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  • 17.06.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Rückzahlungspflicht, Kontrollversagen, Reformbedarf
    17.06.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Rückzahlungspflicht, Kontrollversagen, Reformbedarf
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | Apotheken unter Druck: AvP-Rückzahlung, Betrug mit Privatrezepten, riskante Medikamentenabgaben – Reform, Absicherung und Verantwortung...

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-Nachrichten von heute: Rückzahlungspflicht, Kontrollversagen, Reformbedarf

 

Wie das AvP-Urteil Apotheken in die Pflicht nimmt, Missbrauchsfälle strukturelle Schwächen offenlegen und das Reformtempo zur Führungsfrage wird

Selbst wenn Rückforderungen juristisch begründet sind, treffen sie die Apothekenbetriebe mit voller Wucht, wie das AvP-Urteil des OLG Nürnberg exemplarisch zeigt – fast 36.000 Euro muss ein Apotheker zurückzahlen, weil er wenige Tage vor der Insolvenz des Abrechnungszentrums noch Geld erhielt, das später als insolvenzrechtlich anfechtbare Leistung gewertet wurde; doch die wirtschaftliche Unsicherheit endet nicht dort: Betrugsfälle mit Privatversicherten, die Rezepte einreichen, ohne Medikamente abzuholen, und dramatische Kontrollversäumnisse beim Abgeben rezeptpflichtiger Suchtmittel offenbaren strukturelle Lücken, die den Berufsstand unter Generalverdacht stellen, während gleichzeitig Versicherungsfragen zur Überlebensstrategie werden, weil Schadensrisiken, technische Ausfälle, Cyberangriffe und Compliance-Mängel zur ständigen Bedrohung anwachsen – wer jetzt nicht handelt, verliert nicht nur Vertrauen, sondern Handlungsspielraum, denn politische Reformen wie die angekündigte Apothekenreform unter Ministerin Warken kommen nicht als Rettung, sondern als Anforderung.

 

Rückzahlungspflicht, Insolvenzverwertung, Vertrauensrisiko

Warum ein Apotheker 36.000 Euro an den AvP-Insolvenzverwalter abgeben muss, welche rechtliche Dynamik das Urteil des OLG Nürnberg entfaltet und wie Apotheken aus den Fehlern der Vergangenheit lernen sollten

Die Nachwehen der AvP-Insolvenz erreichen nun auch einzelne Apothekeninhaber in finanziell spürbarer Form: Ein Apotheker aus Bayern wurde vom Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg rechtskräftig dazu verurteilt, 35.973,76 Euro an den Insolvenzverwalter des ehemaligen Rechenzentrums zurückzuzahlen. Hintergrund ist eine Zahlung, die der Apotheker wenige Tage vor der spektakulären Insolvenz im September 2020 noch erhalten hatte. Das Gericht entschied, dass es sich bei der Summe um eine sogenannte inkongruente Deckung handelte – also eine Zahlung, auf die der Apotheker keinen fälligen Rechtsanspruch hatte und die deshalb der Insolvenzanfechtung unterliegt.

Diese Entscheidung steht exemplarisch für die juristische Aufarbeitung der AvP-Pleite, die weite Teile der Apothekenlandschaft erschüttert hat. Zahlreiche Betriebe verloren damals binnen weniger Tage fünf- bis sechsstellige Summen, weil AvP als Abrechnungsstelle die eingezogenen Rezeptgelder nicht mehr weiterleitete. Über 3.000 Apotheken waren betroffen, viele bis heute nicht vollständig entschädigt. Der bayerische Apotheker gehörte zu jenen, die im letzten Moment noch eine Überweisung erhielten – doch das wurde ihm nun zum Verhängnis. Nach Einschätzung des Senats sei die Zahlung als inkongruent anzusehen, weil sie außerhalb der regulären vertraglichen Abwicklung erfolgte. Der Apotheker habe zwar nichts Unrechtmäßiges getan, müsse jedoch das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung akzeptieren.

Für die Apothekenpraxis hat das Urteil gleich mehrere gravierende Konsequenzen: Erstens wird deutlich, dass auch formell korrekt ausgezahlte Summen im Nachhinein der Anfechtung unterliegen können – vor allem, wenn sie außerhalb standardisierter Abrechnungsroutinen erfolgen. Zweitens stellt das OLG klar, dass die Rolle von AvP als "Zahlstelle" in den Wochen vor der Insolvenz besonders kritisch zu betrachten sei. Demnach konnte nicht mehr davon ausgegangen werden, dass das Rechenzentrum treuhänderisch tätig war – ein zentraler Punkt in der Diskussion um Haftung und Insolvenzrecht im Apothekenkontext. Drittens verweist der Fall auf eine gefährliche Lücke in der Absicherung von Apotheken gegenüber externen Dienstleistern. Während Betriebshaftpflicht, Warentransport oder Berufsunfähigkeit versichert sind, bleibt das Risiko aus Rechenzentrumsinsolvenzen juristisch wie wirtschaftlich weitgehend ungedeckt.

Der betroffene Apotheker hat in seinem Verfahren offenbar argumentiert, die Zahlung sei im Rahmen regulärer Abrechnungszyklen erfolgt. Dies konnte das Gericht jedoch nicht nachvollziehen – vielmehr sei die Auszahlung als atypisch und nicht vertraglich abgesichert zu werten. Entsprechend sei die Rückforderung durch den Insolvenzverwalter zulässig, um die Gesamtmasse gleichmäßig unter den Gläubigern zu verteilen. Das Urteil könnte eine Signalwirkung entfalten: Weitere Rückforderungsverfahren sind laut Insolvenzverwaltung in Vorbereitung. Sollten diese ebenfalls erfolgreich sein, droht eine zweite Welle finanzieller Belastungen für Apotheken, die sich nach der AvP-Pleite eigentlich bereits wieder stabilisiert hatten.

Besonders brisant ist der Fall auch deshalb, weil viele Apothekerinnen und Apotheker sich nach dem AvP-Zusammenbruch hilflos und rechtlich alleingelassen fühlten. Die Forderung nach einem verpflichtenden Sicherungssystem für Rezeptabrechnungszentren wurde zwar von verschiedenen Berufsverbänden erhoben, blieb jedoch ohne politische Konsequenz. Während Banken oder Versicherungen gesetzlich zu Einlagensicherungssystemen verpflichtet sind, existiert für Abrechnungsdienstleister keine vergleichbare Schutzstruktur. Der aktuelle Fall zeigt, dass nicht nur der Ausfall selbst ein Risiko ist – sondern auch die nachträgliche Rückabwicklung früherer Zahlungen.

Die betroffene Apotheke, deren Inhaber nun rund 36.000 Euro aus dem laufenden Geschäft entnehmen muss, steht exemplarisch für eine gesamte Branche, die sich in rechtlichen Graubereichen behaupten muss. Die Abhängigkeit von privatwirtschaftlichen Abrechnungsstrukturen ohne funktionierende Haftungsmechanismen macht Apotheken verwundbar – auch Jahre nach einer Insolvenz. Für Apothekeninhaber stellt sich damit die Frage, wie sie künftig strukturell vorsorgen können: Muss die Rezeptabrechnung stärker diversifiziert werden? Braucht es zwingend einen brancheneigenen Haftungsfonds? Oder ist eine gesetzliche Absicherung über das SGB V die einzige Lösung?

Fakt ist: Das Urteil aus Nürnberg schafft Klarheit – aber keine Sicherheit. Es zwingt Apotheken in die Rolle nachträglicher Zahler und bekräftigt zugleich das Systemversagen auf politischer und regulatorischer Ebene. Es bleibt zu hoffen, dass aus dieser zweiten Welle der AvP-Folgen nicht eine dritte wird: Vertrauensverlust in Dienstleister, Passivität im politischen Raum und ein weiteres Auseinanderdriften zwischen wirtschaftlicher Praxis und juristischer Systemlogik.

 

Wirtschaftliche Führung erfordert Weitblick, Absicherung braucht Strategie, Versicherung ist kein Selbstläufer

Warum Apotheken ihre Policen neu bewerten müssen, wie Versicherbarkeit zur Führungsfrage wird und wieso falsche Sparlogik teuer wird

Die wirtschaftliche Lage vieler Apotheken zwingt zur Neupriorisierung: Personalkosten steigen, die Fixum-Debatte bleibt ungelöst, der OTC-Absatz stagniert und die Rezeptmengen nehmen ab. Parallel dazu häufen sich Schadensfälle, Betriebsunterbrechungen und juristische Unsicherheiten – vom E-Rezept-Ausfall über Rezeptbetrug bis hin zu Sprinklerleckagen oder Cyberattacken. Gerade in dieser Gemengelage stellt sich für viele Inhaberinnen und Inhaber die Frage: Was darf, soll oder muss eine gute Apothekenversicherung kosten?

Denn klar ist: Versicherung ist kein Selbstzweck und auch keine bloße Kostenstelle – sie ist Teil einer betriebswirtschaftlichen Führungsethik, die mitdenkt, absichert, kalkuliert. Doch diese Einsicht erfordert einen Perspektivwechsel. Wer nur Beiträge kürzt, aber den Deckungsumfang nicht versteht, spart am falschen Ende – und riskiert den Fortbestand der Apotheke bei unerwarteten Ereignissen. Denn eine Police, die einen Wasserschaden nicht umfasst, nützt wenig, wenn die Kühlkette kollabiert.

Umgekehrt muss aber auch gelten: Nicht jede Erweiterung ist sinnvoll. Was zählt, ist eine passgenaue Absicherung entlang der realen Risikolandschaft – und die beginnt nicht bei der Versicherung, sondern bei der Kenntnis der eigenen Betriebsstruktur. Wie viele Mitarbeitende sind tätig? Welche Technik wird eingesetzt? Wie läuft der Rezeptworkflow? Welche Abhängigkeiten bestehen zu Lieferketten, Logistik, IT?

Wer hier präzise analysiert, kann aus einem Versicherungsprodukt ein strategisches Führungsinstrument machen. Dazu gehört auch, Policen regelmäßig zu überprüfen, Deckungsbausteine aufeinander abzustimmen und Haftungsfragen mit juristischer Weitsicht vorzudenken – etwa bei Dienstreisen, Botendiensten, Produkthaftung oder Datenschutz. Ein professionelles Risikomanagement berücksichtigt nicht nur wahrscheinliche Schäden, sondern auch ihre operative Konsequenz.

Wie lange ist ein Ausfall tolerierbar? Wer übernimmt Kommunikation mit Kunden, Anwälten, Behörden? Welche Schnittstellen bestehen zu Steuerberater und Berufsverband? Und vor allem: Welche Summen stehen tatsächlich zur Verfügung, wenn der Ernstfall eintritt? Im Marktvergleich variieren Prämien teils erheblich – nicht nur wegen unterschiedlicher Deckungsumfänge, sondern auch durch Fehler in der Risikoerfassung oder unpassende Tarifmodelle.

Deshalb gilt: Ein scheinbar günstiger Vertrag kann am Ende der teuerste sein. Führungsverantwortung heißt, diese Dynamik zu erkennen – und sich nicht auf die Illusion vermeintlicher Sicherheit zu verlassen. Wer Apothekenbetrieb ernsthaft wirtschaftlich führt, muss auch den Schutzbetrieb ökonomisch denken – nicht in Form starrer Zahlenspiele, sondern als aktives Controlling-Instrument. Versicherung ist kein Widerspruch zur Wirtschaftlichkeit. Sie ist deren Bedingung.

 

Wenn die Offizin zur Quelle wird, Strafmaß milde bleibt, Kontrolle versagt

Wie ein Frankfurter Apotheker zur Suchtspirale beitrug, ein Spiegel-Bericht strukturelle Lücken aufdeckt und das Berufsrecht hilflos wirkt

Der Fall aus Frankfurt ist verstörend und beispielhaft zugleich: Ein Apotheker verkauft einer Bankerin wiederholt verschreibungspflichtige Medikamente – darunter Tilidin, Tramadol sowie Schlaf- und Beruhigungsmittel – ohne Rezept, ohne Einschränkung, ohne jede Kontrolle. Die Kundin wird abhängig, erleidet eine Medikamentenvergiftung, landet im Entzug. Der Apotheker verdient daran – und bleibt, trotz Verurteilung, vorerst im Besitz seiner Berufserlaubnis. Was sich wie ein Einzelfall liest, zeichnet in der Analyse ein systemisches Bild – und genau darauf zielt der Spiegel-Bericht unter der Überschrift „Dealer in der Apotheke“, der nicht nur einen spektakulären Vorfall schildert, sondern ein strukturelles Versagen andeutet, das sich durch den Arzneimittelvertrieb im vermeintlich regulierten Bereich zieht.

Der zentrale Vorwurf: Pharmazeut:innen haben im Alltag einen privilegierten Zugang zu Medikamenten, deren Missbrauchspotenzial bekannt ist, gleichzeitig aber fehlt es an wirksamen internen Kontrollmechanismen. Apothekenrecht, Arzneimittelgesetz und Berufsordnungen greifen in der Praxis oft erst dann, wenn massiver Schaden entstanden ist. Der beschriebene Apotheker soll über längere Zeiträume hinweg problemlos rezeptpflichtige Mittel abgegeben haben – ohne Regress, ohne Alarm, ohne Prüfung. Dass es überhaupt zu einer strafrechtlichen Verurteilung kam, ist eher dem Zufall zu verdanken: Die betroffene Patientin wurde bewusstlos aufgefunden, die Kette der Versorgung ließ sich zurückverfolgen.

Im Spiegel-Bericht wird der Einzelfall weiter gefasst. Zitiert wird eine Studie des Bundesgesundheitsministeriums, wonach Jugendliche und junge Erwachsene Apotheken genauso häufig als Quelle für Benzodiazepine und Opioide nennen wie das Internet oder Straßendealer. Die Aussage ist brisant – denn sie stellt die Integrität der Arzneimittelversorgung in einer Weise infrage, die bislang eher mit illegalem Handel assoziiert wurde. Gerade vor dem Hintergrund zunehmender Suchtprobleme, insbesondere in urbanen Milieus, verliert die klare Trennlinie zwischen Weiß- und Schwarzmarkt an Bedeutung.

Dass sich diese Tendenz nicht auf eine einzige Apotheke beschränkt, zeigt der Verweis auf weitere Verfahren in München, Hessen und zuletzt auf eine Razzia in Potsdam. Die juristische Bilanz bleibt auffällig mild: In Frankfurt zwei Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung, keine sofortige Aberkennung der Approbation, keine automatische Apothekenschließung. Solche Sanktionen, so die Kritik, verfehlen nicht nur jede abschreckende Wirkung, sondern zeigen eine Schieflage: Während im Bereich der Retaxationen schon formale Kleinigkeiten existenzgefährdend wirken können, bleiben mutmaßlich kriminelle Vorgänge in der Praxis folgenarm.

Anwalt Thomas Heil, der die Patientin vertritt, verweist auf die „große Leerstelle“ im System. Der sogenannte Weißmarkt – also die legale, kontrollierte Versorgung durch Apotheken – werde oft unterschätzt. Dabei sei der Zugang zu suchterzeugenden Mitteln dort oft bequemer, eleganter und gesellschaftlich unsichtbarer. Der Arzneimittelmissbrauch sei kein Problem sozialer Randgruppen, sondern durchziehe auch gebildete, wirtschaftlich stabile Kreise – umso bedrohlicher, wenn er von Fachkräften begünstigt werde, die eigentlich schützen und aufklären sollen.

Vor diesem Hintergrund rückt auch die Verantwortung von Apothekenleiter:innen in den Fokus. Betreiber müssen sicherstellen, dass innerhalb ihrer Teams klare interne Regeln zur Abgabe rezeptpflichtiger Medikamente bestehen, dass alle Abgaben systematisch dokumentiert und überprüft werden, und dass auffällige Muster – etwa wiederholte Anfragen nach spezifischen Schmerz- oder Beruhigungsmitteln – unmittelbar intern gemeldet und kontrolliert werden. Insbesondere bei potenziell missbrauchsgefährdeten Arzneimitteln wie Tilidin, Benzodiazepinen oder Tramadol sind verstärkte Dokumentationspflichten, regelmäßige Teamunterweisungen und kritische Rücksprachen mit verordnenden Ärzten unverzichtbar. Wer als Betreiber solche Mechanismen nicht einzieht, riskiert nicht nur berufsrechtliche Konsequenzen, sondern trägt im Ernstfall zur medizinischen und sozialen Katastrophe bei – auch ohne eigene aktive Beteiligung. Denn auch das Unterlassen von Kontrolle ist im Straf- und Berufsrecht relevant.

Dass dieser Fall öffentlich wird, ist wichtig – aber er ist nur ein Symptom. Die Fragen, die sich daraus ergeben, reichen weiter: Warum existieren keine digitalen Frühwarnsysteme für wiederholte Abgaben sensibler Präparate an Einzelpersonen? Warum wird bei Apotheker:innen, die mit Betäubungsmitteln arbeiten, nicht regelmäßig evaluiert? Warum greifen Kammern und Behörden erst nach Strafurteilen? Die therapeutische Verantwortung darf nicht zu einem rechtsfreien Raum werden. Die Berufsgruppe der Apotheker:innen selbst muss ein Interesse daran haben, solche Grenzüberschreitungen sichtbar zu machen, bevor das Vertrauen in das System unterminiert wird.

Die moralische wie fachliche Verantwortung liegt nicht allein beim Einzelnen. Ein System, das solches Handeln nicht automatisch unterbindet, legitimiert es implizit. In der Balance zwischen Verfügbarkeit und Missbrauch braucht es endlich eine wirksame Kontrollarchitektur – nicht erst nach dem Entzug, sondern präventiv, strukturell, konsequent.

 

Abrechnungsbetrug erkennen, Apotheken schützen, Systemfehler beseitigen

Wie ein MS-Patient Privatrezepte missbrauchte, Apotheken zu Mitwissern wurden und Gerichte über die Verantwortung stritten

Ein vermeintlich einfacher Trick entlarvt ein strukturelles Versagen: Ein 32-jähriger MS-Patient aus München bestellte in 19 verschiedenen Apotheken hochpreisige Medikamente, ließ sich deren Quittung ausstellen, fotografierte die Belege und reichte sie zur Kostenerstattung bei seiner privaten Krankenversicherung ein – obwohl er nie die Absicht hatte, die Arzneimittel tatsächlich abzuholen oder zu bezahlen. Zwischen 2018 und 2021 erschlich er sich auf diese Weise rund 150.000 Euro. Erst als eine der betroffenen Apotheken Anzeige erstattete, weil ihre Forderung offen blieb, flog der systematisch betriebene Betrug auf. Das Amtsgericht München verurteilte den Mann wegen 25 Fällen von Betrug zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und acht Monaten. Zugleich wurde Wertersatz in Höhe von 147.127,20 Euro eingezogen. Brisant: Nicht die Apotheken, sondern die Krankenversicherung gilt nach Anklage als geschädigte Partei – ein Umstand, der auf regulatorische Grauzonen und versicherungstechnische Unschärfen verweist. Das Gericht hat seine schriftliche Begründung noch nicht vorgelegt, sodass offenbleibt, ob diese Einschätzung übernommen wurde.

Für Apothekenbetreiber stellt sich in diesem Zusammenhang eine dringliche Frage nach der rechtlichen Absicherung gegen solch perfide Instrumentalisierung: Die vorzeitige Quittierung eines Rezepts – insbesondere bei nicht vorhandener Warenübergabe – ist aus Sicht vieler Juristen ein fahrlässiger Bruch apothekenüblicher Sorgfalt. Zwar entsteht durch das bloße Fotografieren eines abgestempelten Rezepts formal noch kein Abgabevertrag – doch der Eindruck der Abgabebereitschaft genügte im konkreten Fall offenbar, um die Versicherung zur Zahlung zu bewegen. Genau hierin liegt das systemische Risiko: Denn viele Apotheken werten solche Kundenbitten – aus Gefälligkeit oder in Unkenntnis der Folgen – nicht als sicherheitsrelevante Handlung. Wenn dann auch noch kein wirtschaftlicher Schaden für die Apotheke entsteht, da keine Ware geliefert wurde, wird eine Anzeige häufig unterlassen. Das ändert sich allerdings schlagartig, wenn die Apotheke in Vorkasse geht, beispielsweise bei Sonderbestellungen oder per Direktabrechnung mit der Versicherung. Ein einziger Eintrag in die Quittungsspalte kann dann zum versicherungsrechtlichen Problem oder gar zu einem Regressfall führen.

Dass in diesem Fall eine Apotheke dennoch aktiv wurde, zeigt den wachsenden Handlungsdruck in einem Marktumfeld, das zunehmend unter juristischen, wirtschaftlichen und ethischen Belastungen steht. Apotheken müssen deshalb interne Abläufe zur Rezeptannahme – insbesondere bei hochpreisigen Privatverordnungen – dringend auf robuste Prüfkriterien hin überarbeiten. Dazu gehört insbesondere: keine Quittierung ohne Zahlung, kein Fotografieren von Rezeptkopien ohne Dokumentation, keine Bestellung ohne formellen Auftrag. Auch die Versicherer selbst geraten in Erklärungsnot. Denn obwohl sich der Täter in drei Fällen die Beträge sogar selbst fälschte, wurden die Rechnungen durchgewunken – ein Beleg für fehlende Plausibilitätsprüfungen oder automatisierte Abläufe ohne Kontrollinstanz. Der Hinweis der Verteidigung, die Versicherung habe es ihm „zu leicht gemacht“, trifft damit einen Kern. Die juristische Bewertung aber zielt auf individuelle Schuld: Dass der Mann wegen einer einschlägigen Vorstrafe nun erneut mit Bewährung davonkommt, dürfte für die betroffenen Apotheker nur schwer nachvollziehbar sein. Ihr Aufwand bleibt hoch, ihr Schutz gering.

 

Apotheken gewinnen Personal zurück, PTA werden zur Säule, Ausbildung schwächelt

Wie sich der Fachkräftemangel neu sortiert, warum die öffentlichen Apotheken wieder wachsen und wo das Nachwuchsproblem akut bleibt

Nach dem historischen Rückgang der Beschäftigtenzahlen im Jahr 2023 kehrt der Apothekenmarkt 2024 in die Wachstumszone zurück: Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in deutschen Apotheken ist laut ABDA um insgesamt 5225 Personen gestiegen – ein überraschendes Signal in einer Phase, in der viele Apotheken um ihr wirtschaftliches Überleben kämpfen. Mit 162.186 Beschäftigten zum Jahresende 2024 scheint sich der Arbeitsmarkt im pharmazeutischen Bereich partiell zu stabilisieren. Doch das Bild ist differenziert: Während PTA und PKA deutlich zulegen, bleibt die Nachwuchsentwicklung im Ausbildungssektor besorgniserregend.

Am deutlichsten fällt der Zuwachs bei den pharmazeutisch-technischen Assistent:innen aus. Mit einem Anstieg um 4390 Personen erreicht ihre Zahl einen neuen Höchststand von 72.189. Damit machen sie gut zwei Drittel der Beschäftigten in öffentlichen Apotheken aus und werden zunehmend zur personellen Hauptsäule der Versorgung. Parallel wächst auch die Zahl der PKA, die mit einem Plus von 1306 auf nunmehr 32.108 Personen kommt. Diese Entwicklung spricht für eine leichte Erholung in der Personalpolitik öffentlicher Apotheken – und gegen die verbreitete These, dass der Beruf massiv an Attraktivität verloren habe.

Die Entwicklung bei den approbierten Apothekerinnen und Apothekern zeigt ein vergleichsweise moderates Wachstum: 70.406 berufstätige Approbierte zählt die ABDA für 2024 – ein Zuwachs um 608 gegenüber dem Vorjahr. Bemerkenswert: Der größte Anteil des Wachstums stammt nicht aus den öffentlichen Apotheken selbst, sondern aus „sonstigen Bereichen“, darunter Verwaltung, Industrie und Forschung, die um 694 Stellen wuchsen. Die Apotheken vor Ort legten nur um 57 auf insgesamt 53.235 Approbierte zu. Damit bestätigt sich der Trend zur sektoralen Verlagerung: Immer mehr Pharmazeut:innen zieht es aus den öffentlichen Apotheken in weniger belastende und besser bezahlte Alternativen. Der Frauenanteil bleibt hoch – rund drei Viertel der Approbierten sind weiblich.

Doch trotz dieser Zuwächse bleibt eine strukturelle Schwäche virulent: die Ausbildung. Die Gesamtzahl der Auszubildenden in öffentlichen Apotheken sank 2024 deutlich um 514 auf 6542. Vor allem bei den Pharmazeut:innen im Praktikum (PhiP) zeigt sich ein markanter Rückgang: Ihre Zahl fiel um 353 auf nur noch 1123. Das bedeutet einen Einbruch von mehr als 23 Prozent – ein Alarmsignal für die kommenden Jahre. Zwar stieg die Zahl der PTA-Praktikant:innen leicht um 7, doch auch die PKA-Ausbildung verzeichnet ein Minus von 168. Hier wird deutlich: Die aktuelle Personalsteigerung speist sich nicht aus einer nachhaltigen Nachwuchsentwicklung, sondern vor allem aus Rückkehrern, Umschulungen oder möglicherweise auch Migration.

Ein Blick auf die strukturellen Ursachen zeigt: Etwa jede zweite Apotheke bildet aktuell überhaupt noch aus. Die Gründe sind vielfältig: Fehlende finanzielle Spielräume, mangelnde personelle Ressourcen für die Betreuung, Unsicherheiten durch politische Rahmenbedingungen. Die Entscheidung, junge Menschen auf dem Weg zur Approbation oder zur PTA-Qualifikation zu begleiten, wird angesichts ökonomischer Notlagen zunehmend als Risiko statt als Investition wahrgenommen – mit langfristig katastrophalen Folgen.

Gerade in einer Zeit, in der das Versorgungssystem zunehmend auf die Kompetenz des pharmazeutischen Personals setzt – Stichwort pharmazeutische Dienstleistungen, Medikationsanalysen, Impfkompetenz –, ist ein Rückgang des Berufsnachwuchses nicht hinnehmbar. Die öffentliche Hand, Berufsverbände und Standespolitik sind gefordert, die Ausbildungslandschaft aktiv zu stabilisieren und zu fördern. Dabei geht es nicht allein um finanzielle Anreize, sondern um eine klare politische Strategie, die Ausbildung als integralen Bestandteil der Daseinsvorsorge begreift.

Zwar darf der Aufwärtstrend bei den Beschäftigtenzahlen als kurzfristiger Hoffnungsschimmer gelten, doch er wird rasch verblassen, wenn der Nachwuchs ausbleibt. Denn ohne konsequenten Ausbildungsaufbau wird das personelle Fundament der Apotheken brüchig bleiben – und die Versorgung der Bevölkerung zur strukturellen Wette auf die Zukunft.

 

Verwechslung mit tödlichem Potenzial, Kontrollversagen mit Folgen, Vertrauensbruch im Kinderschutz

Wie eine kanadische Apotheke Hydromorphon statt ADHS-Medikation abgab, welche Sicherheitslücken das aufzeigt und warum Eltern nun Systemänderungen fordern

Ein Moment der Routine hätte beinahe in eine familiäre Katastrophe geführt: In Comox, British Columbia, erhielt die Familie eines neunjährigen Jungen beim Abholen eines gewohnten ADHS-Medikaments stattdessen ein starkes Opioid – ein Fehler, der nur durch Zufall rechtzeitig entdeckt wurde. Der Vorfall offenbart nicht nur die potenziell tödlichen Konsequenzen einer Verwechslung in der Arzneimittelabgabe, sondern wirft zugleich ein Schlaglicht auf die Risiken einer strukturell unterregulierten Arzneimittelübergabe, insbesondere wenn es sich um Kinder handelt.

Die betroffene Familie ist vertraut mit der Medikation ihres Sohnes. Seit Jahren erhält er Dextroamphetamin zur Behandlung seiner Aufmerksamkeitsstörung. Am Morgen des 28. Mai bereitete sein Vater die Verabreichung vor, griff jedoch im Vertrauen auf das Apothekenetikett zu einem Fläschchen, das nicht nur auf einen anderen Namen lautete, sondern vor allem den falschen Wirkstoff enthielt: Statt des üblichen Stimulans war das hochpotente Schmerzmittel Hydromorphon enthalten – ein Opioid, das vor allem in der Palliativmedizin oder bei schwersten Schmerzzuständen verwendet wird, aber niemals zur Therapie eines Kindes mit ADHS. Die relative Wirksamkeit von Hydromorphon ist laut WHO bis zu 7,5-mal höher als die von Morphin. In pädiatrischen Kontexten gilt der Stoff wegen der hohen Gefahr von Atemdepressionen als strikt kontraindiziert – ein einziger Dosierungsfehler kann zum Tod durch Atemstillstand führen.

Dass der Fehler bemerkt wurde, war dem wachen Blick des Vaters zu verdanken. Inmitten des morgendlichen Familienchaos, mit zwei weiteren kleinen Kindern im Haus, hätte die falsche Abgabe leicht unbemerkt bleiben können – mit unabsehbaren Folgen. Die Familie schilderte ihre Erfahrung gegenüber dem People Magazine und betonte, dass „dieser kleine Fehler hätte tödlich enden können“. Besonders belastend: Die Arznei war mit einem fremden Namen beschriftet, was nahelegt, dass grundlegende Prüfprozesse in der Apotheke versagt haben.

Die Muttergesellschaft der verantwortlichen Apotheke, Loblaw Companies, bestätigte in einer Stellungnahme ein „menschliches Versagen“ und erklärte, dass das falsche Medikament versehentlich übergeben wurde. Zwar existierten Kontrollmechanismen, doch wurden sie in diesem Fall nicht beachtet. Der Filialleiter habe mit dem Team sofortige Nachbesprechungen durchgeführt, die betroffene Familie kontaktiert und sich für den Vorfall entschuldigt. Die Familie zeigte sich dennoch erschüttert – nicht nur wegen der lebensgefährlichen Verwechslung, sondern vor allem wegen des ausbleibenden Vertrauens: Sie kündigte an, künftig keine Medikamente mehr in der betreffenden Apotheke abzuholen.

Der Fall ist kein Einzelfall. Eine kanadische Studie aus dem Jahr 2023 dokumentierte zehn opioidbedingte Todesfälle bei Kindern unter zehn Jahren allein in der Provinz Ontario. Hydromorphon war in mehreren dieser Fälle der auslösende Wirkstoff – teils aufgrund falscher Lagerung, teils wegen irrtümlicher Einnahme durch Geschwister, aber auch wegen Verwechslungen in medizinischen Einrichtungen. Der aktuelle Vorfall unterstreicht damit die Notwendigkeit verbindlicher Standards bei der Arzneimittelabgabe – mit klaren Identitätsprüfungen, einer verstärkten Kindersicherheit und einer Apothekenlogistik, die solche gravierenden Fehler unmöglich macht.

Die Eltern reichten inzwischen Beschwerde beim College of Pharmacists of British Columbia ein. Sie fordern strengere Verfahren, speziell beim Umgang mit Hochrisikomedikamenten. Dass eine solche Forderung aus dem Erleben konkreter Lebensgefahr erwächst, ist Ausdruck eines Systemfehlers, nicht nur eines individuellen Fauxpas. In Apotheken, die mit Medikamenten handeln, deren Potenz tödlich sein kann, genügt kein bloßes Vertrauen auf Routineprozesse – es braucht redundante Kontrollen, digitale Verifikationssysteme und eine Kultur der Verantwortung, die Sicherheit über Geschwindigkeit stellt.

Die betroffene Familie bleibt bei einem klaren Schluss: Das Medikament wurde später in der Apotheke gefunden, aber das Vertrauen ist zerstört. Dieser Vertrauensverlust wiegt in einem Gesundheitswesen, das auf die korrekte, sichere und überprüfbare Übergabe von Arzneimitteln angewiesen ist, besonders schwer. Der Fall zeigt, dass Sicherheitsstandards in Apotheken keine bloße Option, sondern eine Pflicht sind – erst recht, wenn es um die Versorgung von Kindern geht.

 

Strategie braucht Vorsprung, Struktur braucht Prüfung, Verantwortung braucht Haltung

Was Apothekenbetreiber im Vorfeld der Reform vorbereiten müssen, wo Risiken drohen und wie man betriebliche Sicherheit proaktiv absichert

Mit der Ankündigung von 17 Gesetzesvorhaben aus dem Bundesgesundheitsministerium unter Ministerin Nina Warken (CDU) nimmt die gesundheitspolitische Agenda der Bundesregierung erkennbar Fahrt auf – darunter auch eine Apothekenreform, deren Konturen noch verschwommen, deren Dringlichkeit jedoch deutlich spürbar sind. Während für andere Gesetzesinitiativen bereits konkrete Kabinettstermine im Juli und August benannt wurden, bleibt der Zeitrahmen für die Apothekenreform offen. Für Apothekenbetriebe bedeutet das: Sie müssen sich jetzt vorbereiten – ohne zu wissen, wann genau die Reform kommt und welche Detailregelungen sie bringt. Doch gerade in dieser Unsicherheit liegt die unternehmerische Verantwortung. Denn wer abwartet, verliert Handlungsspielraum.

Die strategische Vorbereitung beginnt mit Szenarien. Es gilt, betriebsintern zu analysieren, welche Apothekenstrukturen reformresistent sind – und welche nicht. Kommt eine Ausweitung pharmazeutischer Dienstleistungen, etwa in der Impfberatung oder Medikationsanalyse? Wird die Honorierung umgeschichtet, digitalisiert oder leistungsbezogen neu bewertet? Gibt es neue Mindeststandards für Notdienste oder digitale Anbindung? All das sind Fragen, die nicht erst dann beantwortet werden dürfen, wenn das Gesetz im Bundesanzeiger steht.

Ein besonders kritischer Punkt liegt in der strukturellen Reformfestigkeit: Apotheken, die heute schon mit Mindestbesetzung, provisorischen Notdienstmodellen oder veralteter Software arbeiten, geraten morgen womöglich in regulatorische Schieflagen. Es empfiehlt sich deshalb, jetzt eine Reformtauglichkeitsprüfung der eigenen Apotheke durchzuführen – ob im Hinblick auf Personalbindung, Standortprofil, Leistungsangebot oder digitale Infrastruktur. Auch der Dialog mit der Steuerberatung sollte neu aufgesetzt werden: Wie lassen sich Szenarien wie neue Zuzahlungslogiken, Botendienstpauschalen oder pauschalisierte Vergütungen modellieren?

Mindestens ebenso wichtig ist die Führungsebene. Wenn neue Aufgaben delegiert werden müssen – etwa Impfungen, Notfallberatung, präventive Medikationschecks – braucht es ein Team, das nicht nur fachlich fit, sondern auch führungsfähig ist. Das bedeutet nicht zwingend mehr Personal, wohl aber gezieltere Fortbildungen, klare Rollenverteilung und ein stabiles Vertrauen zwischen Inhaber und Mitarbeitenden. Wer heute nur auf das Apothekenpersonal schaut, ohne es gezielt auf morgen vorzubereiten, wird im Reformbetrieb nicht mehr operativ mithalten können.

Gleichzeitig gilt: Keine Reform kommt ohne Kommunikation aus. Apotheken sollten nicht nur intern reagieren, sondern extern gestalten – über Kammern, Verbände und Fachgremien. Die Perspektive der Vor-Ort-Apotheke muss im Gesetzgebungsprozess sichtbar sein, auch wenn das politische Timing eng bleibt. Ebenso zentral ist die Kommunikation mit Patienten und Kooperationspartnern: Was kommt auf uns zu, was bedeutet das für die Versorgung, warum sind wir vorbereitet? Wer hier souverän und offen informiert, stärkt seine Position als Gesundheitsakteur in der Region.

Insgesamt offenbart sich die derzeitige Zwischenphase als paradox: Es ist wenig konkret bekannt – und doch sind die Vorbereitungen jetzt entscheidend. Die Politik arbeitet im Sprint, die Apotheke muss im Dauerlauf mithalten. Die anstehende Reform ist kein isoliertes Ereignis, sondern ein Prüfstein für unternehmerische Wachsamkeit, strategische Führung und systematische Selbstprüfung. Apotheken, die diesen Moment für zukunftsgerichtete Entscheidungen nutzen, positionieren sich nicht nur resilient – sie definieren aktiv mit, wie Versorgung morgen aussehen soll.

 

Gespräche mit Wirkung, Notdienst mit Symbolkraft, Bürokratie mit Bremswirkung

Wie Apothekerpräsident Ude und Staatsminister Meister im Kanzleramt Prioritäten setzen, den 24/7-Dienst politisch aufwerten und auf gesetzliche Umsetzung drängen

Zwischen strategischer Interessenvertretung und politischer Zuständigkeit treffen sich zwei gewichtige Akteure im Berliner Machtzentrum: Der Präsident der Landesapothekerkammer Hessen, Dr. Christian Ude, und der für die Bund-Länder-Koordination zuständige Staatsminister im Bundeskanzleramt, Dr. Michael Meister, haben im Kanzleramt ein deutliches Zeichen gesetzt. Der Austausch über die Zukunft der Arzneimittelversorgung geriet dabei nicht zum formellen Pflichttermin, sondern wurde zum Impulsgeber für konkrete Umsetzungserwartungen – und eine politische Positionsbestimmung im Interesse der Vor-Ort-Apotheken.

Schon beim Besuch in Udes Darmstädter Apotheke hatte Meister signalisiert, wie eng er die Belange der Apotheken mit den strategischen Fragen der nationalen Gesundheitsarchitektur verknüpft. Nun, bei der Fortsetzung des Gesprächs auf bundespolitischem Terrain, legten beide den Fokus auf die Rolle der Apotheke in einer Zeit zunehmender Versorgungsspannung und regulatorischer Engführung. Ude nutzte die Gelegenheit, um ein politisches Versprechen einzufordern: Die vielfach angekündigten Reformschritte von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) müssten nicht nur in Worten überzeugen, sondern endlich in Gesetzesform gegossen werden – pragmatisch, präzise und umsetzbar.

Dabei ging es nicht nur um Geld und Strukturreform, sondern um die Sichtbarkeit und die Systemrelevanz der Apotheke im gesellschaftlichen Gesamtgefüge. Für Staatsminister Meister ist der Apothekennotdienst mehr als nur ein Versorgungsdetail – er markiert ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber rein digitalen Versendern, ein Alleinstellungsfaktor, der politischen Schutz verdient. Der flächendeckende 24/7-Bereitschaftsdienst, den die Vor-Ort-Apotheken trotz steigender Lasten aufrechterhalten, sei Ausdruck des öffentlichen Vertrauens und funktionaler Stabilität in kritischen Lagen.

Doch nicht nur klassische Gesundheitsfragen standen auf der Tagesordnung. Ude machte deutlich, dass die Apotheken weit mehr sind als Medikamentenausgabestellen – sie sind Infrastrukturelemente mit Sicherheitsbedeutung. Im Krisen- und Verteidigungsfall, etwa bei Blackout-Szenarien oder Mobilmachungen, könne auf das dichte Netz der Apotheken nicht verzichtet werden. Diese strategische Reservefunktion verdiene Anerkennung in nationalen Resilienzplänen.

Auch organisatorisch bewegt sich die Landschaft. Staatsminister Meister kündigte an, dass neben dem BMG künftig auch das neu geschaffene Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung als Ansprechpartner für die Apotheken fungieren werde. Das eröffnet Spielräume – etwa für die dringend nötige Entbürokratisierung, für vernetzte Notfalldienste und eine interoperable Arzneimittelinfrastruktur.

Beide Seiten zeigten sich gesprächsbereit, lösungsorientiert und auf Umsetzungsrealität bedacht. Udes Forderung, dass politische Absichtserklärungen keine Verfallsdaten mehr tragen dürfen, sondern rechtssichere Grundlage für das Handeln vor Ort werden müssen, blieb nicht als Forderung im Raum stehen. Meister sicherte zu, die spezifischen Herausforderungen der Apothekerschaft in die weitere Regierungsarbeit einzubringen. In einer Lage, in der Apotheken unter wachsendem Druck stehen, bleibt der direkte Draht ins Kanzleramt ein strategischer Vorteil – wenn er mit Taten unterlegt wird.

 

Bornavirus bedroht Mensch und Tier, Diagnostik bleibt träge, Haustierkontakt wird zum

Wie das Borna-Virus in Deutschland zirkuliert, warum Katzen eine unterschätzte Infektionsquelle sind und wieso medizinische Frühwarnsysteme versagen

Bornavirus-Infektionen beim Menschen sind extrem selten – aber fast immer tödlich. Die Tatsache, dass in sieben von acht untersuchten Todesfällen ein enger Kontakt zu Katzen nachgewiesen wurde, hat dem zoonotischen Risiko des Virus neue Aufmerksamkeit verschafft. Im Mittelpunkt steht dabei die Feldspitzmaus als natürlicher Reservoirwirt, die das Virus unauffällig trägt und durch ihre Ausscheidungen weitergibt. Dass Haustierkatzen mit ihrer Jagd auf genau diese Mäuse zu indirekten Überträgern auf den Menschen werden, ist eine stille Gefahr, die bislang kaum in den Fokus der breiten Gesundheitskommunikation rückte. Die epidemiologischen Hinweise des Robert Koch-Instituts sind eindeutig – ebenso wie die biologische Logik: Der Weg vom infizierten Tier zur tödlich verlaufenden Gehirnentzündung beim Menschen ist kurz, heimlich und medizinisch kaum zu stoppen.

Besonders in den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, wo sowohl hohe Feldspitzmausdichte als auch ländliche Haustierhaltung zusammentreffen, steigt das Risiko unbemerkt. Schon 2018 wurde das Virus, das ursprünglich vor allem als veterinärmedizinisches Problem bei Pferden und Schafen bekannt war, erstmals beim Menschen eindeutig diagnostiziert. Seitdem häufen sich die retrospektiven Fallanalysen – und mit ihnen die Belege dafür, dass Katzen in bestimmten Regionen Deutschlands epidemiologisch als „fehlgeleitete Mittler“ gelten müssen. Die unspezifischen Frühsymptome wie Kopfschmerzen, Fieber oder Wesensveränderung erschweren die Früherkennung zusätzlich. Eine wirksame antivirale Therapie gibt es bis heute nicht – in über 90 Prozent der Fälle verläuft die Erkrankung tödlich. Damit ist das Bornavirus nicht nur ein Paradebeispiel für die Lücken in der Zoonoseüberwachung, sondern auch ein medizinischer Ernstfall, dem bislang jeder systemische Interventionsmechanismus fehlt.

Dramatisch ist dabei die träge Reaktion der Gesundheitskommunikation: Während das RKI statistische Warnungen ausspricht, fehlt es auf Landesebene an gezielten Aufklärungskampagnen für Tierhalter, insbesondere im Bereich der Katzenhaltung. Die Vorstellung, dass Streicheln, Kuscheln oder das Entsorgen von Mäuseresten über das Haustier zur tödlichen Infektion führen kann, scheint immer noch im Bereich des Unvorstellbaren. Dabei ist genau diese Vorstellung längst virologische Realität. Auch Hygieneverhalten und Aufklärungsstrategien in Tierarztpraxen bleiben hinter dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand zurück. Derzeit gibt es keine verpflichtenden Routinetests oder standardisierten Meldestrukturen für Bornavirusfälle bei Katzen – ein Versäumnis, das bei zoonotischen Hochrisikoinfektionen wie dieser kaum nachvollziehbar ist.

In der konkreten Prävention bleibt damit nur eine schlichte, aber wirkungsvolle Empfehlung: Katzen in Risikogebieten sollten möglichst nicht unbeaufsichtigt jagen dürfen. Der Kontakt mit Beutetieren – insbesondere mit Mäusen – muss vermieden werden, auch wenn dies der natürlichen Lebensweise der Tiere widerspricht. Für Tierhalter wiederum gilt: Symptome wie Orientierungslosigkeit, Lethargie oder plötzliche Verhaltensänderungen bei der Katze sollten Anlass für einen tierärztlichen Check sein – und ungewöhnliche neurologische Symptome beim Menschen mit dem regionalen Vorkommen des Bornavirus in Verbindung gebracht werden. Hier sind auch Hausärzte gefordert, ihr Bewusstsein für diese Infektionsmöglichkeit zu schärfen.

Doch letztlich verweist der Fall auf ein größeres Problem: Zwischen Tiermedizin, öffentlichem Gesundheitsdienst und hausärztlicher Versorgung klafft beim Thema Zoonosen eine Lücke. Das Bornavirus macht sie schmerzhaft sichtbar. Es ist nicht der häufige Erreger, der das System testet – sondern der extrem seltene, aber tödliche. In Zeiten zunehmender Mensch-Tier-Interaktion, wachsender Biodiversitätsverluste und sich verschiebender klimatischer Bedingungen wird genau diese Schnittstelle zur Achillesferse moderner Infektionsmedizin.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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