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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Die Apotheke der Zukunft entsteht im Spannungsfeld zwischen Versandhandel, Digitalisierungspflichten und Versorgungssicherheit. Die Allianz wirbt für eine neue Rezeptabwicklung ohne Vorkasse, doch das vermeintliche Patientenversprechen entpuppt sich als Plattformdeal mit der umstrittenen Shop Apotheke. Währenddessen steigen psychische Belastungen im Gesundheitswesen drastisch, besonders bei Apothekenpersonal und Pflegekräften. Parallel dazu verlagert sich das Patientenverhalten langsam, aber erkennbar: Immer mehr Menschen nutzen digitale Bestellwege, doch die persönliche Abholung dominiert weiterhin. Hinzu kommen neue regulatorische Hürden wie die gesetzlich verpflichtende Barrierefreiheit für Apothekenwebseiten. Pharmaunternehmen wie Merck sehen sich geopolitischen Risiken ausgesetzt, während klinische Standards bei Medikamentendosierung, etwa von Aciclovir bei Adipositas, überarbeitet werden müssen. Zwischen politischen Interessen, Plattformlobbys und wachsendem Misstrauen muss sich die Apotheke neu definieren.
Ohne Vorauskasse zum Medikament, Allianz kooperiert mit Versandapotheke
Was für Patienten praktisch klingt, ruft in Vor-Ort-Apotheken Empörung hervor.
Ein Schreiben der Allianz sorgt für Unruhe in der Apothekenlandschaft. Was auf den ersten Blick wie ein Serviceversprechen klingt – die Direktabrechnung ärztlich verordneter Arzneimittel ohne Vorkasse – entpuppt sich beim genaueren Hinsehen als Kooperation mit einem der umstrittensten Akteure des Versandhandels: Shop Apotheke. Damit folgt der private Krankenversicherer einem wachsenden Trend, digitale Schnittstellen zum Medikamentenbezug zu nutzen – und stößt bei Apothekenkunden, insbesondere solchen mit pharmazeutischem Berufshintergrund, auf erheblichen Widerstand.
Auf der Vorderseite des Kundenschreibens betont die Allianz die Vorteile der neuen Lösung: Kein Papierkram mehr, kein Geld vorstrecken, keine Rechnungen einreichen – der Aufwand für die Versicherten soll auf ein Minimum sinken. Im Hintergrund jedoch steht ein exklusives Abrechnungsmodell, das direkt mit Shop Apotheke verknüpft ist. Die digitale Abwicklung verspricht Komfort, doch sie umgeht systematisch die klassischen Abgabestrukturen stationärer Apotheken. Damit stellt sich für viele Apothekerinnen und Apotheker nicht nur die Frage nach einem potenziellen Wettbewerbsnachteil, sondern auch nach der Rolle ihrer eigenen Versicherung in einer zunehmend digitalisierten und monopolisierten Versorgungswelt.
Die Allianz bleibt auf Nachfrage zu den Beweggründen ihrer Kooperation vage. Es gehe um Kundenzufriedenheit, Effizienz und moderne Servicekonzepte. Dass dabei ein Onlineversender bevorzugt wird, ist kein Zufall – die technische Infrastruktur und Skaleneffekte ermöglichen eine flächendeckende Umsetzung mit vergleichsweise geringem Aufwand. Für die Vor-Ort-Apotheken bedeutet das jedoch eine weitere Verschiebung der Versorgungshoheit zugunsten zentralisierter Plattformmodelle, die auf Sicht ganze Geschäftsmodelle obsolet machen könnten.
Besonders brisant: Unter den betroffenen Versicherten befinden sich auch zahlreiche selbständige Apothekerinnen und Apotheker, die nun erleben, wie ihre eigene Krankenversicherung direkt mit einem Wettbewerber kooperiert. In internen Branchenforen ist bereits von einem „Vertrauensbruch“ die Rede. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie sieht in der Allianz-Initiative einen weiteren Beleg für die schleichende Verdrängung der wohnortnahen Versorgung. Politische Forderungen nach fairen Rahmenbedingungen verhallen bislang ungehört.
Die Kooperation ist kein Einzelfall. Andere Versicherer testen ähnliche Modelle, die über spezielle Apps, digitale Rezeptübermittlungen oder Direktabrechnungsoptionen mit einzelnen Versandapotheken laufen. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens schreitet voran, doch der Preis dafür könnte hoch sein: Wenn Versicherungen, Tech-Plattformen und Versender den Ton angeben, bleibt die Beratung vor Ort, die Versorgungssicherheit und das pharmazeutische Gewissen zunehmend auf der Strecke.
Die Allianz hat sich entschieden. Und sie hat damit auch Stellung bezogen – gegen eine flächendeckende, niedrigschwellige Arzneimittelversorgung durch inhabergeführte Apotheken. Dass ein Versicherer, der in seiner Außendarstellung auf Nähe, Vertrauen und Sicherheit setzt, ausgerechnet mit einem Konzern kooperiert, der wie kaum ein anderer für die Erosion stationärer Versorgungsstrukturen steht, ist mehr als ein Betriebsunfall. Es ist eine bewusste Weichenstellung.
Die Legitimation erfolgt unter dem Banner des Komforts. Niemand soll mehr in Vorleistung treten, niemand Belege sammeln müssen. Dass damit nicht nur Abläufe, sondern auch Geschäftsmodelle neu geordnet werden, scheint kein Nebeneffekt, sondern strategisches Ziel zu sein. Denn wer Arzneimittel ausschließlich über digitale Plattformen bezieht, wer Service mit Geschwindigkeit und Kundenbindung mit API-Integration verwechselt, wird am Ende nicht mehr wählen können – weder frei noch wohnortnah.
Besonders pikant: Die Allianz verdient doppelt – durch neue Partnerstrukturen und durch eine Versorgungslogik, die Prävention und Beratung dem Algorithmus unterordnet. Wer als Apothekerin oder Apotheker jahrzehntelang Beiträge in ein System zahlt, das nun einen strukturellen Wettbewerber bevorzugt, darf sich zurecht fragen, für wen diese Versicherung eigentlich arbeitet.
Wenn Versicherer beginnen, die Grundpfeiler des Versorgungswesens gegen eigene Effizienzgewinne einzutauschen, ist das mehr als ein Markttrend. Es ist eine politische und gesellschaftliche Weichenstellung, deren Konsequenzen weit über die Apotheke hinausreichen. Der Gesetzgeber täte gut daran, die neuen Plattformallianzen nicht als Innovation, sondern als drohende Monopolisierung zu betrachten. Denn was heute komfortabel scheint, könnte morgen der letzte Schritt in eine Versorgung sein, die keiner mehr steuern kann – außer denen, die sie besitzen.
Rekord bei Fehltagen, hohe Belastung im Gesundheitswesen, psychische Erkrankungen nehmen zu
In Rheinland-Pfalz steigt der Arbeitsausfall durch Depressionen – besonders im Gesundheitsbereich dramatisch
In Rheinland-Pfalz wird eine Entwicklung sichtbar, die weit über regionale Besonderheiten hinausweist: Beschäftigte im Gesundheitswesen sind 2024 mit Abstand am häufigsten wegen psychischer Erkrankungen krankgeschrieben. Wie aus dem aktuellen Gesundheitsreport der DAK-Gesundheit hervorgeht, entfielen im Gesundheitswesen auf 100 Beschäftigte 489 Fehltage aufgrund psychischer Diagnosen wie Depressionen, Angst- oder Belastungsstörungen. Das ist nicht nur der höchste Wert im Branchenvergleich, sondern auch ein deutliches Alarmsignal für die gesamte Versorgungsstruktur.
Die Zahlen stammen aus einer Analyse des IGES-Instituts im Auftrag der Krankenkasse und basieren auf Daten von rund 146.000 DAK-versicherten Arbeitnehmern in Rheinland-Pfalz. Der landesweite Durchschnitt aller Branchen liegt bei 364 Tagen – damit ragt das Gesundheitswesen mit einem Plus von rund 34 Prozent heraus. Auch im bundesweiten Vergleich steht Rheinland-Pfalz mit durchschnittlich 342 psychisch bedingten Fehltagen pro 100 Beschäftigte über dem Schnitt.
An zweiter Stelle der besonders betroffenen Berufsgruppen liegt die öffentliche Verwaltung mit 423 Fehltagen, während das Baugewerbe mit nur 167 Tagen weit abgeschlagen erscheint. Die Kluft zwischen Gesundheitsberufen und anderen Branchen wächst – und mit ihr der Druck auf Pflegekräfte, medizinisches Personal und die Versorgungsqualität in Kliniken, Praxen und Pflegeeinrichtungen.
Psychische Erkrankungen sind inzwischen die dritthäufigste Ursache für Arbeitsausfälle in Rheinland-Pfalz – nur Erkrankungen des Atmungsapparats sowie des Muskel-Skelett-Systems führen zu mehr Fehltagen. Doch während körperliche Beschwerden wie Rückenprobleme längst enttabuisiert sind und mit breiter Aufklärung begegnet werden, bleibt das Thema psychische Gesundheit vielfach unterbeleuchtet.
DAK-Landeschef Rainer Lange fordert eine gesellschaftliche Wende im Umgang mit seelischer Gesundheit. Neben verstärkter Aufklärung müsse die mentale Prävention systematisch in den Arbeitsalltag integriert werden. Es dürfe nicht länger einen Unterschied machen, ob jemand mit einem Bandscheibenvorfall oder mit einer Depression ausfällt – weder im Gespräch, noch in der Versorgung oder im betrieblichen Umgang.
Die Zahlen werfen ein Schlaglicht auf strukturelle Missstände. Die Anforderungen in medizinischen Berufen steigen stetig, doch die psychologische Belastbarkeit des Personals scheint diesen Druck immer weniger abfangen zu können. In einem System, das rund um die Uhr auf Effizienz und Versorgungssicherheit getrimmt ist, bleibt für mentale Gesundheit wenig Raum. Fehltage aufgrund psychischer Diagnosen sind damit nicht nur Ausdruck individueller Erschöpfung, sondern ein Symptom institutioneller Überlastung.
Ohne gezielte Prävention, entlastende Strukturen und eine offene Debatte über mentale Erkrankungen droht der Personalmangel in den Gesundheitsberufen weiter zuzunehmen. Die aktuelle Entwicklung ist keine Momentaufnahme – sie ist Teil eines Trends, der längst auch ökonomische und versorgungspolitische Konsequenzen hat.
Die Zahlen aus Rheinland-Pfalz sind kein isolierter Ausrutscher, sondern ein systemischer Hilferuf. Wenn beinahe jeder zweite Tag, den eine Pflegekraft oder ein medizinischer Angestellter im Jahr fehlt, auf eine psychische Erkrankung zurückzuführen ist, liegt der Fehler nicht beim Individuum, sondern im System. Der Bericht der DAK zeigt in schmerzlicher Klarheit, was lange ignoriert wurde: Der Mensch im Gesundheitswesen hält nicht mehr stand – nicht körperlich, nicht psychisch und schon gar nicht organisatorisch.
Die Formel, wonach steigende Belastung mit struktureller Belastbarkeit kompensiert werden kann, funktioniert nicht mehr. Klinikpersonal und Pflegekräfte sollen Patienten auffangen, während niemand sie selbst auffängt. Die permanente Konfrontation mit Leid, Tod, bürokratischer Überlastung und Personalmangel frisst sich tief in die psychische Substanz. Wer heute an Depression erkrankt, ist nicht krank, weil er schwach ist – sondern weil ein überforderndes System ihn krank gemacht hat.
Dass das Baugewerbe im Vergleich nur ein Drittel der Fehlzeiten aufweist, ist bezeichnend. Die körperlich anstrengende Arbeit schützt offenbar mehr als der psychische Druck in Pflege und Medizin. Die emotionale Daueranspannung, die strukturelle Geringschätzung des Personals und das fehlende öffentliche Bewusstsein für mentale Erschöpfung kulminieren in einem Zustand permanenter Überforderung.
Was fehlt, ist keine Analyse – was fehlt, ist Handlung. Die Forderung der DAK, psychische Erkrankungen endlich genauso offen zu behandeln wie physische, ist nicht neu, aber sie wird dringlicher. Mental Health gehört nicht in Kampagnen, sondern in Strukturen. Solange es für den Grippeschutz betriebliche Strategien, für Burnout aber Schweigen gibt, bleibt jede Statistik ein Beleg für politisches Versagen.
Diese Fehlzeiten sind mehr als Zahlen – sie sind ein stiller Aufschrei. Und wer sie überhört, riskiert nicht nur das Personal, sondern die Versorgung aller.
E-Rezept, Arzneiversand, Apothekenlogistik
Gesund.de zeigt: Die Mehrheit holt Arzneien selbst, doch Lieferservices werden zum strategischen Erfolgsfaktor
Die Digitalisierung verändert das Bestellverhalten, doch sie entkoppelt es nicht von der persönlichen Apotheke vor Ort. Eine umfassende Datenauswertung der Plattform Gesund.de belegt: Zwar nutzen immer mehr Menschen digitale Wege, um ihre Medikamente zu bestellen – doch die überwältigende Mehrheit wählt weiterhin die persönliche Abholung in der Apotheke. Rund 81 Prozent der analysierten Online-Bestellungen zwischen Januar 2024 und März 2025 endeten nicht an der Haustür, sondern am Apothekentresen. Nur knapp 19 Prozent der Bestellungen wurden per Botendienst ausgeliefert. Trotzdem zeigt sich ein auffälliger Trend: Der Lieferservice wächst – besonders dort, wo Distanz, Alter, Zeitmangel oder Krankheitslast ihn notwendig machen.
Diese Verschiebung dokumentiert ein Wandel im Apothekenmarkt, der sich schleichend, aber deutlich vollzieht. Mit über einer Million Transaktionen, die in die Auswertung eingeflossen sind, entsteht ein differenziertes Bild des Nutzerverhaltens. Die Zahlen zeigen, dass digitale Bestellwege keineswegs zwangsläufig den klassischen Versandhandel begünstigen. Vielmehr kombinieren Patienten moderne Bestellung mit lokalem Bezug – ein Verhalten, das den Apotheken vor Ort strategische Chancen eröffnet.
Denn obwohl der Anteil des Botendienstes im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt wurde, bleibt das Bedürfnis nach persönlicher Beratung, Verlässlichkeit und schneller Verfügbarkeit zentral. Gerade Menschen mit chronischen Erkrankungen, Eltern mit akut erkrankten Kindern oder Vielreisende mit enger Zeitplanung profitieren vom Botendienst – allerdings nur, wenn er gut organisiert, schnell und sicher verfügbar ist. Das Angebot solcher Dienste wird damit zum entscheidenden Faktor für die Zukunftsfähigkeit vieler Apotheken, insbesondere im ländlichen Raum.
Dort, wo die Wege weit sind, ist der Servicebedarf besonders hoch. In überwiegend ländlichen Regionen beträgt die Quote des Botendienstes bei Online-Bestellungen laut Gesund.de bereits 27 Prozent. In teilstädtischen Gebieten sind es 22 Prozent, in städtischen Ballungsräumen hingegen nur 16 Prozent. Die physische Distanz zur nächsten Apotheke ist damit ein klarer Treiber für die Nachfrage. Gleichzeitig spielt die demografische Struktur eine Rolle: Alte Menschen, Menschen mit Mobilitätseinschränkungen und Pflegebedürftige profitieren von der wohnortnahen Versorgung per Bote – vorausgesetzt, die Apotheke kann diesen Service wirtschaftlich aufrechterhalten.
Apotheker Gerald Göbel von der Rochus Vital Apotheke im Globus Neustadt bestätigt diese Entwicklung aus der Praxis. Zwar freue er sich über jeden persönlichen Kontakt mit seinen Kundinnen und Kunden – doch die Nachfrage nach dem Botendienst steige spürbar. Sein Haus liefert deshalb gezielt an Pflegeeinrichtungen, Stammkunden und Eltern, die keine Möglichkeit haben, spontan zur Apotheke zu kommen.
Im Hintergrund wirken dabei mehrere Entwicklungen zusammen: Das E-Rezept erhöht den Anteil digitaler Bestellungen, weil der persönliche Arztkontakt entfällt. Gleichzeitig geraten Apotheken durch Lieferengpässe, Krankenkassenretaxationen und steigende Personalkosten unter Druck – was wiederum eine effizientere Organisation der Versorgungslogistik erforderlich macht.
Gesund.de will sich nach eigenen Angaben künftig noch stärker auf diesen Hybridansatz fokussieren: digitale Bestellung, lokale Versorgung, schnelle Lieferung. Die Plattform agiert dabei als technisches Bindeglied zwischen Patienten, Arztpraxis und Apotheke. Entscheidend bleibt aber, wie gut die Apotheken vor Ort diese Infrastruktur nutzen – nicht nur technisch, sondern auch strategisch.
Die Zahlen zeigen deutlich: Der Botendienst ist keine Spielart des Versandhandels, sondern eine Notwendigkeit für eine flächendeckende Versorgung, die den Menschen gerecht wird, die besonders angewiesen sind – ob wegen Krankheit, Alter oder mangelnder Mobilität. Und er ist ein Indikator dafür, ob die Apotheke vor Ort es schafft, die digitale Wende mit ihrer persönlichen Stärke zu verbinden. Wer beides kann – Technik und Nähe – wird im Wettbewerb bestehen. Wer nur auf eines setzt, riskiert den Anschluss.
Es klingt paradox, ist aber eine strategische Chance: Die Digitalisierung treibt die persönliche Bindung zur Apotheke nicht zurück, sondern stärkt sie. Während im Onlinehandel oft der Preis entscheidet, suchen Patientinnen und Patienten bei ihrer Apotheke vor Ort nach Sicherheit, Verlässlichkeit und realer Hilfe – auch dann, wenn sie digital bestellen. Dass über 80 Prozent der Bestellungen über Gesund.de in der Apotheke abgeholt werden, ist kein Zufall, sondern Ausdruck eines anhaltenden Vertrauensvorschusses.
Doch dieser Vertrauensvorschuss verpflichtet. Apotheken, die sich auf ihrer lokalen Präsenz ausruhen, werden den Wandel nicht überstehen. Die Zahlen zeigen unmissverständlich, dass sich das Verhalten der Patientinnen und Patienten verändert – nicht in Richtung Versandhandel, aber sehr wohl in Richtung bequemer, schneller und digital gestützter Prozesse. Der Botendienst wird zur logistischen Notwendigkeit, nicht zur optionalen Zusatzleistung.
Der Wettbewerb im Apothekenmarkt wird sich nicht zwischen digital und stationär entscheiden, sondern zwischen flexibel und starr. Wer es schafft, die technische Infrastruktur sinnvoll mit lokaler Versorgung zu verbinden, wird überleben. Wer an alten Prozessen festhält, wird von Plattformen wie Shop Apotheke oder Amazon überrollt.
Es geht nicht um Technik um der Technik willen. Es geht um die Frage, wie gut Apotheken in der Lage sind, strukturelle Veränderungen mitzugestalten, ohne ihre eigene Identität zu verlieren. Der Botendienst ist dabei kein Versandhandelsersatz, sondern ein Integrationsinstrument für moderne Versorgung – besonders in Regionen, in denen es sonst gar keine Alternative gibt.
Die Politik täte gut daran, diesen Trend nicht mit pauschalen Förderversprechen zu begleiten, sondern mit konkreten Rahmenbedingungen, die den Botendienst rechtssicher und finanzierbar machen. Denn ohne Unterstützung droht vielen Apotheken die betriebswirtschaftliche Überforderung: Die Lieferungen kosten Personal, Zeit, Sprit und Logistik – und stehen oft in keiner Relation zur Vergütung.
Gesund.de liefert mit seiner Auswertung ein deutliches Signal: Die Apotheke der Zukunft wird nicht digital oder analog sein – sondern beides. Sie wird nicht versenden oder beraten – sondern verbinden. Und sie wird nicht zentralisiert oder ausgelagert – sondern lokal organisiert, aber digital gestützt agieren müssen. Wer das versteht, hat eine Chance. Wer das ignoriert, verliert.
Warken, Kassenfinanzierung, Reformpläne
Apothekenstärkung als Grundpfeiler: CDU-Politikerin stellt Regierungsprogramm vor
Die CDU-Politikerin Nina Warken hat im Bundestag ein neues Regierungsprogramm vorgestellt, das die flächendeckende Arzneimittelversorgung in den Mittelpunkt rückt. In ihrer Rede betonte sie die Relevanz der Vor-Ort-Apotheken als unverzichtbaren Baustein der gesundheitlichen Daseinsvorsorge. Ihre Initiative ist nicht nur als Antwort auf die wiederkehrenden Lieferengpässe und den anhaltenden Apothekenrückgang zu verstehen, sondern auch als Reaktion auf die finanziellen Schieflagen der gesetzlichen Krankenkassen.
Warken schlägt ein Bündel an strukturellen Maßnahmen vor: Dazu gehören eine Anhebung des Fixhonorars, neue Investitionszuschüsse für Apotheken im ländlichen Raum und eine verpflichtende Einbindung der Apotheken in regionale Versorgungsverträge. Sie fordert außerdem, dass Apotheken stärker in die Digitalisierungsagenda des Gesundheitswesens integriert werden. Die CDU will eine gesetzliche Grundlage für den flächendeckenden Einsatz von Telepharmazie schaffen, jedoch nicht als Ersatz für persönliche Beratung, sondern als ergänzendes Angebot.
Ein zentrales Anliegen des Programms ist die Stabilisierung der Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen. Warken fordert eine ehrliche Analyse der bisherigen Beitragspolitik und kritisiert die politische Blockadehaltung gegenüber nachhaltigen Strukturreformen. Die Union wolle die Beiträge stabil halten, ohne dabei die Versorgung auszuhöhlen. Dazu sei es notwendig, die Rolle der Apotheken nicht nur funktional, sondern auch wirtschaftlich abzusichern. Besonders der Versandhandel dürfe die stationären Apotheken nicht durch einseitige Regelungen weiter unter Druck setzen.
Apothekeninhaber und Branchenvertreter zeigten sich verhalten optimistisch. Die Vorschläge Warkens markieren eine Abkehr von der rein verwaltungstechnischen Betrachtung pharmazeutischer Leistungen hin zu einem systemischen Verständnis von Apotheken als Gesundheitsakteuren. Der Deutsche Apothekerverband kündigte an, die Details genau zu prüfen und forderte eine schnelle Umsetzung konkreter Entlastungsmaßnahmen.
Warken betonte zum Abschluss ihrer Rede, dass ohne stabile Apotheken vor Ort weder die Versorgung alter Menschen, noch die Umsetzung neuer Aufgaben wie pharmazeutische Dienstleistungen oder Pandemievorsorge gelingen könne. Die CDU wolle deshalb in der nächsten Legislaturperiode verbindliche Leitplanken für eine zukunftsfeste Apothekenstruktur im Gesetz verankern.
Warkens Vorstoß kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Gesundheitsversorgung vielerorts auf Kante genäht ist. Die Apotheken befinden sich im Zangengriff aus Personalmangel, steigender Regulierungsdichte und ökonomischem Druck. Dass eine profilierte CDU-Politikerin nun die politische Mitte sucht und die Bedeutung der Apotheken wieder in den Mittelpunkt stellt, ist kein Zufall, sondern kalkuliertes Signal: Es geht um die Wiederherstellung einer Versorgungsordnung, die nicht dem Markt überlassen bleiben darf.
Die wirtschaftliche Sicherung der Apotheken ist längst kein branchenspezifisches Anliegen mehr, sondern eine gesamtgesellschaftliche Frage. Wenn ländliche Regionen dauerhaft keine Apotheke mehr haben, ist das nicht nur ein Standortnachteil, sondern ein struktureller Bruch in der Gesundheitsarchitektur. Warken erkennt diesen Zusammenhang und versucht, ihn in politische Leitlinien zu übersetzen. Der Erfolg wird sich jedoch nicht an Reden, sondern an der gesetzlichen Umsetzung messen lassen. Ob die CDU dazu bereit ist, Prioritäten auch gegen Widerstände durchzusetzen, bleibt offen.
Es ist zu begrüßen, dass die Diskussion um das Fixhonorar, die Digitalisierung und die Versorgungssicherheit in einem Zusammenhang gedacht wird. Doch solange die Krankenkassen weiterhin über Retaxationen und Leistungskürzungen entscheiden, bleibt jede Reform auf wackligem Fundament gebaut. Warken hat einen Rahmen gesetzt – jetzt muss dieser mit mutigen, konkreten Gesetzesinitiativen gefüllt werden. Alles andere wäre Kosmetik.
Merck senkt Prognose, warnt vor Trump und setzt auf SpringWorks
Trotz starkem Quartalsergebnis sorgt US-Politik für Unsicherheit im Exportgeschäft
Der Pharma- und Technologiekonzern Merck hat seine Umsatz- und Gewinnprognose für das laufende Geschäftsjahr gesenkt und verweist dabei explizit auf die zunehmenden geopolitischen Spannungen, insbesondere die US-Zollpolitik unter Donald Trump. Zwar legte das Darmstädter Dax-Unternehmen im ersten Quartal operativ zu, doch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im internationalen Geschäft sorgen für erhebliche Unsicherheit. Neben dem volatilen Wechselkurs des US-Dollar belasten vor allem mögliche neue Einfuhrzölle auf medizinische Produkte das Geschäft mit Laborausrüstung – ein Bereich, in dem Merck bislang besonders stark war.
Für das Gesamtjahr erwartet Merck nun einen Umsatz zwischen 20,9 und 22,4 Milliarden Euro – deutlich weniger als die zuvor prognostizierten 21,5 bis 22,9 Milliarden Euro. Auch das operative Ergebnis (bereinigtes Ebitda) soll mit 5,8 bis 6,4 Milliarden Euro niedriger ausfallen als bislang angenommen. Vorstandschefin Belén Garijo versuchte trotz der Korrektur Zuversicht zu verbreiten und verwies auf strategische Weichenstellungen: Mit der Übernahme des US-Krebsspezialisten SpringWorks Therapeutics für mehrere Milliarden Euro wolle man das Pharmageschäft in Nordamerika weiter stärken – trotz aller protektionistischen Signale aus Washington.
Insbesondere der Laborausrüstungsbereich, zu dem unter anderem Einwegbehälter für die Arzneimittelproduktion und Wasseraufbereitungsanlagen zählen, ist von Trumps Zollpolitik betroffen. Zwar sind Medikamente bislang weitgehend zollfrei, doch der ehemalige Präsident hat mehrfach angekündigt, auch Arzneimittelimporte ins Visier zu nehmen. Zugleich will er die Medikamentenpreise in den USA drastisch senken – ein weiterer Unsicherheitsfaktor für exportierende Konzerne wie Merck. Dass Trump abermals als Präsidentschaftskandidat auftritt und an Einfluss gewinnt, lässt die wirtschaftliche Planbarkeit für international tätige Unternehmen weiter schwinden.
Merck erzielt rund ein Viertel seines Gesamtumsatzes in Nordamerika. Die aktuellen Wechselkursverluste des Dollar gegenüber dem Euro reduzieren bei der Umrechnung in die Konzernbilanz direkt den ausgewiesenen Umsatz und Gewinn. Die Kombination aus politischer Unsicherheit und finanzieller Volatilität ist deshalb für das Darmstädter Unternehmen ein doppelter Belastungsfaktor.
Gleichwohl lieferte Merck im ersten Quartal robuste Zahlen: Der Umsatz stieg im Jahresvergleich um rund drei Prozent auf 5,28 Milliarden Euro. Das bereinigte Ebitda legte sogar um knapp sechs Prozent auf 1,54 Milliarden Euro zu – ein Ergebnis, das die Erwartungen der Analysten übertraf. Unter dem Strich blieben 738 Millionen Euro Gewinn, nach 699 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Die Nachfrage in der Laborsparte, insbesondere für Anwendungen rund um die Arzneimittelproduktion, blieb stabil. Auch im Bereich Halbleitermaterialien profitierte Merck von der gestiegenen Nachfrage im Zuge des KI-Booms.
Der strategische Kurs, trotz belasteter Prognose auf internationale Expansion und Innovation zu setzen, dürfte das Unternehmen mittelfristig absichern. Doch kurzfristig muss Merck mit einem wirtschaftlich unberechenbaren Umfeld zurechtkommen, das nicht allein durch Marktentwicklung, sondern zunehmend durch politische Unwägbarkeiten geprägt ist.
Was auf den ersten Blick wie eine vorsichtige Anpassung der Geschäftserwartungen wirkt, offenbart bei genauerer Betrachtung eine fundamentale Verschiebung im internationalen Wirtschaftsklima: Der Dax-Konzern Merck sieht sich nicht primär durch Marktkräfte oder Produktnachfrage zu einer Korrektur gezwungen, sondern durch die politischen Impulse eines US-Präsidenten, der längst wieder zum geopolitischen Risikofaktor avanciert ist. Donald Trump, dessen wirtschaftspolitischer Nationalismus bereits in seiner ersten Amtszeit für globale Verwerfungen sorgte, treibt mit seiner neuerlichen Rhetorik zur Erhebung von Arzneizöllen und zur Absenkung von Medikamentenpreisen die strategische Unsicherheit in neue Dimensionen.
Gerade für exportorientierte Hightech-Unternehmen wie Merck, die in komplexen Lieferketten und globalen Währungsräumen operieren, sind diese Entwicklungen Gift für Planung, Investition und Vertrauen. Dass Merck dennoch eine Milliardenübernahme in den USA wagt, ist weniger Ausdruck von Zuversicht als vielmehr eine wirtschaftliche Notwehrmaßnahme. Wer von Zöllen bedroht ist, verlagert seine Produktion – oder seine Wertschöpfung – gleich dorthin, wo die Risiken entstehen. Insofern ist der Zukauf von SpringWorks auch eine politische Antwort auf die wirtschaftliche Zumutung, die Trump erneut verkörpert.
Die Senkung der Prognose ist daher nicht nur ein betriebswirtschaftlicher Vorgang, sondern ein Indikator für die politische Volatilität, die internationale Konzerne zunehmend aus dem Tritt bringt. Was bleibt, ist die Erkenntnis: Unternehmen wie Merck können sich nicht länger auf Märkte verlassen, wenn diese von politischen Machtspielen überlagert werden. Es ist die Rückkehr des politischen Risikos – und damit ein Weckruf für die gesamte Exportwirtschaft.
Digitale Apothekenpflicht, E-Rezept-Vorgaben, Barrierefreiheit
Apotheken-Webshops und Apps müssen ab 2025 technisch inklusiv gestaltet sein
Die gesetzliche Pflicht zur Barrierefreiheit trifft die Apothekenlandschaft im Kern ihrer digitalen Transformation. Ab dem 28. Juni 2025 müssen nicht nur Apothekenräume gemäß § 4 Abs. 2a ApBetrO möglichst barrierefrei zugänglich sein – auch digitale Angebote wie Webseiten, Webshops und Apps unterliegen künftig klaren gesetzlichen Vorgaben. Grundlage ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), das auf europäischem Recht basiert und insbesondere Dienstleistungen mit Verbraucherschnittstelle betrifft. Für Apotheken heißt das: Wer Online-Bestellungen anbietet, Medikationspläne digital bereitstellt oder Chatfunktionen nutzt, muss dafür sorgen, dass diese Dienste auch für Menschen mit Sinnes-, Mobilitäts- oder kognitiven Einschränkungen vollständig nutzbar sind.
Betroffen sind damit nicht nur große Plattformbetreiber, sondern auch kleinere Apotheken mit eigenem Webshop oder App-Anbindung. Zwar sieht das Gesetz Ausnahmen für Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und unter zwei Millionen Euro Umsatz vor, doch diese greifen nicht, wenn bestimmte Schwellen überschritten oder funktionale Änderungen vorgenommen werden – etwa bei Relaunches oder Feature-Erweiterungen. Für viele Apotheken bedeutet das faktisch: Handlungsbedarf.
Konkret fordert das Gesetz die Einhaltung der internationalen Richtlinie WCAG 2.1 auf Level AA. Diese umfasst Vorgaben zu Textkontrasten, Skalierbarkeit, Navigation per Tastatur, Screenreader-Kompatibilität sowie verständlicher Seitenstruktur. In der Praxis bedeutet das häufig umfangreiche technische und gestalterische Anpassungen – nicht nur an Websites, sondern auch an mobilen Applikationen, Webshops, digitalen Katalogen und Schnittstellenmodulen.
Besondere Brisanz gewinnt das Thema durch die Einbindung des E-Rezepts. Da die Nutzung digitaler Gesundheitsleistungen weiter wächst, steigt auch die Bedeutung barrierefreier Schnittstellen. Für chronisch Kranke, Ältere oder Menschen mit Behinderung kann eine nicht zugängliche App den Zugang zu Medikamenten faktisch versperren. Wer hier versäumt, barrierefreie Lösungen bereitzustellen, riskiert nicht nur rechtliche Konsequenzen, sondern auch eine Exklusion besonders vulnerabler Gruppen.
Die Aufsicht liegt bei den Landesbehörden, unterstützt durch zentrale Marktüberwachungsstrukturen. Verstöße gegen die Barrierefreiheit können Bußgelder, Abmahnungen oder sogar Untersagungsverfügungen nach sich ziehen. Auch die Verbraucherschutzverbände könnten sich das neue Instrument zunutze machen. Der Gesetzgeber macht deutlich, dass digitale Inklusion kein freiwilliger Akt mehr ist, sondern ein verbindliches Qualitätsmerkmal im Gesundheitswesen darstellt.
Apotheken, die sich jetzt vorbereiten, profitieren doppelt: Sie sichern nicht nur ihre rechtliche Position, sondern erschließen auch eine breitere, bisher teils ausgeschlossene Kundengruppe. Die technische Umrüstung sollte dabei professionell begleitet werden – auch, weil eine nachträgliche Korrektur teurer ist als eine barrierefreie Entwicklung von Anfang an. In einer Zeit, in der Digitalisierung politisch und gesellschaftlich forciert wird, stellt Barrierefreiheit kein Randthema mehr dar, sondern einen Grundpfeiler moderner Versorgungsarchitektur.
Was in der Apothekenbetriebsordnung als bauliche Sollvorschrift begann, hat sich in der digitalen Realität zu einem klaren Rechtsanspruch entwickelt. Die Barrierefreiheit digitaler Apothekenangebote ist kein Akt der sozialen Kulanz mehr, sondern eine gesetzliche Verpflichtung mit handfesten Konsequenzen. Der Gesetzgeber zieht damit eine klare Linie zwischen technologischem Fortschritt und sozialer Gerechtigkeit – wer digitale Gesundheitsleistungen anbietet, muss sie auch für alle zugänglich machen.
Diese Entwicklung stellt die Branche vor erhebliche Herausforderungen. Viele Apotheken sind in ihrer digitalen Infrastruktur nicht ausreichend aufgestellt, um barrierefreie Systeme umzusetzen. Doch während einige die neue Regelung als weitere Belastung empfinden, liegt darin auch eine Chance zur qualitativen Differenzierung. Wer seine digitalen Schnittstellen professionell und inklusiv gestaltet, setzt ein Zeichen für Kundennähe, Modernität und Verantwortung. Gerade in Zeiten, in denen Plattformen wie Shop Apotheke oder Amazon den Markt zunehmend dominieren, können barrierefreie Direktangebote vor Ort einen entscheidenden Vorteil bieten.
Es wäre allerdings ein Fehler, die Barrierefreiheit auf rein technische Kriterien zu reduzieren. Sie ist Ausdruck einer Haltung: Wer Menschen mit Behinderung, ältere Nutzer oder visuell eingeschränkte Kundengruppen aktiv einbindet, denkt Versorgung ganzheitlich. Gerade im Gesundheitswesen, das auf Vertrauen und persönlicher Bindung beruht, ist diese Haltung nicht nur ethisch richtig, sondern wirtschaftlich klug. Die Integration barrierefreier Angebote stärkt die Position der Vor-Ort-Apotheken auch im digitalen Wettbewerb.
Dass die gesetzliche Frist bereits Mitte 2025 ausläuft, zeigt: Die politische Geduld ist begrenzt. Der Apothekenmarkt steht unter Beobachtung – nicht nur durch Behörden, sondern auch durch zunehmend sensibilisierte Patienten und Interessensverbände. Die Apotheke der Zukunft wird nicht nur digital, sondern inklusiv sein müssen. Wer heute handelt, baut nicht nur digitale Kompetenz auf, sondern ein Stück systemische Resilienz.
Dermapharm drosselt Gewinn, baut um, setzt auf Markenstärke
Umbaukosten und Personalabbau bremsen Ergebnis – Kerngeschäft stabilisiert Prognose
Der Arzneimittelhersteller Dermapharm ist mit einem hauchdünn positiven Umsatzwachstum ins neue Jahr gestartet, muss aber beim Gewinn deutliche Einbußen hinnehmen. Wie der Konzern mitteilt, stieg der Umsatz in den ersten drei Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um lediglich ein Prozent auf rund 302,4 Millionen Euro. Auf der Ergebnisseite jedoch lasten die Folgen eines umfassenden Konzernumbaus schwer: Das bereinigte operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sank um acht Prozent auf 81,3 Millionen Euro, die operative Marge verringerte sich von 29,7 auf 26,9 Prozent.
Besonders ins Gewicht fallen dabei die laufenden Umstrukturierungen in zwei zentralen Unternehmensbereichen. Einerseits wird das verlustreiche Parallelimportgeschäft der Tochter Axicorp deutlich reduziert. So hatte Dermapharm bereits im März bekannt gegeben, an deren Standort Friedrichsdorf bis zu 50 Prozent des Handels- und Fertigungsvolumens wegen Unwirtschaftlichkeit aufzugeben. Im Zuge dessen werden 57 Stellen gestrichen. Andererseits belastet auch die Integration und strategische Neuausrichtung des französischen Naturarznei-Anbieters Arkopharma die Bilanz. Der Umbau des Geschäftsmodells erfordert nicht nur erhebliche Investitionen, sondern zieht temporäre Ergebnisrückgänge nach sich.
Trotz dieser Belastungen zeigt sich Konzernchef Hans-Georg Feldmeier mit dem Start ins Jahr 2025 zufrieden. Man habe es geschafft, mit dem margenstarken Kerngeschäft rund um Markenarzneimittel die negativen Effekte aus anderen Sparten überzukompensieren. Die Entwicklung im Stammsegment stabilisiere damit nicht nur die laufenden Kennzahlen, sondern stärke auch das Vertrauen in die künftige Ertragskraft des Konzerns. Die aktuellen Umbaukosten seien laut Feldmeier keine Verlegenheit, sondern Teil einer gezielten Strategie zur Stärkung der Profitabilität in den kommenden Jahren.
Vor diesem Hintergrund bekräftigte Dermapharm die bisherige Prognose für das Gesamtjahr 2025. Zwar erwarte man weiterhin Belastungen durch den Umbauprozess, sehe aber gleichzeitig eine solide Entwicklung des Markenarznei-Geschäfts, das als Wachstumsträger fungieren soll. Analysten werten die Prognosebestätigung als Signal der operativen Robustheit. Gleichwohl bleibt die Frage, wie schnell sich die Kosten des Umbaus amortisieren und ob die eingeschlagene Richtung vor dem Hintergrund eines weiter schwierigen Marktumfelds trägt.
Dermapharm zeigt exemplarisch, wie sich die Spannungsachse zwischen kurzfristigen Belastungen und langfristiger Strategie im Pharmabereich manifestiert. Der Konzern wählt mit dem harten Schnitt im Parallelimport und der anspruchsvollen Neuausrichtung von Arkopharma bewusst den Weg der Transformation, obwohl er sich damit temporär selbst schwächt. Doch dieser Mut zur Sanierung in der Substanz zeugt von einem langfristigen Denken, das vielen Mitbewerbern im hektischen Arzneimittelmarkt abhandengekommen ist.
Die Entscheidung, auf margenstarke Markenarzneimittel zu setzen, entpuppt sich als rationaler Rettungsanker im Ergebnis. Dass das Stammsegment trotz schwieriger Umfeldbedingungen robust performt, spricht für die Qualität der Produktpalette und das Vertrauen der Abnehmer. Gleichzeitig markiert die Schrumpfung von Axicorp einen Realitätsschock für ein Geschäftsmodell, das lange Zeit auf regulatorische Arbitrage und Einkaufsvorteile baute. In Zeiten verschärfter politischer Kontrolle und wachsender Effizienzanforderungen ist diese Strategie kaum noch tragfähig.
Was Dermapharm derzeit durchzieht, ist nicht weniger als ein Konzernumbau unter Realbedingungen: keine PowerPoint-Vision, sondern eine messbare operative Wende mit Personalentscheidungen, Standortverlusten und bilanziellen Einschnitten. Das verdient Respekt, birgt aber auch Risiken. Die zentrale Herausforderung liegt nun darin, die Umbaukosten nicht nur zu überstehen, sondern sie produktiv zu wenden – in Marktanteile, operative Exzellenz und neue Resilienz. Dermapharm hat das Potenzial, als einer der wenigen mittleren Player im Pharmamarkt gestärkt aus der Strukturkrise hervorzugehen. Aber der Beweis steht aus.
Menstruation, Krankmeldung, Zykluswissen
Warum viele Frauen Verständnis zeigen und was der Zyklus mit Gesundheit zu tun hat
Die Menstruation ist für die Mehrheit der Frauen in Deutschland weiterhin ein gesellschaftliches Tabu. Das zeigen die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH). Demnach haben 85 Prozent der befragten Frauen im Alter zwischen 14 und 50 Jahren den Eindruck, dass öffentlich kaum über den weiblichen Zyklus gesprochen wird. Dieses Gefühl der Unsichtbarkeit spiegelt sich nicht nur in persönlichen Erfahrungswerten, sondern auch in der medialen Darstellung und der politischen Debatte zur Frauengesundheit.
Besonders brisant ist der Befund, dass 91 Prozent der Teilnehmerinnen finden, es werde zu wenig über die hormonellen und körperlichen Auswirkungen der Menstruation informiert. Damit wird ein kollektives Informationsdefizit offengelegt, das gesundheitliche, psychologische und gesellschaftliche Konsequenzen hat. Denn der weibliche Zyklus beeinflusst nicht nur das körperliche Wohlbefinden, sondern auch die mentale Verfassung, das Leistungsvermögen und die sozialen Interaktionen – Aspekte, die oft ignoriert oder bagatellisiert werden.
Die Expertin der KKH, Vijitha Sanjivkumar, plädiert für mehr Wissen über die physiologischen Abläufe im weiblichen Körper. Der Zyklus verlaufe typischerweise in mehreren Phasen über etwa 28 Tage, wobei jede Phase spezifische körperliche und psychische Reaktionen hervorrufen könne. Müdigkeit, Stimmungsschwankungen und Schmerzen seien keine Ausnahme, sondern Normalität – und sollten dementsprechend ernst genommen werden.
Ein zentraler Punkt der Diskussion ist die Frage nach der gesellschaftlichen Akzeptanz von Krankmeldungen bei Menstruationsbeschwerden. Laut Umfrage zeigen 80 Prozent der befragten Frauen Verständnis, wenn Kolleginnen aufgrund von starken Beschwerden wie Krämpfen oder starker Erschöpfung dem Arbeitsplatz fernbleiben. Doch obwohl diese Haltung unter Frauen weit verbreitet ist, wird sie im Berufsalltag nicht immer gelebt. Viele Betroffene empfinden Scham oder befürchten, nicht ernst genommen zu werden.
Eine Möglichkeit zur besseren Selbstwahrnehmung und gesundheitlichen Eigenverantwortung liegt im sogenannten Zyklustracking. Etwa 60 Prozent der Frauen gaben an, ihren Zyklus bereits regelmäßig zu dokumentieren – vor allem mit Hilfe von Apps oder klassischen Kalendereinträgen. Dabei zeigt sich ein Altersunterschied: Während 68 Prozent der 14- bis 29-Jährigen und 66 Prozent der 30- bis 39-Jährigen ihren Zyklus verfolgen, sind es bei den 40- bis 50-Jährigen nur noch 46 Prozent. Das Bewusstsein für den eigenen Körper und seine Signale scheint bei jüngeren Generationen ausgeprägter zu sein.
Zugleich wirft die Studie die Frage auf, wie gesundheitsförderliche Maßnahmen – wie zum Beispiel angepasste Ernährung oder leichte körperliche Aktivitäten während der Periode – gesellschaftlich und medizinisch gefördert werden können. Sanjivkumar rät, während der Menstruation nicht auf Bewegung zu verzichten, sondern gezielt leichte Sportarten wie Yoga oder Spaziergänge in den Alltag zu integrieren. Das könne nicht nur das Wohlbefinden verbessern, sondern auch Krämpfe lindern und das Körpergefühl stärken.
Die Befragung, an der 1002 Frauen aus ganz Deutschland teilnahmen, dokumentiert ein umfassendes Bedürfnis nach mehr Offenheit, Wissen und gesellschaftlichem Rückhalt. Angesichts der Tatsache, dass Menstruation fast die Hälfte der Bevölkerung betrifft, bleibt es ein politischer und kultureller Auftrag, dieses Thema endlich aus der Tabuzone zu holen.
Der weibliche Zyklus ist biologischer Normalzustand – und doch gesellschaftlich ein Störfaktor. Dass eine Mehrheit der Frauen ihre Periode mit Scham, Schweigen und Unsichtbarkeit verbindet, ist keine biologische Notwendigkeit, sondern ein Resultat kultureller Ignoranz. Wer das Thema Menstruation weiterhin ins Private verdrängt, verlängert aktiv das Leiden derer, die jeden Monat körperlich beeinträchtigt, aber systematisch überhört werden.
Die Zahlen der aktuellen KKH-Studie sind ein Befund über gesamtgesellschaftliches Versagen. Wenn 85 Prozent der Frauen das Gefühl haben, über ihre grundlegenden körperlichen Abläufe nicht öffentlich sprechen zu können, dann ist das nicht Ausdruck individueller Zurückhaltung, sondern Ausdruck struktureller Sprachlosigkeit. Und diese Sprachlosigkeit wird teuer bezahlt – mit Arbeitsausfällen, psychischen Belastungen und medizinischen Folgeproblemen, die vermeidbar wären, wenn Aufklärung, Akzeptanz und Fürsorge gesellschaftlich verankert wären.
Es ist keine Schwäche, sich wegen Regelschmerzen krankzumelden. Es ist eine Zumutung, dass diese Option oft mit dem Vorwurf der Simulation belegt wird. Dabei zeigen die Umfragedaten, dass das Verständnis unter Frauen selbst längst vorhanden ist – was fehlt, ist die strukturelle Umsetzung: flexible Arbeitszeiten, offene Gesprächskultur, medizinisch fundierte Informationsangebote und nicht zuletzt eine Rechtsprechung, die reproduktive Gesundheit nicht als Randnotiz betrachtet.
Auch die Tatsache, dass jüngere Frauen eher ihre Zyklen dokumentieren, ist kein Zeichen für digitale Affinität allein, sondern für ein neues Gesundheitsbewusstsein. Doch dieses Wissen darf nicht an der App-Schranke enden. Es muss Eingang finden in schulische Aufklärung, ärztliche Beratung und betriebliche Gesundheitspolitik. Periodenbewusstsein darf kein Lifestyle sein, sondern muss ein Grundrecht auf körperliche Selbstbestimmung und informierte Teilhabe bedeuten.
Der weibliche Zyklus ist kein Tabu, sondern eine biologische Konstante. Wer das Thema ignoriert, spricht Millionen Frauen Monat für Monat das Recht auf Schmerz, Selbstfürsorge und Solidarität ab. Es ist Zeit, dieses Schweigen zu brechen – nicht mit Marketing, sondern mit Haltung.
Aciclovir, Adipositas und Dosierungsrisiken
Intravenöse Gabe führt bei Übergewichtigen zu erhöhten Wirkspiegeln mit potenziellen Folgen
Aciclovir zählt zu den bewährten antiviralen Wirkstoffen zur Behandlung schwerer Herpes-Infektionen. Bei intravenöser Anwendung, etwa bei hospitalisierten oder immunsupprimierten Patienten, galt bislang eine Dosierung nach tatsächlichem Körpergewicht als medizinischer Standard. Doch neue pharmakokinetische Daten haben zu einer grundlegenden Neubewertung geführt – mit weitreichenden Folgen für die Dosierungsempfehlung und die klinische Praxis. Die europäische Arzneimittelüberwachung hat auf Basis aktualisierter Unbedenklichkeitsberichte festgestellt, dass adipöse Patienten nach Standarddosierung ungewöhnlich hohe Plasmakonzentrationen erreichen, was potenziell toxische Wirkspiegel zur Folge haben kann.
Konkret ergab die Auswertung einer kleinen Patientengruppe mit krankhafter Adipositas, dass sich die maximalen Blutspiegel bei Dosierung nach tatsächlichem Körpergewicht im Vergleich zur Gabe nach Idealgewicht um bis zu 29,3 Prozent erhöhten. Zwar fehlen bislang kontrollierte klinische Studien zur Auswirkung dieser Konzentrationen auf die Therapieergebnisse oder Nebenwirkungsrate, doch die Signalwirkung ist klar: Bei adipösen Patienten besteht ein messbares Risiko einer Überdosierung, das nicht durch metabolische Kompensationsmechanismen ausgeglichen wird. Besonders problematisch ist dies bei älteren Menschen oder bei gleichzeitiger Einschränkung der Nierenfunktion – beides Faktoren, die die renale Elimination von Aciclovir zusätzlich verlangsamen.
Die bisherigen Fachinformationen enthielten eine Empfehlung zur Dosisberechnung nach Idealgewicht – vor allem, um überhöhte Konzentrationen zu vermeiden. Diese Passage wurde nun gestrichen, was formal bedeutet, dass Ärztinnen und Ärzte nicht mehr automatisch auf diese Formel zurückgreifen sollen. Stattdessen wird künftig ausdrücklich empfohlen, die Dosierung bei adipösen Patienten individuell zu hinterfragen – insbesondere bei intravenöser Anwendung. Der Warnhinweis in Abschnitt 4.4 „Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung“ entfällt ebenfalls, weil er in seiner bisherigen Form nicht mehr der überarbeiteten pharmakokinetischen Einschätzung entspricht.
Die entscheidende Grundlage dieser Neubewertung bildet Abschnitt 5.2 der Fachinformation, in dem die pharmakokinetischen Besonderheiten dargelegt sind. Hier zeigt sich, dass die Verteilungsvolumina und die Clearance von Aciclovir bei adipösen Patienten nur eingeschränkt proportional zum Körpergewicht zunehmen, wodurch eine lineare Dosierungsübertragung irreführend ist. Die EMA hat diese Erkenntnisse in einem regulären Pharmakovigilanzverfahren bewertet. Die Koordinierungsgruppe für gegenseitige Anerkennung und dezentrale Verfahren (CMDh) beschloss am 30. Januar 2025 die Anpassung der Produktinformationen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) setzte die Entscheidung im April 2025 in deutsches Recht um.
Für die Praxis bedeutet dies ein Umdenken bei der intravenösen Therapie mit Aciclovir. Standardisierte Körpergewichtsberechnungen sind bei adipösen Patienten nicht mehr ohne weiteres anwendbar. Eine individuelle Dosisanpassung – insbesondere unter Berücksichtigung von Alter, Nierenfunktion und Gesamtverfassung – wird zur neuen Pflicht. Auch wenn die therapeutische Wirkung bei reduzierter Dosis nach Idealgewicht in Einzelfällen nicht abschließend beurteilt werden kann, überwiegt aus Sicht der Arzneimittelsicherheit der Nutzen einer vorsorglichen Reduktion. Denn bei intravenösen antiviralen Therapien zählt nicht nur die Effektivität, sondern auch die Vermeidung potenziell toxischer Konzentrationen – vor allem bei vulnerablen Patientengruppen.
Die Überarbeitung der Fachinformation zu Aciclovir markiert keinen gewöhnlichen Hinweiswechsel, sondern steht exemplarisch für einen überfälligen Paradigmenwechsel in der Dosierungslogik bei adipösen Patienten. Die bisherige Praxis, Arzneimittel schlicht nach dem aktuellen Körpergewicht zu dosieren, wirkt in der Ära differenzierter Pharmakokinetik zunehmend wie ein medizinischer Automatismus aus der Vergangenheit. Gerade bei intravenös verabreichten Wirkstoffen, die in engen therapeutischen Fenstern wirken und toxisches Potenzial besitzen, ist dieser Automatismus gefährlich.
Dass die EMA nun auf Basis von lediglich sieben Patientendaten reagiert, mag auf den ersten Blick vorschnell wirken. Doch die toxikologische Relevanz der gemessenen Konzentrationen in Kombination mit der fehlenden Evidenz zur Wirksamkeit bei Idealgewichtsdosierung rechtfertigt eine regulatorische Intervention. Es ist besser, frühzeitig Anpassungen vorzunehmen und damit die Arzneimittelsicherheit zu erhöhen, als retrospektiv auf vermeidbare Schadensfälle zu reagieren. Der Fall Aciclovir zeigt: Pharmakovigilanz bedeutet heute nicht nur Reaktion auf bekannte Risiken, sondern proaktive Prävention potenzieller Probleme.
Erstaunlich ist allerdings, dass in der bisherigen klinischen Praxis über Jahre hinweg keine konsequente Differenzierung bei der Dosierung adipöser Patienten vorgenommen wurde – trotz vorhandener Hinweise auf eine nicht-lineare Pharmakokinetik. Das mag daran liegen, dass Idealgewichtsformeln in der Ausbildung kaum vermittelt werden und klinische Entscheidungsroutinen unter Zeitdruck oft auf einfache Rechenformeln reduziert werden. Die Entfernung der Idealgewichtsformel aus der Fachinformation darf daher nicht als Aufweichung verstanden werden, sondern als Hinweis auf eine höhere individuelle Verantwortung: Kliniker müssen Dosierungsentscheidungen künftig wieder begründen – nicht normieren.
Langfristig bleibt die Frage, ob sich aus diesen ersten Anpassungen eine grundsätzliche Neupositionierung der Dosierungsempfehlungen bei weiteren Wirkstoffen ergibt. Aciclovir könnte nur der Anfang sein. Der Trend zur Personalisierung der Pharmakotherapie muss auch in die Formalien der Arzneimittelinformation Eingang finden. Standardisierte Tabellen und fixe Gewichtsformeln werden der realen Vielfalt an Stoffwechselprofilen nicht mehr gerecht. Die Aciclovir-Änderung ist ein kleiner Schritt in der Fachinformation, aber ein großer Schritt in Richtung differenzierter Arzneimittelpraxis.
Rezeptpflicht, Plattforminteressen, Vertrauensbruch
Online-Rezepte statt OTC-Switch: Wie ein Urologe gegen Apotheken wettert und zugleich eigene Interessen verschweigt
Professor Dr. Christian Wülfing, Chefarzt für Urologie an der Asklepios-Klinik Hamburg Altona, hat sich in einem Interview mit dem "Nordkurier" entschieden gegen eine Entlassung potenzsteigernder Mittel aus der Rezeptpflicht ausgesprochen. Seine Wortwahl ist drastisch: "Was wir nicht brauchen, ist ein unkontrollierter Viagra-Supermarkt." Damit inszeniert sich Wülfing als ärztlicher Mahner – und legt sich öffentlich mit all jenen an, die eine Freigabe solcher Medikamente im OTC-Bereich fordern. Doch was zunächst wie ein sachliches Votum aus der Versorgungspraxis wirkt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als interessengeleiteter Vorstoß. Denn Wülfing ist nicht nur Klinikchefarzt, sondern auch medizinischer Beiratsleiter der Telemedizin-Plattform GoSpring – einem Anbieter, über den Nutzer per Online-Fragebogen zu verschreibungspflichtigen Medikamenten wie Viagra gelangen können.
Dieses doppelte Rollenverständnis wirft Fragen auf: Ist Wülfings vehementer Einsatz für die Rezeptpflicht medizinisch motiviert – oder sichert er damit ein Geschäftsmodell ab, das auf digital ausgestellten Rezepten basiert? Die Plattform GoSpring positioniert sich als moderner Gesundheitsdienstleister, bei dem ärztliche Leistungen digital vermittelt werden. Nutzer füllen dort standardisierte Fragebögen aus, deren Ergebnisse durch Vertragsärzte bewertet und ggf. in eine rezeptpflichtige Verordnung überführt werden – ohne persönlichen Arztkontakt, ohne klinische Diagnostik. Dass genau dieses Verfahren von der bisherigen Rezeptpflicht lebt, macht jede öffentliche Äußerung zu einer möglichen Interessensposition.
Im Zentrum steht die Frage nach Unabhängigkeit medizinischer Empfehlungen. Wenn ein Urologe als Experte auftritt und sich gegen den OTC-Switch ausspricht, gleichzeitig jedoch an einer Plattform mitwirkt, deren Geschäftsmodell auf Rezeptpflichten basiert, entsteht ein Zielkonflikt. Die Glaubwürdigkeit ärztlicher Positionen leidet, wenn sie nicht mehr allein durch Versorgungserfahrung, sondern durch ökonomische Plattformbindung geprägt sind. Gerade in Zeiten, in denen politische Debatten um die Entlastung des Gesundheitssystems, Digitalisierung ärztlicher Leistungen und die Rolle der Apotheken an Fahrt aufnehmen, wirken solche Konstellationen wie ein Katalysator für Misstrauen.
Denn wer tatsächlich einen "Viagra-Supermarkt" verhindern will, müsste sich ebenso kritisch mit jenen digitalen Modellen auseinandersetzen, die ohne jede reale Arzt-Patienten-Begegnung verschreibungspflichtige Präparate zugänglich machen – vorausgesetzt, der Fragebogen ergibt keine Kontraindikation. Die Einfallstore für Fehlgebrauch, Medikationsmissbrauch oder ökonomisch motivierte Verordnungen sind dort mindestens ebenso groß wie in einem OTC-Modell mit qualifizierter Apothekenberatung. Doch genau diese Parallele blendet Wülfing in seiner Kritik aus. Das eigene Modell wird nicht problematisiert, sondern als ärztlich gesteuerte Alternative dargestellt – trotz standardisierter Verfahren, algorithmischer Vorselektion und wirtschaftlicher Verwertungslogik.
Während Apotheken unter dem OTC-Switch vor allem eine Entlastung der Versorgung und eine schnellere, niedrigschwellige Hilfe für Betroffene sehen, befürchten Plattformanbieter wie GoSpring eine Schwächung ihres digitalen Rezeptvertriebs. Was öffentlich als Sorge um Patientensicherheit deklariert wird, kann sich bei näherer Betrachtung als ökonomische Abwehrmaßnahme gegen eine drohende Marktverschiebung entpuppen. Dass dieser Interessenkonflikt medial nicht offengelegt, sondern als objektive medizinische Warnung verpackt wird, ist ein strukturelles Problem: Es untergräbt das Vertrauen in fachliche Expertise und verschiebt die Deutungshoheit über Versorgungspfade in Richtung wirtschaftlich organisierter Plattformlogiken.
In der Debatte um die Zukunft der Rezeptpflicht müssen daher nicht nur Fragen der Patientensicherheit, Arzneimittelmissbrauchs und Versorgungseffizienz gestellt werden, sondern auch die strukturellen Abhängigkeiten zwischen ärztlicher Autorität und digitaler Marktstrategie offengelegt werden. Denn wo ärztliche Expertise sich mit Plattformlogik verbindet, entsteht kein objektives Urteil – sondern eine neue Form der ökonomisch gefilterten Versorgungsempfehlung.
Die Äußerungen von Professor Dr. Christian Wülfing zur Rezeptpflicht für Potenzmittel wären nicht weiter bemerkenswert, wenn sie nicht Teil eines systematischen Musters wären: Ärzte äußern sich öffentlich zu gesundheitspolitischen Fragen, ohne ihre ökonomischen Interessen offenzulegen. Im Fall Wülfing wiegt dies besonders schwer, da er mit GoSpring einen direkten kommerziellen Bezug zum Rezeptverfahren unterhält – jenem System also, das durch die Beibehaltung der Rezeptpflicht gestärkt, durch einen OTC-Switch jedoch bedroht würde. Seine Kritik am „Viagra-Supermarkt“ ist nicht medizinisch neutral, sondern wirtschaftlich motiviert – auch wenn sie sich rhetorisch als Schutz der Patientensicherheit tarnt.
Diese Art der öffentlichen Einflussnahme ist gefährlich. Denn sie verschiebt den Maßstab medizinischer Argumentation. Was wie eine ärztliche Einschätzung klingt, wird de facto zur Marketingbotschaft einer Plattform. Die Grenze zwischen medizinischer Aufklärung und digitalem Geschäftsinteresse verschwimmt – mit weitreichenden Folgen für das öffentliche Vertrauen in ärztliche Kompetenz und mediale Debatten. Besonders problematisch ist dabei der Umstand, dass GoSpring nicht etwa telemedizinische Diagnostik im klassischen Sinne anbietet, sondern automatisierte Rezeptvergabe per Fragebogen. Dieses Verfahren mag formal korrekt und technisch abgesichert sein – aber es ist nicht gleichwertig mit einer ärztlichen Untersuchung. Dass ausgerechnet Vertreter dieser Praxis gegen den OTC-Switch zu Felde ziehen, ist mehr als nur Ironie: Es ist eine gezielte Umdeutung der Debatte.
Apotheken, die im Rahmen eines OTC-Modells qualitätsgesichert beraten und Missbrauch verhindern könnten, werden diskreditiert. Die eigene Plattformlösung hingegen wird als sicher, ärztlich kontrolliert und patientenorientiert dargestellt – obwohl sie in vielen Punkten genau das Gegenteil darstellt: eine Fernverordnung auf Basis standardisierter Daten, mit kommerziellem Hintergrund. Die politische Dimension dieser Strategie ist offenkundig. Es geht nicht um Patientenschutz, sondern um Marktanteile.
Wenn Plattformärzte gegen den OTC-Switch Stimmung machen, ohne ihre Rollen transparent zu machen, ist das kein Beitrag zur Versorgungsqualität – sondern eine Gefahr für die Glaubwürdigkeit des gesamten Systems. Was wir brauchen, ist nicht der Ruf nach mehr Rezeptpflicht, sondern nach mehr Transparenz über die Interessen derer, die sich in gesundheitspolitischen Debatten zu Wort melden. Nur so lässt sich verhindern, dass die Gesundheitsversorgung zum Spielball ökonomisch gesteuerter Stimmen wird.
Selbsttest, Mangelangst, Placebo
Der Mythos vom Vitamin-D-Mangel: Wie Schnelltests und Medien falsche Sicherheiten erzeugen
Die wissenschaftliche Debatte um die Sinnhaftigkeit einer Vitamin-D-Supplementierung hat in den vergangenen Jahren an Schärfe gewonnen. Während mediale Berichterstattung, Gesundheitsforen und Nahrungsergänzungsmittelhersteller die Bedeutung eines vermeintlich optimalen Vitamin-D-Spiegels betonen, sprechen sich Fachgesellschaften und evidenzbasierte Studien zunehmend gegen die routinemäßige Einnahme aus. Besonders in der Allgemeinbevölkerung ohne nachgewiesenen Mangel fehlt jeder medizinisch belastbare Grund, zusätzlich Vitamin D einzunehmen. Zahlreiche randomisierte kontrollierte Studien (RCTs), der methodische Goldstandard in der medizinischen Forschung, zeigen ein konsistentes Bild: Weder die Gesamtmortalität noch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Frakturen werden durch Vitamin-D-Supplemente signifikant beeinflusst.
Die Argumentation vieler Befürworter stützt sich häufig auf Beobachtungsstudien, die zwar statistische Zusammenhänge zwischen niedrigen Vitamin-D-Spiegeln und Erkrankungen nahelegen, jedoch keine Aussagen zur Kausalität zulassen. Eine Person mit einem niedrigen Spiegel ist nicht notwendigerweise krank, weil ihr Vitamin D fehlt – vielmehr könnten bestehende Erkrankungen oder ein bewegungsarmer Lebensstil für den niedrigen Wert verantwortlich sein. Diesen fundamentalen Unterschied betonen Experten wie Professor Stephan Martin, die eine pauschale Supplementierung ohne individuelle Indikation nicht nur als unnötig, sondern als potenziell irreführend einstufen.
Ein besonders aussagekräftiger Befund stammt aus Studien zur Mendelschen Randomisierung. Dabei werden genetisch vorbestimmte Unterschiede im Vitamin-D-Stoffwechsel genutzt, um Rückschlüsse auf mögliche Krankheitsrisiken zu ziehen. Die Ergebnisse zeigen, dass selbst Menschen mit genetisch bedingt dauerhaft niedrigen Spiegeln kein höheres Risiko für Krebs, Herzinfarkte oder eine erhöhte Sterblichkeit haben. Diese Erkenntnisse stützen die Forderung, Vitamin D nur gezielt bei einem diagnostizierten Mangel zu verabreichen – etwa bei älteren Menschen mit Immobilität oder bei bestimmten chronischen Erkrankungen.
Trotzdem wächst der Markt für Vitamin-D-Präparate, auch weil frei verkäufliche Schnelltests den Eindruck erzeugen, ein Mangel sei häufig und müsse unbedingt behandelt werden. Die dahinterliegende Ökonomie treibt ein Gesundheitsverhalten an, das auf subjektiver Unsicherheit statt objektiver Notwendigkeit basiert. Die Illusion, sich mit einer Tablette vor komplexen Krankheiten schützen zu können, verdrängt dabei oft wirksamere Maßnahmen wie Bewegung, Rauchstopp oder eine ausgewogene Ernährung.
Die Diskrepanz zwischen wissenschaftlicher Evidenz und öffentlicher Wahrnehmung offenbart ein grundlegendes Problem in der Gesundheitskommunikation. Statt auf fundierte Aufklärung zu setzen, wird ein Lifestyle-Narrativ reproduziert, das Prävention mit Pilleneinnahme gleichsetzt. Der Wunsch nach Kontrolle über den eigenen Gesundheitsstatus wird so zum Einfallstor für eine Industrie, die auf gefühlte Defizite statt diagnostische Notwendigkeiten setzt. Dabei wäre die Antwort auf viele Gesundheitsfragen denkbar einfach – aber unbequem: weniger sitzen, mehr bewegen, besser essen, nicht rauchen.
Die Debatte um Vitamin D steht exemplarisch für ein verbreitetes Missverständnis über moderne Prävention: Sie wird als Konsumhandlung verstanden, nicht als Verhaltensänderung. Wenn Ärzte, Medien und Anbieter suggerieren, dass ein Mangel ohne Symptome per Schnelltest festgestellt und dann mit einer Pille kompensiert werden müsse, dann kapituliert die Gesundheitskommunikation vor ihrer eigentlichen Aufgabe. Die medizinische Realität ist ernüchternd: Wer keinen diagnostizierten Vitamin-D-Mangel hat, profitiert auch nicht von der Einnahme entsprechender Präparate – ganz gleich, wie viele Lifestylemagazine, Influencer oder Packungsrückseiten das Gegenteil behaupten.
Was fehlt, ist eine entschlossene Rückbesinnung auf evidenzbasierte Aufklärung. Die Bereitschaft, medizinisch komplexe Sachverhalte verständlich zu kommunizieren, müsste im Zentrum jeder gesundheitsbezogenen Information stehen. Doch stattdessen dominieren vereinfachte Zusammenhänge, mediale Mythen und eine Rhetorik der Machbarkeit, die aus gesundheitsbewussten Menschen verunsicherte Konsumenten macht. Wer vermeintliche Prävention auf ein Nahrungsergänzungsmittel reduziert, macht sich mitschuldig an der Verschwendung von Ressourcen, der Medikalisierung des Alltags und der Umgehung echter Präventionsarbeit.
Die zentrale Aufgabe einer aufgeklärten Medizin muss darin bestehen, nicht nur zu therapieren, sondern auch vor Übertherapie zu schützen. Die Vitamin-D-Debatte liefert dafür ein Lehrstück. Es ist Zeit, die richtigen Fragen zu stellen: Warum lassen sich Menschen durch einfache Erklärungen beruhigen, selbst wenn diese medizinisch nicht haltbar sind? Und warum gelingt es nicht, den Fokus konsequent auf das zu lenken, was nachweislich wirkt – Bewegung, Ernährung, Nichtrauchen und soziale Teilhabe?
Ein medizinischer Fortschritt ist kein Lifestyleprodukt. Wer Gesundheit ernst nimmt, muss bereit sein, unbequeme Wahrheiten zu akzeptieren – auch wenn sie keine Einnahmequelle für Nahrungsergänzungshersteller darstellen.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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