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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Ein digitaler Nachlass wird zur Betrugsmasche, ein Primärarztsystem zum politischen Phantom, eine apothekerliche Zulassung zur manipulierbaren Variable: Der Wochenbericht legt offen, wie verwundbar das Gesundheitssystem an zentralen Scharnierstellen geworden ist – technisch, personell und strukturell. Der Missbrauch einer ehemaligen Apotheken-URL offenbart nicht nur die Lücken in der digitalen Sorgfaltspflicht der Justiz, sondern entblößt auch das träge Reaktionsverhalten der Strafverfolgung, wenn die Apothekensphäre nur digital betroffen ist. Parallel zeigt das gescheiterte Primärarztsystem, dass Steuerungsideen ohne Kapazitäten ins Leere laufen – mit dramatischen Folgen für Patientinnen und Patienten. Dass Apotheken als strukturstabilisierende Instanzen trotzdem konsequent ignoriert werden, ist mehr als ein politisches Versäumnis: Es ist Ausdruck einer Denkblindheit, die strukturelle Versorgungslücken künstlich aufrechterhält. Hinzu kommt das Beispiel der AfP, das exemplarisch zeigt, wie wirtschaftlich organisierte Instanzen mit regulatorischer Macht Apothekenführungen unter Druck setzen – durch AGB-Verschiebungen, Mahnungen und ein faktisches Kommunikationsvakuum. Kombiniert mit Insolvenzspätfolgen, immobilienbedingten Schließungen und wachsender medialer Dominanz von Versandapotheken entsteht eine Gemengelage, in der nicht mehr nur wirtschaftliche, sondern auch versorgungspolitische Führung gefragt ist – auf Bundesebene, auf Verbandsebene, in jeder Apotheke vor Ort.
Digitale Identität missbraucht, Ermittlungswille erschüttert, Apothekenschutz unterlaufen
Wie ein Fake-Shop das Vertrauen in staatliche Strafverfolgung untergräbt, warum verwaiste Apotheken-Adressen zum Einfallstor werden und was der Fall Bärliner Apotheke offenbart
Es war ein Schock, der sich leise über eine tote Adresse legte: Die Bärliner Apotheke in Berlin-Marzahn hatte längst geschlossen, die Tür versiegelt, das Leuchtschild demontiert. Doch ihre Internetpräsenz – oder besser: ihr digitaler Nachlass – erwachte Monate später zu neuem Leben. Nicht als virtuelles Museum der Stadtteilgeschichte oder als Hinweis auf eine neue Apotheke, sondern als dubioser Vertriebskanal für angebliche Diätprodukte und Kosmetika. Hinter der bekannten Domain „www.baerliner-apotheke-berlin-marzahn.de“ verbarg sich plötzlich ein vermeintlicher Online-Shop. Das Problem: Er war nie real. Und die Justiz ließ den Vorgang – trotz Anzeige, trotz klarer Warnungen – in bemerkenswerter Eile fallen.
Marietta Dubinski, die ehemalige Inhaberin, hatte die Schließung ihrer Apotheke im Mai 2024 mit Bedauern, aber auch mit Klarheit vollzogen. Keine Nachfolge, kein wirtschaftliches Fundament, kein Weiterbetrieb. Was bleibt, sollte ein sauberer Abschluss sein. Doch im März 2025 stieß sie durch Hinweise von Watchlist Internet auf die unerwartete Wiederbelebung ihres digitalen Namens – diesmal unter der Kontrolle mutmaßlicher Betrüger. Der neue Fake-Shop präsentierte sich mit professionellem Aufbau, gepflegter Produktschau und einem scheinbar vertrauenswürdigen Anschein. Nur: Dubinski wusste nichts davon. Und potenzielle Kund:innen wurden in gutem Glauben in die Irre geführt.
Die Apothekerin tat, was von ihr erwartet wird: Sie erstattete Anzeige. Doch der staatsanwaltschaftliche Apparat reagierte nicht mit kriminalistischer Akribie, sondern mit administrativem Rückzug. In einem knappen Schreiben wurde ihr mitgeteilt, dass das Verfahren mangels Ermittlungsansätzen eingestellt wurde. Kein Täter, keine Verfolgung, kein weiterer Versuch, die Spur zurückzuverfolgen. Die Erklärung der Staatsanwaltschaft berief sich auf technische Limitationen, insbesondere die Unverfügbarkeit von IP-bezogenen Verkehrsdaten nach § 100g Abs. 2 StPO. Das klingt juristisch sauber – und ist dennoch gesellschaftlich brisant.
Denn der Fall der Bärliner Apotheke ist längst kein Einzelfall mehr. Immer häufiger werden verwaiste Domains – insbesondere aus dem Gesundheitsbereich – von kriminellen Akteuren übernommen, um Authentizität zu simulieren. Der Missbrauch der digitalen Resthülle echter Betriebe wird dabei durch eine doppelte Lücke begünstigt: Einerseits gibt es kaum Nachsorgepflichten für nicht mehr genutzte Domains im Gesundheitswesen. Andererseits erlauben die laxen Prüfpflichten vieler Hosting-Anbieter den anonymen Aufbau betrügerischer Seiten ohne nennenswerte Authentifizierung. Das Ergebnis: Apothekenidentitäten werden posthum instrumentalisiert, während Behörden abwinken.
Das strukturelle Problem liegt tiefer. Der Schutz sensibler Berufsgruppen wie Apotheken endet derzeit mit dem physischen Ladenschluss. Doch in der digitalen Realität beginnt dort oft erst die zweite, rechtlich unregulierte Phase. Dass selbst ein offensichtlich betrügerischer Auftritt unter Apothekenlabel keine nennenswerte Ermittlungsaktivität auslöst, offenbart ein gravierendes Missverhältnis zwischen digitalem Risiko und behördlichem Reaktionsvermögen. Das Rückzugsargument, es lägen keine „hinreichenden Ermittlungsansätze“ vor, wirkt im Kontext organisierter Domain-Missbräuche nicht wie eine rechtliche Notwendigkeit, sondern wie ein strukturelles Unvermögen.
Zudem verdeutlicht der Vorgang eine unheilvolle Asymmetrie: Während Gesundheitsdienstleister in Deutschland mit steigenden Datenschutz-, Melde- und Dokumentationspflichten konfrontiert sind, können Dritte mit minimalem Aufwand und maximaler Anonymität täuschend echte Fake-Auftritte unter medizinischen Adressen aufbauen. Die rechtlichen Instrumente – vom Telemediengesetz bis zum Telekommunikationsgesetz – laufen ins Leere, wenn es um die Verhinderung solcher Täuschungsplattformen geht. Dass der Staat in einem klaren Fall wie dem der Bärliner Apotheke von Ermittlungen absieht, stellt eine Kapitulation vor dem digitalen Betrugsgewerbe dar.
Auch die Argumentation der Justiz, wonach eine „retrograde Auflösung der IP-Adresse“ nicht zulässig sei, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorlägen, lässt einen schalen Beigeschmack zurück. In einer Ära, in der selbst Verkehrsdaten im großen Stil zur Aufklärung kleinerer Delikte herangezogen werden, wirkt das Kriterium der Verhältnismäßigkeit hier nicht wie ein Schutzrecht, sondern wie ein Ausweg. Dass Kriminelle mit immer neuen Unternehmensnamen und austauschbaren Adressen operieren, ist bekannt – dass dies nicht als Anlass für strukturierte, generalpräventive Ermittlungsansätze dient, bleibt jedoch ein schweres Versäumnis.
Marietta Dubinski bleibt zurück mit einer Mischung aus Wut und Resignation. Nicht nur, weil ihr Name in betrügerischer Absicht verwendet wurde, sondern weil ein System, das sich digitaler Souveränität rühmt, im entscheidenden Moment abtaucht. Apotheken sind mehr als Verkaufsstellen – sie sind Vertrauensinstitutionen. Ihr digitaler Schutz müsste denselben Stellenwert haben wie ihr analoger. Der Fall Bärliner Apotheke ist kein IT-Fehler, sondern ein Warnsignal.
Hausärzte geraten an ihre Grenzen, Apotheken bleiben außen vor, Patientinnen verlieren das Vertrauen
Warum das Primärarztsystem an realen Kapazitäten scheitert, wie Apotheken dringend nötige Versorgungslücken schließen könnten und weshalb das politische System seine eigenen Versäumnisse verschweigt
Die Idee eines gesteuerten Zugangs zur Gesundheitsversorgung über ein Primärarztsystem klingt auf dem Papier wie die Lösung vieler Probleme: Vermeidung unnötiger Facharztkontakte, mehr Effizienz, weniger Wartezeiten. Was Koalitionsvertrag und Ärztetag euphorisch als Antwort auf die fragmentierte Versorgung ins Zentrum rücken, stößt jedoch in der Realität auf ein strukturelles Vakuum. Denn das System, das steuern soll, ist selbst unterbesetzt, überfordert und perspektivisch nicht erweiterbar. Die Faktenlage ist seit Jahren bekannt: Ein eklatanter Mangel an Hausärztinnen und Hausärzten, eine alternde Bevölkerung mit wachsendem Versorgungsbedarf, schrumpfende ländliche Strukturen und medizinischer Nachwuchs, der sich immer seltener auf das Wagnis Praxisgründung einlässt. In dieser Gemengelage droht das Primärarztmodell zur luftleeren Reformkulisse zu verkommen – solange man zentrale Partner der Gesundheitsversorgung systematisch ausblendet: die Apotheken.
Der Apothekensektor wird in der politischen Debatte zwar häufig als "flächendeckend" und "unverzichtbar" gepriesen, doch bei der konkreten Ausgestaltung neuer Versorgungsmodelle bleibt er außen vor. Dabei könnten Apotheken nicht nur eine Brückenfunktion einnehmen, sondern mit vorhandener Infrastruktur direkt entlastend wirken: Bei Erstkontakt, Medikationsberatung, Impfung, Symptomtriage, Versorgung chronisch Kranker. Die gesetzlich eingeführten pharmazeutischen Dienstleistungen zeigen bereits heute, wie viel Expertise und praktische Versorgungsleistung in den Apotheken steckt. Doch ausgerechnet dort, wo Ressourcen verfügbar sind, wird aus Angst vor Verdrängung und Budgetkonflikten auf Abgrenzung gesetzt. Das ist nicht nur irrational, sondern fahrlässig – insbesondere in einem System, das täglich Tausende Patientinnen und Patienten durch strukturelle Defizite in Warteschleifen drängt.
Ein Beispiel für die Not ist der Terminvergabeprozess: Dass Facharzttermine zum Prüfstein des Systems geworden sind, liegt nicht nur an der Nachfrage, sondern an der fehlenden Steuerung. Die zentrale Nummer 116 117 und ihre digitale Plattform sollen nun helfen, den Zugang besser zu organisieren – doch selbst hier wird nicht bedacht, dass viele Anfragen längst im Umfeld der Apotheken landen. Es ist bezeichnend, dass in Niedersachsen ausgerechnet die DocMorris-Tochter Teleclinic als KV-Partner eingebunden wird – eine Absage an lokales Versorgungsdenken und ein Vertrauensbruch gegenüber der Vor-Ort-Infrastruktur.
Hinzu kommt: Der Primärarztraum steht in einem dramatischen demografischen Zwiespalt. Während die Babyboomer-Generation in den Ruhestand tritt, fehlen gleichzeitig überall junge Ärztinnen und Ärzte – besonders im hausärztlichen Bereich. Prognosen sprechen von 11.000 unbesetzten Hausarztstellen bis 2035. Politische Strategien wie Entbudgetierung oder Nachwuchsförderung greifen zu kurz, weil sie entweder zu spät kommen oder nicht attraktiv genug sind, um strukturelle Leerstellen zu füllen. Das gilt auch für Apotheken: Auch hier geht die demografische Schere auf, auch hier bröckelt die betriebliche Grundlage – doch anstelle koordinierter Integration erfolgt politische Ausgrenzung.
Dass Apotheken nicht in die Primärversorgung eingebettet sind, ist dabei nicht nur eine verpasste Chance, sondern ein Ausdruck veralteter Versorgungslogik. Die klassische Hierarchie Arzt–Patient wird der Realität nicht mehr gerecht: Patientinnen suchen niedrigschwellige Zugänge, kurze Wege, konkrete Hilfe. Apotheken erfüllen genau diese Bedürfnisse – ohne Wartezimmer, ohne Terminvergabe, mit hoher fachlicher Kompetenz. Sie könnten Hausarztpraxen von Bagatellfällen entlasten, Symptomcluster einordnen, erste Maßnahmen einleiten oder an geeignete Stellen weiterleiten. Auch in der Versorgung chronisch Kranker oder beim Medikationsmanagement sind sie bereits eingebunden – aber ohne systematische Anbindung.
Der nächste logische Schritt wäre ein abgestimmtes, interprofessionelles Modell: Primärversorgung nicht als Arztexklusivdomäne, sondern als kooperatives Netzwerk mit Hausärztinnen, Pflege, Telemedizin, digitalen Plattformen – und Apotheken. Stattdessen erleben wir ein System, das sich überfordert zeigt, aber Kooperationen blockiert. Was auf dem Ärztetag diskutiert wird, blendet jene Versorgungsakteure aus, die außerhalb ärztlicher Logik arbeiten – obwohl sie genau dort wirken, wo Versorgung heute stattfindet: vor Ort, direkt, erfahrungsnah.
Der Weg zu einem funktionierenden Primärarztsystem führt nicht über Wunschdenken oder Stellenausschreibungen allein. Er führt über eine strategische Neudefinition von Gesundheitsversorgung als Gemeinschaftsaufgabe – mit multiprofessionellen Teams, geteilter Verantwortung und integrativer Infrastruktur. Apotheken könnten dabei ein zentrales Bindeglied sein. Doch solange politische Entscheidungsträger lieber Systemideale skizzieren, statt reale Ressourcen zu nutzen, bleibt das Primärarztsystem eine Idee ohne Trägerrakete – und das Gesundheitssystem verliert weiter an Substanz.
AfP kassiert Geld, entzieht Zulassung, verweigert Klarheit
Wie die Agentur für Präqualifizierung mit fragwürdigen Methoden Apotheker unter Druck setzt, Kündigungen ignoriert und mit AGB-Änderungen Kasse macht
as passiert, wenn eine privatwirtschaftlich organisierte Kontrollinstanz über den beruflichen Zugang von Heilberuflern entscheidet, dabei aber selbst keiner wirksamen Kontrolle unterliegt? Im Fall der Agentur für Präqualifizierung (AfP) bedeutet das für eine sächsische Apothekerin den faktischen Verlust ihrer Zulassung zur Abgabe von Hilfsmitteln – trotz formell gültiger Präqualifizierung, ohne nachvollziehbare Begründung, begleitet von Mahnungen, Forderungen und einer Kommunikation, die mehr Fragen aufwirft als sie beantwortet. Die AfP spricht von einem verpassten Audit, von automatisch greifenden Vertragsverlängerungen und von angeblich zugestellten E-Mails. Die Apothekerin dagegen sagt: „Ich habe nie eine Aufforderung zum Zwischenaudit erhalten. Es wurde nichts angekündigt, nichts gefordert – und dann kam plötzlich eine Rechnung.“
Der Fall steht exemplarisch für eine wachsende systemische Schieflage: Auf der einen Seite Apotheken, die ihre Versorgungssicherheit über Präqualifizierungsstellen absichern müssen – auf der anderen Seite privatwirtschaftliche Dienstleister, die sich auf vertragliche Schlupflöcher und die formale Auslegung selbstgesetzter AGB berufen, um Gebühren, Vertragsbindungen und Audits durchzusetzen. Für die betroffene Apothekerin ging der Streit mit der AfP vor wenigen Monaten los – mit einer E-Mail, in der ihr mitgeteilt wurde, sie sei nicht mehr präqualifiziert, weil ein erforderliches Zwischenaudit nicht stattgefunden habe. Kurz darauf folgten Rechnungen. Dann Mahnungen. Dann ein Inkassodruck, begleitet von der Aussage, dass eine Kündigung ohnehin zu spät und formal unwirksam sei.
Doch die Inhaberin hatte bereits Monate vorher schriftlich gekündigt – per Einschreiben. Und die ursprüngliche Vereinbarung mit der AfP war an eine bestimmte Vertragsdauer gekoppelt, die laut ihrer Aufzeichnungen ausgelaufen war. Nun beruft sich die AfP auf neue AGB. Diese seien, so heißt es, rechtzeitig verschickt worden – per E-Mail. Die Apothekerin jedoch bestreitet den Erhalt. Sie habe nie in einen neuen Vertrag eingewilligt. Für sie ist klar: Die AfP setze auf Intransparenz und Automatismen, die sich kaum noch überprüfen ließen. Ein Zwischenaudit sei ihr weder telefonisch noch schriftlich angekündigt worden, die angeblich relevanten Mails nicht auffindbar, die Hotline kaum erreichbar. „Ich hatte keine Chance, mich zu äußern oder zu reagieren“, sagt sie. Und: „Das fühlt sich an wie Abzocke unter dem Deckmantel der Präqualifizierung.“
In der Tiefe offenbart der Fall ein strukturelles Machtungleichgewicht: Präqualifizierungsstellen wie die AfP agieren im Auftrag der Krankenkassen, sind aber selbst wirtschaftlich orientierte Akteure – ohne verpflichtende externe Aufsicht, ohne Ombudsstelle, ohne transparente Beschwerdemechanismen. Während Apotheken den Anforderungen gerecht werden müssen, um Hilfsmittel weiter abgeben zu dürfen, entscheidet die AfP allein über die Gültigkeit ihrer Zulassung. Diese Monopolstellung schafft Abhängigkeiten – und in Fällen wie diesem ein gefährliches Vakuum aus Rechtsunsicherheit und faktischer Wehrlosigkeit.
Die Apothekerin ist nicht die Einzige, die mit der AfP ähnliche Erfahrungen gemacht hat. In Foren und Fachgruppen mehren sich Stimmen von Kolleginnen und Kollegen, die über intransparente Fristsetzungen, überhöhte Rechnungen und nicht nachvollziehbare Vertragsverlängerungen berichten. Manche sprechen von Erpressung, andere von Systemfehlern. Allen gemeinsam ist das Gefühl, als kleine Betriebsinhaber einem anonymen Machtapparat gegenüberzustehen, dem sie rechtlich kaum etwas entgegensetzen können. Die Wege zum Rechtsbeistand sind teuer, die Erfolgsaussichten ungewiss – zumal sich die AfP auf verschickte Mails, aktualisierte AGB und angeblich versäumte Mitwirkungspflichten beruft, die sich nur schwer widerlegen lassen.
Rechtlich stellt sich die Frage, ob ein automatisiertes Zulassungsende und Vertragsfortführung über vermeintlich einseitig versendete E-Mails überhaupt Bestand haben kann. Juristen sehen das kritisch: Wer keine dokumentierte Zustimmung zu neuen Vertragsbedingungen geben konnte, darf in der Regel auch nicht rückwirkend an diese gebunden werden – zumal, wenn der Vertragspartner auf mehreren Kanälen kündigte. Auch die Position der Krankenkassen gerät dabei in den Fokus: Wer sich auf ein Präqualifizierungssystem stützt, dessen Funktionsweise derart intransparente Auslegungen ermöglicht, trägt Mitverantwortung für die entstandenen Schieflagen.
In der Praxis entstehen dadurch nicht nur wirtschaftliche Schäden. Eine Apotheke, der die Hilfsmittelzulassung entzogen wird, verliert einen Teil ihres Versorgungsauftrags – teils dauerhaft. Patientinnen und Patienten müssen sich neu orientieren, Mitarbeitende geraten unter Druck, das Vertrauensverhältnis zur Krankenkasse wird belastet. Und währenddessen mahnt ein privatwirtschaftlicher Dienstleister weiter zur Zahlung – unabhängig davon, ob überhaupt eine Leistung erbracht oder ein Audit real geplant war.
Führungskräfte in Apotheken stehen damit vor einem Dilemma: Sie müssen gesetzliche Vorgaben einhalten, Krankenkassen bedienen, Patienten versorgen und gleichzeitig Verträge mit externen Stellen abschließen, deren Regeln sie nicht beeinflussen können. Die Präqualifizierung wird damit zur bürokratischen Zwangsmaßnahme mit Kostenrisiko – anstatt zu einem sachlichen, prüfbaren Qualifikationsnachweis.
Was dieser Fall offenbart, ist nicht nur ein möglicher Einzelfehler der AfP – es ist ein Strukturversagen. Solange es keine kontrollierbare Instanz gibt, die die Macht dieser Agenturen begrenzt, solange Kündigungen ignoriert und AGB nach Belieben angepasst werden können, solange Apotheken keine rechtssichere Handhabe haben, wird der Präqualifizierungsprozess zum Einfallstor für willkürliche Finanzforderungen – und damit zum Risiko für die Versorgung selbst.
Mietverträge zerstören Existenzen, Umbau erzwingt Rückzug, Führung steht unter Druck
Warum der Fall Center-Apotheke Standortrisiken offenlegt und Führung neu gedacht werden muss
Es ist eine Entscheidung, die nicht aus betrieblicher Schwäche, sondern aus immobilienpolitischer Abhängigkeit hervorgeht: Dr. Hans-Joachim Hofmann, erfahrener Apothekenleiter aus Baden-Württemberg, muss seine Center-Apotheke im Kaufland schließen – nicht wegen schlechter Zahlen, sondern weil der neue Vermieter einen kompletten Umbau des Einkaufszentrums plant. Für Hofmann, der neben der Center-Apotheke auch die florierende Herz-Apotheke führt, ist die Zwangspause von voraussichtlich zwölf Monaten wirtschaftlich nicht zu überbrücken. Die Schließung ist somit kein Ausdruck unternehmerischen Scheiterns, sondern das Resultat einer stummen Machtverschiebung, bei der Verträge nicht Schutz-, sondern Unsicherheitsinstrumente geworden sind.
Hofmanns Fall steht exemplarisch für ein Problem, das bislang wenig Aufmerksamkeit in der Debatte um Apothekenschließungen erfährt: die strukturelle Ohnmacht gegenüber Standortverträgen. Die Center-Apotheke war über Jahre hinweg wirtschaftlich solide, eingebettet in die Laufkundschaft eines frequenzstarken Marktzentrums. Doch mit dem Eigentümerwechsel kippt die Statik. Die künftige Nutzung der Immobilie, die Dauer und Finanzierung des Umbaus sowie die Wiederansiedlung der Apotheke nach Abschluss der Bauphase – all das liegt außerhalb seines Einflussbereichs. Zwischen Eigentumsrecht, Modernisierungsanspruch und Kündigungsschutz bleibt dem Betreiber nur die Wahl zwischen ruinöser Überbrückung oder strategischem Rückzug.
Dass Hofmann diese Entscheidung offen kommuniziert, ist bemerkenswert. Denn noch immer hält sich der Mythos, Apothekenschließungen seien primär Ausdruck wirtschaftlicher Schwäche, schlechter Führung oder sinkender Nachfrage. Dabei verkennt man, dass äußere Einflüsse wie Mietrecht, Umbauvorgaben oder Eigentümerentscheidungen längst zu zentralen Risikofaktoren geworden sind. Besonders in frequenzabhängigen Standorten wie Einkaufszentren, Bahnhöfen oder Fachmarktarealen sind Apotheken von langfristiger Infrastrukturstabilität abhängig – und damit zunehmend erpressbar.
Der konkrete Fall offenbart darüber hinaus ein Dilemma in der betriebswirtschaftlichen Führung: Selbst wenn ein zweiter Standort, wie in Hofmanns Fall die Herz-Apotheke, stabile Umsätze erwirtschaftet, ist die Deckung eines vollständigen Ausfalls durch Cross-Finanzierung oft nicht möglich – schon gar nicht über ein ganzes Jahr. Fixkosten, Personallasten und die Ungewissheit der Rückkehr belasten die Kalkulation. Denn die Apotheke ist nicht nur Laden, sondern Arzneimittellogistik, Rezeptabwicklung und Gesundheitsberatung zugleich – eine Infrastruktur, die sich nicht temporär aussetzen lässt, ohne Reputation, Kundenbindung und Personalstruktur dauerhaft zu gefährden.
Hinzu kommt: Eine temporäre Schließung mit späterer Wiedereröffnung ist rechtlich und operativ kaum planbar. Genehmigungen, Re-Zulassungen, Personalrückgewinnung und Kundenrückkehr – all das ist mit so vielen Variablen verknüpft, dass ein Restart oft riskanter ist als eine Neugründung an anderem Ort. Hofmann entscheidet sich daher für Klarheit: Schließung jetzt, statt monatelanger Hängepartie.
Dieser Fall wirft auch ein Schlaglicht auf die unzureichende Risikovorsorge durch Versicherungen. Zwar sind Betriebsunterbrechungen prinzipiell versicherbar, doch bei freiwilliger Schließung durch wirtschaftliche Abwägung – auch wenn sie durch äußere Einflüsse provoziert ist – greift in der Regel keine Police. Die Lücke zwischen dem rechtlich abgesicherten Katastrophenfall und der betriebswirtschaftlich sinnvollen Aufgabe eines Standorts ist groß. Hier liegt ein struktureller Reformbedarf, sowohl in der Versicherungslogik als auch in der vertraglichen Absicherung von Mietverhältnissen im Gesundheitssektor.
Hofmanns Rückzug ist damit auch ein Plädoyer für ein neues Führungsverständnis in inhabergeführten Apotheken. Es reicht nicht mehr, betriebswirtschaftlich solide zu agieren – notwendig ist ein strategischer Blick auf Standortbindung, juristische Absicherung und Exit-Optionen. Apothekenleitung bedeutet heute, auch gegen äußere Instabilität gewappnet zu sein. Dass Hofmann seine Center-Apotheke verliert, ist nicht sein persönliches Versagen – es ist Ausdruck eines Systems, das unternehmerische Planungssicherheit systematisch untergräbt.
Letzte Hoffnung stockt, Gericht lässt warten, Vertrauen bleibt beschädigt
Warum die finale AvP-Auszahlung erneut verschoben wird, welche Verantwortung das Gericht trägt und was der Stillstand über Systemversagen offenbart
Es war die wohl tiefste Erschütterung des Apothekenmarkts seit Jahrzehnten: die Insolvenz des Rechenzentrums AvP im Jahr 2020. Mehr als tausend Apotheken verloren binnen Stunden ihre finanzielle Grundlage, als die Konten gesperrt, Rückflüsse gestoppt und Zahlungen eingefroren wurden. Für viele bedeutete das: wirtschaftlicher Schock, Existenzangst, Restrukturierung. Seitdem leben die betroffenen Inhaberinnen und Inhaber mit einem Versprechen: Schritt für Schritt solle das verloren geglaubte Geld über Abschlagszahlungen zurückfließen. Nach mehreren Tranchen fehlt nun nur noch eine letzte Auszahlung – ein Viertel der ursprünglichen Forderung steht aus. Doch erneut scheint Bewegung in diesem Verfahren zäher als erwartet.
In einem Schreiben an die Gläubiger, das zuletzt von mehreren Kanzleien veröffentlicht wurde, erklärt Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos, dass er alle relevanten Unterlagen an das zuständige Insolvenzgericht weitergeleitet habe. Dort, so der Tenor, liege der Ball nun bei der Justiz. Diese müsse die eingereichten Daten sichten, validieren und die Auszahlung genehmigen. Doch statt konkreter Termine oder Prognosen herrscht erneut Schwebezustand. „Die Prüfung läuft“, heißt es lediglich. Ein Zustand, der bei den Gläubigern alte Traumata weckt: den Kontrollverlust über ihre eigene Liquidität, das zermürbende Abwarten, das Gefühl permanenter Abhängigkeit von exogenen Verfahren.
Für viele Apotheken bedeutete der AvP-Kollaps nicht nur einen einmaligen Einbruch, sondern eine irreversible Schwächung ihrer wirtschaftlichen Widerstandskraft. Einige mussten Kredite aufnehmen, andere ihr Geschäftsmodell umbauen oder Angestellte entlassen. Zwar gelang es dem Insolvenzverwalter, nach zähen juristischen Auseinandersetzungen und der Verwertung von Vermögenswerten bereits mehrere Abschläge auszuschütten – doch der Restbetrag ist symbolisch aufgeladen. Denn es ist nicht nur Geld, das fehlt. Es ist der Beweis dafür, ob das System der Insolvenzabwicklung tatsächlich Gerechtigkeit schaffen kann.
Die geplanten 25 Prozent bilden dabei keine endgültige Quote. Noch immer sind einzelne Prozesse anhängig, die Nachmeldungen umfassen, Anfechtungen bearbeiten oder strittige Vertragskonstellationen klären. Der Verwalter betont, dass weitere Verteilungen abhängig vom Verlauf dieser Verfahren möglich seien – eine finale Quote ist damit nicht fixiert. Auch das nährt bei manchen die Sorge, dass aus dem „letzten Schritt“ eine weitere Etappe mit unbestimmter Dauer werden könnte.
Der Blick in die Historie verdeutlicht, warum die Situation so festgefahren erscheint. Die Insolvenzmasse von AvP ist komplex: Ein Geflecht aus Abrechnungsverträgen, treuhänderisch verwalteten Kundengeldern, Insolvenzforderungen Dritter und regulatorischen Unsicherheiten erschwert jede transparente Bewertung. Bereits die Zuordnung von Geldern zu Apothekenkonten war in der Anfangsphase mit enormem technischem Aufwand verbunden – ganz zu schweigen von der juristischen Frage, ob diese Gelder als Sondervermögen oder Teil der Insolvenzmasse zu behandeln seien.
Besonders schmerzhaft ist für viele Inhaber, dass der bürokratische Apparat in dieser späten Phase der Abwicklung keine operative Effizienz mehr erkennen lässt. Die Daten liegen laut Verwalter beim Gericht – doch warum die Prüfung mehrere Monate dauert, bleibt intransparent. Es geht um Excel-Tabellen, Summenlisten, Kontoauszüge – keine milliardenschweren Verflechtungen mit internationalen Gläubigern. Die Justiz jedoch verweist auf begrenzte personelle Ressourcen und die Notwendigkeit der Sorgfalt.
Zugleich tritt das eigentliche Versäumnis an die Oberfläche: ein System, das existenzielle Geschäftsprozesse wie Rezeptabrechnung in private Hände legt, ohne eine staatliche Absicherung für den Fall des Scheiterns zu garantieren. Apotheken waren in der Vergangenheit rechtlich gezwungen, mit Abrechnungszentren wie AvP zusammenzuarbeiten – eine Wahlfreiheit bestand faktisch nicht. Doch mit der Insolvenz endete auch die staatliche Schutzverantwortung: Der Schaden blieb bei den Betroffenen, nicht beim System.
Was lässt sich daraus für die Zukunft lernen? Apotheken und ihre Verbände haben in den letzten Jahren wiederholt gefordert, dass Rezeptabrechnung neu reguliert, staatlich überwacht oder zumindest abgesichert werden muss. Auch das Instrument der Treuhandverwaltung wird infrage gestellt – denn obwohl die AvP-Konten formal als Treuhandkonten geführt wurden, reichte dies im Insolvenzfall nicht zum vollständigen Schutz der Kundengelder aus.
Parallel zur juristischen Abwicklung regt sich auch rechtspolitischer Druck. Einzelne Bundestagsabgeordnete, die mit betroffenen Apotheken im Wahlkreis in Kontakt stehen, fordern eine Aufarbeitung der Vorgänge. Allerdings bleibt die Bundesregierung bislang zurückhaltend. In Antworten auf Kleine Anfragen verweist das Bundesgesundheitsministerium auf die Zuständigkeit der Justiz und betont die Eigenverantwortung der Apotheken bei der Wahl ihrer Dienstleister.
Und so dreht sich der Kreislauf der Verantwortungsverschiebung weiter. Die Apotheken warten auf die Auszahlung. Der Insolvenzverwalter wartet auf das Gericht. Das Gericht wartet auf Kapazitäten. Die Politik wartet auf klare Zuständigkeiten. Und am Ende stehen Unternehmerinnen und Unternehmer, die trotz aller Krisen weiterarbeiten, investieren, ausbilden – mit dem letzten Hoffnungsschimmer, dass wenigstens die angekündigten 25 Prozent bald auf dem Konto eintreffen.
Es ist das Paradoxon einer verlässlichen Berufsgruppe, die sich selbst nicht mehr auf Verlässlichkeit verlassen kann. Und ein Mahnmal dafür, wie sehr wirtschaftliche Sicherheit im Gesundheitswesen auch juristische Klarheit braucht – nicht nur bei der Vergütung, sondern im Haftungsfall, im Krisenmoment, im Wiederaufbau.
Rabattrecht erzwingt Vorrang, Wirkstärkenwechsel schafft neue Rezeptlage, Apothekenhaftung steigt
Warum das ALBVVG beim Stückeln klare Grenzen zieht, wie der Rahmenvertrag steuernd eingreift und welche juristische Fallhöhe beim Zuzahlungsbetrag entsteht
Die Apothekenpraxis im Umgang mit Lieferengpässen ist längst zu einem Hochseilakt geworden: Während die Versorgung der Patientinnen und Patienten nur durch kreative Anpassungen gesichert werden kann, steigt gleichzeitig das haftungsrechtliche Risiko für Apothekenteams, wenn die gesetzlich vorgegebene Abgaberangfolge nicht exakt beachtet wird. Ein besonders neuralgischer Punkt: das sogenannte Stückeln mit abweichender Wirkstärke. Denn auch wenn Apotheken hier nach § 129 SGB V formal handlungsfähig sind, beginnt mit dem Wechsel der Wirkstärke juristisch eine neue Rezeptlage – und mit ihr eine neue Pflicht zur Rabattvertragsprüfung.
Wer ein verordnetes Arzneimittel nicht beschaffen kann und auf eine wirkstoffgleiche, aber in anderer Stärke vorliegende Variante ausweicht, stützt sich in der Regel auf die im Lieferengpassgesetz (ALBVVG) ausdrücklich erlaubten Abweichungen. Dazu zählen – neben der Packungsgröße, -anzahl und Teilmengenabgabe – auch die Wirkstärke, sofern keine pharmazeutischen Bedenken bestehen. Die Bedingung: Die Nichtverfügbarkeit muss dokumentiert sein, die Wirkstoff-Gesamtmenge darf nicht überschritten werden. Doch während sich das ALBVVG damit vordergründig apothekenfreundlich zeigt, greift im Hintergrund der Rahmenvertrag nach § 14 Absatz 5 mit voller Regulierungsschärfe: Weicht die Apotheke bei Lieferengpässen auf eine andere Wirkstärke aus, entsteht eine neue Kombination aus Verordnung und Abgabe – für die zwingend erneut geprüft werden muss, ob ein Rabattvertrag besteht.
Diese neue Konstellation verpflichtet zur Einhaltung der bekannten Abgaberangfolge: Vorrang hat das rabattbegünstigte Arzneimittel, sofern eines vorhanden ist – und zwar bezogen auf die konkret abgegebene Wirkstärke. Ist kein Rabattarzneimittel verfügbar, dürfen nur eines der vier preisgünstigsten Präparate abgegeben werden. Und selbst wenn diese nicht verfügbar sind, bleibt der sogenannte „Preisanker“ bindend: Das abgegebene Arzneimittel darf nicht teurer sein als das ursprünglich verordnete – es sei denn, auch dieses ist objektiv nicht erhältlich. Diese strenge Logik dient der Wirtschaftlichkeit, erhöht aber die Komplexität für Apotheken – insbesondere dann, wenn mehrere Packungen unterschiedlicher Wirkstärken kombiniert werden müssen.
Entsprechend hoch ist die Fehlergefahr, denn Abweichungen von der verordneten Stärke in Kombination mit Nichtbeachtung der Rabattverträge gelten im Prüfregime der Krankenkassen regelmäßig als „nicht richtlinienkonform“. Die Folge: Retaxationen. Zwar lassen sich pharmazeutische Bedenken dokumentieren – etwa wenn die Therapie durch einen anderen Hersteller gefährdet würde –, doch diese Option erfordert eine sorgfältige schriftliche Abwägung und kann nicht als Allzweckwaffe gegen wirtschaftliche Zumutungen eingesetzt werden.
Ein weiterer juristisch heikler Punkt ist die Berechnung der Zuzahlung beim Stückeln. Denn durch die Änderung von § 61 SGB V im Rahmen des ALBVVG wurde festgelegt, dass die gesetzliche Zuzahlung bei Abgabe mehrerer kleinerer Packungen oder von Teilmengen nur einmalig zu erheben ist – orientiert an der ursprünglich verordneten Menge. Entscheidend ist: Diese Einmal-Zuzahlungsregel gilt laut Auffassung von DAV und GKV-Spitzenverband ausdrücklich auch beim Abweichen von der Wirkstärke. Mehr noch: Die für den Versicherten günstigste Variante ist anzusetzen – auch wenn dies bedeutet, dass bei Kombination günstiger Präparate im Ergebnis keine Zuzahlung zu leisten ist.
Diese Auslegung ist praxisfreundlich, birgt aber Missverständnispotenzial. Denn wer fälschlich mehrfache Zuzahlungen erhebt, riskiert nicht nur Erstattungsforderungen durch Versicherte, sondern steht auch unter Beobachtung der Krankenkassen. Umgekehrt kann eine fehlerhafte Nicht-Erhebung der Zuzahlung durch die Prüfinstanzen als Verstoß gegen die wirtschaftliche Abgabe gewertet werden.
Die Kernbotschaft aus rechtlicher Sicht ist eindeutig: Stückelungen sind erlaubt, aber rechtlich hochreguliert. Sie eröffnen Handlungsspielräume für die Versorgung, zugleich verschieben sie die Verantwortung für die korrekte Umsetzung vollständig auf die Apotheke. Der rechtliche Rahmen aus ALBVVG, SGB V und Rahmenvertrag ist kein Notfallkoffer zur freien Interpretation, sondern ein komplexes Netz von Bedingungen, das bei jeder einzelnen Abweichung erneut durchlaufen werden muss. Wo Flexibilität gewährt wird, wächst die Prüfpflicht – und wo Rabattverträge gelten, bleibt die Verpflichtung zur vorrangigen Abgabe bestehen, selbst wenn gestückelt wird. Apotheken sind damit nicht nur Logistiker, sondern regelgebundene Erfüllungsgehilfen im Dienst der Sozialgesetzgebung. Und wer die Rabatttreppe nicht korrekt hinabsteigt, landet schneller vor der Retaxstelle als vor dem Patienten.
Förderung greift punktuell, Ärztemangel verschärft sich, Versorgung bleibt auf Kante
Wie Sachsen-Anhalt um junge Mediziner ringt, warum der Praxisnachwuchs ausbleibt und was die Zahlen über das Versorgungsdilemma hinaus zeigen
Sachsen-Anhalt steht exemplarisch für die strukturellen Verwerfungen in der medizinischen Grundversorgung ländlicher Regionen. Das Land hat vor einem Jahr eine gezielte Ansiedlungsförderung für Mediziner gestartet – mit dem Ziel, unterversorgte Räume zu stabilisieren. Tatsächlich zeigt das Programm erste Wirkungen: Einige Hausärzte, Augenärzte, Kinderärzte und Fachpsychiater haben sich neu niedergelassen oder bestehende Praxen übernommen. Doch die Statistik lässt wenig Illusion zu. Von 45 Anträgen wurden bislang nur 29 bewilligt, rund ein Drittel der Fördermittel ist ausgezahlt, ein weiteres Sechstel gebunden. Die sichtbare Entlastung etwa in der Altmark oder der Börde bleibt lokal begrenzt – und wirkt kaum dem entgegen, was sich in den nächsten Jahren zuspitzen wird: ein massiver, generationell bedingter Ärzteschwund, der durch veränderte Berufsmotive nicht ansatzweise kompensiert wird.
Denn die Ausgangslage ist bekannt, aber alarmierend wie nie: Mehr als 1.180 der heute tätigen Vertragsärztinnen und -ärzte in Sachsen-Anhalt werden bis 2030 altersbedingt ausscheiden, prognostiziert die Kassenärztliche Vereinigung. Dem gegenüber steht eine erwartete Neuzugangsquote von gerade einmal 870 Personen – mit deutlich veränderten Präferenzen: Teilzeitarbeit, Anstellung statt Selbstständigkeit, keine Übernahme klassischer Einzelpraxen. Besonders dramatisch trifft es das Hausarztwesen: Über 300 der künftigen Versorgungslücken betreffen diese Säule der Primärversorgung, deren Bedeutung gerade in strukturschwachen Regionen nicht zu ersetzen ist. Die Zahl der Förderanträge, so korrekt sie verwaltet und bewilligt werden, gerät dabei zum Tropfen auf dem heißen Stein.
Die politische und berufsständische Reaktion wirkt – im Vergleich zur Tiefe des Problems – zurückhaltend. Zwar wurde ein Gesamtvolumen von 2,52 Millionen Euro bereitgestellt, getragen je zur Hälfte von der KV Sachsen-Anhalt und den Krankenkassen, doch die Maßnahme wirkt wie ein einzelner Anker im Sturm. Augenärzte in Stendal, Kinderärzte in der Börde, Hausärzte in Bernburg, Salzwedel und Zerbst: Es sind willkommene Lichtpunkte – doch das Versorgungsniveau droht dennoch abzusinken. Der Blick auf die Karte verrät: Ganze Regionen stehen noch immer ohne ausreichende Facharztdichte da, insbesondere bei Kinder- und Jugendpsychiatern und in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde.
Noch gravierender ist jedoch die mentale Lücke zwischen Versorgungspolitik und Berufswirklichkeit. Junge Medizinerinnen und Mediziner wägen längst nicht mehr nur zwischen Stadt und Land, sondern zwischen Festanstellung, Kliniklaufbahn, Forschungsoptionen und Work-Life-Balance. Der Klassiker der „eigenen Landarztpraxis“ ist für viele kein Zielbild mehr – sondern ein Belastungsmodell mit organisatorischem Risiko. Auch wirtschaftliche Unsicherheiten, hohe Anfangsinvestitionen und der Fachkräftemangel im Team (MFA, Praxismanager, Laborpersonal) verschärfen die Attraktivitätslücke.
Der Versuch, mit Fördergeld gegenzusteuern, ist richtig – aber systemisch zu kurz gedacht. Es fehlt eine integrative Strategie, die Ausbildung, Berufsbild, Lebensrealität und regionale Bedarfsplanung verzahnt. Notwendig wäre ein Fördermodell mit weitreichenderem Spektrum: Startkapital plus strukturelle Begleitung, von digitaler Infrastruktur bis zur familienfreundlichen Standortentwicklung. Hinzu kommt der Bedarf an interprofessionellen Modellen: Gemeinschaftspraxen, Primärversorgungszentren, sektorenübergreifende Versorgungsnetzwerke. In Regionen mit drohender medizinischer Verwaisung braucht es mehr als einen Zuschuss. Es braucht Strukturvertrauen.
Dabei bleibt die Herausforderung auch kommunikativ: Der Ärztemangel ist längst kein „Landarztproblem“ mehr – sondern ein Symptom systemischer Engführung. Ohne Kurswechsel in der Versorgungssteuerung, ohne dialogfähige Schnittstellen zwischen Praxis, Politik und Patient wird die ambulante Versorgung nicht nur ungleich verteilt, sondern langfristig gefährdet. Die Ansiedlungsförderung ist ein Schritt – aber kein Konzept.
Werbung zielt auf Reichweite, Strategien folgen dem Geld, Apotheken sehen sich ausmanövriert
Wie DocMorris bei Bild.de erneut massiv wirbt, warum Marketingetats wieder fließen und welche Konsequenzen das für Vor-Ort-Apotheken haben kann
Es ist ein vertrautes Bild und doch ein neues Kapitel im alten Spiel um Sichtbarkeit, Marktanteile und strategische Deutungshoheit im Arzneimittelmarkt: DocMorris wirbt wieder bei Bild.de – prominent, kalkuliert, aufmerksamkeitsstark. Was nüchtern klingt, ist in Wahrheit ein komplexes Signal: Der niederländische Arzneimittelversender greift wieder zur vollen Marktwucht, kaum dass das Kapital durch die jüngste Großemission zurück ins Haus geflossen ist. Nach Monaten relativer Werbeabstinenz, in denen Imagepflege durch politische Botschaften und selektive PR dominierte, wird nun offenbar wieder das Primärziel verfolgt – Umsatzgenerierung über maximale Reichweite. Der Partner? Kein Zufall. Bild.de – Deutschlands reichweitenstärkstes Boulevardportal – ist nicht nur medienstrategisch ein Hebel erster Ordnung, sondern auch inhaltlich ein Vermittler zwischen Konsum, Emotion und Gesundheitsrealität. Damit zeigt sich nicht nur eine Rückkehr zur klassischen B2C-Kommunikation, sondern auch ein Paradigmenwechsel in der Prioritätensetzung: Der Weg zur Kundschaft führt nicht mehr über politischen Dialog oder Branchenpartnerschaften, sondern wieder frontal durch die Medienwand.
Der Vergleich zur Shop Apotheke liegt nahe – auch sie hatte bereits in großem Stil über Bild.de geworben. Und wie schon bei deren Auftritt, stellt sich nun die Frage nach der strategischen Tiefenschärfe dieser Kampagnen. Denn hinter der plakativen Werbefront steckt ein System: In dem Moment, in dem der öffentliche Gesundheitsdiskurs zunehmend von Digitalisierungsdefiziten, Apothekensterben und E-Rezept-Chaos dominiert wird, platzieren sich die Versender als reibungslose, verlässliche Alternative. DocMorris nutzt den medialen Kontrast – nicht als Angriff, sondern als Leerstelle, die man nur noch füllen muss. Insofern ist die Bild.de-Kampagne mehr als nur eine Werbeaktion. Sie ist eine performative Handlung: Sie demonstriert Handlungsfähigkeit, Marktresilienz und emotionale Kundennähe in einem Gesundheitsumfeld, das durch politische Rhetorik, technische Pannen und institutionelles Zögern charakterisiert ist.
Gleichzeitig zeigt sich, dass diese neue Runde der Sichtbarkeit nicht losgelöst vom wirtschaftlichen Gesamtkontext zu verstehen ist. Nach der 150 Millionen Euro starken Kapitalmaßnahme und dem damit verbundenen Einstieg des Finanzinvestors Pelion, ist klar: Es geht um Expansion, Skalierung, Durchdringung. Und Werbung ist dabei nicht Beiwerk, sondern taktischer Kern. Dass nun ausgerechnet wieder Bild.de gewählt wird, ist nicht nur ein Indiz für das Vertrauen in schnelle Reichweitenmaximierung, sondern auch Ausdruck einer gewissen strategischen Enttabuisierung: Wer auf Publikumsmärkte zielt, darf sich keinen elitären Medienfilter leisten. Apothekenthemen müssen als Konsumthemen inszeniert werden, nicht als Versorgungsdiskurse – so die implizite Botschaft. Diese Umdeutung trifft auf eine Branche, deren mediale Anschlussfähigkeit ohnehin unter Druck steht. Während Vor-Ort-Apotheken mühsam um lokale Sichtbarkeit ringen und zwischen Nachwuchssorgen, Öffnungszeiten und Retaxationsrisiken lavieren, gelingt es DocMorris, das Thema Arzneimittelversorgung in ein narratives Versprechen zu überführen: unkompliziert, schnell, sicher – delivered.
Das Brisante: Diese Bild.de-Offensive trifft auf ein politisch offenes Feld. Die Diskussion um Gleichbehandlung, Werbeeinschränkungen und Marktordnung ist derzeit ausgehöhlt – nicht nur durch das abflauende Tempo der Apothekenreform, sondern auch durch den faktischen Stillstand beim Thema Werberegulierung. Während stationäre Apotheken faktisch auf plakative Eigenwerbung verzichten müssen und in einem engen Rahmen aus Berufsordnung, Wettbewerbsrecht und Marktneutralitätsforderungen agieren, ist für Versender wie DocMorris die Bühne frei. Die digitale Ausspielung über bild.de ist dabei nur die Spitze eines Systems: Retargeting, Newsletter-Logiken, Influencer-Verknüpfung – die Marketingmaschine funktioniert nach E-Commerce-Mustern, während der stationäre Handel an analoger Realität festhält.
Was bleibt, ist ein Wettbewerbsvorteil durch Sichtbarkeit, der weit über einzelne Kampagnen hinausreicht. Sichtbarkeit bedeutet Kundenzugang. Kundenzugang bedeutet Umsatz. Umsatz bedeutet Rückversicherung bei Investoren. Und Rückversicherung bedeutet strategische Stabilität. In dieser Gleichung sind Apotheken nicht mehr bloß Mitbewerber – sie sind systemisch benachteiligt. Der Markteintritt von Werbung auf Plattformen wie Bild.de ist deshalb auch ein Alarmzeichen: nicht weil Werbung an sich problematisch wäre, sondern weil sie zum Indikator eines systemischen Ungleichgewichts geworden ist.
Pioniergeist in Bronze, Geschichte in Farbe, Führung mit Vision
Wie Klosterfrau seine Gründerin neu inszeniert, Köln ein pharmazeutisches Erbe pflegt und modernes Markenbewusstsein historischen Mut ehrt
Es ist mehr als eine Statue. Es ist ein öffentliches Denkmal für eine Frau, die in einer von Männern dominierten Zeit ein pharmazeutisches Unternehmen gründete, das 200 Jahre später noch immer existiert – und floriert. Die Rede ist von Maria Clementine Martin, der „Klosterfrau“. Anlässlich ihres 250. Geburtstags hat das Unternehmen Klosterfrau nun ein Zeichen gesetzt: Mit einer lebensgroßen Bronzefigur auf dem nach ihr benannten Platz in Köln erinnert der OTC-Hersteller an seine Ursprünge, an eine unternehmerische Visionärin und an die heilkundliche Kraft einer Idee, die über Generationen hinweg tragfähig blieb.
Diese Geste ist mehr als bloße Erinnerung. Sie ist Ausdruck einer bewussten Rückbindung an eine Gründungsgeschichte, die – so CEO Dr. Stefan Koch – im öffentlichen Bewusstsein kaum präsent ist, obwohl sie eng mit der Stadt Köln verwoben ist. In einer Zeit, in der Unternehmen um Markenbindung, kulturelle Verankerung und öffentliche Relevanz ringen, ist die Aufstellung der Statue eine strategische wie identitätsstiftende Handlung. Es geht um Sichtbarkeit, um einen Platz im kollektiven Gedächtnis, um Führungsbewusstsein durch Rückbesinnung. Gerade vor dem Hintergrund des bevorstehenden 200-jährigen Firmenjubiläums im Jahr 2026 markiert diese Würdigung eine erste Wegmarke – ein öffentliches Bekenntnis zur eigenen Herkunft.
Wer war diese Frau, die 1825 nach Köln kam und mit nichts als einem Destillierapparat und medizinischer Entschlossenheit ein Unternehmen gründete, das später globale Bedeutung erlangte? Maria Clementine Martin, geboren 1775 in Brüssel, war nicht nur Ordensfrau, sondern eine Frau mit einem Gespür für Märkte, Marken und medizinische Bedürfnisse. Mit „Klosterfrau Melissengeist“ schuf sie ein bis heute bekanntes Produkt, das nicht nur wegen seiner Rezeptur, sondern auch wegen seiner Positionierung überlebt hat. Dass sie früh auf Publikumswerbung, ärztliche Empfehlungen und Qualität als Differenzierungsmerkmal setzte, zeigt: Sie dachte unternehmerisch lange bevor dieser Begriff in weiblicher Handschrift formuliert wurde. Ihr Tod 1843 beendete nicht das Unternehmen – sie hatte rechtzeitig vorgesorgt, das Geschäft an ihren Gehilfen Peter Gustav Schaeben übergeben und damit Kontinuität ermöglicht.
Heute, fast zwei Jahrhunderte später, beschäftigt Klosterfrau rund 1400 Menschen, davon 450 am Hauptsitz in Köln. Die Markenwelt ist gewachsen – Neo-Angin, Nasic, Soledum, Bronchicum –, doch das Gründungsprodukt bleibt das bekannteste Symbol des Unternehmens. Dass dieser Symbolwert auch gestalterisch aufgegriffen wird, zeigt die zweite künstlerische Maßnahme des Jubiläumsjahres: Die Street-Art-Künstlerin Lilee Imperator hat 2024 die Außenfassade des Hauptsitzes neu interpretiert. In schwungvollen, farbintensiven Linien und typischen Klosterfrau-Farben thematisiert sie nicht nur die Heilpflanzen aus dem Melissengeist, sondern auch das Spannungsfeld zwischen pharmazeutischer Tradition und moderner Markenästhetik. Die Kunst ist Teil der Erzählung – und die Erzählung ist Teil der Strategie.
In einer Branche, die oft von Innovationszyklen, regulatorischen Herausforderungen und wachsender Konkurrenz durch Onlineanbieter geprägt ist, ist Geschichte mehr als ein Anker – sie ist ein Wert. Wer sie sichtbar macht, positioniert sich nicht nur gegenüber Kundinnen und Kunden, sondern auch intern: gegenüber Mitarbeitenden, Partnern, Bewerbenden. Die Statue ist daher auch ein Zeichen nach innen. In einer Zeit, in der viele OTC-Hersteller sich neu definieren müssen, weil Vertriebsmodelle, Apothekenlandschaft und Gesundheitsbewusstsein im Wandel sind, setzt Klosterfrau auf narrative Stabilität – eine Führungsentscheidung, die nicht auf Quartalsberichte, sondern auf Identität zielt.
Dass ausgerechnet ein pharmazeutisches Unternehmen diesen Weg geht, ist kein Zufall. Der OTC-Markt lebt von Vertrauen, Markenbindung, Konsistenz. Während der klinische Arzneimittelmarkt stark von Preiswettbewerb, Innovationsdruck und staatlicher Regulierung geprägt ist, hängt der OTC-Erfolg entscheidend an der Marke – und damit an ihrer Geschichte, Glaubwürdigkeit und Wiedererkennbarkeit. Maria Clementine Martin ist damit mehr als eine Figur der Vergangenheit – sie ist ein Markenversprechen. Die Bronzestatue steht also nicht nur für ein Leben, sondern für eine Haltung: unternehmerisch, weiblich, heilkundlich, traditionsbewusst.
Und sie steht für Köln. Für eine Stadt, die viel mit der Geschichte von Medizin, Kosmetik und Duft zu tun hat – vom Eau de Cologne über das pharmazeutische Gewerbe bis zur Rolle als Apothekenstandort. Mit der Platzbenennung und dem neuen Denkmal macht Klosterfrau deutlich, dass ein Jubiläum nicht nur ein Rückblick ist, sondern ein aktives Statement. Eines, das inspiriert – zur Führung, zur Reflexion, zur Kontinuität.
Engagement schafft Vertrauen, Apotheke schafft Nähe, Politik braucht Rückgrat
Warum Thomas Dittrich das Bundesverdienstkreuz erhält, was sein Einsatz für die Apothekerschaft bedeutet und wie politische Anerkennung zum öffentlichen Auftrag wird
Als Ministerpräsident Michael Kretschmer dem Vorsitzenden des Sächsischen Apothekerverbands, Thomas Dittrich, das Verdienstkreuz am Bande überreichte, war das mehr als ein protokollarischer Akt – es war ein politisches Signal. Ein Bekenntnis zur Bedeutung einer Berufsgruppe, deren Leistung im gesundheitspolitischen Diskurs oft übergangen wird. Denn Dittrich steht nicht nur für Engagement, er steht für ein Berufsbild, das im Zentrum der Versorgung steht – und in der Peripherie der politischen Agenda. Die Ehrung in der Sächsischen Staatskanzlei markiert daher auch einen Moment der Rückversicherung: für das System Apotheke, für den berufsständischen Einsatz und für die Idee, dass Gesundheitspolitik nur mit jenen gelingen kann, die sie tagtäglich mit Leben füllen.
Seit Jahren setzt Dittrich auf das Prinzip: Nähe durch Haltung. Ob in seiner Funktion als Vorsitzender des SAV, in Gremien des Deutschen Apothekerverbands oder in lokalen Initiativen – immer wieder hat er unter Beweis gestellt, dass Standespolitik mehr sein kann als Funktionärswesen. Er verbindet Versorgungsperspektive mit regionalem Gestaltungswillen. Der Apotheker aus Großröhrsdorf, der zugleich Präsident des örtlichen Sportclubs und Kreistagsmitglied ist, lebt das, was in politischen Sonntagsreden oft als „vernetzte Verantwortung“ bezeichnet wird. Doch bei Dittrich ist es keine Floskel. Es ist gelebter Alltag. Er organisiert, moderiert, vermittelt – zwischen Basis und Gremien, zwischen Apotheken und Politik, zwischen Anspruch und Realität.
Die politische Brisanz dieser Auszeichnung wird sichtbar, wenn man sie in den Kontext der aktuellen Systemdebatten stellt. Die inhabergeführte Vor-Ort-Apotheke, die Dittrich als Rückgrat der Arzneimittelversorgung verteidigt, steht unter strukturellem Druck. Die Honorare stagnieren, die Belastungen steigen, die Nachwuchsgewinnung stockt. Und dennoch – oder gerade deshalb – bleibt Dittrichs Ansatz konsistent: Er argumentiert nicht aus einem Defizitgefühl, sondern aus einem Selbstverständnis. Für ihn ist die Apotheke keine Restgröße im digitalen Umbau, sondern ein Fixpunkt medizinischer Kultur. Seine Positionierungen während der Pandemie, in der Debatte um das E-Rezept, bei Rabattverträgen oder der Honorarsystematik zeigen, wie professionelles Gesundheitsverständnis und politische Kommunikationsfähigkeit ineinandergreifen können.
Diese Auszeichnung ist deshalb auch ein Kommentar zur Rolle des Apothekers in einem System, das zunehmend technokratisch agiert. Wo Politik nach Steuerungsparametern sucht, bringt Dittrich Erfahrungsparameter ein. Wo Institutionen Effizienz maximieren wollen, erinnert er an die Notwendigkeit menschlicher Nähe. Und wo Marktakteure die Versorgung fragmentieren, hält er am Prinzip Verantwortung fest. Das Bundesverdienstkreuz wird hier zur Chiffre für die Relevanz eines Berufes, der sich nicht neu erfinden muss – sondern endlich gesehen werden sollte.
Hinzu kommt das kommunalpolitische Gewicht: Dittrich ist kein Berliner Funktionär, sondern ein Regionalakteur mit Systemblick. Er verbindet die Belange der pharmazeutischen Versorgung mit wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Anliegen. Sein Engagement im Gewerbeverein, im Sport und in der politischen Selbstverwaltung ist kein Hobby – es ist die Grundlage für Glaubwürdigkeit in einer Zeit, in der Vertrauen nicht nur gefordert, sondern verdient werden muss.
In einer Phase, in der viele Apothekerinnen und Apotheker über Überlastung, fehlende Perspektiven und mangelnde Anerkennung klagen, schafft Dittrich einen Anker. Nicht, weil er die Lösungen schon hat – sondern weil er Fragen stellt, die zählen: Was ist uns die wohnortnahe Versorgung wert? Welche Rolle spielen Apotheken in der kommunalen Infrastruktur? Und was braucht es, damit junge Menschen sich wieder für diesen Beruf entscheiden?
Die Antwort auf diese Fragen ist keine Ehrensache, sondern eine Systemaufgabe. Die Auszeichnung für Thomas Dittrich zeigt: Es gibt sie noch, die politische Anerkennung für gelebte Verantwortung. Aber sie darf nicht Ausnahme bleiben. Sie muss Ausgangspunkt werden – für eine neue Versorgungskultur, die auf Qualität, Nähe und Haltung setzt.
Gesicht der Branche, Stimme für den Nachwuchs, Bindeglied der Versorgung
Wie PKA Tanja Buchholz die Titelseite der My Life erobert, den Berufsstand stärkt und den Wert digitaler Apothekenangebote betont
Sie trägt nicht nur Verantwortung im Hintergrund – sondern jetzt auch die Botschaft einer ganzen Berufsgruppe nach außen: Tanja Buchholz, Pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte aus Berlin, ist das neue Gesicht auf dem Titelblatt der „My Life“ und damit Symbolfigur für eine oft unterschätzte, aber tragende Kraft des Apothekenbetriebs. Dass ihre Präsenz kein PR-Zufall ist, sondern Ergebnis eines gezielten Auswahlverfahrens, unterstreicht die strategische Wendung, die das Heft mit dieser Entscheidung nimmt – weg vom rein pharmazeutischen Fokus, hin zur Betonung der Teamleistung in der Offizin. Die 47-jährige Buchholz, zweifache Mutter und fest verwurzelt in der Apotheke „Helle Mitte“, wurde im Rahmen der APOTHEKENTOUR 2024 als „Gesicht der My Life 2025“ gekürt – nicht wegen eines perfekt inszenierten Images, sondern weil sie eine Haltung verkörpert: engagiert, authentisch, zukunftsgewandt.
Dass die Wahl auf eine PKA fiel, ist ein starkes Signal – nicht zuletzt angesichts der vernachlässigten gesellschaftlichen Sichtbarkeit dieser Berufsgruppe. Während Apotheker:innen oft als erste Ansprechpersonen der Gesundheitsversorgung im Rampenlicht stehen, sind PKA diejenigen, die im Maschinenraum der Versorgung Prozesse steuern, Kundenbindung sichern, Sortiment, Abrechnung und Warenwirtschaft im Griff haben. Was Buchholz im Interview mit „My Life“ betont, ist mehr als ein persönlicher Erfahrungsbericht – es ist ein Appell an Politik, Branche und Gesellschaft: Wertschätzung darf sich nicht in Worten erschöpfen, sondern muss sich in Bezahlung, Ausbildung und Aufstiegschancen konkretisieren. Genau deshalb engagiert sie sich ehrenamtlich im Prüfungs- und Berufsbildungsausschuss – um dafür zu sorgen, dass PKA-Berufe nicht in der Nachwuchskrise verschwinden.
Parallel dazu benennt Buchholz präzise, worin die Zukunftschancen der Apotheken liegen: im Zusammenspiel zwischen digitalen Services und menschlicher Nähe. Sie beschreibt die Notwendigkeit, moderne Tools zur Ergänzung regionaler Präsenz zu begreifen, ohne den eigentlichen Wert zu verlieren – den persönlichen Kontakt, das Vertrauen, das sich nicht durch Algorithmen ersetzen lässt. Ihre Perspektive ist dabei keineswegs nostalgisch, sondern realistisch: Wer Zukunft gestalten will, braucht beides – Technikkompetenz und Empathie, Software und Sozialkontakt, Plattformpräsenz und Kundengespräch.
Die Redaktion von „My Life“ begreift diese Botschaft als strategische Neuausrichtung. Dr. Margit Pratschko, Chefredakteurin des Hefts, macht in ihrer Stellungnahme deutlich, dass es nicht nur um Reichweite geht, sondern um eine narrative Korrektur. Zu oft seien Apothekenmedien von der Apotheker:innenrolle dominiert gewesen – nun soll die Vielfalt des Berufsalltags sichtbarer werden. Millionen von Leserinnen und Lesern erreichen, heißt Verantwortung übernehmen: für Nachwuchsgewinnung, Berufsstolz und ein realistisches Bild pharmazeutischer Versorgung in Deutschland.
In einer Zeit, in der die Apotheke vor Ort unter politischem und wirtschaftlichem Druck steht, ist es kein Nebenschauplatz, wer auf dem Titelblatt erscheint. Es ist ein bewusst gesetztes Zeichen. Tanja Buchholz steht dafür, dass Teamleistung sichtbar gemacht werden muss – und dass Apotheken auch kommunikativ das zurückholen sollten, was ihnen in der öffentlichen Wahrnehmung zu oft verloren geht: die differenzierte Darstellung ihrer Vielschichtigkeit. Wenn eine PKA zur Titelheldin wird, ist das keine nette Geschichte – sondern ein Bruch mit einem verengten Narrativ, das Apothekenarbeit auf die Rezeptur reduziert. Buchholz zeigt: Wer klug kommuniziert, gewinnt nicht nur Leser:innen, sondern auch Respekt.
Medizinalcannabis braucht Vertrauen, Patientenschutz braucht Klarheit, Politik braucht Differenzierung
Warum Grünhorn-Chef Fritsch Gesundheitsministerin Warken scharf kritisiert, was auf dem Spiel steht und welche Rolle die öffentliche Sprache in der Versorgung chronisch Kranker spielt
Die Kritik trifft ins Mark: Mit ungewöhnlich scharfen Worten hat Stefan Fritsch, Geschäftsführer des führenden Cannabisversenders Grünhorn, die jüngsten Äußerungen von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) zum medizinischen Cannabis scharf zurückgewiesen. Warken hatte in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung suggeriert, dass zahlreiche Verordnungen von Medizinalcannabis missbräuchlich genutzt würden – ein Vorwurf, den Fritsch als nicht nur unbegründet, sondern als potenziell versorgungsgefährdend einstuft. Hinter dieser Auseinandersetzung steht weit mehr als ein Branchenstreit: Es geht um das Selbstverständnis einer jungen Versorgungsform, um politische Glaubwürdigkeit – und um die Lebensrealität vieler schwer kranker Menschen.
Seit dem Inkrafttreten des neuen Cannabisgesetzes im April 2024 hat sich die Verschreibungssituation grundlegend gewandelt. Die Herausnahme aus dem Betäubungsmittelgesetz und die Freigabe durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) für 16 ärztliche Fachgruppen haben die Verschreibung erleichtert – nicht als Einladung zur Beliebigkeit, sondern als strukturelle Anerkennung einer legitimen Therapieoption. Dass eine Gesundheitsministerin nun ausgerechnet dieses Fortschrittssignal in den Schatten stellt, wirkt auf viele Betroffene wie ein Rückschritt. Fritsch formuliert es so: „Die pauschale Diskreditierung einer ganzen Patientengruppe stellt nicht nur den Therapiealltag infrage – sie verletzt das Prinzip der Fairness, das Frau Warken bei Amtsantritt selbst zur Leitlinie erklärt hat.“
Dabei sind die Zahlen eindeutig: Über 73.000 Patientinnen und Patienten hat Grünhorn im Jahr 2024 versorgt – viele davon mit chronischen Schmerzsyndromen, Multipler Sklerose, Spastiken oder therapieresistenter Übelkeit. In der klassischen Schmerztherapie wären sie häufig auf Opioide angewiesen, mit all ihren bekannten Nebenwirkungen. Dass nun ausgerechnet eine entbürokratisierte, milder wirkende Alternative unter Missbrauchsverdacht gerät, empört nicht nur Versender, sondern auch viele Fachärzte und Patientenvertretungen.
Hinzu kommt die politische Inkonsistenz. Während Ministerpräsident Michael Kretschmer (ebenfalls CDU) beim Besuch der Grünhorn-Gruppe betont, wie wertvoll und notwendig die medizinische Nutzung sei – bei gleichzeitig kritischer Haltung zum Freizeitkonsum –, wirkt Warkens Gleichsetzung von Medikation und Rauschgebrauch wie ein Rückfall in vergangene Debatten. Fritsch nennt es „fahrlässig, medizinische Versorgung auf ein politisches Schlagwort zu reduzieren“. Es sei gerade diese Art der öffentlichen Sprache, die den Zugang erschwere, Unsicherheiten verstärke und letztlich auch die Arbeit von Warkens Vorgänger Karl Lauterbach (SPD) untergrabe, der für klare Versorgungswege und weniger Stigmatisierung eingetreten war.
Doch was genau steht eigentlich auf dem Spiel? Neben dem Vertrauensverhältnis zwischen Ärztinnen, Patienten und Versorgern vor allem auch die politische Legitimation des Gesetzes selbst. Denn wer strukturelle Erleichterungen mit einem Missbrauchsverdacht belegt, liefert implizit Argumente für deren Rückabwicklung. Dass Fritsch dies so deutlich macht – „Wer Medizinalcannabis politisiert, gefährdet die Versorgung“ – ist nicht nur eine wirtschaftlich motivierte Reaktion. Es ist ein flammendes Plädoyer für Differenzierung in der gesundheitspolitischen Sprache.
Grünhorn selbst versucht derweil, die Diskussion zu versachlichen – durch Einladung zum direkten Austausch, durch die Betonung von Versorgungssicherheit und durch das Vorzeigen funktionierender Modelle. Ob Warken dieser Einladung folgt, bleibt offen. Klar ist: Der Markt für medizinisches Cannabis hat sich etabliert – nicht als Ausweichnische, sondern als vollwertiger Teil einer modernen, multimodalen Therapie. Wer diese Entwicklung rückwärts argumentiert, läuft Gefahr, nicht nur therapeutische Optionen zu diskreditieren, sondern auch politische Glaubwürdigkeit zu verspielen.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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