modulator von Arzneimittelmetabolismus – sie hemmen bestimmte CYP-Enzyme, induzieren andere und verändern Proteinbindungskapazitäten. Auch hier fehlt es an systematischen Analysen, klinischen Empfehlungen und Fortbildungskonzepten.
Was nötig wäre, ist eine mehrdimensionale Anpassung: Studienprotokolle müssen zyklusphasenbezogen designt, Zulassungsdaten nach Zyklusphasen ausgewertet und Fachinformationen geschlechterspezifisch ergänzt werden. Ärztliche Fortbildungen sollten zyklusadaptive Dosierungsstrategien vermitteln. In digitalen Medikationssystemen könnten Algorithmen zukünftig auch Zyklusdaten integrieren, um Dosisempfehlungen präziser zu machen – ein Ansatz, der heute technisch möglich, aber regulatorisch völlig ungenutzt ist.
Die Individualisierung der Pharmakotherapie bleibt bislang an der Oberfläche stehen. Wo man von „personalisierter Medizin“ spricht, meint man oft nur genetische Polymorphismen oder KI-gestützte Therapiealgorithmen. Doch echte Individualisierung beginnt mit der Berücksichtigung biologischer Rhythmen – und der weibliche Zyklus ist einer der stärksten. Ihn zu ignorieren, ist wissenschaftlich fahrlässig und gesundheitspolitisch rückständig. Eine moderne Arzneimitteltherapie braucht nicht nur molekulare Präzision, sondern auch hormonelles Verständnis. Erst wenn die Wirkung eines Medikaments nicht mehr in männlich-normierten Modellen gedacht wird, sondern in zyklisch-dynamischen Realitäten, beginnt die therapeutische Gleichberechtigung.
DocMorris drängt über KIM, Kammer klagt gegen Werbung, Gericht erklärt Praxis für wettbewerbswidrig
Wie das Landgericht Köln die KIM-Kommunikation an DocMorris als unzulässige Werbung wertet, warum die Apothekerkammer Nordrhein klagte und welche Grenzen beim E-Rezept-Versand gelten
DocMorris geht in der Erschließung digitaler Rezeptwege strategisch weit – und stößt dabei auf juristische Grenzen. Das Landgericht Köln hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass eine an Arztpraxen gerichtete „Information“ zur Übermittlung von E-Rezepten via KIM-Dienst direkt an DocMorris als wettbewerbswidrige Handlung einzustufen ist. Die Mitteilung, die in ihrer äußeren Form wie ein neutraler Hinweis wirkte, suggerierte Arztpraxen die Möglichkeit, auf Kundenwunsch Rezeptdaten direkt und ohne Zwischenschritt an DocMorris zu übermitteln. Die Apothekerkammer Nordrhein hatte gegen diese Praxis geklagt – mit Erfolg.
Im Kern sieht das Gericht in der Kommunikation einen unzulässigen Versuch, den Einfluss auf die Rezeptsteuerung zu nutzen, um auf Umwegen an E-Rezepte aus Deutschland zu gelangen. Die KIM-Schnittstelle (Kommunikation im Medizinwesen) ist für vertrauliche und datenschutzkonforme Kommunikation im Gesundheitswesen konzipiert, nicht jedoch als Werbekanal für einzelne Apotheken. Gerade die scheinbar neutrale Gestaltung des Schreibens, das nicht als klassische Werbung erkennbar war, wurde von der Kammer als besonders problematisch bewertet. Das Gericht folgte dieser Argumentation: Es handele sich nicht um eine sachliche Information, sondern um eine geschäftliche Handlung im Sinne des Wettbewerbsrechts – mit konkretem Ziel, eine bestimmte Rezeptsteuerung zu etablieren.
Hintergrund des Streits ist die schwelende Auseinandersetzung über die Nutzung digitaler Rezeptwege im deutschen Apothekenwesen. DocMorris und andere EU-Versender suchen seit Einführung des E-Rezepts nach Wegen, Verordnungen ohne physischen Ausdruck und ohne direkte Patientenbeteiligung zu erhalten. Dabei ist der KIM-Dienst für sie ein attraktives Instrument – sofern Ärzte bereit sind, die Rezepttoken entsprechend weiterzuleiten.
Für die Apothekerkammer Nordrhein stand jedoch nicht nur der technische Vorgang im Zentrum, sondern auch der Grundsatz der freien Apothekenwahl. Wird ein Rezept bereits durch die Arztpraxis zielgerichtet an eine bestimmte Versandapotheke weitergeleitet, kann dies – so die Argumentation – als Beeinflussung der Patientenentscheidung gewertet werden.
Das Gericht hat nun klargestellt: Ein solches Vorgehen überschreitet die Grenzen zulässiger Information. Eine unmittelbare Aufforderung an Arztpraxen, im Namen ihrer Patienten tätig zu werden und Rezeptdaten an DocMorris zu übermitteln, stelle eine unzulässige geschäftliche Handlung dar – auch wenn diese als Service im Patienteninteresse getarnt sei.
Die Entscheidung hat weitreichende Bedeutung für die digitale Zukunft der Rezeptverteilung. Sie signalisiert, dass der gesetzliche Rahmen zum Schutz der Patientenwahl und zur Trennung von ärztlicher Verordnung und wirtschaftlichen Interessen konsequent durchgesetzt wird – gerade auch im Bereich digitaler Innovationen. DocMorris hat bislang nicht erklärt, ob Berufung eingelegt wird. Die Apothekerkammer Nordrhein hingegen sieht sich in ihrer Position bestätigt und kündigt an, auch in Zukunft gegen vergleichbare Umgehungskonstruktionen vorzugehen.
Dass es sich bei der Entscheidung nicht um einen bloßen Formalverstoß handelt, sondern um ein Grundsatzurteil zum Verhältnis von Technik, Markt und Regulierung, betonen Beobachter aus dem Apothekenrecht: Wer über Informationsstrukturen wie KIM gezielt Rezeptströme lenken will, nutzt nicht mehr nur einen Kommunikationskanal – er greift aktiv in die Marktarchitektur des Gesundheitswesens ein.
Desogestrel unter Verdacht, Meningeome im Fokus, Therapieentscheidungen auf dem Prüfstand
Wie Studien ein mögliches Hirntumorrisiko andeuten, welche hormonellen Wirkmechanismen diskutiert werden und was Gynäkologen jetzt beachten müssen
Die Diskussion um ein potenziell erhöhtes Meningeomrisiko unter hormoneller Kontrazeption hat eine neue Wendung erfahren. Nach Cyproteronacetat, Nomegestrol, Chlormadinon und Medroxyprogesteron steht nun auch Desogestrel im Verdacht, bei langfristiger Einnahme die Entstehung von Meningeomen zu begünstigen. Eine großangelegte französische Kohortenstudie hat diesen Zusammenhang erstmals systematisch untersucht und dabei Ergebnisse erzielt, die weitreichende Implikationen für die gynäkologische Praxis, die Arzneimittelsicherheit und die Risikokommunikation in der Patientinnenversorgung haben könnten.
Desogestrel zählt zu den häufig eingesetzten Gestagenen in der hormonellen Verhütung. Als Wirkstoff der sogenannten Minipille wird es oft Frauen verschrieben, die keine Östrogene vertragen oder aufgrund individueller Risikofaktoren – etwa Thrombosegefährdung – auf reine Gestagenpräparate angewiesen sind. Bisher galt Desogestrel in Fachkreisen als relativ sicher, insbesondere im Vergleich zu hochdosierten Progestinpräparaten, die bereits unter regulatorischer Beobachtung stehen. Doch dieser Eindruck könnte sich mit der neuen Datenlage ändern.
Die französische Untersuchung stützt sich auf das SNDS (Système National des Données de Santé), eine der weltweit größten Versorgungsdatenbanken mit vollständigen Arzneimittelverordnungen, Krankenhausaufenthalten und Diagnosen. Untersucht wurden über 1,2 Millionen Frauen zwischen 18 und 60 Jahren, die im Zeitraum von 2009 bis 2018 hormonell verhüteten. Dabei fiel auf: Frauen mit einer kumulativen Desogestrel-Exposition über mindestens zwei Jahre wiesen eine signifikant höhere Inzidenz von Meningeomen auf als Frauen ohne hormonelle Kontrazeption oder mit kürzerer Einnahmedauer.
Das Risiko stieg mit der Gesamtdosis: Frauen mit einer kumulierten Desogestrelmenge von über 10.000 mg hatten ein etwa doppelt so hohes Meningeomrisiko wie die Vergleichsgruppe. Besonders auffällig war, dass sich die Tumoren häufig im Bereich der vorderen Schädelbasis lokalisierten – ein Muster, das bereits von Cyproteronacetat bekannt ist. Diese Lokalisation korreliert mit einem besonders hohen Anteil an Progesteronrezeptor-positiven Meningeomen. Die biologischen Mechanismen sind noch nicht abschließend verstanden, doch es gibt starke Hinweise darauf, dass synthetische Gestagene mit hoher Affinität zu endogenen Rezeptoren eine proliferative Wirkung auf hormonempfindliches Hirngewebe ausüben können.
Desogestrel ist ein 19-Nortestosteron-Derivat mit hoher Selektivität am Progesteronrezeptor und gleichzeitig geringer Androgenaktivität – Eigenschaften, die es für bestimmte Indikationen besonders attraktiv machen. Doch gerade diese Affinität könnte eine unerwünschte Wirkung auf ruhende Tumorzellen oder prädisponierte Zellnischen haben. In-vitro-Studien zeigen, dass Gestagene das Zellwachstum in meningealen Zelllinien stimulieren können, insbesondere in Kombination mit chronischer Exposition. Auch tierexperimentelle Modelle mit dauerhaft hormonexponierten Mäusen ergaben in der Vergangenheit Hinweise auf gesteigerte meningeale Proliferation. Diese Vorbefunde erhalten durch die aktuelle Studie klinische Relevanz – auch wenn sie, wie die Autoren betonen, nur eine Assoziation und keinen kausalen Nachweis liefern.
Bisher haben die französischen Arzneimittelbehörden (ANSM) vorsichtige Reaktionen gezeigt: Zwar wurde das Risikosignal öffentlich gemacht, eine Aktualisierung der Fachinformation steht aber noch aus. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA prüft derzeit, ob ein Risikobewertungsverfahren eingeleitet werden soll. Ähnlich war man bei Cyproteronacetat vorgegangen: Erst nach mehreren Studien, die eine Dosis-Wirkungs-Beziehung aufzeigten, wurde das Präparat in der Hochdosisanwendung (25 mg/Tag oder mehr) mit klaren Warnhinweisen versehen und bei bestimmten Indikationen eingeschränkt. Bei Chlormadinon und Nomegestrol wurden ähnliche Schritte unternommen – auf Basis epidemiologisch vergleichbarer Daten.
Die aktuelle Lage stellt Gynäkologinnen und Gynäkologen vor eine schwierige Abwägung: Desogestrel ist für viele Patientinnen eine gut verträgliche Alternative, insbesondere bei Östrogenunverträglichkeit, Stillzeit oder erhöhtem thromboembolischem Risiko. Gleichzeitig dürfen potenzielle Langzeitrisiken nicht bagatellisiert werden – auch wenn diese in absoluten Zahlen selten sind. Fachgesellschaften wie die DEGAM, die DGGG oder die AWMF haben sich bislang zurückhaltend geäußert. Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie verweist auf die Notwendigkeit kontrollierter prospektiver Studien, um zwischen kausalem Risiko und statistischer Verzerrung durch Begleitfaktoren zu differenzieren.
Neben der medizinischen Einordnung stellt sich auch die versorgungspraktische Frage: Wie kommuniziert man ein potenzielles, aber nicht bewiesenes Risiko gegenüber der Patientin? Und wie wirkt sich das auf die Therapietreue und Akzeptanz hormoneller Verhütungsmittel insgesamt aus? Studien zur Risikokommunikation zeigen, dass verunsicherte Patientinnen häufig eigenmächtig Präparate absetzen, ohne adäquate Alternativen zu wählen – was wiederum zu ungewollten Schwangerschaften führen kann. Deshalb fordern viele Fachärzte eine gezielte Kommunikation mit differenzierter Nutzen-Risiko-Aufklärung, die individualisiert statt alarmistisch funktioniert.
Auch Apotheken rücken damit stärker in die Verantwortung: Als letzte Station vor der Einnahme sind sie gefordert, auf mögliche Warnsignale hinzuweisen, insbesondere bei Patientinnen mit neurologischen Beschwerden, Seh- oder Riechstörungen oder hormonabhängigen Tumoren in der Anamnese. Der pharmazeutische Hinweis auf ein potenzielles Meningeomrisiko bei Langzeiteinnahme von Desogestrel könnte zur Standardinformation werden, sobald eine formelle Aktualisierung der Fach- und Gebrauchsinformation vorliegt.
Versorgungspolitisch wirft der Fall erneut die Frage auf, wie Arzneimittelsicherheit bei massenhaft eingesetzten Wirkstoffen reguliert werden kann, ohne unnötige Verunsicherung zu erzeugen. Die EMA betont, dass Nutzen-Risiko-Bewertungen fortlaufende Prozesse sind und nicht nur auf seltene Nebenwirkungen reagieren, sondern auch auf sich verändernde Versorgungslagen, neue Zielgruppen oder Verschiebungen in der Indikationslandschaft. Desogestrel wurde ursprünglich als Notfallkontrazeptivum entwickelt, heute ist es in der Dauereinnahme verbreitet – ein klassisches Beispiel für eine Indikationserweiterung durch Versorgungsrealität, nicht durch Zulassungsverfahren.
Die Debatte erhält damit eine ethische Komponente: Ist es vertretbar, ein seltenes, potenziell aber schwerwiegendes Risiko bei ansonsten gesunden Frauen in Kauf zu nehmen – ohne gleichwertige Alternativen oder ohne ein System aktiver Langzeitüberwachung? Forderungen nach einem europäischen Register für hormoninduzierte Tumoren wurden bereits beim Fall Cyproteron laut, bislang aber nicht umgesetzt. Die Erfassung solcher Signale bleibt fragmentiert – ein Schwachpunkt, den das aktuelle Beispiel erneut beleuchtet.
Am Ende steht ein ambivalentes Signal: Es gibt kein Verbot, keine Einschränkung, keine Empfehlung zum Absetzen – aber einen ernstzunehmenden Hinweis. Für die ärztliche Praxis bedeutet das: genaues Hinsehen, sorgfältige Dokumentation, individuelle Risikoabwägung – und offene Kommunikation mit Patientinnen. Für die Gesundheitspolitik ist es eine Erinnerung daran, dass Pharmakovigilanz nicht nur eine regulatorische Pflicht ist, sondern ein laufender Lernprozess. Und für viele Frauen bedeutet es, Entscheidungen neu zu bewerten – in Rücksprache mit Fachpersonen, ohne Panik, aber mit dem nötigen Bewusstsein für mögliche Langzeitfolgen.
Medikamente lösen Krisen aus, Psyche bleibt unbehandelt, Warnsysteme greifen zu spät
Wie suizidale Impulse durch Arzneimittel getriggert werden, warum Depression nicht als Nebenwirkung gilt und das Meldesystem in eine Grauzone führt
Wenn Arzneimittel das Potenzial haben, Leben zu retten, zugleich aber in seltenen Fällen psychische Krisen bis hin zu suizidalem Verhalten auslösen, trifft die medizinische Wirklichkeit auf ein ethisches Paradoxon. Denn wer ein Medikament einnimmt, erwartet Linderung, nicht Gefahr. Doch gerade bei Substanzen, die auf das zentrale Nervensystem wirken oder tief in hormonelle, neurochemische oder immunmodulatorische Prozesse eingreifen, häufen sich Berichte über emotionale Destabilisierung, Impulskontrollstörungen oder suizidale Gedanken. Das Problem: Diese Fälle sind oft schwer nachzuweisen, wissenschaftlich umstritten und regulatorisch nur unzureichend erfasst. Zwischen individueller Vulnerabilität und systemischer Ignoranz entstehen Risiken, die im schlimmsten Fall tödlich enden – ohne dass es eine offizielle Konsequenz gibt.
Besonders gefährdet sind junge Erwachsene in der Frühphase einer psychischen Behandlung, etwa bei der Gabe von SSRI-Antidepressiva. Studien zeigen, dass in den ersten ein bis zwei Wochen die Antriebssteigerung oft schneller einsetzt als die stimmungsverbessernde Wirkung – eine gefährliche Lücke, in der die Fähigkeit zur Umsetzung suizidaler Gedanken vorhanden ist, ohne dass die zugrunde liegende Depression bereits ausreichend gebessert wurde. Es ist ein klinisch bekanntes, aber häufig übersehenes Phänomen, das auf ungenügende Aufklärung, fehlendes Monitoring und eine medikamentenzentrierte Therapie hinweist.
Die Problematik beschränkt sich nicht auf Psychopharmaka. Auch bei Epilepsiemitteln wie Topiramat, bei Aknetherapeutika wie Isotretinoin oder bei hormonell wirksamen Präparaten, darunter manche Antibabypillen oder Testosteronprodukte, wurden wiederholt Verdachtsmeldungen zu suizidalem Verhalten dokumentiert. Ein besonders aufsehenerregender Fall war der Selbstmord des amerikanischen Studenten Charles Bishop im Jahr 2002, der Isotretinoin einnahm und ein Flugzeug in ein Gebäude steuerte. Die Diskussion um einen möglichen Zusammenhang mit der Medikation wurde in der Fachwelt erbittert geführt – ohne abschließendes Ergebnis. Doch der Fall steht exemplarisch für ein systemisches Defizit: Verdachtsmeldungen werden kaum in klinische Strategien übersetzt.
Zwar existiert in Europa ein Pharmakovigilanzsystem, das über das EudraVigilance-Netzwerk der EMA funktioniert. Doch gerade bei Suiziden fehlt es an systematischer Erfassung. In der Regel wird eine Verdachtsmeldung nur dann übermittelt, wenn ein Arzt, Angehöriger oder Apotheker einen Zusammenhang erkennt, aktiv meldet und bereit ist, eine klinisch-kausale Hypothese zu formulieren. Das passiert jedoch in den seltensten Fällen. Suizid gilt rechtlich und medizinisch oft als "eigenverantwortliche Handlung", selbst wenn Medikamente eine Rolle gespielt haben könnten. Die Folge: Es entsteht ein Dunkelfeld, das den Anschein geringer Relevanz erweckt – obwohl es sich um ein potenziell tödliches Risiko handelt.
Die Industrie begegnet diesem Problem mit rechtlichen Absicherungen statt struktureller Lösungen. In Fachinformationen taucht der Hinweis auf "Suizidgedanken" oder "suizidale Verhaltensweisen" meist am Ende langer Nebenwirkungslisten auf, häufig in Kombination mit Aussagen wie "kausaler Zusammenhang nicht abschließend geklärt". In den USA sind Black-Box-Warnungen deutlich direkter: Dort werden bei Antidepressiva, Antiepileptika oder Aknemedikamenten explizit Hinweise auf mögliche suizidale Effekte gefordert, inklusive verpflichtender Aufklärung und engmaschiger Kontrolle in der Anfangsphase. Europa verzichtet bislang auf solche Verpflichtungen – ein Versäumnis mit potenziell fatalen Folgen.
Apotheken spielen in diesem Spannungsfeld eine ambivalente Rolle. Einerseits könnten sie durch Medikationsanalysen, gezielte Nachfragen oder Beratungsangebote einen wertvollen Beitrag leisten. Andererseits sind viele Teams aufgrund von Zeitmangel, Honorarlücken oder Unsicherheit im Umgang mit psychischen Themen nicht in der Lage, Frühwarnzeichen zu erkennen oder wirksam zu intervenieren. Die pharmakologische Fachkompetenz ist da – doch das System sieht keine konkrete Zuständigkeit vor. Suizidprävention ist keine abrechenbare Leistung. Der Todesfall ist keine Retaxation.
Zunehmend rückt auch die juristische Verantwortung in den Fokus. In Deutschland ist der Zusammenhang zwischen Arzneimittelgabe und Suizid bislang selten Gegenstand von Prozessen. Doch international mehren sich Klagen – etwa gegen Hersteller von Isotretinoin oder Fluoxetin – mit dem Vorwurf, nicht ausreichend über Risiken aufgeklärt oder Hinweise verharmlost zu haben. Die Hürden für einen gerichtlichen Nachweis sind hoch, doch die Symbolwirkung solcher Verfahren ist enorm: Sie machen sichtbar, was das System strukturell verschweigt.
Die psychologische Dimension der Arzneimittelsicherheit bleibt in der klinischen Praxis unterbelichtet. Die Ausbildung von Ärzten, Apothekern und Pflegekräften konzentriert sich auf somatische Risiken, Wechselwirkungen, Kontraindikationen – aber kaum auf emotionale Nebenwirkungen oder suizidale Dynamiken. Dabei zeigen Studien aus der Suizidforschung, dass viele Betroffene vor ihrer Tat noch Kontakt zum Gesundheitswesen hatten – aber der entscheidende Impuls weder erkannt noch abgefangen wurde. Es sind keine anonymen Statistiken, sondern verpasste Momente der Intervention.
Ein radikales Umdenken ist notwendig: Suizidale Gedanken dürfen nicht länger als "seltene Nebenwirkung" bagatellisiert werden. Sie sind ein Warnsignal des Systems selbst. Es braucht eine neue Stufe der Pharmakovigilanz, die psychische Gefahren systematisch erfasst, kontextualisiert und in konkrete Schutzmaßnahmen übersetzt. Dazu gehört ein verpflichtender Monitoring-Standard für Hochrisikopräparate, ein digital gestütztes Frühwarnsystem in der Arzneimitteldatenbank, aber auch eine psychologische Pflichtberatung bei bestimmten Indikationen. Und es braucht eine gesellschaftliche Enttabuisierung: Suizid ist nicht nur ein psychiatrisches Thema – sondern auch ein pharmakologisches.
Wenn Arzneimittel zu tödlichen Entscheidungen beitragen, liegt die Verantwortung nicht nur bei der Substanz, sondern beim System, das nicht hinsieht. Die Pharmakovigilanz darf nicht enden, wenn der Patient verstorben ist. Sie beginnt genau dort – im Interesse der nächsten, die das gleiche Präparat einnehmen. Wer die Sicherheit von Medikamenten ernst meint, muss auch die unsichtbaren Risiken sichtbar machen. Und wer Leben retten will, darf sich vor unbequemen Fragen nicht drücken.
Apothekenstrukturen im Dialog, Anerkennung im Fokus, Digitalisierung als Vorbild
Wie Estland und Deutschland über Systemgrenzen hinweg voneinander lernen, Reformoptionen diskutieren und Versorgungsmodelle neu bewerten
Im Deutschen Apothekerhaus in Berlin traf europäische Praxis auf deutsche Reformbaustellen: Eine neunköpfige Delegation des estnischen Apothekerverbandes EPAL informierte sich vergangene Woche unter der Leitung von Präsidentin Ly Rootslane über die aktuellen Entwicklungen, Herausforderungen und Perspektiven der Apothekenlandschaft in Deutschland. Im Mittelpunkt der Gespräche mit Mathias Arnold, Leiter der Europadelegation der ABDA, und Jens Gobrecht, dem Brüsseler Büroleiter der Standesvertretung, standen wirtschaftliche Rahmenbedingungen, regulatorische Grundlagen und politische Weichenstellungen für eine zukunftssichere Apothekenversorgung. Dabei wurde nicht nur das deutsche Modell erläutert – die Delegation präsentierte ihrerseits die estnischen Strukturen und hob insbesondere die Rolle der Digitalisierung und die Effizienz kleiner, lokal verankerter Apothekenteams hervor.
Nach Angaben der ABDA zeigte sich EPAL-Präsidentin Rootslane beeindruckt vom Leistungsportfolio deutscher Apotheken, insbesondere im Hinblick auf pharmazeutische Dienstleistungen, Impfangebote und das hohe Ausbildungsniveau. Besonderes Interesse galt den Anforderungen, die Apothekerinnen und Apotheker aus Estland für die Eröffnung einer öffentlichen Apotheke in Deutschland erfüllen müssten. Die ABDA stellte klar: Voraussetzung sei unter anderem eine dreijährige Tätigkeit in einer deutschen Apotheke – ein Punkt, der in der Diskussion um europäische Berufsanerkennung zunehmend an Relevanz gewinnt. Vor diesem Hintergrund entfaltete sich ein konstruktiver Austausch über Fachkräftesicherung, grenzüberschreitende Mobilität und Anerkennungsregeln, der auch politische Brisanz birgt.
Die deutschen Gastgeber nutzten die Gelegenheit, um ihre Position zur aktuellen Honorarlage zu verdeutlichen. Arnold und Gobrecht machten deutlich, dass die Apotheken ohne eine strukturelle Vergütungsanpassung kaum in der Lage seien, ihre vielfältigen Versorgungsaufgaben auch künftig in vollem Umfang zu erfüllen. Die gescheiterten Pläne für sogenannte „Apotheken ohne Apotheker“ wurden in diesem Zusammenhang als Beispiel für fehlgeleitete Reformansätze genannt – ein mahnender Fingerzeig in Richtung politischer Schnellschüsse ohne sektorspezifische Rückbindung.
Das estnische Apothekenwesen wurde von Rootslane als durchweg effizient, bürgernah und innovationsfreudig beschrieben. Knapp 500 Apotheken versorgen 1,3 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner – mit durchschnittlich zwei bis fünf Mitarbeitenden pro Standort. Das dort geltende Fremdbesitzverbot schreibt vor, dass Apothekerinnen und Apotheker die Mehrheit an ihrer Offizin halten müssen. Auch Impfungen und Gesundheits-Screenings gehören zum Leistungsspektrum – ganz selbstverständlich. Besonders hervor hob die EPAL-Präsidentin das estnische E-Rezept-System, das bereits vor 15 Jahren eingeführt wurde und heute als zentrale Säule der digitalen Gesundheitsversorgung gilt.
Im Ländervergleich wird deutlich: Während Estland konsequent auf digitale Lösungen setzt und mit flachen, effizienten Strukturen agiert, ringt Deutschland noch immer mit überkomplexen Regulierungen, defizitärer Honorierung und der mühsamen Einführung digitaler Prozesse. Gerade deshalb entfaltete der Besuch eine strategische Tiefenwirkung – nicht als bloßer europäischer Austauschakt, sondern als Impulsgeber für eine grenzüberschreitende Modernisierung des Apothekensystems. Die ABDA dürfte den Besuch auch als Signal an die neue Bundesregierung verstanden wissen: Wer die Versorgung sichern will, muss europäisch denken, lokal handeln – und dem Berufsstand den nötigen wirtschaftlichen Spielraum zurückgeben.
Gefährlicher Freizeittrend, unterschätzte Suchtgefahr, medizinische Verharmlosung
Wie Ketamin zwischen Clubrausch, Selbstmedikation und ärztlicher Anwendung an Grenzen stößt
Ketamin erlebt derzeit eine Renaissance – jedoch nicht primär in der Notfall- oder Depressionsmedizin, sondern als Partydroge in Clubs und im Selbstversuch gegen psychische Tiefs. Was als Anästhetikum mit psychotroper Nebenwirkung begann, hat sich in der Subkultur zu einem vermeintlich „sicheren Trip“ mit medizinischem Anstrich entwickelt. Studien und Experten warnen jedoch zunehmend vor den Risiken dieser Wahrnehmung, die insbesondere durch Promi-Aussagen, Musikreferenzen und eine wachsende Zahl an klinischen Studien zum therapeutischen Einsatz weiter befeuert wird. Apotheken und Ärzt:innen geraten damit in ein Spannungsfeld zwischen legaler Verschreibung, missbräuchlicher Anwendung und einem schwer kalkulierbaren Imageeffekt.
Die rechtliche Lage erlaubt die ärztliche Verordnung, verlangt aber klare medizinische Indikation und eine Applikation unter kontrollierten Bedingungen – meist stationär oder ambulant begleitet. Doch der missbräuchliche Bezug über gefälschte Rezepte, Rezeptdiebstahl und Umwidmung nimmt zu, wie das BfArM bei einer Sitzung im März festhielt. Zwischen 360 und 924 Packungen Ketamin wurden monatlich in deutschen Apotheken zwischen 2021 und 2024 abgegeben – bei einem auffällig hohen Anteil an Privatverordnungen. Der Verdacht liegt nahe: Ketamin sickert nicht nur über medizinische Hintertüren in den Freizeitgebrauch, sondern wird aufgrund seines therapeutischen Potenzials auch zunehmend enttabuisiert – ein Effekt, der bei anderen Substanzen bereits ähnliche Missbrauchsverläufe begünstigt hat.
Die Clubkultur hat Ketamin längst für sich entdeckt. Musikstücke wie „Special K“ oder Aussagen von Prominenten wie Elon Musk transportieren eine Normalität, die in der medizinischen Community auf wachsende Sorge trifft. Denn Ketamin ist alles andere als harmlos. Es verändert massiv Wahrnehmung, Raum-Zeit-Erleben und Körpergefühl. Halluzinationen, Nahtoderlebnisse und dissoziative Zustände gehören zum Repertoire – der „K-Hole“, ein Zustand psychischer und physischer Loslösung bis hin zur Bewegungslosigkeit, wird teils gesucht, teils gefürchtet.
Diese Wirkung – in der Medizin unerwünscht, in der Subkultur begehrt – birgt akute Gefahren: Kontrollverlust, Stürze, Ertrinkungsgefahr, insbesondere bei Mischkonsum mit Alkohol oder anderen Drogen. Auch psychische Folgen wie Angststörungen, Flashbacks, Realitätsverlust oder der Einstieg in eine psychische Abhängigkeit sind dokumentiert. Körperlich bleibt der häufige Konsum ebenfalls nicht folgenlos. In der Suchtmedizin ist längst bekannt: Die sogenannte „Ketamin-Blase“ – eine toxische Entzündung und Zerstörung der Blasenwand – kann schon nach wenigen Wochen auftreten und zu Inkontinenz oder chirurgischen Eingriffen führen.
Hinzu kommt ein unterschätztes Risiko bei Jugendlichen. Die Substanz ist günstig, verfügbar, wenig stigmatisiert – und wird zunehmend von jüngeren Nutzer:innen ausprobiert. Die Hirnreifung in dieser Altersgruppe ist jedoch noch nicht abgeschlossen, wodurch die kognitiven und psychischen Schäden potenziert werden können. Aufklärungskampagnen bleiben bisher hinter der Realität zurück – ebenso wie verlässliche Zahlen zur aktuellen Nutzung in der jungen Zielgruppe.
Gerade durch die medizinische Verfügbarkeit und den Einsatz bei therapieresistenter Depression entsteht ein gefährlicher Zirkelschluss: Was als Medikament zugelassen ist, kann doch nicht gefährlich sein – so das Trugbild vieler Konsumenten. Expert:innen warnen daher vor einer „Verharmlosung durch Legalisierung“, wie sie auch bei anderen Substanzen wie Cannabis oder Benzodiazepinen zu beobachten war.
Für Apotheken bedeutet das: erhöhte Wachsamkeit bei Rezeptprüfung, besonders bei Privatverordnungen. Der direkte Kontakt mit der verordnenden Praxis sollte im Zweifel gesucht werden, um Missbrauch zu unterbinden. Auch die klare Positionierung im Beratungsgespräch – etwa bei Fragen zu Esketamin oder vermeintlicher Heimselbsttherapie – wird zunehmend zur apothekerlichen Pflicht.
Gleichzeitig ist die therapeutische Nutzung nicht in Frage zu stellen – sie kann bei klarer Indikation, engmaschiger Begleitung und strukturierter Dosierung lebensverändernde Effekte erzielen. Doch genau diese Differenzierung fehlt im öffentlichen Diskurs. Die Herausforderung liegt in der Balance: eine potente Substanz nicht zu dämonisieren, aber ebenso wenig zu banalisieren.
Hormone steuern Rückbildung, Psyche prägt die Heilung, Beratung schafft Stabilität
Wie Apothekenteams Mütter im Wochenbett unterstützen, Warnzeichen erkennen und Resilienz stärken
Das Wochenbett ist kein schlichter Ausklang einer Schwangerschaft, sondern eine hochdynamische Phase, in der sich Körper und Geist neu justieren müssen. Zwischen hormonellen Umstürzen, körperlicher Rekonvaleszenz und psychischer Neuverortung vollzieht sich eine der sensibelsten Übergangszeiten im Leben einer Frau. Die biologische Rückbildung, insbesondere die Uterusinvolution, die Normalisierung des Glukose- und Fettstoffwechsels sowie die Wiederherstellung des endokrinen Gleichgewichts, sind essenzielle Prozesse mit tiefgreifenden klinischen Implikationen. Progesteron, Estrogene, hCG und hPL fallen rasch ab – eine Umstellung, die nicht nur für nächtliche Schweißausbrüche und Heißhungerattacken verantwortlich ist, sondern auch für Stimmungslabilität und Schlaflosigkeit. Parallel steigen Prolaktin und Oxytocin als dominierende Stillhormone. Sie steuern nicht nur Milchbildung und -fluss, sondern beeinflussen auch die Mutter-Kind-Bindung und Uterusrückbildung – und sind somit hormonelle Schnittstellen zwischen Physiologie und emotionaler Nähe.
Die Rückbildung des Uterus, begleitet von Nachwehen, Wochenfluss und Gewichtsregulation, folgt einem klaren Schema. Von etwa 1000 auf 50 Gramm verkleinert sich das Organ innerhalb von sechs Wochen. Diese Kontraktionen sind schmerzhaft, aber unverzichtbar – Apotheken können mit Spasmolytika wie Butylscopolamin lindern, jedoch auch differenzialdiagnostisch beraten, wenn die Rückbildung gestört verläuft oder Plazentareste, Endometritiden oder eine Atonie vorliegen. Parallel zur uterinen Involution verändert sich der Stoffwechsel grundlegend. Vor allem bei Frauen mit Gestationsdiabetes stellt sich durch Wegfall des diabetogenen Plazentahormons hPL die Insulinsensitivität wieder her – ein Punkt, den das pharmazeutische Personal zur Kontrolle motivierend aufgreifen sollte. Die Mobilisierung von Fettspeichern durch das Stillen macht das Wochenbett zur metabolischen Ausnahmesituation, die eine angepasste Supplementierung verlangt – etwa mit Jod, DHA, Eisen oder Vitamin D.
Doch nicht alle Prozesse verlaufen reibungslos. Die Endometritis puerperalis ist eine gefährliche Infektion mit bis zu 30 % Prävalenz bei vorzeitigem Blasensprung. Fieber, übelriechender Wochenfluss und Druckschmerz über dem Fundus uteri sind Warnzeichen, die auch in der Apotheke benannt werden können. Die standardisierte antibiotische Behandlung mit Clindamycin, Metronidazol oder Ampicillin/Clavulansäure ist stillverträglich, erfordert aber Beratung über Muttermilchkonzentrationen. Ähnlich häufig, aber emotional aufgeladener ist die Mastitis puerperalis. Gerade in der Beratung rund ums Stillen ist frühzeitige Aufklärung entscheidend: Häufiges Anlegen, Brustentleerung, hygienische Maßnahmen und lokale Maßnahmen wie Quarkwickel können eine Eskalation verhindern. Kommt es zum bakteriellen Infekt, stehen Cephalosporine oder Penicillin-Derivate zur Verfügung, bei schweren Fällen auch Cabergolin zur Laktationshemmung.
Der Wochenfluss, in Stadien von rubra bis alba unterteilt, ist ein Spiegel der uterinen Wundheilung. Auffälliger Geruch oder abrupte Stagnation können auf Lochialstau oder Endometritis hinweisen. Die regelmäßige Kontrolle durch Hebammen, ergänzt durch Hinweise auf hygienische Maßnahmen und Geruchskontrolle durch die Mutter selbst, ist essentiell. Ebenso sensibel: Die Harnwege. Durch Geburtsverletzungen oder Ödeme kann es zu Dysurie, Harnverhalt oder Inkontinenz kommen. Rund 15 % der Wöchnerinnen sind in den ersten Wochen betroffen – doch meist bildet sich das vollständig zurück. Sanfte Maßnahmen wie Wärme, Tees, Spasmolytika und gegebenenfalls Fosfomycin oder Nitrofurantoin können helfen, ohne das Stillen zu gefährden.
Ein häufig unterschätztes, dabei sehr relevantes Krankheitsbild ist die postpartale Schilddrüsenstörung. Die Thyreoiditis post partum mit hyper- und hypothyreoter Phase tritt bei bis zu 10 % aller Frauen auf und wird oft übersehen, da ihre Symptome – Erschöpfung, Haarausfall, depressive Verstimmung – als »normale« Wochenbettfolgen gelten. Die Unterscheidung zur postpartalen Depression ist essenziell, denn Therapie, Verlauf und Prognose unterscheiden sich deutlich. Levothyroxin in der Hypothyreosephase ist Mittel der Wahl und vollständig stillverträglich. Apotheken müssen hier differenzierend beraten – und auffangen, wenn Unsicherheit herrscht.
Auch psychisch ist das Wochenbett ein Extremzustand. Während der Babyblues mit Reizbarkeit, Weinen und Unsicherheit zwischen Tag 3 und 10 post partum selbstlimitierend ist, ist die postpartale Depression ein klinisches Krankheitsbild, das bis zu 15 % der Frauen betrifft. Apotheken sind in der idealen Position, frühe Anzeichen durch empathische Gesprächsführung zu erkennen. Aussagen wie »Ich habe keine Bindung zum Baby« oder »Ich schaffe das nicht« dürfen nicht bagatellisiert werden. Hier braucht es Sensibilität, nicht nur beim Verweis an Fachstellen, sondern auch im Gespräch. Antidepressiva wie Sertralin oder Escitalopram sind bei schwereren Verläufen angezeigt – mit nachgewiesener Stillverträglichkeit.
Der Schlafmangel, oft hormonell bedingt, lässt sich durch Achtsamkeit, kurze Erholungspausen und pflanzliche Präparate wie Lavendel oder Melisse lindern. Melatonin ist für Stillende nicht geeignet, Diphenhydramin nur unter ärztlicher Kontrolle. Mehr als pharmazeutische Beratung ist hier die Botschaft entscheidend: Selbstfürsorge ist kein Luxus, sondern präventive Stabilität. Das gilt auch für die Rückbildung: Beckenbodentraining, Haltungsschulung, Rückenschule – all das sind Maßnahmen, die nicht erst beginnen, wenn alles wieder »normal« ist, sondern schon in der akuten Phase Teil der Rückkehr in die Selbstwirksamkeit darstellen. Apotheken, die Rückbildungskurse mit Hebammen anbieten, schaffen einen niederschwelligen Zugang zu Gesundheit.
Empowerment im Wochenbett heißt nicht, die perfekte Mutter zu sein. Es bedeutet, Stabilität zu ermöglichen, mitfühlend zu begleiten und realistische Erwartungen zu stärken. Gerade das Apothekenteam kann hier viel bewegen – durch Enttabuisierung, durch Gespräche, durch sichtbare und erreichbare Information. Und vielleicht ist genau das die wichtigste Rückbildung: die der Überforderung hin zur Zuversicht.
Sperling verordnet jetzt Kunst, sammelt mit System, kuratiert mit Hingabe
Wie eine Apothekerin ihre zweite Karriere in der Kunstwelt begonnen hat, wo Pharmalogik auf Konzeptkunst trifft und warum ihre Sammlung mehr ist als ein Hobby
Als Dr. Gisela Sperling 2018 ihre Apotheke abgab, hätte sie in den klassischen Ruhestand wechseln können – ein bisschen Reisen, ein bisschen Garten, vielleicht ehrenamtlich beraten. Doch Sperling entschied sich für ein anderes Rezept: eines mit viel Licht, feinem Materialgefühl und Raum für Perspektivwechsel. Nur anderthalb Kilometer von der Marien-Apotheke in Hannover, die sie Jahrzehnte prägte, eröffnete sie 2019 den »Kunstraum Friesenstrasse«. Kein Ort für dekorative Tapetenkunst oder schnelle Vernissagen, sondern eine kuratierte Welt, in der Sammlungsstücke, Raumarchitektur und internationale Positionen der Nachkriegskunst in einem durchdachten Verhältnis zueinanderstehen – sorgfältig dosiert, wie man es von einer Apothekerin erwartet.
Das alte Möbelhaus, das nun Kunst zeigt, misst rund 140 Quadratmeter. Zwei Etagen, viel Tageslicht, klare Linien. Ein Raum, wie gemacht für die kühle Spannung zwischen Minimalismus, Materialästhetik und narrativer Offenheit. Sperling, die früher mit Rezepturen und Medikationsanalysen arbeitete, hat ihre methodische Akribie auf ein neues Feld übertragen: Skulpturen, Zeichnungen, Leuchtkästen – Werke ab 1950, gerne mit konzeptueller Tiefe. Ihre Sammlung enthält inzwischen Arbeiten von John Chamberlain, Daniel Buren, Imi Knoebel – hochkarätige Namen, eingebettet in ein sehr persönliches Ausstellungskonzept. Jedes Werk wird nicht nur erworben, sondern verstanden, verortet, inszeniert. Und das mit dem gleichen Anspruch, mit dem sie einst pharmazeutische Dienstleistungen organisierte.
Doch Sperling bleibt nicht beim Sammeln stehen. Sie versteht den Kunstraum als Ort des Dialogs. Ihre Ausstellungen verbindet sie mit öffentlichen Künstlergesprächen und musikalischen Interventionen. Die Veranstaltungen sind gut besucht, das Interesse wächst – auch weil Sperling nicht nur zeigt, sondern vermittelt. Ihre Begeisterung ist ansteckend, ihre Themenabende bewusst zugänglich, ohne die Kunst zu trivialisieren. Dabei verlässt sie sich nicht allein auf Intuition. Ein Auswahlgremium aus Kunsthistoriker:innen und Kurator:innen unterstützt sie bei der Künstlerauswahl – eine Art multiprofessionelles Team, wie sie es aus der Pharmazie kennt.
Ein besonderes Prinzip hat sie für das Obergeschoss etabliert: Jede Position soll sich dort mit ihrer eigenen Sammlung auseinandersetzen – ein kuratorischer Dialog zwischen Dauer und Moment, zwischen Sammlung und Ausstellung. Für Sperling ist dieser Austausch mehr als eine Idee, er ist das Herzstück des Projekts. »Ich entdecke meine Werke jedes Mal neu, wenn sie in neuen Konstellationen gezeigt werden«, sagt sie. »Ich kann mich dann gar nicht mehr von ihnen trennen.« Hier spricht keine Galeristin, sondern eine leidenschaftliche Kuratorin mit biografischem Bezug zu jedem Objekt.
Sperlings Wandel von der Pharmazeutin zur Kunstvermittlerin ist kein radikaler Bruch, sondern eine Weiterentwicklung. Die analytische Tiefe, das Gespür für Details, die Lust an Ordnung und Interpretation – all das bleibt, nur das Medium hat gewechselt. Während sie früher Medikationspläne optimierte, gestaltet sie heute Ausstellungskonstellationen. Während früher der Beratungstresen zentrales Kommunikationsinstrument war, ist es heute das Künstlergespräch. Und während früher die Heilung des Körpers im Fokus stand, ist es heute die Anregung des Geistes.
Der »Kunstraum Friesenstrasse« hat sich innerhalb kurzer Zeit als kulturelle Adresse in Hannover etabliert – nicht als Galerie im klassischen Sinne, sondern als Hybrid aus Sammlungspräsentation, Förderort und diskursivem Labor. Zwei Tage pro Woche öffnet Sperling regulär, zu Veranstaltungen häufiger. Ihre Urlaubstage legt sie so, dass sie zu den Öffnungszeiten wieder zurück ist – ein Bekenntnis, das viel über die emotionale Bindung zu ihrem neuen Berufsfeld verrät. Ein Leben ohne diesen Ort kann sie sich nicht mehr vorstellen. Und das merkt man dem Raum auch an. Jeder Quadratzentimeter trägt Spuren ihrer Sorgfalt, ihrer Klarheit – und ihrer Neugier.
Was dabei besonders auffällt: Ihre wissenschaftliche Herkunft wird nicht verleugnet, sondern subtil integriert. Wer mit Sperling spricht, hört pharmazeutische Präzision und kunsthistorisches Vokabular im Wechsel. Für sie sind beide Disziplinen nicht gegensätzlich, sondern verwandt: »Sorgfalt, Struktur, ein geschultes Auge – das braucht man in beiden Welten«, sagt sie. Vielleicht ist genau das das Geheimnis ihres Erfolgs. Denn ihre Ausstellungskonzeption gleicht einem pharmazeutischen Wirkstoffprofil: maßgeschneidert, scharf abgegrenzt und voller Wirkung.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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