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Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Steuer & Recht
Der
- unter anderem für Besitzschutzansprüche zuständige - V. Zivilsenat
des Bundesgerichtshofs hat sich am 16.01.2015 mit der Frage befasst, ob
und unter welchen Voraussetzungen ein Mieter, der sich durch den von
einem tiefer gelegenen Balkon aufsteigenden Zigarettenrauch im Gebrauch
seiner Wohnung beeinträchtigt fühlt und zudem Gefahren für seine
Gesundheit durch sog. Passivrauchen befürchtet, von dem anderen Mieter
verlangen kann, das Rauchen während bestimmter Zeiten zu unterlassen.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Parteien sind
Mieter in einem Mehrfamilienhaus in Brandenburg. Die Kläger wohnen im
ersten Stock, die Beklagten im Erdgeschoss. Die Balkone der Wohnungen
liegen übereinander. Die Beklagten sind Raucher und nutzen den Balkon
mehrmals am Tag zum Rauchen, wobei der Umfang des täglichen
Zigarettenkonsums streitig ist. Die Kläger fühlen sich als Nichtraucher
durch den von dem Balkon aufsteigenden Tabakrauch gestört und verlangen
deshalb von den Beklagten, das Rauchen auf dem Balkon während bestimmter
Stunden zu unterlassen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das
Landgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Die Vorinstanzen
sind der Meinung, dass ein Rauchverbot mit der durch Art. 2 Abs. 1 GG
geschützten Freiheit der Lebensführung nicht vereinbar sei; diese
schließe die Entscheidung ein, unabhängig von zeitlichen und
mengenmäßigen Vorgaben auf dem zur gemieteten Wohnung gehörenden Balkon
zu rauchen.
Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil
aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Dabei hat
er sich von folgenden Erwägungen leiten lassen:
1. Einem Mieter
steht gegenüber demjenigen, der ihn in seinem Besitz durch sog.
Immissionen stört (zu diesen gehören Lärm, Gerüche, Ruß und eben auch
Tabakrauch), grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch zu. Das gilt auch
im Verhältnis von Mietern untereinander. Der Abwehranspruch ist nicht
deshalb ausgeschlossen, weil das Rauchen eines Mieters im Verhältnis zu
seinem Vermieter grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung
gehört. Denn vertragliche Vereinbarungen zwischen einem Mieter und
seinem Vermieter rechtfertigen nicht die Störungen Dritter.
Der
Abwehranspruch ist jedoch ausgeschlossen, wenn die mit dem Tabakrauch
verbundenen Beeinträchtigungen nur unwesentlich sind. Das ist
anzunehmen, wenn sie auf dem Balkon der Wohnung des sich gestört
fühlenden Mieters nach dem Empfinden eines verständigen
durchschnittlichen Menschen nicht als wesentliche Beeinträchtigung
empfunden werden.
Liegt hingegen nach diesem Maßstab eine als
störend empfundene - also wesentliche - Beeinträchtigung vor, besteht
der Unterlassungsanspruch allerdings nicht uneingeschränkt. Es
kollidieren zwei grundrechtlich geschützte Besitzrechte, die in einen
angemessenen Ausgleich gebracht werden müssen. Einerseits steht dem
Mieter das Recht auf eine von Belästigungen durch Tabakrauch freie
Nutzung seiner Wohnung zu, anderseits hat der andere Mieter das Recht,
seine Wohnung zur Verwirklichung seiner Lebensbedürfnisse - zu denen
auch das Rauchen gehört - zu nutzen. Das Maß des zulässigen Gebrauchs
und der hinzunehmenden Beeinträchtigungen ist nach dem Gebot der
gegenseitigen Rücksichtnahme zu bestimmen. Im Allgemeinen wird dies auf
eine Regelung nach Zeitabschnitten hinauslaufen. Dem Mieter sind
Zeiträume freizuhalten, in denen er seinen Balkon unbeeinträchtigt von
Rauchbelästigungen nutzen kann, während dem anderen Mieter Zeiten
einzuräumen sind, in denen er auf dem Balkon rauchen darf. Die
Bestimmung der konkreten Zeiträume hängt von den Umständen des
Einzelfalls ab.
2. Sollte die Geruchsbelästigung nur unwesentlich
sein, kommt ein Abwehranspruch in Betracht, wenn Gefahren für die
Gesundheit drohen.
Immissionen, die die Gefahr gesundheitlicher
Schäden begründen, sind grundsätzlich als eine wesentliche und damit
nicht zu duldende Beeinträchtigung anzusehen. Bei der Einschätzung der
Gefährlichkeit der Einwirkungen durch aufsteigenden Tabakrauch ist
allerdings zu berücksichtigen, dass im Freien geraucht wird. Insoweit
kommt den Nichtraucherschutzgesetzen des Bundes und der Länder, die das
Rauchen im Freien grundsätzlich nicht verbieten, eine Indizwirkung
dahingehend zu, dass mit dem Rauchen auf dem Balkon keine konkreten
Gefahren für die Gesundheit anderer einhergehen. Nur wenn es dem Mieter
gelingt, diese Annahme zu erschüttern, indem er nachweist, dass im
konkreten Fall der fundierte Verdacht einer Gesundheitsbeeinträchtigung
besteht, wird eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegen und deshalb
eine Gebrauchsregelung getroffen werden müssen.
3. Die Sache war
an das Landgericht zurückzuweisen, weil es bislang keine Feststellungen
dazu getroffen hat, ob der Rauch auf dem Balkon der Kläger als störend
wahrnehmbar ist oder - wenn das zu verneinen sein sollte - ob im
konkreten Fall von dem Tabakrauch gesundheitliche Gefahren ausgehen, wie
die Kläger unter Hinweis auf eine Feinstaubmessung behaupten.
BGH, Urteil V ZR 110/14 vom 16.01.2015
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