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Steuer & Recht
Das
Durchsickern der von Politik, Wirtschaft und Beratung herbeigesehnten
Eckpunkte des Bundesfinanzministers zur Reform des
Erbschaftsteuergesetzes hat Ende Februar wider alle Erwartungen einen
steuerpolitischen Orkan ausgelöst. Aus den Reihen der CSU wurde dem
Minister eine mittelstandsfeindliche Überreaktion vorgeworfen. Auch
Vertreter aus dem Wirtschaftslager der CDU erkannten deutlichen
Nachbesserungsbedarf. Die Wirtschaft war angesichts der Pläne entsetzt.
Ein Teil der Familienunternehmer sah den Bundesfinanzminister mit den
Plänen sogar die Axt rausholen und an die Unternehmen ansetzen. Nur eine
Reihe von Vertretern der SPD stand hinter Dr. Schäuble und meinte, dass
seine Vorschläge in die richtige Richtung gehen. Mit seiner jüngsten Stellungnahme S 05/15
hat sich der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) frühzeitig in
die Diskussion eingebracht und erste praxisrelevante Überlegungen zur
Erörterung gestellt.
Was ist dran an den Eckpunkten des Bundesfinanzministers?
Auf
den Orkan reagierte Minister Dr. Schäuble, indem er sich für Gespräche
offen zeigte. Er verwies aber darauf, dass die Eckpunkte alles in allem
sehr maßvoll seien, und untermauerte seine Überlegungen ausführlich in
einem mit einer Tageszeitung Anfang März geführten Interview, welches gleichfalls auf der Internetseite des BMF abrufbar ist.
Die neue Lohnsummenregelung
knüpft nicht mehr wie bisher an die Zahl der Arbeitnehmer an.
Stattdessen soll auf deren Prüfung bei Unternehmen mit einem
Unternehmenswert bis zu 1 Mio. Euro verzichtet werden.
Das neue Verschonungskonzept
sieht vor, dass die Verschonung des begünstigten Vermögens bis zu einer
erwerbsbezogenen Obergrenze von 20 Mio. Euro gilt, welche als
Freigrenze ausgestaltet wird. Innerhalb der Freigrenze soll an dem
bisherigen Begünstigungskonzept (85 %- oder 100 %-Verschonung unter
Einhaltung der bisherigen Haltefristen und der Lohnsummenregelung)
festgehalten werden. Bei Übersteigen der Freigrenze unterliegt das
gesamte Vermögen der Steuer. In die Prüfung, ob der Erwerber trotzdem
verschonungsbedürftig ist, werden das bereits vorhandene sowie das mit
der Erbschaft bzw. Schenkung übergegangene Privatvermögen einbezogen.
Kann der Erwerber die Steuerschuld daraus nicht sofort begleichen, wird
eine Stundung erwogen. Reichen die sofort verfügbaren Mittel teilweise
aus, die Steuerschuld zu tilgen, wird erwogen, den Restbetrag zu
erlassen. Dann müssen allerdings die bisherigen Haltefristen und die
Lohnsummenregelung eingehalten werden.
Wie sieht der DStV die Eckpunkte?
Der
DStV unterstützt in seiner Stellungnahme S 05/15 das Anliegen, das
Erbschaftsteuerrecht lediglich "minimalinvasiv" und verfassungsfest zu
reformieren. Er erachtet die vorgelegten Eckpunkte insoweit als gute
Grundlage für die weiteren Erörterungen. Mit einer erneuten
Gratwanderung an der Schwelle zur Verfassungswidrigkeit und den damit
einhergehenden Rechts- sowie Planungsunsicherheiten wäre weder den
Steuerpflichtigen noch den Steuerberatern geholfen.
Von besonderer Relevanz für die Beratungspraxis erscheinen dem DStV die BMF-Eckpunkte "Abgrenzung begünstigtes Vermögen vom Verwaltungsvermögen" sowie bewertungsrechtliche Problemfelder, die im engen Zusammenhang mit der Bestimmung der Obergrenze stehen. Zu diesen Eckpunkten gab er erste praxisrelevante Denkanstöße.
Nach
den BMF-Eckpunkten soll der Begriff des begünstigten Vermögens neu
definiert werden und der bisherige Verwaltungsvermögenskatalog
entfallen. Das nicht betriebsnotwendige Vermögen soll künftig
vollständig besteuert werden. Die Überlegungen sehen zudem vor, dass die
betrieblichen Schulden im Sinne einer konsolidierten Nettobetrachtung
anteilig dem nicht betriebsnotwendigen Vermögen zugeordnet und von
diesem abgezogen werden. Beträgt der Anteil des nicht
betriebsnotwendigen Vermögens 10 % oder weniger, soll dies unschädlich
sein.
Für die Bestimmung des begünstigten betriebsnotwendigen
Vermögens soll künftig der Hauptzweck der unternehmerischen Tätigkeit
maßgeblich sein. Dienen Wirtschaftsgüter zu mehr als 50 % dem
Hauptzweck, sollen sie zum begünstigten Vermögen zählen. Dienen sie
hingegen nur bis zu 50 % dem Hauptzweck oder losgelöst vom Betrieb der
Vermögensverwaltung, unterliegen sie der Besteuerung.
Erweiterung des Steuersubstrats (auch) für KMU und tatsächliche Praxisfolgen
Der
DStV weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass sich durch diese
Überlegungen künftig das Steuersubstrat und damit die Steuereinnahmen
zwangsläufig steigern werden, so dass auch die Erwerber von kleineren
und mittleren Unternehmen (KMU) von einer bisher nicht abschätzbaren
Steuermehrbelastung betroffen sein können. Daher bestehe auch beim
Erwerb von KMU das Risiko, dass deren Erwerber zur Begleichung der
Steuerschuld - mangels ausreichendem Privatvermögen - Kapital aus dem
Unternehmen ziehen und sich daraus eine Gefährdung der Arbeitsplätze
ergibt. Der DStV regt für die politischen Gespräche an, dass solche
negativen Wechselwirkungen zunächst sorgfältig geprüft und die
Ergebnisse Eingang in die Reform finden sollten.
Darüber hinaus
birgt nach Ansicht des DStV eine Neufassung des Begriffs des
betriebsnotwendigen bzw. nicht betriebsnotwendigen Vermögens streitanfällige Abgrenzungsschwierigkeiten
im tatsächlichen Bereich. Bereits die genaue Bestimmung des Hauptzwecks
der unternehmerischen Tätigkeit dürfte schwierig sein. Es stellt sich
beispielsweise die Frage, ob dafür auf die Regelungen im
Gesellschaftsvertrag oder aber auf die tatsächliche Geschäftstätigkeit
abgestellt werden soll.
Zudem würde künftig zur Ermittlung der Steuer im Einzelfall die genaue Zuordnung der Wirtschaftsgüter
zu den unterschiedlichen Vermögensbereichen erforderlich. Diese
Vorgehensweise dürfte die Steuerberatung erschweren, personelle
Kapazitäten bündeln und die endgültige Steuerfestsetzung in die Länge
ziehen.
Rechtliche Konkretisierung der Abgrenzungskriterien
Der
DStV erachtet die systematische Einordnung der in den Eckpunkten
angedachten Begriffsbestimmungen zum betriebsnotwendigen sowie nicht
betriebsnotwendigen Vermögen in das geltende Recht als noch sehr
unbestimmt. Die Vorgaben decken sich, wie der DStV in seiner
Stellungnahme aufzeigt, weder mit den gegenwärtig geltenden
bewertungsrechtlichen noch mit den ertragsteuerlichen
Begriffsbestimmungen.
Um künftige Irritationen sowie
systematische Verwerfungen zu vermeiden, regt der DStV die genaue
Prüfung der Einordnung sowie eine gesetzliche Klarstellung an. Zudem
sollte bei den bevorstehenden Präzisierungen insbesondere darauf
geachtet werden, dass keine Wirtschaftsgüter besteuert werden, die aus
originär wirtschaftlichen Gründen - und gerade nicht aus gestalterischen
Gründen - dem Unternehmen zugehören.
Aufgrund der in seiner Stellungnahme aufgezeigten Hintergründe spricht sich der DStV in puncto der weiteren Präzisierung der Abgrenzungskriterien für Folgendes aus:
Da
durch die vorgesehene vollständige Besteuerung des nicht
betriebsnotwendigen Vermögens auch KMU von einer Steuermehrbelastung
betroffen sein dürften, für die das BVerfG dem Grunde nach eine
weitgehende Verschonung als verfassungsgemäß erachtet hat, sollten die
betroffenen Einzelsachverhalte im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens
sorgfältig geprüft und eine rechtliche Lösung mit Augenmaß gefunden
werden.
Die Abschaffung des abschließenden Katalogs des Verwaltungsvermögens
im Sinne des § 13b Abs. 2 ErbStG sollte überdacht werden. Gegen die
Abschaffung spricht, dass das insoweit definierte Verwaltungsvermögen
inzwischen geübte Praxis ist. Allerdings dürfte die vollständige
Besteuerung der von dem Katalog umfassten Wirtschaftsgüter vielfach den
wirtschaftlichen Gegebenheiten von Unternehmen nicht gerecht werden.
Soweit ein Festhalten am bisher geltenden Verwaltungsvermögen erwogen
würde, müsste ein angemessener Abschlag für vorgenannte Verzerrungen
vorgesehen sein.
Sollte der Katalog des Verwaltungsvermögens
nicht beibehalten werden, sollte zwingend auf die durch den BFH und die
Finanzverwaltung herausgebildeten ertragsteuerlichen Abgrenzungskriterien abgestellt werden. Nur so kann eine ansatzweise praxistaugliche Abgrenzung
zwischen betriebsnotwendigem und nicht betriebsnotwendigem Vermögen
erreicht werden, die auch den wirtschaftlichen Gegebenheiten von
Unternehmen flexibel Rechnung trägt. Trotz weiterhin bestehender
Abgrenzungsschwierigkeiten im Einzelfall würde dadurch ein gewisses Maß
an Rechtssicherheit geschaffen werden, insbesondere da sich über die
Jahrzehnte eine ausgeprägte Begriffsbestimmung durch die Rechtsprechung
entwickelt hat. Zudem entspricht diese ertragsteuerliche Anknüpfung dem
Ziel des Gesetzgebers bei Einführung des Verwaltungsvermögenskatalogs.
Schließlich wäre eine solche Anknüpfung ein Beitrag zur
Vereinheitlichung der Rechtsordnung, dem keine
erbschaftsteuerrechtlichen Grundlagen entgegenstehen dürften.
Ein Abstellen auf den bisherigen bewertungsrechtlichen, eng gefassten Ansatz
zur Bestimmung des betriebsnotwendigen Vermögens lehnt der DStV ab. Wie
er in seiner Stellungnahme aufzeigt, wird diese Begriffsbestimmung den
wirtschaftlichen Verhältnissen von Unternehmen nicht gerecht.
Die
Schaffung zusätzlicher rechtlicher Abgrenzungskriterien (neben den
bewertungs- und ertragsteuerlichen Vorgaben) lehnt der DStV ebenfalls
ab, da sie die Beratungspraxis in hohem Maße belasten würden.
Der DStV spricht sich schließlich deutlich gegen eine gesetzliche Positiv- sowie Negativliste
aus, wie sie nach dem geltenden Recht für die Bestimmung des land- und
forstwirtschaftlichen Vermögens vorgesehen ist (§ 158 Abs. 3, 4 BewG).
Zwar mag diese Vorgehensweise für die land- und forstwirtschaftliche
Branche praxistauglich sein. Allgemein gehaltene Kataloge zur Bestimmung
des Betriebsvermögens würden aber die vielfältigen Branchenspezifika
nicht ausreichend berücksichtigen.
Obergrenze: Bewertungsrechtliche Problemfelder
Das
Eckpunktepapier sieht für die Verschonung des begünstigten Vermögens
eine erwerbsbezogene Obergrenze von 20 Mio. Euro vor. Grundsätzlich
befürwortet der DStV die Festlegung eines bestimmten, betragsmäßigen
Höchstwertes, da ein solches Kriterium relativ präzise und handhabbar
ist.
Die gewählte Höhe der Obergrenze erachtet der DStV hingegen
als sehr niedrig, insbesondere da durch die bewertungsrechtlichen
Vorschriften das Betriebsvermögen regelmäßig überbewertet ist. Im Zuge
der anstehenden Erbschaftsteuerreform sollten aus seiner Sicht deshalb
dringend die seit Jahren von der Wirtschaft, der Beratungspraxis sowie
der Fachliteratur an den Gesetzgeber adressierten Problemfelder bei der realitätsgerechten Bewertung von Familienunternehmen behoben werden.
Nach
der Praxiserfahrung der Steuerberater ergibt sich ein
bewertungsrechtlicher Handlungsbedarf aufgrund der regelmäßig in den
Gesellschaftsverträgen vorgesehenen Verfügungsbeschränkungen
(wie beispielsweise einer Verringerung der Abfindung beim Ausscheiden
eines Gesellschafters, Entnahmebeschränkungen oder Verboten,
Gesellschaftsanteile an außerfamiliäre Erwerber zu veräußern).
Darüber hinaus erhält die realitätsgerechte Bewertung eine zunehmende Bedeutung durch das anhaltende, von der EZB forcierte niedrige Zinsniveau.
Dieses führt durch die Einbeziehung in die Bewertungsmethoden zu einer
fern jeder Realität liegenden, überhöhten Bemessungsgrundlage. Gerade,
weil diese Umstände außerhalb des Einflussbereichs des Steuerpflichtigen
liegen, obliegt es nach Ansicht des DStV dem Gesetzgeber, entsprechende
Wechselwirkungen abzumildern und die rechtlichen Grundlagen für eine
realitätsgerechte Bewertung zu schaffen.
Wie geht es weiter?
Nach
intensiven Diskussionen zwischen den Finanzministern Mitte März
beschlossen sie die Einrichtung einer fachlichen
Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Die Erörterungen der Finanzminister werden
Mitte Mai fortgesetzt. Der DStV wird die weitere Entwicklung konstruktiv
begleiten.
Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage des DStV.
Quelle: DStV
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