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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Wenn Apotheken Politikerinnen und Politiker einladen, ist das kein symbolischer Akt, sondern eine strategische Entscheidung, um politische Realität durch persönliche Erfahrung sichtbar zu machen, denn in Zeiten wachsender Versorgungsunsicherheit, offener Fachkräftelücken und unklarer Reformpfade gewinnt der persönliche Besuch in der Apotheke politische Bedeutung: Am Beispiel der Rathaus-Apotheke Hagen, die Bundestagsabgeordnete Tijen Ataoğlu empfing, wird deutlich, wie Integration durch gezielte Fachkräftegewinnung aus Drittländern gelingt, wie Versorgungsleistungen wie pDL, Medikationsanalyse und Botendienst konkret funktionieren und wie politische Gespräche nicht auf Parteiprogrammen, sondern auf Praxis basieren sollten – ein strategischer Impuls, der die bundesweite Bewegung der Apothekenbesuche ergänzt und das zentrale Signal setzt, dass Versorgung, Verantwortung und Verlässlichkeit heute von Apothekenteams getragen werden, während die Gesetzgebung hinterherhinkt, und dass diese Gespräche nicht enden, sondern fortgesetzt werden – mit klaren Themen wie Digitalisierungskosten, Anerkennungsprozesse für ausländische Fachkräfte und nachhaltige Versorgungsplanung.
Präsidiale Wortwahl trifft empfindliche Branche, ein kleines „Online“ entfacht große Wirkung, das gesprochene Wort wird zur politischen Botschaft
Wie ein Halbsatz des Bundespräsidenten zum Aufreger für Apotheker wird, die ABDA zur Intervention zwingt und die Macht symbolischer Sprache neu definiert
Was in einem anderen Kontext als bloßes Detail durchgegangen wäre, löste in der Apothekenlandschaft ein mediales Beben aus: Der Bundespräsident erwähnte in einem Satz die „Bestellung in der Online-Apotheke“. Nicht in einer Fachrede zur Gesundheitsversorgung, nicht auf einer politischen Bühne, sondern beiläufig, im Rahmen einer allgemein gehaltenen Ansprache zur bürgerschaftlichen Mitwirkung und gesellschaftlichem Engagement. Doch genau dieser beiläufige Charakter – eingebettet in die Eröffnungsrede zur Initiative „Ehrentag“ am 23. Mai – reichte aus, um bei Vertretern der Vor-Ort-Apotheken eine Welle der Irritation auszulösen. Denn das Reizwort war gefallen. Und mit ihm ein symbolischer Affront.
Im veröffentlichten Redemanuskript war zunächst klar zu lesen, dass junge Menschen älteren Mitbürgern nicht nur bei der Einrichtung digitaler Kommunikationsmittel wie WhatsApp helfen könnten, sondern eben auch „bei der Bestellung in der Online-Apotheke“. In einer Branche, die seit Jahren um politische Sichtbarkeit, ökonomische Anerkennung und digitale Wettbewerbsfairness ringt, ist diese Wortwahl mehr als nur semantisches Missgeschick. Es ist ein kleiner Zusatz mit großer Sprengkraft. Insbesondere, weil die öffentliche Apotheke sich in vielen Regionen als unersetzlicher Versorgungspunkt begreift – sozial, pharmazeutisch, medizinisch.
Und so dauerte es nicht lange, bis auch ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening den Vorgang kommentierte. Sie reagierte mit einem „Monitum“ – einem höflich formulierten, aber deutlich positionierten Rüffel an das Bundespräsidialamt. Man wünsche sich „eine Klarstellung“. Denn was öffentlich gesagt oder geschrieben werde, werde auch öffentlich gelesen – und missverstanden. Das Missverständnis lag nahe: Der Bundespräsident, so die Sorge, habe einseitig Werbung für den Versandhandel gemacht. Ein Vorwurf, den Steinmeier weder ausgesprochen noch – wie sich später herausstellte – in Wirklichkeit geäußert hatte. Denn wer das Video der Ansprache auf der offiziellen Webseite des Bundespräsidenten ansah, hörte dort einen entscheidenden Unterschied: Der Präsident sprach nicht von „Online-Apotheke“, sondern schlicht von „Apotheke“.
Ob es eine bewusste Korrektur im Moment des Sprechens war oder ob eine Intervention hinter den Kulissen zu einer kurzfristigen Anpassung führte, bleibt offen. Entscheidend aber ist, dass dieser Zwischenfall deutlich macht, wie sensibel das Verhältnis zwischen Präsenzapotheken, Politik und öffentlicher Kommunikation inzwischen geworden ist. Die „Online-Apotheke“ ist in der öffentlichen Debatte kein neutraler Begriff. Sie steht – je nach Perspektive – für Innovation oder Ausverkauf, für Bequemlichkeit oder für strukturelle Entwertung, für Fortschritt oder für den Verlust von Vertrauen.
Dass mittlerweile auch das ursprünglich veröffentlichte Redemanuskript korrigiert wurde und das Wörtchen „Online“ gestrichen ist, zeigt, dass man sich der Brisanz bewusst wurde. Vielleicht nicht aus Einsicht, aber aus diplomatischer Notwendigkeit. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Skript mit dem bekannten Hinweis versehen war: „Es gilt das gesprochene Wort.“ Eine Formel, die in der politischen Kommunikation Routine ist, hier aber juristische und symbolische Relevanz bekam. Denn in diesem Fall war das gesprochene Wort klüger als das geschriebene.
Die Apothekerschaft, die sich mit Online-Versendern konfrontiert sieht, die unter anderem aus den Niederlanden unter anderem mit Preisnachlässen, Rabatten und steuerlichen Vorteilen auf den deutschen Markt drängen, interpretiert jede Form von öffentlicher Aufwertung des Versandmodells als Angriff auf die eigene Legitimität. Nicht ohne Grund. Denn die politische Agenda hat sich in den letzten Jahren verschoben. Der stationäre Handel steht unter Druck. Auch der Apothekenmarkt ist von dem Trend nicht ausgenommen: Filialschließungen, Nachwuchsmangel, finanzielle Engpässe, Digitalisierungslücken – das alles führt dazu, dass die klassische Präsenzapotheke um ihre Rolle im Versorgungssystem kämpfen muss.
Frank-Walter Steinmeier hat in diesem Zusammenhang kein politisches Programm entworfen, keine Agenda formuliert und auch keine Reform angestoßen. Aber er hat mit einem Halbsatz ein Schlaglicht auf eine strukturelle Spannung geworfen. Es ist ein Lehrstück über die Wirkung von Sprache in politischen Rollen. Wenn selbst ein symbolischer Nebensatz das Potenzial hat, eine Standesorganisation zu Reaktionen zu treiben, dann ist klar: Die Apotheke ist ein Politikum. Und sie ist es auf allen Ebenen – von der gesetzlichen Vergütung über den Versandhandel bis hin zur öffentlich-symbolischen Repräsentation.
ABDA-Präsidentin Overwiening hat die Gelegenheit jedenfalls genutzt. Statt sich mit der Korrektur zufrieden zu geben, lud sie den Bundespräsidenten zu einem persönlichen Austausch ein – „um die Bedeutung der Vor-Ort-Apotheke für eine sichere Arzneimittelversorgung der Menschen in Deutschland zu verdeutlichen“. Ob dieser Austausch zustande kommt, ist ungewiss. Sicher aber ist: Die Apotheke ist zurück auf der Agenda. Und sei es auch nur für einen Moment – durch ein kleines Wort, das weggelassen wurde. Ein Wort, das nicht nur sprachliche Wirkung hatte, sondern politische Symbolkraft.
Cyberresilienz beginnt beim Personal, Versicherung deckt den Ernstfall, Firewalls allein reichen nicht
Wie Apotheken mit ganzheitlicher IT-Abwehrstrategie auf Ransomware reagieren, Mitarbeiterschulungen zum Schlüssel machen und sich gegen digitale Schäden absichern
Inmitten einer sich rasant wandelnden Bedrohungslandschaft wird Cybersicherheit zur Überlebensfrage – auch und gerade für Apotheken. Als systemrelevante Gesundheitseinrichtungen mit Zugang zu personenbezogenen Gesundheitsdaten, hochsensiblen Rezeptinformationen und abrechnungsrelevanten Patientendaten sind sie nicht nur wertvolle Datenquellen, sondern auch lukrative Angriffsziele für organisierte Cyberkriminalität. Ransomware, die digitale Erpressung mit verschlüsselten Daten und Lösegeldforderung, hat sich dabei als besonders perfide Waffe etabliert. Sie trifft kleine wie große Betriebe, kappt operative Strukturen und beschädigt nicht selten nachhaltig das Vertrauen von Kunden, Partnern und Patienten. Doch wie verteidigt sich eine Apotheke wirksam in diesem digitalen Ausnahmezustand?
Die erste Regel: Nicht zahlen. Das kategorische Nein zur Lösegeldzahlung ist in der Cyberabwehr nicht nur Ausdruck von Prinzipientreue, sondern eine strategische Notwendigkeit. Denn jede Zahlung stabilisiert kriminelle Geschäftsmodelle, signalisiert Angriffserfolg und schafft neue Anreize für Wiederholungstäter. Die ethische Klarheit dieser Entscheidung bedingt jedoch ein Höchstmaß an Vorbereitung: Nur wer technisch, organisatorisch und personell vorgesorgt hat, kann im Ernstfall auf Erpressung verzichten – und trotzdem weiterarbeiten. Der Aufbau dieser Cyberresilienz ist deshalb kein optionales Sicherheits-Upgrade, sondern ein elementarer Bestandteil moderner Apothekenführung.
Kern der digitalen Verteidigung ist die technische Basis. Eine moderne Sicherheitsarchitektur, die Firewalls, Endpoint-Protection und verschlüsselte Verbindungen intelligent kombiniert, bildet das Rückgrat jeder Cyberstrategie. Doch Technik allein ist keine Garantie. Denn die häufigste Einfallstür ist menschlich – über unbedachte Klicks, unsichere Passwörter oder fehlerhafte Zugriffsrechte. Deshalb liegt der Schlüssel in der Organisation. Schulungen zum Erkennen von Phishing-Versuchen, verpflichtende Security-Awareness-Trainings und realitätsnahe Cyber-Drills sind längst keine akademischen Spielereien mehr, sondern Alltag im Sicherheitsmanagement. Sie verlagern die Verteidigungslinie vom Serverraum an die Theke, vom Administrator zum Apothekenpersonal.
Was passiert, wenn trotz aller Vorsicht der Ernstfall eintritt? Dann entscheidet die Frage, wie aktuell und wie sicher die Datenkopien sind. Eine valide Backup-Strategie muss mehr als tägliche Sicherungen liefern. Sie muss versioniert, automatisiert, extern gespeichert und regelmäßig getestet sein – ohne sie ist jeder Angriff ein Totalschaden. Parallel dazu braucht jede Apotheke einen dokumentierten, regelmäßig geübten Notfallplan: Wer meldet was, wann und an wen? Wie geht der Betrieb ohne IT weiter? Wer informiert Kunden und wer koordiniert das Wiederhochfahren der Systeme? Solche Pläne retten nicht nur Strukturen, sondern auch Vertrauen.
Im Zentrum der Risikovorsorge steht schließlich ein zunehmend unverzichtbares Element: die Cyber-Versicherung. Ihre Relevanz wächst mit jeder neuen Schadensmeldung. Doch nicht jede Police passt zu einer Apotheke. Die Versicherungsbedingungen müssen branchenspezifisch gestaltet sein – sie müssen nicht nur den IT-Schaden abdecken, sondern auch für Betriebsunterbrechung, Reputationsschäden, Datenschutzverstöße und Aufwendungen zur Wiederherstellung haften. Entscheidend ist zudem die Dienstleistungsqualität im Schadenfall: Forensiker, IT-Dienstleister, Krisenkommunikatoren – nur ein eingespielter, versicherungsseitig organisierter Expertenstab kann in der akuten Bedrohungslage effizient helfen.
Auffällig ist dabei: Die Angreifer professionalisieren sich – und Apotheken müssen das auch tun. Mit jeder neuen Welle werden Ransomware-Angriffe gezielter, kombinieren Zero-Day-Exploits mit Social Engineering, nutzen Cloud-Schwächen und externe IT-Dienstleister als Angriffsvektoren. Der Schutz dagegen braucht fortlaufende Überprüfung. Schwachstellenanalysen durch externe IT-Audits, Cybersecurity-Monitoring durch spezialisierte Dienstleister, automatische Angriffsfrüherkennungssysteme – das sind heute keine Konzernwerkzeuge mehr, sondern zunehmend bezahlbare Notwendigkeiten im Apothekenalltag.
Der politische und regulatorische Rahmen bietet bislang kaum Schutz. Zwar sehen Landesdatenschutzgesetze und Berufsordnungen klare Anforderungen vor – deren Kontrolle bleibt aber punktuell. So ist es bislang Aufgabe der Apotheken selbst, ihre Schutzsysteme zu evaluieren und zu stärken. Dabei sind es gerade kleinere Betriebe, die oft durch veraltete Systeme, fehlende IT-Budgets und unzureichende technische Expertise besonders exponiert sind. Die Gefahr besteht, dass ausgerechnet diese Strukturen – die wohnortnahe Versorgung sichern – unter der Last der digitalen Bedrohung kollabieren.
Was bleibt, ist eine Führungsaufgabe: Wer eine Apotheke heute verantwortlich betreibt, muss sich als Sicherheitsmanager begreifen. IT-Sicherheit ist nicht delegierbar, sondern Teil der Gesamtverantwortung. Das erfordert Investitionsbereitschaft, aber vor allem strategisches Verständnis. Denn nicht jede technische Neuerung bringt Sicherheit – entscheidend ist die Integration in ein konsistentes Schutzkonzept. Nur so kann man das leisten, was im Zentrum aller Apothekentätigkeit steht: das Vertrauen in die sichere, verlässliche und diskrete Versorgung der Bevölkerung.
Rabattverträge belohnen Nachhaltigkeit, Umweltkriterien steuern Lieferketten, Antibiotika erfordern Exzellenzstandards
Wie Krankenkassen mit gezielten Anreizmodellen grüne Produktion fördern, ökologische Vorgaben die Industrie herausfordern und neue Maßstäbe für antimikrobielle Verantwortung entstehen
Es war nur eine Frage der Zeit, bis Nachhaltigkeit auch im System der Arzneimittelrabattverträge ankommen würde – jenem System, das über Jahre hinweg vor allem auf Einsparung, Verfügbarkeit und Versorgungssicherheit getrimmt war. Nun zeigen erste Versichertengemeinschaften, dass Wirtschaftlichkeit und Umweltverantwortung keine Gegensätze sein müssen. Neben den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOKen) und einigen Betriebskrankenkassen gehen seit Kurzem auch drei Ersatzkassen voran: Sie knüpfen ihre neuen Rabattvertragsausschreibungen an ökologische Kriterien – ein Schritt, der dem Markt eine neue Richtung weisen könnte.
Im Zentrum dieser Entwicklung steht die Erkenntnis, dass die Herstellung von Arzneimitteln, insbesondere solcher mit umweltrelevanten Wirkstoffen, einen erheblichen Einfluss auf Ökosysteme hat. Abwasser aus der pharmazeutischen Produktion, insbesondere in Ländern mit laxen Umweltstandards, führt nachweislich zu Antibiotikaresistenzen, Biodiversitätsverlust und toxischen Belastungen. Bisher war diese Problematik weitgehend entkoppelt von der Preis- und Versorgungslogik der Gesetzlichen Krankenversicherung. Doch mit der Einführung von Nachhaltigkeitsboni bei der Vergabe von Rabattverträgen ändert sich das Paradigma.
Der neue Ausschreibungsmechanismus sieht vor, dass pharmazeutische Unternehmen, die bestimmte Umweltauflagen bei der Produktion ihrer Arzneimittel erfüllen, mit Zuschlägen belohnt werden. Als besonders sensibel gelten hier Wirkstoffe mit hohem Persistenzpotenzial und biologischer Aktivität – etwa Antibiotika, Psychopharmaka oder Schmerzmittel. Wer nachweisen kann, dass diese Substanzen an ihren Produktionsstandorten unter Einhaltung spezifischer Abwassergrenzwerte hergestellt werden, darf mit einem zweiten, zusätzlichen Bonus rechnen. Diese neue Staffelung der Zuschlagskriterien bringt Dynamik in die bis dato eher starren Vergabeverfahren.
Die Ersatzkassen – namentlich die TK, Barmer und DAK – haben damit nicht nur ein öffentlichkeitswirksames Signal gesetzt, sondern auch strukturelle Veränderungen angestoßen. Ihre Ausschreibungen zwingen Anbieter nun dazu, transparente Daten zur Herkunft, zur Umweltperformance ihrer Produktionslinien und zur Reinigungsleistung der eingesetzten Technologien vorzulegen. Damit wächst auch der Druck auf Lieferanten in Asien, ihre Standorte umzurüsten, um im globalisierten Zulieferwettbewerb nicht den Anschluss zu verlieren. Gerade für Antibiotika aus indischer oder chinesischer Herstellung stellt dies eine markante Zäsur dar: Während in der Vergangenheit die Preisuntergrenze entschied, wird nun zunehmend das Produktionsverhalten zur Eintrittskarte.
Die Entwicklung kommt nicht von ungefähr. Bereits seit Jahren fordern Umweltmediziner, Fachgesellschaften und NGOs, dass die pharmazeutische Lieferkette stärker reguliert wird – nicht nur in Bezug auf Qualität, sondern auch auf Umweltauswirkungen. Die Bundesregierung griff diese Forderung zuletzt im Rahmen der Nationalen Antibiotikaresistenzstrategie (DART) auf, blieb aber bei der konkreten Umsetzung vage. Die Kassen hingegen haben nun den ersten operativen Schritt getan – ein bemerkenswerter Vorgriff auf eine Politik, die sich selbst noch im Zuständigkeitslabyrinth zwischen BMG, BMUV und BMWK verheddert.
Was dabei häufig übersehen wird: Die Integration von Umweltstandards in Rabattverträge ist nicht nur ein ökologischer Fortschritt, sondern auch ein Instrument zur Stabilisierung der Versorgung. Wenn Hersteller gezwungen sind, in nachhaltige Prozesse zu investieren, wird zugleich die Abhängigkeit von wenigen Niedriglohnstandorten reduziert. So entsteht über die Qualitätssicherung hinaus auch eine resiliente Lieferstruktur – ein Aspekt, der nach den Erfahrungen der COVID-19-Pandemie und den Lieferausfällen bei Fiebersäften, Antibiotika und Krebsmedikamenten von erheblichem Wert ist.
In der Fachwelt stößt der Vorstoß der Kassen auf geteilte Reaktionen. Während Umweltexperten wie die Berliner Plattform "Health Care Without Harm" von einem „historischen Meilenstein“ sprechen, äußern sich Vertreter der pharmazeutischen Industrie zurückhaltender. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) warnt davor, „globale Wertschöpfungsketten mit unrealistischen Anforderungen zu überlasten“, insbesondere wenn gleichzeitig massive Preisabschläge erwartet würden. Genau hier liegt jedoch das strategische Potenzial der neuen Bonussystematik: Sie schafft ein Gegengewicht zu rein preisgetriebenen Ausschreibungen und eröffnet Spielräume für höherwertige Angebote.
Aus apothekerlicher Perspektive stellt sich die Frage, wie diese Entwicklung in der täglichen Versorgung spürbar wird. Noch ist unklar, ob die nachhaltiger produzierten Präparate als solche gekennzeichnet oder vorrangig ausgeliefert werden – doch mittelfristig könnten auch Apotheken in der Beratung davon profitieren, wenn sie auf umweltfreundlichere Alternativen verweisen können. Denkbar wäre zudem, dass sich Nachhaltigkeit auch als Markenzeichen in der Kundenkommunikation etabliert – etwa durch Logos, Herkunftsnachweise oder QR-Codes auf der Packung.
Vor allem aber zeigt sich hier eine grundsätzliche Verschiebung: Rabattverträge sind nicht länger bloße Sparinstrumente, sondern entwickeln sich zu Steuerungselementen mit politischer Dimension. Sie beeinflussen die Produktionspraxis weltweit, fördern Standards, die andernorts fehlen, und lenken die Lieferkette entlang neuer Zielgrößen. In diesem Kontext wird auch die Rolle des Gesetzgebers neu definiert – er wird zum Ermöglicher für Kassen, die nicht nur zahlen, sondern gestalten wollen.
Ein besonderes Augenmerk gilt den antibiotischen Wirkstoffen. Gerade bei diesen Substanzen sind Resistenzbildungen durch unsachgemäße Entsorgung oder übermäßige Umweltkonzentration besonders kritisch. Die Verbindung von Nachhaltigkeitsbonus und Antibiotika-spezifischer Zusatzprämie setzt daher Maßstäbe für eine sektorübergreifende Verantwortung: Wer künftig Antibiotika liefern will, muss mehr leisten als nur die Einhaltung der Guten Herstellungspraxis (GMP). Er muss beweisen, dass seine Produktion nicht zur weltweiten Resistenzkrise beiträgt – eine Forderung, die auch WHO, EMA und Bundesinstitut für Risikobewertung in ihren Leitlinien vertreten.
Somit entsteht aus einem scheinbar kleinen Mechanismus – dem Nachhaltigkeitsbonus im Rabattvertrag – ein Systemhebel mit großer Reichweite. Was heute bei wenigen Krankenkassen beginnt, könnte morgen Standard werden. Die Frage ist nicht mehr, ob Nachhaltigkeit in der Arzneimittelversorgung relevant ist, sondern wie konsequent sie umgesetzt wird. Die Ersatzkassen haben vorgelegt – nun liegt es an Industrie, Politik und Versorgungspartnern, diesen Impuls aufzugreifen und weiterzuentwickeln.
Opfer der Reinheit, Risiko für Versorgung, Warnsignal der Kostenkeule
Wie die EU-Abwasserrichtlinie Arzneimittel wie Metformin unter Druck setzt, die Produktion ganzer Wirkstoffgruppen gefährdet und Lieferengpässe befeuert
Wer Arzneimittel einnimmt, scheidet deren Rückstände wieder aus – das ist kein Geheimnis, sondern ein gesundheitlich und ökologisch relevanter Fakt. Diese Rückstände landen in der Kanalisation, in Kläranlagen, in Flüssen und am Ende in den Wasserkreisläufen. Um dem zu begegnen, hat die Europäische Union nun eine Maßnahme beschlossen, die auf den ersten Blick konsequent und plausibel erscheint: Die Einführung einer verpflichtenden vierten Reinigungsstufe in kommunalen Kläranlagen, um Spurenstoffe aus dem Abwasser zu filtern. Doch bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass diese Maßnahme zwar dem Umweltschutz dient, gleichzeitig aber ein ökonomisches und gesundheitspolitisches Erdbeben auslösen könnte – mit dramatischen Folgen für die Arzneimittelversorgung in Europa. Denn die Last dieser Umweltschutzmaßnahme soll zu 80 Prozent die pharmazeutische und kosmetische Industrie tragen – ein Verteilungsschlüssel, der in seiner Konsequenz nicht weniger bedeutet als das mögliche Aus für wichtige Arzneimittel.
Metformin steht exemplarisch im Zentrum dieser Debatte. Der preiswerte Blutzuckersenker gilt seit Jahrzehnten als Goldstandard in der Behandlung des Typ-2-Diabetes, ist in unzähligen Haus- und Facharztpraxen ein unverzichtbares Basismedikament und gehört zu den weltweit am häufigsten verschriebenen Wirkstoffen. Doch weil es ebenso wie andere Wirkstoffe über den menschlichen Stoffwechsel nur unvollständig abgebaut wird, landet es in großen Mengen im Abwasser – und damit ins Visier der neuen Reinigungsanforderungen. Die Folge: Wer Metformin herstellt, soll künftig auch für die Reinigung seiner Spurenrückstände aufkommen. Und das nicht zu knapp.
Die Schätzungen über die zu erwartenden Zusatzkosten variieren je nach Studienlage, doch für viele Produktionsstandorte in Europa bedeutet dies eine signifikante Steigerung der Herstellungskosten. Und in einem Markt, in dem Margen bei Generika ohnehin unter Druck stehen, kann selbst ein relativ kleiner Kostenanstieg über Rentabilität oder Rückzug entscheiden. Es ist deshalb kein Zufall, dass in ersten Unternehmenskreisen bereits ernsthaft über das Ende der Metformin-Produktion nachgedacht wird – nicht nur in Deutschland, sondern europaweit. Und Metformin ist nur der Anfang: Auch weitere Wirkstoffe wie Antibiotika (z. B. Amoxicillin), Antidepressiva (z. B. Citalopram), Antiepileptika (z. B. Carbamazepin) sowie Schmerzmittel wie Ibuprofen und Diclofenac gelten als „kritisch“ im Sinne der Abwasserrelevanz.
Damit greift die neue Umweltpolitik tief in die Logik der Versorgungsketten ein – mit Folgen, die sich nicht auf ökonomischer Ebene erschöpfen. Schon jetzt leidet der europäische Arzneimittelmarkt unter einer Vielzahl struktureller Risiken: Lieferengpässe, Abhängigkeit von Produktionsstätten in Asien, fehlende Reservekapazitäten und ausufernde Preisregulierungen haben die Resilienz des Systems geschwächt. Wenn nun auch noch umweltpolitisch motivierte Produktionsstopps drohen, kann das System ins Wanken geraten. ABDA-Präsident Thomas Preis hat die Auswirkungen unlängst auf den Punkt gebracht: „Wenn sich die Produktion von günstigen Nachahmerarzneimitteln wegen neuer Abwasserauflagen nicht mehr lohnt, drohen massive Lücken in der Grundversorgung.“ Gemeint ist: Die Kombination aus strengeren Umweltregeln, wachsendem Kostendruck und rigider Preispolitik führt zu einer Abwärtsspirale in der Arzneimittelverfügbarkeit.
Ein weiterer Aspekt verschärft das Problem zusätzlich: Die europäische Richtlinie nimmt zwar die Industrie in die Pflicht, stellt jedoch keine flankierenden Ausgleichsmaßnahmen in Aussicht. Das bedeutet: Die Industrie soll nicht nur für die Rückstände ihrer Produkte zahlen, sondern auch die Investitionskosten für Nachrüstungen tragen – ohne steuerliche Erleichterung, ohne regulatorische Unterstützung, ohne perspektivische Preisflexibilisierung durch die Gesundheitssysteme. In einem marktwirtschaftlich geprägten Umfeld, in dem jedes Produktionsrisiko neu kalkuliert wird, ist dies ein verheerendes Signal. Die Konsequenz: Pharmaunternehmen dürften sich verstärkt aus dem europäischen Markt zurückziehen oder ihre Produktion ins Ausland verlagern – mit allen bekannten Risiken für Lieferstabilität und Qualitätssicherung.
Dabei geht es nicht darum, den Umweltschutz in Frage zu stellen. Es ist richtig und notwendig, Strategien zu entwickeln, um die Belastung von Flüssen, Böden und Trinkwasser durch Pharmarückstände zu senken. Doch die Lastenverteilung darf nicht einseitig auf die Schultern der Hersteller gelegt werden, wenn die Konsequenzen die Patientenversorgung gefährden. Ein nachhaltiger Gesundheitsschutz muss immer beides in den Blick nehmen: den Schutz der Umwelt und die Sicherstellung der Versorgung. Ein intelligenter Weg wäre etwa ein gestuftes Verursacherprinzip, das auch die Kassen und Gesundheitssysteme in die Finanzierung einbezieht, flankiert von staatlichen Förderprogrammen für ökologische Innovationen in der Arzneimittelproduktion. Und nicht zuletzt: Eine ehrliche Debatte über die Preisgestaltung für Generika, die bislang durch Rabattschlachten und Fixpreisdeckel zementiert ist, wäre überfällig.
Der politische Reflex, Umweltpolitik mit Industrieauflagen gleichzusetzen, greift zu kurz. Denn im Fall von Arzneimitteln wird nicht die Produktion eines Luxusguts belastet, sondern die Existenz eines essenziellen Versorgungsguts riskiert. Das strukturelle Problem liegt nicht in der Reinigungsstufe selbst, sondern in der mangelnden politischen Begleitung dieser Maßnahme. Ein funktionierender Arzneimittelmarkt braucht Planungssicherheit, Kooperationsmechanismen und einen offenen Dialog über faire Verteilung von Verantwortung. Wer das ignoriert, riskiert, dass Metformin zum Symbol einer politischen Fehlkalkulation wird – und mit ihm ein ganzer Wirkstoffkatalog in Gefahr gerät.
Die Apotheken vor Ort spüren die Folgen bereits: Lieferengpässe häufen sich, Rückfragen von Patienten nehmen zu, Ersatzpräparate müssen beschafft, Risiken neu bewertet werden. Und das, obwohl die eigentliche Ursache nicht in der Logistik, sondern in der politischen Steuerung liegt. Es ist Zeit, diese Zusammenhänge offenzulegen und nicht länger als Betriebsstörung zu deklarieren, was in Wahrheit eine systemische Fehlsteuerung ist. Die Frage, ob Metformin noch produziert wird, ist damit weit mehr als eine industrielle Kostenfrage. Es ist eine Frage der politischen Weitsicht – und der gesellschaftlichen Verantwortung gegenüber Millionen chronisch erkrankter Menschen.
Wissenschaft verpflichtet zur Verantwortung, Parteibindung braucht Haltung, Cannabis verlangt politische Sorgfalt
Wie Hendrik Streeck als neuer Drogenbeauftragter zwischen Aufklärung, Ideologie und Legalisierungsdebatte navigieren muss
Er ist einer der bekanntesten Virologen der Republik, galt als rationale Stimme inmitten der emotional aufgeheizten Corona-Debatten und hat sich dabei als nüchterner Wissenschaftler mit klarem analytischem Blick profiliert. Nun soll Hendrik Streeck, 47 Jahre alt, CDU-Bundestagsabgeordneter seit Februar 2025, die Aufgabe des Bundesdrogenbeauftragten übernehmen – eine Rolle, die weniger mit Laboranalysen als mit gesellschaftspolitischer Haltung zu tun hat. Es ist ein Wechsel von der Beobachtung zur Gestaltung, vom epidemiologischen Datenraum hinein in die konfliktreiche Arena der Drogenpolitik, in der vor allem eine Frage derzeit im Zentrum steht: die Legalisierung von Cannabis.
Dass Streeck ausgerechnet jetzt in dieses Amt rückt, ist kein Zufall. Nach dem Rückzug von Burkhard Blienert (SPD), der das Projekt Cannabislegalisierung maßgeblich mitgetragen hatte, braucht die Bundesregierung ein neues Gesicht – möglichst mit Autorität, wissenschaftlicher Integrität und politischer Kommunikationsstärke. Friedrich Merz scheint überzeugt: Streeck soll nicht nur die Gesundheitskommunikation strategisch aus der Defensive holen, sondern auch den konservativen Kompass der Drogenpolitik neu justieren. Doch was will Hendrik Streeck wirklich? Und was bedeutet sein Amtsantritt für die bisherige Legalisierungslinie?
Bislang hat sich der neue Drogenbeauftragte in Sachen Cannabis zurückgehalten. Kein flammendes Plädoyer, keine Empörung, keine Zustimmung, keine Ablehnung – eine auffällige Stille, wenn man bedenkt, dass er in der Corona-Zeit keine Scheu hatte, öffentlich unbequeme Meinungen zu äußern. Diese Zurückhaltung ist möglicherweise Kalkül. Denn das Terrain ist vermint: Zwischen den Legalisierungsidealen der Ampel und den ideologisch aufgeladenen Warnungen aus der Unionsspitze droht jeder Satz zur Sprengfalle zu werden.
Inhaltlich wird Streeck kaum darum herumkommen, Position zu beziehen. Immerhin ist das erste Legalisierungsgesetz – die Entkriminalisierung durch Entstigmatisierung – bereits durch Bundestag und Bundesrat gegangen. Jetzt steht Stufe zwei an: der kontrollierte Verkauf über Modellregionen. In der Bevölkerung ist die Skepsis groß, auch unter CDU-Wählern. Das lässt den neuen Beauftragten nicht kalt. Er hat die Sorgen vor mehr Jugendkonsum, vor der Entgleisung des Marktes und vor der Verharmlosung der Risiken im Blick. Gleichzeitig weiß er als Forscher: Pauschale Ablehnung hilft niemandem.
Denn Hendrik Streeck ist – das wird oft übersehen – kein reiner Virologe. Er ist jemand, der in seiner Forschung immer wieder soziale Kontexte thematisiert hat. In der HIV-Epidemiologie etwa beschäftigte er sich mit der Frage, wie Stigmatisierung die Prävention sabotiert. Diese Perspektive könnte seine Arbeit als Drogenbeauftragter maßgeblich beeinflussen. Nicht Moral, sondern Evidenz – das wäre sein Credo. Und das stellt ihn vor ein Dilemma: Die CDU will Cannabis verbieten, Streeck will differenzieren.
Die Ausgangslage ist politisch komplex. Das Thema Cannabis ist in der Union ein rotes Tuch, auch weil es bei konservativen Stammwählern als Einstieg in einen angeblich drogenfreundlichen Staat gelesen wird. Doch gleichzeitig wächst auch in der CDU die Erkenntnis, dass ein vollständiges Verbot weder durchsetzbar noch wirksam ist. Die Kriminalisierung hat über Jahrzehnte weder Konsum noch Schwarzmarkt effektiv eingedämmt. Streeck könnte – ähnlich wie einst der konservative Günther Beckstein beim Thema Alkoholprävention – versuchen, durch sachliche Argumente neue Spielräume zu schaffen.
Seine Aufgabe wäre es dann, ein evidenzbasiertes Regulierungskonzept zu entwickeln, das sich zwischen Verbot und Freigabe bewegt. Die Option, die Legalisierung in streng kontrollierte Modellregionen zu überführen, könnte er aufgreifen – aber nur unter klaren Bedingungen: Jugendschutz, Konsummengen, Qualitätssicherung, Marktbeobachtung. Und vor allem: keine Verharmlosung. Statt ideologischer Schlagworte würde dann vielleicht eine nüchterne Risikokommunikation die Debatte dominieren.
Doch ob das in der Praxis funktioniert, hängt nicht nur von Streeck selbst ab. Es hängt auch davon ab, wie viel politischen Rückhalt er innerhalb seiner eigenen Partei bekommt – und wie unabhängig er agieren darf. Denn wer als Drogenbeauftragter ernst genommen werden will, darf nicht Sprachrohr der Fraktion sein. Er muss auch bereit sein, der eigenen politischen Familie zu widersprechen, wenn wissenschaftliche Evidenz das verlangt. Das hat Streeck während Corona getan – aber damals hatte er keinen Parteiauftrag.
Die öffentliche Wahrnehmung wird genau beobachten, ob der renommierte Virologe auch als Drogenpolitiker glaubwürdig bleibt. Seine Vorgänger, von Marlene Mortler bis Burkhard Blienert, waren häufig eher Verwaltungsgesichter als Impulsgeber. Streeck hingegen hat die Chance, dem Amt ein neues Profil zu geben – als Brücke zwischen Wissenschaft und Politik, als Anwalt einer aufgeklärten, aber nicht naiven Drogenpolitik. Ob er diese Rolle annimmt, wird sich bald zeigen. Denn die Legalisierungsdebatte wartet nicht. Die Modellregionen stehen in den Startlöchern, die Umsetzungsverordnungen laufen, und die politischen Konfliktlinien sind bereits gezogen.
Streecks Schweigen wird nicht mehr lange tragbar sein. Wenn er das Amt des Drogenbeauftragten ernst nimmt – und alles deutet darauf hin –, wird er bald sprechen müssen. Nicht nur über Cannabis, sondern über Abhängigkeit, Prävention, Verantwortung. Ein Satz von ihm aus der Coronazeit wirkt dabei wie ein Versprechen: „Wissenschaft darf nicht moralisieren – aber sie muss warnen, wenn Fakten missachtet werden.“ Vielleicht ist genau das die Haltung, die die Drogenpolitik jetzt braucht.
Rezeptmissbrauch verschärft Versorgungskrise, Rechtsprechung markiert Grenzen, Politik gerät unter Handlungsdruck
Wie Online-Plattformen Cannabisrezepte als Geschäftsidee vermarkten, Gerichte gegen Cura Medics entscheiden und Ministerin Warken jetzt liefern muss
Medizin oder Masche? Diese Frage stellt sich in Deutschland immer dringlicher, wenn es um die grassierende Praxis der Online-Verschreibung von Cannabis geht. Wer sich durchklickt, erhält mit wenigen Angaben zu Schmerzen, Schlafstörungen oder Konzentrationsproblemen in kürzester Zeit ein ärztliches Attest für Medizinalcannabis – direkt auf das Smartphone. Plattformen wie Cura Medics nutzen hierfür ein Geschäftsmodell, das zunehmend unter rechtlichen Druck gerät. Der Markt boomt, doch die politische Antwort auf die explosionsartig gestiegenen Rezeptzahlen bleibt diffus. Jetzt hat das Landgericht Köln der Kommerzialisierung des Cannabis-Rezepts eine juristische Grenze gesetzt – während Bundesgesundheitsministerin Nina Warken einen politischen Kurswechsel verspricht. Die Frage ist nur: Wann?
Seit dem Frühjahr 2024 haben sich die Importe von Medizinalcannabis vervierfacht. Für Patientinnen und Patienten mit realem Versorgungsbedarf bedeutet das oft längere Wartezeiten, Engpässe oder Ablehnungen bei regulären Apotheken. Gleichzeitig breiten sich Plattformen aus, die nach dem Prinzip des „Low-Touch-Medicine“ arbeiten: Diagnostik per Online-Checkliste, Therapie per Häkchensystem, ärztliches Gespräch kaum mehr als eine Formalie. Dass dahinter keine genuine Gesundheitsversorgung steckt, sondern ein kommerziell ausgerichtetes Geschäftsmodell, wird zunehmend offensichtlich – und inzwischen auch gerichtlich bestätigt. Die Apothekerkammer Nordrhein hat gegen Cura Medics eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Köln erwirkt, die dem Anbieter die Bewerbung und Abwicklung von Cannabis-Verschreibungen auf digitalem Weg untersagt. Der Vorwurf: Mehrfache Verstöße gegen das Heilmittelwerbegesetz und eine Umgehung medizinischer Sorgfaltsstandards. Das Gericht teilte diese Sicht. Doch anstatt den Betrieb einzustellen, wechselte Cura Medics lediglich das Impressum – auf eine niederländische Briefkastenfirma – und änderte marginale Textbausteine. Die Plattform blieb online.
Diese Strategie ist symptomatisch für das Grundproblem: Nationale Rechtsprechung trifft auf international agierende Geschäftsmodelle, die mit hoher Geschwindigkeit Schlupflöcher suchen und nationale Regulierung unterlaufen. Die Reaktion des Bundesgesundheitsministeriums blieb bislang zurückhaltend. Zwar erkennt Nina Warken öffentlich den Missbrauch an und stellt klar: „Für mich steckt ganz klar Missbrauch hinter den Zahlen.“ Doch auf Nachfrage bleibt unklar, wie, wann und mit welchen Instrumenten das Ministerium eingreifen will. Die Initiative liegt derzeit nicht in der politischen Exekutive, sondern in den Händen der Kammern und Gerichte. Die Apothekerkammer Nordrhein agiert hier mit juristischer Zielstrebigkeit, während sich das BMG auf Absichtserklärungen beschränkt. Das Problem dabei: Je länger rechtliche Graubereiche bestehen, desto tiefer verankert sich das Geschäftsmodell im Markt.
Für die Apotheken vor Ort hat diese Entwicklung konkrete Auswirkungen. Sie sind es, die auf Basis von zweifelhaften Online-Rezepten Medizinalcannabis abgeben sollen, rechtlich haftbar gemacht werden können und gleichzeitig keine Möglichkeit zur Verifizierung der medizinischen Indikation haben. Die Apothekerinnen und Apotheker geraten so in eine doppelte Zwickmühle: Einerseits besteht die Pflicht zur Abgabe verschriebener Medikamente, andererseits wächst das Risiko, sich an fragwürdigen Rezeptketten zu beteiligen. Die Standesvertretungen fordern deshalb längst eine zentrale Rezeptprüfung, digitale Plausibilitätsmechanismen und eine Rückverfolgbarkeit der Verordnungswege – bislang ohne Erfolg. Der Missbrauch geht weiter.
Dass es auch anders geht, zeigt die Entscheidung des Landgerichts Köln. Sie setzt einen juristischen Marker und beweist, dass Heilmittelwerbung und Fernverschreibung keine rechtsfreien Räume sind. Doch solange die technische Infrastruktur nicht angepasst und die politische Strategie nicht geschärft wird, bleibt der Rechtsdurchsetzung eine Sisyphosaufgabe. Was jetzt fehlt, ist ein klar definierter regulatorischer Rahmen für digitale Verordnungsprozesse, flankiert von EU-weiten Vorgaben zur Plattformhaftung. Denn solange Anbieter durch Ländersprünge der deutschen Justiz entkommen können, bleibt der Missbrauch strukturell verankert.
Nina Warken hat nun die Chance – und die Pflicht – das Thema zur Chefsache zu machen. Es genügt nicht, Missbrauch zu benennen; er muss unterbunden werden. Dafür braucht es nicht nur Gesetzesinitiativen, sondern auch technische Schnittstellen, die Online-Rezepte rückverfolgbar und überprüfbar machen. Telemedizin ist ein Zukunftsmodell – aber nur, wenn sie der medizinischen Integrität verpflichtet bleibt. Und solange es möglich ist, Cannabis-Rezepte wie Rabattcodes zu generieren, gerät nicht nur das Arzneimittelrecht, sondern auch das Vertrauen in das Versorgungssystem insgesamt ins Wanken.
ePA verlangt Vertrauen, Politik verspricht Tempo, Technik bleibt ein Risiko
Wie Nina Warken das Gesundheitswesen digitalisieren will, warum der ePA-Zeitplan massive Zweifel weckt und technische Defizite das Vertrauen erschüttern
Als Nina Warken in Leipzig vor die Delegierten des Deutschen Ärztetags tritt, ist die Botschaft eindeutig: Die elektronische Patientenakte sei nicht weniger als die Zukunft des Gesundheitswesens, ein zentrales Reformprojekt mit Symbolcharakter – für Modernisierung, für Nutzerzentrierung, für Datenverfügbarkeit. Das Problem ist nur: Zukunft lässt sich nicht per Ansage verordnen. Und sie lässt sich auch nicht auf Termin setzen. Während die neue Gesundheitsministerin den 1. Oktober 2025 als Startdatum für die ePA-Pflicht für Leistungserbringer betont, meldet die Gematik fast zeitgleich massive technische Einschränkungen. Datenübertragungen stocken, Systemverfügbarkeiten schwanken, und selbst die Übernahme von Rezeptdaten – eine eigentlich erprobte Anwendung – funktioniert nur eingeschränkt. Wer den elektronischen Rollout des E-Rezepts in Echtzeit mitverfolgt hat, dem ist die Botschaft klar: Auch der nächste Digitalisierungsschritt steht unter einem schlechten Stern.
Dabei steht nicht nur ein Datum im Raum, sondern ein Versprechen. Politik, so Warken, müsse endlich liefern – digital, effizient, gesetzlich verankert. Doch das Vertrauen in politische Digitalisierungsversprechen ist nach Jahren des Ankündigens, Zurückruderns und technischen Dauerstolperns brüchig geworden. Warken betont, es werde keine weiteren Verzögerungen geben. Die ePA sei ein Muss, kein Vielleicht. Doch genau dieses „Muss“ war es, das schon die Einführung des E-Rezepts politisch beschädigte. Apotheken, Praxen und Kliniken sollen nun nicht nur neue Workflows integrieren, sondern ein digitales Akten-Backbone in den Arbeitsalltag aufnehmen – während das System noch nicht einmal zuverlässig seine Grundfunktionen erfüllt. Führung bedeutet unter diesen Bedingungen, nicht Optimismus zu verkaufen, sondern Friktionen zu benennen. Denn mit jedem Systemausfall wächst das Misstrauen, dass Digitalisierung im Gesundheitswesen mehr Symbolpolitik als Systemwandel bleibt.
Was hinzukommt: Die elektronische Patientenakte ist kein Selbstzweck. Sie soll Daten verfügbar machen, Qualität sichern, Doppeluntersuchungen vermeiden, Schnittstellen beseitigen. Doch wer definiert diese Schnittstellen? Wer kontrolliert die Zugriffe? Wer garantiert Datenschutz auf einem Niveau, das nicht nur den Anforderungen der DSGVO genügt, sondern auch den Ängsten der Bürger begegnet? Im Moment ist all das offen – ebenso wie die Antwort auf die Frage, was passiert, wenn das Versprechen nicht eingelöst wird. Denn ein Pflichtsystem ohne funktionierende Infrastruktur bedeutet Zwang ohne Wirkung. Und genau dieser Zwang trifft in einem fragilen Moment auf ein überlastetes System: Krankenhäuser stehen unter Druck, Arztpraxen melden Personalengpässe, Apotheken kämpfen mit Telematik-Ausfällen und Erstattungsproblemen. Es ist ein toxischer Cocktail aus Anforderung, Frust und Systemträgheit.
Noch besorgniserregender ist jedoch, dass die technologische Basis der ePA von der Öffentlichkeit kaum hinterfragt wird. Die Gematik beteuert, alles laufe „planmäßig“ – dabei zeigen regelmäßige Systemmeldungen, dass selbst Basiskomponenten wie Versichertenstammdatenmanagement oder Rezeptintegration instabil sind. Dass ausgerechnet in dieser Phase der verpflichtende Rollout gestartet werden soll, widerspricht jeder Risikologik. Technisch wäre eine schrittweise Erweiterung, gestützt durch belastbare Pilotierung, sinnvoller. Doch stattdessen herrscht politische Symbolik: Ein Starttermin muss gehalten werden, koste es, was es wolle. Und währenddessen erleben Apotheken, Praxen und Versicherte die Folgen – in Form von Wartezeiten, Systemhänger und unvollständigen Datensätzen.
Die Risiken sind nicht abstrakt. Fehlerhafte Medikationspläne, unvollständige Diagnosen, fehlende Kontextinformationen – all das kann im Alltag unmittelbare Konsequenzen haben. Gerade Apotheken, die über Arzneimittelausgaben oft zum letzten Glied der Versorgungskette werden, brauchen verlässliche Schnittstellen und klare Standards. Doch davon ist aktuell kaum etwas zu sehen. Stattdessen wird Digitalisierung zur rhetorischen Geste: ambitioniert angekündigt, realitätsfern umgesetzt. Führung in diesem Kontext hieße, die Realität zu benennen und die Systemfehler zu beseitigen – nicht, Termine zu setzen und auf Wunder zu hoffen.
Die neue Gesundheitsministerin kann ihre Glaubwürdigkeit nur dann bewahren, wenn sie die Einführung der ePA an klare technische Nachweise koppelt – und nicht an politische Termindruckrhetorik. Denn die ePA ist nur dann ein Gewinn für das System, wenn sie Vertrauen schafft. Und Vertrauen entsteht nicht durch Pflicht, sondern durch Stabilität, Funktionalität und Schutz sensibler Daten. Ohne diese drei Säulen wird das Projekt scheitern – nicht am Widerstand der Ärzte, nicht am Unwillen der Apotheken, sondern an der Technik selbst. Wer Digitalisierung will, braucht Infrastruktur, Investition und Integrität. Ansonsten bleibt die ePA das, was sie jetzt schon zu werden droht: eine gute Idee – für irgendwann.
Juristik als Waffe, Haltung als Prinzip, Reform als Ziel
Wie die Freie Apothekerschaft mit Klagen, öffentlichem Druck und strategischer Konsequenz für die Zukunft der öffentlichen Apotheke kämpft
Wenn sich politische Prozesse verschleppen, die Interessenvertretung zaudert und rechtliche Grauzonen zur Untätigkeit führen, dann wächst in vielen Berufsgruppen der Impuls zur Selbstermächtigung. Im Fall der Freien Apothekerschaft ist aus diesem Impuls längst eine feste Strategie geworden. Der Verein, gegründet aus Unzufriedenheit mit der Trägheit der etablierten Standesführung, tritt zunehmend als juristische und kommunikative Speerspitze einer selbstbewussten Basis auf, die nicht länger bereit ist, die schleichende Erosion der öffentlichen Apotheke tatenlos hinzunehmen. In einer Gemengelage aus wirtschaftlichem Druck, politischen Leerstellen und strukturellem Reformstau hat die Freie Apothekerschaft die eigenen Handlungsspielräume konsequent ausgelotet – und besetzt damit inzwischen eine Rolle, die weit über die eines reaktiven Berufsverbandes hinausgeht.
Über 1500 Mitglieder hat der Verein mittlerweile. Dass er seine Legitimation nicht aus repräsentativer Bequemlichkeit, sondern aus aktiver Arbeit zieht, zeigte sich nicht zuletzt auf der jüngsten Mitgliederversammlung. Dort bestätigten die Anwesenden den bisherigen Vorstand einstimmig im Amt: Daniela Hänel als Vorsitzende, Cordula Eichhorn als stellvertretende Vorsitzende und Reinhard Rokitta als Schatzmeister. Das Trio steht exemplarisch für die strategische Linie des Vereins: kein Rückzug in Klagehaltung, sondern gezieltes Ausnutzen juristischer, politischer und öffentlicher Hebel. Bereits mehrfach hatte die Freie Apothekerschaft Gutachten erstellen lassen und gerichtliche Verfahren angestrengt, etwa wenn es um die Frage ging, ob digitale Rezeptplattformen mit ihren Geschäftsmodellen das Arzneimittelgesetz verletzen oder ob Botendienstvorgaben de facto unhaltbare Zusatzbelastungen für kleine Betriebe darstellen.
Der Unterschied zur ABDA besteht dabei nicht nur in der Geschwindigkeit der Reaktion, sondern in der Tonalität. Während sich die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände zumeist als moderierender Verhandlungspartner begreift, tritt die FA als konfrontative Instanz auf – mit klarer Adressierung politischer Verantwortlichkeit und explizitem Handlungsanspruch. Diese Haltung speist sich aus einem Realismus, der viele Inhaberinnen und Inhaber auf dem Land oder im städtischen Randbereich längst eingeholt hat: Wenn Strukturen kippen, hilft kein Appell an Geduld mehr, sondern nur Druck – notfalls juristisch erzeugt.
Dass dieser Kurs auf Zustimmung trifft, zeigt nicht nur die stabil wachsende Mitgliedszahl, sondern auch die Resonanz auf öffentlichkeitswirksame Aktionen. So war es die Freie Apothekerschaft, die frühzeitig vor der unkontrollierten Ausgabe von Cannabisrezepten über Onlineplattformen warnte – lange bevor die Politik sich des Themas annahm. Auch in der Frage der Gleichbehandlung mit ausländischen Versandapotheken hat sich der Verein positioniert – nicht nur durch Resolutionen, sondern durch strategisch vorbereitete Verfahren. Die Erwartung an die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken ist deshalb klar formuliert: Die öffentliche Apotheke brauche jetzt nicht symbolische Bekenntnisse, sondern einen echten politischen Kurswechsel.
Warken, die als profilierte Sozialpolitikerin gilt und in den Koalitionsverhandlungen mehrfach für eine Stärkung der flächendeckenden Gesundheitsversorgung plädiert hatte, steht nun vor der Aufgabe, diesen Anspruch in konkrete Gesetzgebung zu übersetzen. Für die FA ist die Marschrichtung eindeutig: Sollte der politische Kurswechsel ausbleiben, wird man den bisherigen Weg weitergehen – „mit juristischen Mitteln, mit öffentlichem Druck, mit Haltung“, wie es Daniela Hänel formulierte. Es ist ein Satz, der nicht zufällig an die Sprache sozialer Bewegungen erinnert. Denn auch wenn die Freie Apothekerschaft sich als berufsständische Interessenvertretung versteht, ist ihre Dynamik längst zur Trägerin einer tiefergehenden Protestenergie geworden. Einer Energie, die aus dem Widerspruch zwischen systemischer Verantwortung und struktureller Geringschätzung gespeist wird – und die sich nicht mehr wegmoderieren lässt.
Die eigentliche Wirkung dieses Ansatzes entfaltet sich dabei im Übergang von der juristischen in die politische Sphäre. Denn mit jedem gewonnenen oder auch nur angestrengten Verfahren, mit jeder öffentlichkeitswirksamen Aktion wächst der Erwartungsdruck auf diejenigen, die bislang nur von Apothekenreform sprechen, aber keine liefern. Und dieser Druck trifft auf eine veränderte Öffentlichkeit: Die massiven Proteste gegen Lauterbachs Apothekenpläne, die Mobilisierung der Basis, die medial sichtbar gemachten Apothekenbesuche von Bundestagsabgeordneten – all das hat das Bild der selbstgenügsamen Kammer- und Verbandsstruktur nachhaltig erschüttert. Die FA profitiert dabei nicht von populistischer Rhetorik, sondern von einem substanziellen Unmut, der auf konsequente Handlung trifft.
Dass diese Konsequenz auch in der Binnenstruktur gelebt wird, zeigt der Blick auf die jüngsten Entscheidungen des Vereins. Anders als manche etablierte Organisationen hat die FA keinen Ausschussapparat, keine Hierarchiepyramide, sondern eine straff organisierte Führungsstruktur, die Entscheidungen schnell und ohne lähmende Konsensrituale umsetzt. Das bedeutet nicht, dass es keine inneren Debatten gäbe – im Gegenteil: Die FA lebt von einer aktiven Diskussionskultur, aber eben unter der Prämisse, dass am Ende nicht gesprochen, sondern gehandelt wird.
Genau darin liegt die strategische Relevanz dieses Modells: Die Freie Apothekerschaft besetzt einen Handlungsraum, den andere aufgegeben haben – zwischen rechtlicher Intervention, öffentlicher Mobilisierung und politischer Konfrontation. In einer Zeit, in der wirtschaftlicher Druck und gesetzgeberische Unsicherheit die Apothekenlandschaft destabilisieren, wird dieser Raum zum entscheidenden Ort der Gegenwehr. Und wer glaubt, dass juristische Mittel nicht politisch wirken, unterschätzt das Wechselspiel von Recht, Öffentlichkeit und Regulierung in einer mediatisierten Demokratie.
Wenn also eine Reform der Apothekenstrukturen tatsächlich gewollt ist, dann werden sich die Akteure an der Ernsthaftigkeit messen lassen müssen, mit der sie diesen Willen umsetzen. Solange aber Reform nur rhetorisch bleibt, wird die Freie Apothekerschaft den Druck erhöhen – notfalls mit Klagen, mit Kampagnen, mit der unbequemen Entschiedenheit einer Berufsgruppe, die nicht bereit ist, sich weiter demontieren zu lassen.
Politisches Gehör, struktureller Missstand, integrative Stärke
Wie Apothekenbesuche von Bundestagsabgeordneten zur Realitätsschau werden, warum Lauterbachs Reform Ängste schürt und die Rathaus-Apotheke Hagen mit Integration und Qualität punktet
Die politische Bühne ist groß, aber der Handlungsdruck in der Fläche ist größer. Seit Monaten häufen sich Meldungen über Apothekenschließungen, dramatische Nachwuchssorgen, Lieferengpässe bei zentralen Wirkstoffen, explodierende Betriebskosten und ausbleibende strukturelle Reformen. Die sogenannte Apothekenreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat bei vielen Inhaberinnen und Inhabern weniger Hoffnung geweckt als vielmehr Unsicherheit befeuert. Denn zwischen der medialen Wirkung wohlklingender Reizworte wie „Sektoröffnung“, „neue Kompetenzen“ oder „Honorardynamik“ klafft eine Realität, in der nichts entschieden, nichts gesetzlich garantiert und nichts finanziell gesichert ist. In diesem Vakuum der politischen Unverbindlichkeit wächst der Wille zur Eigeninitiative – und dieser nimmt aktuell eine ganz konkrete Form an: Apothekeninhaberinnen und -inhaber laden ihre Bundestagsabgeordneten in die Betriebe ein. Nicht, um zu lamentieren, sondern um sichtbar zu machen, was auf dem Spiel steht.
Ein besonders eindrückliches Beispiel dafür liefert Dr. Christian Fehske aus der Rathaus-Apotheke in Hagen. Der erfahrene Apotheker, der seinen Standort nicht nur als Versorgungszelle, sondern als gesellschaftliche Mitverantwortung begreift, lud die Bundestagsabgeordnete Tijen Ataoğlu in seinen Betrieb ein. Die Politikerin, Juristin und Mitglied im Bundestagsausschuss für Justiz und Verbraucherschutz, folgte der Einladung – und wurde Zeugin eines Apothekenalltags, der weit mehr ist als das Ausgeben von Medikamenten. Thema des Besuchs war unter anderem die Rolle der Apotheke als Integrationsmotor für internationale Fachkräfte. Fehske beschäftigt mehrere pharmazeutisch-technische Assistentinnen mit Migrationshintergrund, deren berufliche Eingliederung nicht nur gelungen, sondern auch vorbildhaft ist. Dabei wurde deutlich, dass Integration nicht in Integrationskursen geschieht, sondern in den Teams, in der Praxis, in der kollegialen Unterstützung – und dass Apotheken durch diesen Alltag eine stillere, aber unersetzliche Integrationsleistung für den Sozialstaat erbringen.
Zweiter Schwerpunkt des Gesprächs: die Logistikstandards im Botendienst – ein Bereich, der durch Lauterbachs geplante Reformen nicht entlastet, sondern tendenziell entwertet wird. Fehske demonstrierte, mit welchen Ressourcen, technischen Hilfsmitteln und personellen Standards seine Apotheke die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Temperaturvorgaben sicherstellt. Eine Leistung, die in niederländischen Versandzentren nicht im selben Maße gewährleistet werden muss – weil dort niedrigere Richtlinien gelten. Der juristische Unterschied in der Temperaturverantwortung ist im Alltag ein wirtschaftlicher Nachteil, der aus Sicht inhabergeführter Apotheken nicht länger ignoriert werden darf.
Ataoğlu zeigte sich beeindruckt. Sie signalisierte Gesprächsbereitschaft, nahm konkrete Fragestellungen mit und kündigte an, sich in Berlin für eine differenzierte Betrachtung der Vor-Ort-Apotheken einzusetzen. Ob das Versprechen politische Wirkung entfaltet, bleibt offen – doch der symbolische Wert solcher Besuche ist unbestreitbar. Denn je häufiger Abgeordnete die Türen von Apotheken durchschreiten, desto schwerer fällt es ihnen, realitätsferne Reformen zu beschließen. Das politische Prinzip „Augenhöhe“ lässt sich nur umsetzen, wenn man die Orte kennt, um deren Zukunft es geht.
Der Besuch war kein PR-Event, sondern Ausdruck eines sich wandelnden Selbstverständnisses: Die Apothekerschaft will nicht mehr warten, bis Entscheidungen über sie hinweg gefällt werden. Sie geht auf die Politik zu – nicht mit Drohgebärden, sondern mit Offenheit, Verantwortung und klarer Argumentation. Dabei wird deutlich, dass es um mehr geht als um ein Fixhonorar oder Rabattverträge. Es geht um das Fortbestehen eines dezentralen Gesundheitswesens, das auf Präsenz, Vertrauen und Qualität setzt. Die Rathaus-Apotheke Hagen steht beispielhaft für das, was Apotheken heute leisten – und was sie verlieren würden, wenn man sie in den nächsten Jahren politisch weiter aushöhlt.
Womit wir beim eigentlichen Kern dieser Entwicklung wären: Die politische Rhetorik über Apotheken kennt viele Überschriften, aber wenig Substanz. Was fehlt, sind klare Zusagen zu Standortsicherung, Honoraranpassung, rechtssicherer pDL-Ausgestaltung, fairen Botendienstregelungen und der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. All das wäre gestaltbar, wenn der politische Wille da wäre. Dass Apotheken diesen Willen nun selbst herausfordern, ist nicht Resignation, sondern Führungsverantwortung. Sie übernehmen das, was dem Gesetzgeber fehlt: Initiative, Realitätssinn und Bindung an das Machbare. Der Weg über die persönliche Einladung mag lang und mühsam sein – aber er hat einen Vorteil: Er führt durch die Tür der Apotheke, nicht an ihr vorbei.
Einladung wird Strategie, Integration wird Botschaft, Versorgung wird Realität
Wie Apotheken ihre Bundestagsabgeordneten vor Ort überzeugen, Fachkräfte erfolgreich einbinden und Versorgungsstandards konkret sichtbar machen
Die Einladung war kein symbolischer Akt, sondern ein strategisches Signal: Wenn Apothekenpolitikerinnen und -politiker verstehen sollen, was vor Ort wirklich passiert, dann müssen sie es sehen – mit eigenen Augen, auf der Fläche, im realen Betrieb. Dr. Christian Fehske, Inhaber der Rathaus-Apotheke in Hagen, hat diese Erkenntnis konsequent in Praxis übersetzt. In einer Zeit, in der politische Reformvorschläge wie die sogenannte Apothekenreform aus dem Bundesgesundheitsministerium nicht nur Unsicherheit, sondern auch existenzielle Angst auslösen, sind persönliche Gespräche und sichtbare Realität die stärksten Argumente. Fehske lud die Bundestagsabgeordnete Tijen Ataoğlu in seine Apotheke ein – und präsentierte mehr als nur Zahlen: Er zeigte Verantwortung, Perspektive und Gestaltungskraft.
Denn das, was heute im politischen Berlin verhandelt wird, betrifft nicht nur abstrakte Strukturen, sondern den konkreten Alltag in Apotheken, in dem Fachkräftemangel, Lieferengpässe, Inflation und steigende Betriebskosten täglich aufs Neue bewältigt werden müssen. In dieser Realität ist nicht mehr Zeit für diplomatische Bitten – es braucht konfrontative Aufklärung. Ataoğlu, selbst Juristin und Mitglied im Bundestagsausschuss für Justiz und Verbraucherschutz, wurde nicht geschont. Die Besuchssituation war offen, konzentriert, fordernd – und genau so notwendig. Denn Apotheken sind nicht nur Gesundheitsdienstleister, sondern zunehmend auch Integrationsräume, Versorgungspioniere und Qualitätssicherer – unter Bedingungen, die immer enger werden.
Ein zentraler Punkt des Besuchs war das Thema Integration. Die Rathaus-Apotheke ist kein Einzelfall, aber ein gelungenes Beispiel: Dort arbeiten ausländische pharmazeutisch-technische Assistenten, die sprachlich, fachlich und sozial hervorragend eingebunden wurden. Dieses Engagement ist nicht selbstverständlich – und auch nicht risikofrei. Denn Ausbildungsanerkennung, rechtliche Unsicherheiten und sprachliche Barrieren sind nur einige der Hürden, die Arbeitgeber im Gesundheitswesen zusätzlich schultern müssen, wenn sie auf dem Arbeitsmarkt überhaupt noch bestehen wollen. Genau das jedoch zeigt den entscheidenden Unterschied: Während viele politische Programme Integration als theoretisches Ziel beschreiben, leben Apotheken sie längst in praktischer Notwendigkeit.
Gleichzeitig wurde deutlich: Die Standards der Vor-Ort-Apotheken sind kein Luxus, sondern lebenswichtige Infrastruktur – das zeigt sich unter anderem beim Thema Botendienst. Während ausländische Versandapotheken niedrigere Temperaturvorgaben bei der Arzneimittelauslieferung einhalten müssen, sind deutsche Apotheken gesetzlich zur strengen Einhaltung der Kühlkette verpflichtet. Ein Unterschied, der in der politischen Debatte oft ignoriert, aber von Patienten und Angehörigen sehr wohl wahrgenommen wird. Diese regulatorische Asymmetrie ist ein Angriff auf Fairness und Qualität zugleich – und ein Beispiel dafür, wie politische Versäumnisse den Wettbewerb verzerren.
Der Besuch von Abgeordneten ist deshalb mehr als Symbolpolitik. Er ist Teil einer Aufklärungskampagne, die nicht in Pressemitteilungen oder Social Media endet, sondern im direkten Dialog beginnt. Immer mehr Apotheken folgen dem Beispiel von Dr. Fehske. Sie laden ein, sie zeigen, sie konfrontieren. Auch, weil sie wissen: Wer heute schweigt, riskiert morgen das Überleben des eigenen Betriebs. Wer sichtbar wird, schafft Realität – auch in der Gesetzgebung. Dass ausgerechnet jetzt Bewegung in die Koalitionsdebatten kommt und mit Nina Warken eine politisch aktive CDU-Gesundheitsexpertin neue Impulse signalisiert, ist ein Hoffnungsschimmer. Doch Gesetze sind noch keine Realität – und Reformversprechen keine Verträge.
Was zählt, ist nicht das Ankündigungspapier im Koalitionsvertrag, sondern die verbindliche Absicherung im Sozialgesetzbuch. Und diese Absicherung braucht politischen Druck. Deshalb gilt: Jede Einladung ist eine Investition in Sichtbarkeit. Jeder Besuch ein Beitrag zur Reform der politischen Wahrnehmung. Die Apothekerschaft hat das verstanden. Der Dialog auf Augenhöhe ist kein Luxus mehr – er ist ein Überlebensmechanismus. Und er funktioniert, wenn er entschlossen geführt wird. Das lehrt uns die Rathaus-Apotheke in Hagen.
Politik verspricht Reform, Kammerpräsident warnt, Apotheker fordern Realität
Wie das BAK-Versprechen in Meran auf Finanzierungsvorbehalte trifft, warum das Apothekenhonorar zur Geduldsprobe wird und was wirklich auf dem Spiel steht
Wenn der Präsident der Bundesapothekerkammer aus dem sonnendurchfluteten Meran von einem Erfolg spricht, dann klingt das zunächst wie ein Lichtblick für einen Berufsstand, der in den vergangenen Jahren chronisch zu kurz kam. Dr. Armin Hofmann deutet die Koalitionspassagen zugunsten der Apotheken als politischen Durchbruch: Endlich konkrete Zusagen, endlich eine Erhöhung des Apothekenhonorars in Aussicht, endlich das Versprechen struktureller Aufwertung. Und doch liegt über diesen Aussagen ein Schatten, der sich kaum ignorieren lässt – der Schatten des Finanzierungsvorbehalts. Denn was nach Aufbruch klingt, droht in der politischen Realität zur Geduldsprobe zu werden.
Was im Koalitionsvertrag steht, ist zweifellos ein politisches Signal. Aber politische Signale sind eben keine Geldeingänge. Die angekündigte Honoraranpassung steht unter dem Vorbehalt der Finanzlage – und genau diese Finanzlage hat sich seit der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags nicht etwa entspannt, sondern weiter zugespitzt. Die GKV-Kassen schlittern von einem Defizit ins nächste, der Gesundheitsfonds lebt von Sondereffekten, die strukturellen Kostenrisiken steigen mit jeder Legislaturperiode. In einem solchen Umfeld eine Honorarerhöhung versprechen zu wollen, ist eine Sache – sie gegen die Realitäten des Bundeshaushalts durchzusetzen, eine ganz andere.
Armin Hofmanns Mahnung, es brauche einen „ganz, ganz langen Atem“, ist dabei keine bloße rhetorische Formel, sondern ein strategischer Hinweis an die eigene Berufsgruppe: Wer etwas erreichen will, darf sich weder vom ersten Etappenziel blenden lassen noch von verzögerten Umsetzungen entmutigen. Die politische Arbeit beginnt nicht mit dem Applaus beim Pharmacon-Kongress, sie beginnt danach – mit dem Beharren auf Umsetzung, mit dem Nachhalten bei den Zuständigen, mit dem Umsetzen in Verordnungen und Gesetze. Und das bedeutet für Apothekenleitungen: Verantwortung wahrnehmen, Position beziehen, mitgestalten.
Doch in vielen Apotheken herrscht weniger Aufbruchsstimmung als vielmehr skeptische Distanz. Die Versprechen sind da, ja – aber ebenso ist da das Gefühl, erneut nur symbolisch berücksichtigt zu werden. Denn während Digitalisierungspflichten, Notdienstbelastung, Lieferengpässe, Personalnot und bürokratischer Overload weiter zunehmen, sollen ausgerechnet jetzt neue Hoffnungsträger mobilisiert werden – mit einem Sofortprogramm, das Apotheken explizit gar nicht nennt. Die Regierung spricht von steuerlichen Entlastungen, von Abschreibungen, von Investitionsimpulsen – aber wo bleibt die direkte Hilfe für den versorgungsrelevanten Betrieb vor Ort?
Hier wird deutlich: Zwischen der Wahrnehmung in Berlin und dem Arbeitsalltag in Apotheken liegt mehr als eine kommunikative Lücke – es klafft eine strukturelle Realität. Die Versorgungsbasis der Bevölkerung wird von Betrieben gestemmt, die längst an ihre Substanz gehen müssen, deren Inhaber oft selbst ins Risiko gehen, um Versorgung aufrechtzuerhalten. Eine angekündigte Honoraranpassung unter Finanzierungsvorbehalt ist in diesem Kontext eher ein Placebo als eine Therapie. Die Apothekerinnen und Apotheker fordern deshalb zu Recht, dass die im Koalitionsvertrag erwähnten Maßnahmen nicht nur im Wortlaut bestehen bleiben, sondern umgesetzt werden – zügig, belastbar, realitätsnah.
Und dann ist da noch die kommunikative Fallhöhe: Ein Präsident, der im Kurort Meran von politischen Erfolgen spricht, während viele Kolleginnen und Kollegen die nächste Betriebskostenrechnung kaum decken können. Das wirkt nicht als Stilbruch, aber als Dissonanz. Die Erwartungen an die Standesvertretung steigen mit jeder Zusage aus der Politik. Wer die Stimme für den Berufsstand erhebt, muss nicht nur Hoffnung formulieren, sondern Druck aufbauen – gegen Ministerien, gegen Kürzungspläne, gegen Verzögerungstaktiken. Gerade weil Apotheken keine Lobbyriesen sind, müssen sie laut sein, strukturiert agieren, Fakten liefern und Allianzen schmieden – mit Ärzt:innen, mit Patient:innen, mit der kommunalen Versorgungsebene.
Denn eines ist unbestreitbar: Die Apotheken in Deutschland sind nicht bloß ein Teil der Gesundheitswirtschaft, sie sind ein Teil der Daseinsvorsorge. Wer in Berlin das Gegenteil behauptet oder durch Prioritätensetzung faktisch so handelt, handelt gegen das Interesse der Bevölkerung. Und wer als Standesvertretung dafür kämpft, diese Bedeutung nicht nur zu erhalten, sondern auszubauen, braucht mehr als einen langen Atem. Er braucht Durchhaltevermögen, mediale Präsenz, strategische Tiefe – und die uneingeschränkte Unterstützung der eigenen Basis.
Der Weg, den Hofmann in Meran skizziert hat, kann ein Anfang sein. Aber ohne Absicherung im Bundeshaushalt, ohne gesetzgeberische Umsetzung, ohne operative Entlastung bleibt es ein Weg mit ungewissem Ziel. Der Berufsstand steht an einer Schwelle, an der Zuversicht nur dann gerechtfertigt ist, wenn ihr praktische Schritte folgen. Die Apothekerschaft hat in den letzten Jahren bewiesen, dass sie krisenfähig, belastbar und innovationsbereit ist. Nun ist es an der Politik, diesen Einsatz nicht nur zu würdigen – sondern endlich zu honorieren.
Wirtschaftsturbo verspricht Entlastung, Apotheken hoffen auf Anschluss, Förderlücken bleiben systemisch
Was das Sofortprogramm der Bundesregierung bewirken soll, warum Apotheken nur indirekt profitieren – und wie betriebliche Realität die politische Rhetorik kontert
Unerwartet temporeich, ungewöhnlich entschlossen, beinahe überambitioniert: Das neue Sofortprogramm der Bundesregierung weckt Erwartungen. „Die Bürgerinnen und Bürger sollen schon im Sommer merken, dass sich etwas verändert“, heißt es aus dem Bundeskanzleramt. In einer Mischung aus investiver Offensive und steuerpolitischer Lockerung will man der lahmenden Wirtschaft neuen Schub geben. Stromsteuer runter, Netzentgelte runter, mehr Abschreibungen, neue Investitionsanreize – so lauten die Kernelemente. Und während große Teile der Industrie jubeln und der Mittelstand zumindest vorsichtig applaudiert, fragen sich Apothekenbetriebe zwischen Hochdruckalltag und Reformstau, was von dieser „Action“ tatsächlich bei ihnen ankommt. Die kurze Antwort: nicht viel, aber womöglich genug, um zwischen Aufatmen und Augenrollen eine strategische Neubewertung zu rechtfertigen.
Denn wie so oft wird die Branche nicht einmal erwähnt – weder in den offiziellen Programmtexten noch in der politischen Kommunikation. Und doch sind einzelne Komponenten des Programms für viele Apothekenbetreiber potenziell nutzbar: Das beginnt bei der geplanten Senkung der Stromsteuer, betrifft die Reduktion von Netzentgelten – besonders relevant für energiekritische Standorte mit Klimatisierung, Kühlketten und digitaler Infrastruktur – und reicht bis hin zu steuerlichen Sonderabschreibungen auf Investitionen in technische Ausrüstung. Gerade wer in Automatisierung, robotergestützte Kommissionierung oder digitale Kassensysteme investiert, könnte vom neuen Spielraum profitieren. Entscheidend ist jedoch: Es handelt sich nicht um gezielte Förderung für den Apothekenbereich – sondern um allgemeine Instrumente, die lediglich adaptierbar sind. Der Unterschied ist von zentraler Bedeutung.
Während die Politik in Berlin von einer Zeitenwende für die Wirtschaft spricht, erleben viele Apotheken weiter eine Abwärtsspirale aus Bürokratiedruck, Personalmangel, Preisverfall und Strukturwettbewerb. Das Sofortprogramm ersetzt die dringend benötigte sektorale Soforthilfe nicht. Es setzt keine gezielten Impulse für eine Branche, die seit Jahren unterfinanziert, überreguliert und strukturell marginalisiert wird. Die Hoffnung auf echte Zuschüsse – beispielsweise für pharmazeutische Dienstleistungen, für die Digitalisierung von Notdienst- und Versorgungsstrukturen oder zur Kompensation von Inflationseffekten beim Fixhonorar – erfüllt sich nicht. Die Botschaft lautet: Mitgemeint sein reicht. Für eine Branche, die zum Rückgrat der Arzneimittelversorgung zählt, ist das eine politische Zumutung.
Hinzu kommt ein weiteres Problem: Förderprogramme, so universell sie sein mögen, entfalten ihre Wirkung nicht automatisch. Sie müssen aktiv beantragt, bilanziell eingebettet und betriebswirtschaftlich tragfähig gemacht werden. Apotheken, die ohnehin überlastet sind, haben oft keine Ressourcen, um sich durch Förderanträge zu kämpfen oder steuerlich komplexe Investitionspläne zu realisieren. Hier wird der strukturelle Nachteil kleiner Versorgungseinheiten gegenüber größeren, beratungsintensiv betreuten Unternehmensformen einmal mehr offenkundig. Selbst dort, wo Mittel verfügbar wären, fehlt es an Klarheit, Zeit und Personal, um sie wirksam zu nutzen. Entlastung auf dem Papier bedeutet noch lange keine Entlastung in der Realität.
Und doch lohnt der Blick auf die Details. So sieht das Sofortprogramm auch Verbesserungen für Mitarbeitende vor – etwa eine Erhöhung der Pendlerpauschale, flexiblere Arbeitszeitregelungen und erste Schritte in Richtung einer sogenannten Aktivrente, die das Arbeiten im Alter attraktiver machen soll. Für Apotheken, die über altersgemischte Teams verfügen oder Personal mit langen Anfahrtswegen beschäftigen, können sich hier durchaus neue Perspektiven eröffnen. Die Frage ist nur: Ist das genug, um echte Zukunftssicherheit zu schaffen?
Auch bei der Mobilität könnte sich ein kleiner Hebel finden. Wer auf elektrische Botendienstfahrzeuge umstellt, profitiert von neuen Abschreibungsmöglichkeiten und eventuell regionalen Zusatzförderungen. Doch auch das bleibt: Stückwerk. Was fehlt, ist ein politisches Signal, dass die Apothekenbranche in ihrer spezifischen Verantwortung – als systemrelevante, lokal verankerte und gleichzeitig wirtschaftlich unter Druck stehende Säule der Gesundheitsversorgung – endlich den Stellenwert erhält, der ihrem Beitrag entspricht.
Der Frust darüber wächst – und wird zunehmend artikuliert. Immer häufiger laden Apotheken Bundestagsabgeordnete ein, um vor Ort sichtbar zu machen, wie sehr Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Die Erzählung vom „Wirtschaftsturbo“, der überall ankommt, verliert an Glaubwürdigkeit, wenn zentrale Akteure des Alltagsgesundheitssystems nicht einmal explizit bedacht werden. Politische Symbolik ersetzt keine wirtschaftliche Substanz. Das Sofortprogramm entfaltet nur dort Wirkung, wo strukturelle Voraussetzungen stimmen – und das ist in vielen Apotheken längst nicht mehr der Fall.
So bleibt unter dem Strich ein ambivalenter Befund: Ja, das Sofortprogramm kann auch Apotheken helfen – aber nur unter der Voraussetzung, dass sie selbst die Kraft aufbringen, das Undurchsichtige zu durchdringen, das Allgemeine ins Spezifische zu übersetzen und das Politische in betriebliche Realität zu überführen. Es wäre Aufgabe der Politik, diesen Weg zu ebnen. Stattdessen wird auf Selbsthilfe gesetzt. Der Applaus bleibt verhalten. Und die Frage, ob aus dem Sofortprogramm ein echter Impuls für den Apothekenstandort Deutschland wird, ist alles andere als beantwortet.
Glosse: Klimakarma mit Kommissionierer, Fischbecken und Fahrradakku
Wie Apotheken zur grünen Exzellenz gezwungen werden, während der Wartebereich zur Öko-Lounge mutiert und die Rezeptur zur Reuse-Farm wird
Deutschland denkt grün – und die Apotheke macht mit. Oder besser: Sie muss. Denn wer künftig noch Medikamente abgeben will, darf nicht mehr nur pharmazeutisch korrekt sein, sondern auch biologisch abbaubar. Das Umweltbundesamt hat gesprochen, und was früher Lieferbereitschaft, Nachtöffnung und Rezepturkompetenz hieß, nennt sich ab sofort: Umweltqualitätsmanagement mit Fischhaltung. Der Begriff „Apothekenpflicht“ bekommt damit eine ganz neue Farbe. Nämlich chlorophyllgrün.
Ab 2026 reicht ein HV-Tisch und ein schneller Botendienst nicht mehr aus – jetzt zählen CO₂-Bilanzen, Algenquote und die thermische Verwertung des Nachtdienst-Kaffeesatzes. Inhaber:innen werden zu Umweltmanager:innen mit Kamillen-Duftlampe, Solarpaneel und Reinigungsessig im Vierkantspender. Der Rezepturdrucker muss mit Bremsstrom betrieben, der Beratungsplatz aus recyceltem Altregalholz gezimmert und der Kommissionierer von einem stationären Kurbelgerät für Praktikant:innen gespeist werden.
Und es geht noch weiter: Der neue Apothekenbonus – liebevoll als „Öko-Pauschale Plus“ betitelt – wird nur ausgezahlt, wenn die Offizin einen validierten Nachhaltigkeitsbericht inklusive Kundenumfrage („Wie grün war Ihr Besuch?“), Labor-Aquaponik und CO₂-Kompensation durch selbstgezogene Minze vorlegen kann. Die Pflanze dient dann gleichzeitig als Sichtschutz für die Phytothek und als Topping für vegane Mitarbeitergetränke.
Wem das zu komplex ist, kann sich vom UBA beraten lassen – die schicken jetzt externe Klimascouts in die Vor-Ort-Versorgung. Diese messen den ökologischen Fußabdruck der Betriebsspülmaschine, bewerten das Wärmeverhalten des Notdienstvorhangs und prüfen, ob das Handdesinfektionsmittel mit Eukalyptusduft auch regional produziert wurde. Wer nicht besteht, bekommt keine Abmahnung, sondern eine Patenschaft für eine bedrohte Wasserpflanze in Brandenburg. Reicht das auch nicht aus, ist eine temporäre Betriebsschließung mit Nachzertifizierungsauflage nicht ausgeschlossen.
Für den nötigen Ernst sorgt die neue Patient:innenpflicht zur Müllvermeidung. Rezepturen dürfen nur noch in nachweislich mehrfach verwendbaren Glasbehältern mitgebracht werden. Dosen, Beutel, Säckchen – alles muss rückverfolgbar und klimaneutral sein. Wer versehentlich eine Papierverpackung verlangt, muss mit einem erklärenden Gespräch über „Pharmazeutisches Fußabdruckbewusstsein“ rechnen. Im Wartebereich. Mit Schaubild.
Dass es sich bei alldem nicht um eine Satire, sondern um ein Fördermodell handelt, erklärt der TK-Vize im neuen Nachhaltigkeitsrundschreiben. Der Bonus: Zehn Cent zusätzlich pro Packung, wenn die Apotheke belegt, dass sie den Energiebedarf ihrer Beleuchtung komplett durch Hamsterlaufräder kompensiert. Optional auch per Windrad auf dem Apothekendach – solange die Nachbarn keine Einwände haben. Für Apotheken auf dem Land empfiehlt sich ein kleiner Komposthügel neben dem Parkhaus. Am besten mit Kräuterspirale. Fördert die Resilienz.
Noch Fragen? Ach ja: Jede Apotheke soll halbjährlich einen Abwasseraudit durchführen lassen. Im Idealfall in Eigenleistung durch die PTA im Nachtdienst. Ziel: Nachweis hormoneller Rückstände unterhalb des EU-Schnitts. Wer das schafft, darf sich „Grünpunktapotheke“ nennen und das neue Umweltlabel auf die Plexiglastrennscheibe kleben. Es besteht aus vollständig kompostierbarer Holzcellulose und wird mit Algenfarbe aufgetragen. UV-beständig bis 2027.
Die Zukunft der Pharmazie liegt also irgendwo zwischen Salbenherstellung, Fischzucht, E-Scooter-Wartung und Umweltpädagogik. Wer fragt, wie man das alles bezahlen soll, hat das Konzept nicht verstanden. Denn: Nachhaltigkeit ist keine Frage des Budgets, sondern des Bewusstseins. Und wenn das Bewusstsein erstmal nachhaltig aufgeladen ist, klappt es auch mit der Energierückgewinnung aus den Tränen überbordender Bürokratie.
Bleibt nur die Hoffnung, dass es demnächst eine Fortbildung zur „zertifizierten Klimaversorgerin“ gibt. Mit Bonuspunkten für selbstgestrickte Wärmekissen aus Apothekenflachs und CO₂-freier Patientenansprache. Dann steht dem ökologischen Paradigmenwechsel der Offizin wirklich nichts mehr im Weg – außer vielleicht der Realitätscheck.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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